(dargestellt am Beispiel der italienischen Fernsehsprache), in

Wolfgang Bufe/ Ingo Deichsel /Uwe Dethloff
(Hrsg.)
Fernsehen und
Fremdsprachenlernen
Untersuchungen zur audio-visuellen
Informationsverarbeitung:
Theorie und didaktische Auswirkungen
gnw Gunter Narr Verlag Tübingen
Merkmale der Mediensprache
(dargestellt am Beispiel der italienischen
Fernsehsprache)
Günter Holtus I Wolfgang Schweickard
1. Die Massenmedien
zwischen Soziologie und Linguistik
Den Massenmedien werden in der Regel Presse, Film, Hörfunk und Fernsehen zugerechnet. Diese Medien, die vor allem aus soziologischer Sicht
Gegenstand wissenschaftlicher Beschäftigung sind, 1 stellen auch für die
Sprachwissenschaft ein weites Untersuchungsfeld dar, denn die spezifischen soziologischen Bedingungen der Massenmedien stehen in Wechselwirkung zu den sprachlichen Gestaltungsformen, die ihnen eigen sind.
Zwischen sozialwissenschaftlicher und linguistischer Betrachtungsweise
der Massenmedien steht als Bindeglied die Kommunikationsforschung. 2
AuskomniatherscSwidaufelmntrEgschten der Mediensprache verwiesen:
„Der Prozeß der Massenkommunikation kann als Spezialfall sprachlichen
Verhaltens betrachtet werden, in dem Informationen von relativ wenigen
Individuen (Kommunikatoren) mit Hilfe technischer Verbreitungsmittel
(Medien) an ein breites Publikum (Rezipienten) übermittelt werden"
(KoszYK/Pauvs 1969, s.v. Sprache).
Die Fernsehsprache als Form der Mediensprache steht zunächst in
Abhängigkeit von den allgemeinen Strukturbedingungen der Massenmedien als pragmatischen Rahmenbedingungen, deren gemeinsame Charakteristika nach ZANACCHI wie folgt beschrieben werden können:
Für einen allgemeinen Überblick zur Problematik der Massenmedien cf. das
Stichwort Massenmedien in NOELLE-NEUMANN/SCHULZ 1971 sowie MEYN 1974. —
Zu den sozialwissenschaftlichen Grundlagen der elektronischen Medien insgesamt cf. für das Beispiel der Bundesrepublik Deutschland auch die umfassenden Darstellungen von BAUSCH 1980 und BESSLER 1980.
Cf. dazu aus sozialwissenschaftlicher Sicht KRALLMANN/SOEFFNER 1973; aus
sprachwissenschaftlicher Sicht STEINMÜLLER 1977.
163
— Die vermittelnden Medien sind wirtschaftliche Organisationen, oft von
komplexer Struktur und in hohem Maße spezialisiert;
— die benutzten Instrumente machen die gleichzeitige, öffentliche Reproduktion und Verbreitung von Nachrichten möglich;
— die Nachrichten werden so vorbereitet, daß sie mit diesen Instrumenten
nach standardisierten Schemata verbreitet werden können;
— die Öffentlichkeit, für die diese Nachrichten bestimmt sind, ist potentiell
unbegrenzt und setzt sich aus Individuen in den verschiedensten soziokulturellen Situationen zusammen;
— der Kommunikationsprozeß ist nicht reziprok, denn er verläuft nur in
Richtung Sender — Empfänger. 3
Während die kommunikationstheoretischen Aspekte aus der Sicht der
Sozialwissenschaft nun insbesondere im Rahmen der Wirkungsforschung
ihren Niederschlag finden, 4 konzentriert sich die Linguistik auf die Sprache als Träger der Kommunikation. Die Besonderheiten des Mediums
Sprache im Rahmen der Massenmedien sollen im folgenden im Hinblick
auf die Erstellung einer Merkmalanalyse und Merkmaltypologie durch
eine empirische Untersuchung zusammengestellt werden, wobei als zentraler Bereich die Sprache des Fernsehens betrachtet wird; das sprachliche
Material entstammt der italienischen Fernsehsprache. 5
ZANACCHI 1978, S. 45f.
Aspekte der Wirkung der Massenmedien werden in diesem Beitrag nur bei der
Behandlung der Werbesprache betrachtet, wo sich die intendierte Wirkung
deutlich in entsprechenden sprachlichen Formen spiegelt. — Zur Wirkungsforschung im allgemeinen cf. NOELLE-NEUMANN/SCHULZ 1971 (s.v. Wirkung der
Massenmedien) sowie spezieller PROKOP 1981, vor allem S. 63ff.
Für die Aufnahme und Transkription der Fernsehtexte bedanken wir uns bei
den Teilnehmern italienischer Seminare an der Universität des Saarlandes (WS
1979/80) und der Universität Mainz (WS 1981/82). Zur Entwicklung und zur
gegenwärtigen Situation der italienischen Massenmedien cf. die Darstellungen
bei DE MAURO 1979, S. 110ff. und 430ff. , und bei SCHENK 1982. —Die Problematik der Verständlichkeit der Mediensprache ist eine für die Verhältnisse in Italien besonders relevante Fragestellung, die hier nur kurz skizziert werden soll.
Konkret geht es dabei um die Frage, in welchem Maße ein nicht aus städtischen
Zentren oder aus der Toscana stammender italophoner Sprecher einer mittleren oder unteren Schicht in der Lage ist, die ihm in den Medien angebotene
Sprache überhaupt zu verstehen. Zum Verständnis der Mediensprache in Nachrichtentexten sind seit 1964 von der RAI verschiedene Untersuchungen durchgeführt worden, die auf Testverfahren beruhen, deren Methodik insbesondere
in Beiträgen von RENZI (1977) und BERRUTO (1978) kritisch analysiert worden
ist. Als eines der zentralen Ergebnisse der Untersuchung kann festgehalten werden, daß die Verbindungen zwischen dem Grad des Verständnisses einzelner
lexikalischer Elemente und den grundlegenden demographischen und soziologischen Variablen eindeutig nachweisbar sind: Je nach Bildungsgrad, sozialer
Schichtzugehörigkeit, Beruf, regionaler Herkunft und — wenn auch in geringerem Maße — Geschlechtszugehörigkeit und Alter ergeben sich unter-
164
2. Fernsehsprache und Varietätenlinguistik
Das Fernsehen verfügt über ein breites Spektrum von Sendungstypen,
wobei die Bandbreite von sprachlich relativ einfachen, weil vorgelesenen
Nachrichten bis hin zur spontanen und komplexen sprachlichen Form von
Show-Sendungen oder live-Interviews variiert.
"Come stato osservato, la TV fatta di svariate forme di spettacolo (concerto, balletto, opera, teatro , cinema, Sport) e di altrettanto svariate forme
di comunicazione (lezione scolastica, dibattito, conferenza stampa, inchiesta, sermone, comizio, esposizione informativa, cronaca diretta
estemporanea, dialoghi dal vivo, dialoghi preordinati ecc.): essa, se si bada
alle modalitä di realizzazione del messaggio, piü ehe un linguaggio unitario, una somma dei linguaggi, delle forme piü diverse di spettacolo e
comunicazione" . 6
Auch gewinnt das Vorhandensein der durch das Fernsehbild vermittelten Situation in ihrer Auswirkung auf die Sprachform besondere Bedeutung. 7 Diese Heterogenität läßt es zunächst angebracht erscheinen, vor der
eigentlichen empirischen Untersuchung anhand der Analyse ausgewählter
Texte einige allgemeine Grundlagen des sprachwissenschaftlichen Varietätenbegriffs resümierend darzustellen.
Der Terminus sprachliche Varietät umfaßt eine Reihe von unterschiedlichen Erscheinungen, die sich in der sprachlichen Wirklichkeit in vielfältiger Weise überschneiden und gegenseitig beeinflussen: Es sind dies die
soziolinguistisch erfaßbaren Varietäten unterschiedlicher sozialer Schichten, die diatopischen Varietäten, die diasituativen Varietäten sowie die
zahlreichen spezifischen Sonder-, Gruppen-, Fach- und Berufssprachen,
die je nach sprachlicher Realisation noch in verschiedenem Maße der
schiedliche prozentuale Anteile an verstandenen bzw miß- oder unverstandenen lexikalischen Einheiten. Insgesamt zeigen die Tests, daß die Zahl angeblich
„leichter" lexikalischer Elemente weitaus geringer ist, als bisher angenommen
wurde; bei den „schwierigen" lexikalischen Elementen handelt es sich nicht
unbedingt nur um technologische oder fachsprachliche Ausdrücke, sondern
auch um Wörter und Syntagmen aus der Alltagssprache, die im jeweiligen Kontext und in bestimmten Zusammensetzungen nicht mehr ohne weiteres verstanden werden (cf. zum Ganzen auch HOLTUS 1980).
DE MAURO 1979, S. 435 (mit anschaulichen Beispielen im folgenden).
Cf. dazu auch den Beitrag von Richard BAUM in diesem Band. — Demgegenüber
schränkt der ausschließlich auditive Charakter des Rundfunks die Wirkungsmöglichkeiten der Radiosprache ein. Aufgrund des Fehlens des visuellen Kontaktes überwiegen zur Förderung der Verständlichkeit und der Prägnanz
zumeist kürzere Sätze ohne syntaktische Inversionen, parallele Konstruktionen, Wiederholungen des Subjekts. Fracastoro MARTINI (1951, S. 34) bemerkt
dazu: „La radio deve dire spesso molte cose in tempo ristretto; dirle chiaramente, dirle in modo da poter interessare la massima parte degli ascoltatori
senza incorrere nella disapprovazione o rischiare di non farsi intendere".
165
grundsätzlichen Dichotomie von gesprochener und geschriebener Sprache
zugeordnet werden können. 8
Am ausführlichsten untersucht wurden von den hier genannten sprachlichen Formen die diatopischen Varietäten, die sich aus der geographischen
Gliederung Italiens ergeben und denen Bereiche zuzuordnen sind wie die
dialetti locali (patuä, örtliche Kleindialekte), die großräumigen dialetti
regionali sowie die italiani regionali. Der Begriff der diastratischen Varietäten bezieht sich dagegen auf die sich aus der Zugehörigkeit zu bestimmten
sozialen Schichten ergebenden sprachlichen Varietäten, wobei allerdings
klar ist, daß es sich hier um eine linguistische Klassifikation bzw. Systematisierung handelt, die in der Sprachwirklichkeit nicht ohne die genannten
Überschneidungen auftritt.
Der Begriff des sprachlichen Registers bezeichnet die sich aus der Perspektive des Sprachbenutzers bietende Möglichkeit, entsprechend der
jeweiligen Situation über verschiedenartige Varietäten zu verfügen, d.h.
es handelt sich weniger um eine sprachtheoretische Nomenklatur, nach
der spezifische sprachliche Erscheinungsformen klassifiziert werden, als
vielmehr um die potentielle Bereitschaft, sprachliche Varietäten — seien sie
nun in der Klassifikation der Varietäten den diatopischen oder den diastratischen Varietäten zugeordnet — möglichst adäquat zu den Gegebenheiten
des jeweiligen Situationskontextes anzuwenden. Der den Registern entsprechende Klassifikationsterminus auf der Ebene des Diasystems sollte
als diasituativ angegeben werden.
Es erscheint nun nicht angebracht, den Begriff des sprachlichen Registers direkt mit den traditionellen Niveaumarkierungen wie etwa vulgär,
populär, familiär, umgangssprachlich, standardsprachlich, gehoben, gebildet und anderen mehr oder weniger präzise zu bestimmenden Bezeichnungen in Verbindung zu setzen. Vielmehr ist die Zuordnung zu einem
bestimmten Sprachniveau letzten Endes eine Frage der jeweiligen Norm,
deren Ausprägung jedoch je nach dem vorliegenden Situationskontext
unterschiedlich anzusetzen ist. Entsprechend den besonderen Gegebenheiten eines Kommunikationsprozesses können sprachliche Elemente —
phonetische Eigentümlichkeiten, morphologische Sonderformen, lexikalische Besonderheiten — oder kommunikative Verhaltensweisen je nach
Situationskontext unterschiedlich markiert werden als z. B. standardsprachlich (neutral, „italienisch"), familiär, populär oder auch vulgär. Die
Zuordnung zu dem jeweiligen Niveau ist abhängig von der jeweiligen
Norm, deren Bestimmung je nach Situationskontext, nach sozialer Stellung von Sprecher und Hörer, nach dem Öffentlichkeitsgrad, nach der
Thematik und der Rolle der sprachlichen Äußerung im Kommunikationsprozeß unterschiedlich ausfällt.
Die jeweilige Klassifizierung der sprachlichen Elemente kann nicht für
alle Situationen die gleiche sein; von daher erscheinen die Versuche und
8 Dabei ist zu verweisen auf SOLL 1980, NABRINGS 1981 sowie, speziell zum
Bereich der Italianistik, die Beiträge in HOLTUS/RADTKE 1983.
166
Bemühungen der Lexikographie oder der Grammatik, einzelnen Lexemen bzw. bestimmten grammatischen Erscheinungen abstrakte einheitliche Niveauangaben zuzuordnen (fam., pop. , vulg. etc.) von vornherein
als ein relativ aussichtsloses Verfahren, solange nicht ein differenzierteres
Raster an die lexikographische bzw. die grammatikalische Markierung
angelegt wird und die jeweilige Normausprägung entsprechend berücksichtigt wird. Besonders im Bereich der Dichotomie von gesprochener und
geschriebener Sprache wird die unterschiedliche Niveaumarkierung deutlich: Was im gesprochenen Italienisch z.B. als neutral, als standardsprachlich gilt, kann in geschriebener Sprache durchaus als vom Standard abweichend klassifiziert werden, etwa als familiär oder populär — wobei im Italienischen die Markierung als regionalsprachlich oder als dialektal noch
eine besondere Rolle spielt. Derartige Verschiebungen in der Niveauzuordnung hängen ab von all den Faktoren, die für die Analyse und Bewertung eines Kommunikationsaktes relevant sind.
Darüber hinaus sei noch in der Varietätenbetrachtung der diachrone
Aspekt angesprochen, der den Sprachwandel im sprachgeschichtlichen
Vergleich als Veränderung des Stellenwertes von Varietäten begreift,
wenngleich der Umfang des Vergleichsmaterials für ältere Sprachzustände
noch nicht gesichtet ist und zu Spekulationen Anlaß geben kann. Hier
eröffnet sich möglicherweise ein weites Feld für Untersuchungen, die sich
nicht auf den synchronen Aspekt zu beschränken brauchen, sondern — aufgrund der historischen Veränderlichkeit der einzelnen Komponenten —
gerade aus diachroner Perspektive die angeführten Faktoren mit zu
berücksichtigen und zu erfassen hätten.
3. Typen von Sendungen
Es ist nun offensichtlich, daß die Sprachformen entsprechend den Typen
der Sendungen variieren. Um hier eine möglichst große Bandbreite zu
erfassen, wurden im folgenden Texte von Nachrichtensendungen, von Werbesendungen sowie von Interviews ausgewählt. 9
3.1. Nachrichtensendungen
Zur Nachrichtensprache wird zunächst eine Sendung des Telegiornale der
RAI vom 1. September 1982 (Rete Uno, ore 13) wiedergegeben:
1.
1 Buongiorno – i titoli del nostro giornale ampio confronto politico alla
Camera sul programma del nuovo governo Spadolini interventi dei principali leaders politici – oggi la Polonia ricorda ii secondo anniversario della
nascita di Solidarnosh – clima teso in tutto il paese – carri armati e polizia
5 presidiano le principali cittä — assassinato da un ergastolano nel carcere di
Ascoli Piceno – Andrea Bergamelli – uno dei capi del clan dei marsigliesi
7 – sta migliorando la situazione dei traghetti per i turisti ancora in attesa nei
9 Zur Typologie der Sendungen cf. KREUZER/PRÜMM 1979.
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8 porti sardi di Olbia e di Porto Torres. – L'attenzione del mondo sulla Polonia che vive oggi in un'atmosfera di attesa carica di tensione – Panniversa10 rio della firma dei fragili accordi che due anni fa decretarono – la nascita del
sindacato libero – Solidarnosh – II regime militare comunista ha adottato
tutte le possibili precauzioni – ha mobilitato polizia reparti speciali ed esercito – per ora – non si segnalano incidenti in nessuna parte del paese – solo
le prossime ore – ci diranno se l'appello alla mobilitazione – lanciato dai
15 dirigenti in clandestinitä di Solidarnosh – riuscito o no a vincere nella
popolazione ii timore delle repressioni governative – i giornali e la televisione ancora stamattina invitavano i polacchi a non aderire – alle manifestazioni – indette per oggi – l'agenzia di stampa – sottolinea che le violazioni
• saranno punite con tutta la necessaria severitä – anche con l'uso della forza
20 particolare attenzione – il regime dedica ai cantieri navali Lenin di Danzica – che da questa mattina sono completamente circondati dalle forze delPordine – e da soldati in assetto di guerra – le autoritä hanno anche bloccato
l'accesso al monumento alle vittime del dicembre del settanta – che si trova
nella piazza proprio di fronte all'entrata numero due dei cantieri – reparti
25 speciali presidiano i punti strategici della cittä –ein particolare II centro storico – anche a Varsavia Stettino e in tutte le principali cittä della Polonia –
polizia ed esercito controllano strade e quartieri — sono intanto finite – lo
annuncia questa mattina l'organo dell'esercito polacco – le manovre congiunte polacco sovietiche che si erano tenute nei giorni scorsi nei dintorni
30 di Varsavia — Libano – in Libano si concluso questa mattina l'esodo dei
Siriani da Beirut – un convoglio di duecentosessantacinque automezzi del
quale facevano parte circa duemila Siriani – ha imboccato – scortato da bersaglieri italiani poco dopo le sei e un quarto – l'autostrada che collega Beirut a Damasco – entro oggi lasceranno Beirut via mare a bordo di due navi
35 passeggeri gli ultime – gli ultimi mille guerriglieri palestinesi ancora in
Libano – una delle navi e diretta in Siria – l'altra nello Yemen del nord —
intanto questa mattina l'aviazione israeliana – ha abbattuto un MIG ventitr siriano – impegnato in una missione di rilevamento fotografico sul
Libano – i rottami dell'aereo sono caduti sulla cittä di (...) a nord di Beirut
40 l'impatto del veicolo ha provocato un principio d'incendio – il pilota si
salvato lanciandosi col paracadute – questo il primo incidente militare dal
giugno scorso – quando tu concordato il cessate il fuoco tra Israeliani e
Siriani — Cian Cing – la vedova di Mao Tze Tung giä condannata a morte
per aver capeggiato la banda dei quattro – non sarä uccisa – lo ha annun45 ciato il presidente del partito comunista cinese – (...) – alla vigilia del congresso del partito il secondo dopo la morte di Mao – Cian Cing – che ha sessantott'anni – stata condannata a morte ii ventuno gennaio dell'ottantuno
48 al termine di uno spettacolare processo
–
–
Der vorstehende Nachrichtentext ist zwar gesprochen, Merkmale
authentisch gesprochener Sprache sind jedoch nur ansatzweise zu erkennen; zu nennen wären die Verzögerung durch Pause bei: „Libano — in
Libano . . ." (1:30), oder der Versprecher: „gli ultime — gli ultimi mille guerriglieri" (1:35). Insgesamt kommen jedoch die Möglichkeiten und Notwendigkeiten des mündlichen Sprachgebrauchs, so die Kontrolle des Re168
deverlaufs durch Mittel, die ihren Niederschlag in besonderen sprachlichen Merkmalen finden, kaum zum Tragen; im allgemeinen vermißt man
hier die charakteristischen Merkmale gesprochener Sprache wie Gliederungssignale, Anakoluthe, Abtönung, Hervorhebungen, „Fehlerhaftigkeit", Redundanzen, Partikelreichtum. Die im wiedergegebenen Textkorpus anzutreffende Sprache erinnert vielmehr an die Sprache der Nachrichten in Zeitungstexten. 1° Daß Merkmale der gesprochenen Sprache fehlen,
ist daraus zu erklären, daß Nachrichten in der Regel von einem vorredigierten Blatt abgelesen werden; dabei ist weder die Voraussetzung für spontane Sprachäußerungen gegeben, noch bleibt dem Sprecher die Möglichkeit zur individuellen Variation. Darüber hinaus ist gerade bei Nachrichtensendungen im Fernsehen eine weitgehende stilistische Neutralisierung
durch die unpersönliche und emotionslose Wiedergabe der Meldungen
durch den Sprecher festzustellen. 11
Die sprachliche Struktur des Textes ist aus syntaktischer Sicht wenig
komplex und entspricht damit dem Erfordernis einer präzisen sprachlichen
Mitteilungsstruktur, wobei es auf stilistische Feinheiten nicht ankommt.
Dominierend sind kürzere Sätze, Hypotaxen sind nur in einfacher Form,
als Relativsätze (eingeleitet durch che bzw. il quale) vorzufinden. Satzübergreifend handelt es sich meist ebenfalls um Reihungen als Entsprechung
des chronologischen Fortschreitens der erzählten Begebenheiten, ohne
komplizierte Vor- oder Rückgriffe; besondere stilistische Stereotypie
bewirken Ansätze zu syntaktischem Parallelismus (cf. 1:11-12). Satzübergreifende Verknüpfungen mit Konjunktionen bewegen sich mit anche
(1:22; 1:26) ebenfalls im einfachen Bereich, der Perspektivenwechsel bzw.
die Ergänzung von bis dahin nicht mitgeteilter Information wird hier mit
intanto eingeleitet (1:27; 1:37). Potentielle Hypotaxen werden durch die
Verwendung von Partizipien in der Regel attributiv konstruiert (1:14-15;
1:18; 1:32; 1:38; 1:43); eine ähnliche Funktion haben parenthetische Einschübe (cf. 1:28). Der Tendenz zur syntaktischen Raffung entspricht die
häufige Elision des Prädikats (cf. 1:9); die Verkürzung des Ausdrucks illustriert auch ein Beispiel wie „se riuscito o no", wo auf eine lexikalische
Wiedergabe der inhaltlichen Antonymie (etwa: riuscire —fallire) verzichtet
und zur Kennzeichnung der semantischen Opposition auf die Möglichkeit
der einfachen Verneinung zurückgegriffen wird. Neben den Merkmalen
10 Zur Zeitungssprache seien hier nur die folgenden Titel genannt: ALTIERI BIAGI
1974, BECCARIA 1973a, DARDANO 1981.
11 Dies schon als Konsequenz aus der prinzipiellen Verpflichtung zur Objektivität
und Ausgewogenheit:
„Mit zunehmender Kontrolle der Parteien in den öffentlich-rechtlichen Anstalten wird die Forderung nach ‚Ausgewogenheit' im Sinne einer formalen Konfrontation von ‚Für' und ‚Wider' verstanden, und zwar nicht, wie es plausibel
wäre, im Rahmen des gesamten Programms oder des gesamten Angebots der
verschiedenen Anstalten, sondern innerhalb jeder einzelnen Sendung" (Prokop
1981: 19). Cf. zur Nachrichtensprache auch SMITH 1977, GAIER 1978.
169
Kürze und Klarheit kommt es bei der Nachrichtenvermittlung vor allem
darauf an, die wichtigste Information in den Mittelpunkt zu stellen und sie
möglichst wenig durch erläuterndes Beiwerk zu verdecken; auch dieser
Aspekt findet sprachlichen Niederschlag, so bei der häufig anzutreffenden
Inversion: „particolare attenzione — il regime dedica ai cantieri .." (1:20);
„entro oggi lasceranno Beirut via mare a bordo di due navi passeggeri gli
ultime — gli ultimi mille guerriglieri palestinesi`.` (1:35); questo il primo
incidente militare" (1:41). Insgesamt ist diese hierarchische Informationsstruktur mit der Frontierung der eigentlichen interessierenden Mitteilung
und den darauf folgenden ergänzenden Angaben charakteristisch für die
Nachrichtenmeldung.
Besondere sprachliche Merkmale sind in der einleitenden Themenübersicht (1:1-8) zu erkennen, in der größtmögliche Kürze erreicht werden
soll. Die sprachliche Struktur entspricht dabei in ihrem telegrammstilartigen Aufbau den allgemeinen Merkmalen der Zeitungsüberschriften. 12 Im
einzelnen ist hinzuweisen auf die Elision des Prädikats (1:4), die Satzeinleitung durch Partizip (1:5), die Inversion (1:7). Deutlicher als im ausführenden Teil tritt hier das allgemeine Merkmal des Nominalstils hervor, so
besonders im ersten Satz. Typisch für diese Art des gedrängten Überblicks
ist des weiteren die Verwischung der Satzgrenzen: „i titoli del nostro giornale/ampio confronto ." (1:1); „... sul programma del nuovo governo
Spadolini/interventi dei principali leaders politici" (1:2).
Das Lexikon entspricht grundsätzlich standardsprachlichen Normen,
mit einzelnen stilistischen Überhöhungen: presidiare für sorvegliare (1:25),
esodo für uscita (1:30). Außerdem werden Fremdwörter verwendet: leaders (1:3), clan (1:6); dies kann als Reflex der Internationalität politischer
Nachrichten angesehen werden. Verbreitet ist auch fachsprachlicher Wortschatz anzutreffen, zu erklären als Reflex der inhaltlichen Bedingtheit der
Nachrichtensendungen. Aus der Natur der Sache resultiert, daß hier
besonders der politische Wortschatz dominiert: accordi (1:10); sindacato
(1:11); regime (1:11); comunista (1:11); polizia (1:12); reparti speciali
(1:12); repressioni governative (1:16); autoritä (1:22); partito comunista
(1:45); auch ein hoher Anteil militärischen Wortschatzes ist (in diesem
Falle) zu vermerken: militare (1:11); esercizio (1:13); soldati in assetto di
guerra (1:22); punti strategici (1:25); manovre (1:28); convoglio (1:31);
scortato (1:32); bersaglieri (1:32-33); guerriglieri (1:35); aviazione (1:37);
abattuto (1:37); missione di rilevamento fotografico (1:38); cessate ilfuoco
(1:42). Im Bereich des Lexikons kann auch auf die geringe Redundanz
(keine Wiederholungen) des Nachrichtentextes verwiesen werden, die aus
der schriftsprachlichen Konzeption des Textes folgt.
12 Cf. dazu auch HALL 1980. — Derartige Überschriften erscheinen bisweilen auch
auf dem Bildschirm.
170
Wenn die Sprache dieser Nachrichtensendung auch einen sehr formellen
Charakter aufweist, 13 so muß doch der Vorstellung von der generellen
Homogenität der Nachrichtensprache entgegengetreten werden:
„L'opposizione fondamentale del giornalismo televisivo quella fra notizia
LETTA e notizia DIRETTA. Certo i nostri giornalisti televisivi, legati a
pratiche trentennali di spartizione del potere, sembrano piü dei ,velinari`,
con potenziamento quindi del modello formale scritto, di cui la realizzazione letta appena un mascheramento che poco o niente concede all'informalitä. Ma lo schema si arricchisce ad un'analisi tipologica del TG. Se per
la cronaca internazionale e interna prevale la notizia d'agenzia e ii commento (anche neue indagini di attualitäii commento ai filmati segue sceneggiature ben definite), l'informalitä riemerge (o potrebbe riemergere)
nei resoconti degli inviati speciali e neue interviste"
(CORTELAZZO/PACCAGNELLA 1977, S. 102).
Schon die oben genannten lexikalischen Merkmale können nur für den
Bereich der außen- und innenpolitischen Meldungen Geltung beanspruchen und nicht etwa für die Sportnachrichten. Auch zwischen Nachrichtensendungen verschiedener Stationen und zu verschiedenen Sendezeiten
sind Unterschiede festzustellen; so erweisen sich die im folgenden wiedergegebenen Sendungen des TG2 gegenüber dem vorher besprochenen Beispiel als informeller:
2.
1 E abbiamo avuto stasera anche noi la conferma che si trattava di un, di una
valigia, forse di un baule con rotelle. Ancora un particolare che emerso
nella conferenza stampa di Pannella. La corrispondente da Roma del giornale tedesco Stern, settimanale Stern, tedesco, di Amburgo, ha detto ai
5 giornalisti italiani che tre mesi fa ii direttore della sua rivista ricevette una
lettera da una lettrice tedesca, la quale si diceva sicura che la Signora Anneliese Kappier stava progettando la fuga del marito. Ii direttore mise, strac8 ciö la lettera e la gettö nel cestino.
Für die von Text 1 abweichende Sprachstruktur ist in erster Linie ein
Unterschied verantwortlich, der aus der Programmkonzeption resultiert:
Während im ersten Beispiel der Sprecher, wie bereits erörtert, seinen Text
von einem vorredigierten und ausformulierten Blatt abgelesen hat, steht in
dem hier zitierten Beispiel aus dem TG2 der Sprecher nur mit einem Notizzettel vor der Kamera und formuliert live, wobei das Resultat als sprachliche Mischform figuriert, die zwischen spontaner, unvorbereiteter Rede
und im voraus konzipierter Äußerung steht. Aus dieser Situation ergeben
sich konkrete Divergenzen gegenüber Text 1. Dabei ist zunächst ein Merkmal zu erwähnen, das hier nicht reproduziert werden kann, nämlich die
Gestik und Mimik des Sprechers, die mit zunehmender Spontaneität der
Rede immer deutlicher zum Ausdruck kommt. Auffällig ist auch der
Ansatz von Subjektivität (mögliche Rivalität zwischen TGI und TG2)
13 Zur Dichotomie formell vs. informell cf. die grundlegenden Ausführungen bei
DE MAURO 1970.
171
in dem Satz „abbiamo avuto stasera anche noi la conferma" (2:1). Charakteristisch für die hier repräsentierte Sprachform, die insgesamt eine weitaus größere Nähe zu authentischer gesprochener Sprache aufweist, sind
des weiteren die syntaktischen Fehlstarts: „si trattava di un, di una valigia,
forse di un baule con rotelle" (2:1-2); ebenso: „Il direttore mise, stracciö
la lettera e la gettö nel cestino" (2:7-8). Die Unmittelbarkeit der Äußerung illustriert auch das folgende Beispiel, in dem der Sprecher seine Aussage fortschreitend korrigiert und präzisiert: „La corrispondente da Roma
del giornale tedesco Stern, settimanale Stern, tedesco, di Amburgo ..."
(2:3-4).
Es folgt ein weiteres Textbeispiel aus dem TG2 (30. April 1982), bei dem
besonders deutlich wird, wie sich die sprachliche Struktur der notwendigen
Kürze der Darstellung anpaßt. Informationen, die eigentlich in einem eigenen Nebensatz Ausdruck finden müßten, werden, wie bisweilen auch in
der Zeitungssprache, bis auf die Wortebene reduziert und asyndetisch
akkumuliert:
3.
1 Questa mattina a Palermo alle nove e venticinque stato assassinato Pio
La Torre – cinquantacinque anni – deputato – membro della direzione del
partito comunista – e da qualche mese – segretario regionale del partito in
Sicilia — con lui stato ucciso anche ii suo autista – Rosario di Salvo – tren5 tasei anni – padre di tre figli.
3.2. Werbesendungen
Als weiterer Texttypus wurde die Sprache von Werbesendungen ausgewählt. Das Fernsehen ist eines der wirkungsvollsten Werbemedien der
Gegenwart; durch die enormen Zuschauerquoten kommen ihm schon aus
quantitativer Sicht besondere Möglichkeiten der Beeinflussung des
Zuschauers zu. Es ist hier schon im voraus festzuhalten, daß bei der Fernsehwerbung dem Bild eine zumindest gleich große Bedeutung für den Werbeeffekt zukommt wie der Sprache, wenngleich dieser Aspekt aus praktischen Gründen im folgenden nicht angemessen berücksichtigt werden
kann. Grundsätzlich läßt die Werbesprache ein besonders vielfältiges
sprachliches Bild erwarten:
„Uno dei piü attivi linguaggi settoriali quello della pubblicitä, che ci bombarda quotidianamente attraverso ogni manifestazione divulgativa della
civiltä dei consumi; particolarmente attivo in quanto, a differenza di altri
linguaggi speciali, quello pubblicitario investe tutti gli aspetti e gli oggetti
della nostra vita quotidiana, dai cibi ai cosmetici, dai medicinali all' arredamento dagli strumenti della cultura ai mezzi di locomozione ecc. Esso
viene quindi a costruirsi di volta in volta al punto d'incontro fra la lingua
comune, gli specifici apporti linguistici di svariate tecniche e le strutture formali della retorica persuasiva" . 14
14 CORTI 1973, S. 119. – Zur Werbesprache im allgemeinen cf. auch ALTIERI BIAGI
1965, CARDONA 1974, MEDICI 1973, MILANI 1975.
172
Zur Werbesprache im Fernsehen zunächst die folgenden Korpora, wobei
die Texte (1) bis (5) und (7) in Dialogform gehalten sind, während Text (6)
monologisch ist:
1 A: Senti — cosa farai da grande
B: Ii marinaio
A: E tu
C: La ballerina — pure lei
5 D: Io no — l'attrice
A: Beh — e tu
E: astronauta
G: Io vorrei diventasse medico
E: E' piü bello andare sulla luna
10 A: Allora signora — questi bastoncini Findus — per l'astronauta o per il
medico
G: Mah si vedrä —intanto per farlo crescere bene — gli dö questi bastoncini
di pesce che gli piacciono tanto
A: E allora — per il futuro medico (sospensione)
15 E: Astronauta (irritato/con insistenza)
16 A: B astoncini di merluzzo Findus — buon pesce —tutta forza — niente spine
1 A: Noi cercavamo qualcosa di veramente bello — e che durasse nel tempo
B: Ee quando ho visto la serie Olimpia di (...) Inox aeternum — me ne
sono innamorata subito
A: Pentole tegami casseruole — tutte (...) in massiccio acciaio Inox diciotto
dieci — Re Inox aeternum.
5
3.
1 C: 0oh quant' buono quant' buono ii latte Giglioo — io — me lo bevo
— me lo gusto — me lo piglioo (cantando)
D: Giglio — un mondo fatto di latte — un prodotto garantito da una grande
cooperativa
5 C: Latte Giglio che bontä (cantando)
6 D: Bontä — e fantasia
1 A: Eh scusi
B: Mh
A: Eh scusi — comincia presto eh
B: Si certo
5 A: Ee si giä fatto la barba
B: Si — e bene anche
A: Eppure dovrebbe radersi ancora
B: Meglio di cosi — e con che
A: Con Braun Micron duemila — rade piü a fondo ma delicatamente
10
— percM ha una lamina sottilissima e ricoperta al platino — vuol provare
B: Si proviamo — ma poi mi compra il (...) eh
A: Senta com' dolce — eppure (sospensione) — guardi
B: Perö (sorpresa) — me lo lascia
14 C: La Braun — un rasoio davvero differente — Micron duemila — morbidi
(.. .?) in rilievo coprono un'impugnatura per una presa sicura e comoda
— una lamina al platino flessibile e sottilissima — trenta lame d'acciaio
16
173
17
18
5.
temperato – per una rasatura dolce ma sempre a fil di pelle – Micron
duemila – ii miglior rasoio che abbia mai portato ii nome – Braun
1 A: Allora signora (...) mi racconti – come mai proprio Dixan
B: Mi arrivato come una manna – mia sorella coi suoi viene in vacanza da
noi lei lava e io stiro – noto che la sua roba non ha neanche un'ombra e
si che fa di quelle macchinate a sessanta gradi – ma con che lavi – e lei mi
risponde con Dixan – e persino sulla roba colorata a sessanta gradi
5
guardi che fior di pulito eche colorivivi per menientelava meglio del Dixan
C: E oggi puoi vincere con Dixan premiatissima ottantadue – premi per
8
mezzo miliardo
1 Ii tuo cane — se vuoi vederlo sempre agile e scattante – scegli per lui un'alimentazione completa e bilanciata – Ciappi – quando Ciappi – tutto
— proteine – carboidrati – minerali – e vitamine in quantitä equilibrate —
a lui piace – e tu sai – che Ciappi un pasto completo e nutriente – quando
Ciappi –
tutto
5
7.
1 A: Colussi sforna bontä a piene mani (musica/chiacchierio)
B: Mamma (supplicando)
C: Anche i tuoi nonni facevano cosi – dicevano di comprarli per me – e poi
(sospensione) allora si vendevano in una scatola cosi
5 A: Ora come allora – ii buongiorno si vede dal frollino – Gran Turchese –
ii gustoso dorato frollino di casa Colussi-Perugia.
6
Ein Vergleich mit der vorher betrachteten Nachrichtensprache zeigt
signifikante Unterschiede; so erscheint die Sprache der Werbung zunächst
der gesprochenen Sprache wesentlich näher als die Nachrichtensprache.
Charakteristische Merkmale der gesprochenen Sprache, die sich in der
Werbesprache niederschlagen, sind vor allem die häufig anzutreffenden
Gliederungssignale; so als Eröffnungssignale: senti (1:1); beh (1:6); allora
(1: 10 ; 5 : 1) ; e allora (1:14); mah (1 : 12) ; eh scusi (4:1); ee (4:5); eppure (4:7) ;
perö (4:13); als Schlußsignale: eh (4:3; 4:11); guardi (4:12). Typisch für die
gesprochene Sprache ist auch die elliptische Reduktion vollständiger
Sätze; dieses Phänomen tritt in Gesprächen besonders bei Antworten auf
Fragen auf, wobei die bei separater Betrachtung in der Antwort fehlende
Information aus der Frage zu ergänzen ist: „Senti, cosa farai da grande? –
marinaio" (1:1-2); „Si giä fatto la barba – Si — e bene anche" (4:5-6).
Trotz dieser Merkmale kann die Werbesprache des Fernsehens nicht als
authentische gesprochene Sprache betrachtet werden. Gerade die Sprache
von Werbespots ist in sehr hohem Maße vor der Sendung festgelegt, ihre
Nähe zum Gesprochenen ist gewollt; die Konzeption a priori ist erforderlich, um die spezifischen psychologischen Strategien der Überzeugung und
des Anreizes in wirkungsvollster Weise hervortreten zu lassen und diese
aus kommerzieller Sicht essentiellen Aspekte nicht dem Zufall zu überlasen. So groß die Übereinstimmung zur gesprochenen Sprache auch sein
mag, sie ist nicht das Resultat einer tatsächlich gegebenen Spontaneität.
Von daher wird auch verständlich, daß in diesem Bereich so typische
174
Merkmale gesprochener Sprache wie Fehlerhaftigkeit, Satzabbrüche oder
syntaktische Fehlstarts nicht anzutreffen sind. Insgesamt ist festzustellen,
daß die ausgewählten Werbetexte relativ einfache syntaktische Strukturen
aufweisen; dies entspricht der Tatsache, daß es der Werbung natürlich nicht
um die Darstellung komplizierter Sachverhalte gehen kann, vielmehr soll
ein Produkt möglichst eindringlich und überzeugend angepriesen werden. 15 Aus funktionaler Sicht weist die Werbesprache naturgemäß ein
Übergewicht persuasiver Strukturen auf; eine Intensivierung der Aussage
kann durch die Verdoppelung einzelner Syntagmen erreicht werden:
„quant' buono quant' buono" (3:1); ein ähnlicher Effekt wird durch die
Wiederaufnahme eines Lexems bei der syntaktischen Anknüpfung
erreicht: „Latte Giglio che bontä" — „Bontä e fantasia"; besonders auffällig
wird der Versuch, durch Wiederholung eine besondere Einprägsamkeit zu
erreichen, bei der mehrfachen Nennung der Produktnamen: Braun (4:9;
4:14; 4:18); Dixan (5:5; 5:6; 5:7); Findus (1:10; 1:16); Ciappi (6:2; 6:2; 6:4;
6:5); Co/ussi (7:1; 7:6). Intensivierend wirkt auch die Verwendung syntaktischer Parallelismen: „quando Ciappi tutto" (6:4-5), sowie, mit
zunehmender Emphase: „me lo bevo — me lo gusto" (3:1-2); zur Verstärkung der Glaubwürdigkeit trägt die Verwendung von Stereotypen bei:
„Ora come allora" (7:5). Die gedrängte asyndetische Reihung von Produkten bzw. Produktqualitäten („buon pesce — tutta forza — niente spine"
(1:16); „pentole tegami casseruole" (2:4); „proteine — carboidrati — minerali — e vitamine" (6:3)) ist zum einen durch die knappe Sendezeit bedingt,
zum anderen wird auch durch diese Häufung von Merkmalen wieder ein
besonderer persuasiver Effekt erzielt, wobei auch (wie im ersten Beispiel)
heterogene Elemente aneinandergereiht werden können. Charakteristisch
für die Werbesprache ist des weiteren die Verwendung von Superlativen
zur bestmöglichen Präsentation des Produkts: „lamina sottilissima" (4:10);
„fiessibile e sottilissima" (4:16); „Dixan premiatissima" (5:7); ähnlich:
„per me niente lava meglio del Dixan" (5:6), oder auch die Verwendung
von hyperbolischen Ausdrücken, so: „un mondo fatto di latte" (3:3).
Besonders kennzeichnend für die persuasive Struktur der Fernsehwerbung
ist die persönliche und vertraute Anrede des Zuschauers: „il tuo cane"
(6:1); „vuoi" (6:1); „scegli" (6:1); „tu sai" (6:4). 16 Das Vokabular ist einfach, gerade in den hier gewählten Dialogpassagen wird der Versuch deutlich, gewöhnliche Alltagsgespräche nachzuahmen. Nur vereinzelt sind
gewähltere Ausdrücke mit expressivem Wert anzutreffen (cf. „fior di
pulito" ; 5:6); technische Fachausdrücke werden mit Zurückhaltung
gebraucht: „lame d'acciao temperato" (4:16-17).
3.3. Interviews
Der letzte hier gewählte Texttypus ist das journalistische Interview in Dialogform. Dazu die Definition von Koszyx/PRuys (1969 s. v. Interview):
15 Cf. LINTNER 1973, S. 74.
16 Cf. dazu CRESTI 1977, S. 64, und ALTIERI BIAGI 1965, S. 80.
175
„Als Mittel zur Darstellung eines Persönlichkeitsbildes sowie der gleichzeitigen Mitteilung eines bestimmten Sachverhalts ist die Dialogform hervorragend geeignet und daher heute mehr denn je beliebt. Der Nachrichtenwert eines Interviews ist um so größer, je besser es der Interviewer versteht, den Befragten zu immer neuen Auskünften zu veranlassen”.
Der Definition sind zwei Merkmale zu entnehmen, die für die hier zu
behandelnde Thematik von besonderer Bedeutung sind. Zum einen wird
das Interview als Dialog festgeschrieben und damit als mündliche Kommunikationsform zwischen zwei oder auch mehreren Gesprächspartnern ausgewiesen. Zum anderen geht aus der Definition hervor, daß die sprachlichen Äußerungen des Interviews nur in beschränktem Maße einem vorher
festgelegten Schema entsprechen; zur Wesenheit des Interviews gehört es
gerade, daß durch die Geschicklichkeit und Kreativität des Interviewers
der Befragte zu spontanen Äußerungen herausgefordert wird. 17 Im Gegensatz zu den beiden oben behandelten Textsorten der Fernsehsprache bietet
das Interview daher ein weitgehend unverfälschtes Beispiel authentischer
gesprochener Sprache. Natürlich ist auch für diesen Fall nun kein absolut
homogenes Bild zu erwarten, denn die sprachliche Äußerung wird in ihrer
Faun immer durch den individuellen Sprecher und durch die prinzipielle
Variabilität des Spontaneitätsgrades auch bei der freien Rede variiert (insbesondere die Öffentlichkeit des Interviews bedingt häufig Hemmungen
der Sprecher). Die Ergebnisse aus der Untersuchung der folgenden Texte
können jedoch zumindest tendenziell als charakteristisch für die Äußerungsform des Interviews betrachtet werden:
11 A: Terranova dunque – come – nemico – temibile – perche – la morte di Terranova – semprg nello stesso numero di Dossier la rubrica del TG2 – Giuseppe Marrazzo chiese su – la morte di Terranova – una testimonianza – a
un uomo –Terranova conosceva molto bene – quest'uomo era Pio La Torre
5
– dirigente comunista siciliano e nazionale — vediamo ii documento
A: Alfonso Madeo – negli studi – di Palermo e – gli chiedo – una sua opinione su come si sviluppato l'intreccio tra – mafia e potere – in Sicilia – e
forse non in Sicilia anche (...) Sicilia
D: Io credo che – intanto – ci sarebbe da dire che l'intreccio sempre esistito
10 perch6 la mafia — un'organizzazione criminale — che – appunto s'intreccia costantemente nella sua storia con – con il potere — il suo sviluppo dipende — dall'accentuazione dei suoi interessi politici — e dalla sua – crescente capacitä — di stringere sempre di piü questo questo intreccio — eh
la mafia quando – la mafia che noi chiamiamo la mafia della campagna
15
era – erano gli interessi agrari – i quali interessi agrari poi avevano delle –
16
delle rappresentanze politiche – molto precise
ora noi la cosa — perö fa
17 Zu pragmatischen Aspekten des Fernsehinterviews cf. auch HOFFMANN 1982,
BERENS 1975, SCHWITALLA 1978, SCHMID 1978. – Aus didaktischer Sicht: VOHLAND 1979..– Für Hinweise danken wir Adriana und Michele A. CORTELAZZO
(Padua).
176
piacere che ci sia qui il Presidente della Regione perch6 — perch6 questo
deve essere un discorso politico — anche tu quando – citi la data 1976 –
la fine del lavoro – della commissione anti-mafia — hai fatto benissimo —
perö
da aggiungere qualche cosa
20
B: Sindaco – la mafia si distingue soprattutto per collusioni con ii potere la
Democrazia Cristiana alla quale Lei appartiene lo detiene da oltre trent'
anni – non ritiene che sia stato fatto poco per – togliere alla mafia – questo (.. .) lo sfruttamento del potere
25 E: (. ..) permetta di potere – rilevare — che — qui a Palermo — io oso di dire
– senza tema di smentita — che vuoi alla Regione – a capo della quale vi
un democristiano – vuoi al Comune – dove vi un democristiano – noi certamente possiamo affermare che non abbiamo collusioni di alcun genere –
e non solo lo affermiamo – ma siamo certi – che ci venga riconosciuto
30
anche dai nostri – avversari politici
B: Ci sono decine d'inchieste che sono state aperte appunto su questo tipo di
corruzione – lo stesso – eeh Piersanti Mattarella che poi stato ammazzato
tre anni fa – eh aveva cercato di di – ehm bonificare di moralizzare ii settore – dei lavori pubblici – ed finito com' finito
35 E: Perö mi perdoni guardi – io mi trovo qui da due anni – e due mesi — che io
mi sappia – non conosco – in questo periodo – non ricordo – per il passato –
non conosco alcuna inchiesta di natura giudiziaria – sul comune di Palermo
E: . . . ma per vero – io trovo che sarebbe opportuno mi perdoni – che in uno
(. ..) la lotta alla mafia che va certamente svolta e duramente – sia oppor40
tuno che ci si ricordi
E: Ma questa che parrebbe essere una forma di requisitoria – che Lei fa alla
classe politica siciliana – che molto migliore – di quanto non vogliono far
credere taluni suoi detrattori – mi lasci dire – che per quanto sta a noi noi
sappiamo fare ii nostro dovere – con dignitä – con rispetto degli altrui
diritti – e soprattutto con probitä .
45
17
2.1 A: ... adesso sentiamo Italo Calvino – che stato – l'ultimo dei presidenti – di
giuria – stato presidente lo scorso anno – nell'ottantuno – l'anno in cui
stato premiato eh Anni di piombo – della Von Trotta – ee un film di un giovane regista – iugoslavo
5 C: Ehm – si non il caso di fare la storia dell'anno scorso percM – eeh tutu –
penso che tutti se laa – si ricordino – eehm dell'anno scorso – eehm io era
la prima volta – che facevo parte della giuria – ehm – ee sono – rimasto un
po' schiacciato da questa valanga di film tanto che ho detto – per un po' di
tempo non vado al cinema e per qualche anno non andrö piü – a un festival
10 e invece eccomi – eccomi di nuovo qui – l'amore per il cinema e l'amore
per Venezia ha fatto che sono – sono tornato – e e questa – una giuria per
un'opera prima che penso che sia – ehm che sia – ehm siano i premi piü utili
perch6 il cinema – in un momento – ehm in cui ristagna un poco e quindi
molto importante – eeh molto importante eeh – eeh eh scoprire dei
15 nuovi talenti – l'importante sarebbe che questi premi – eh serv servano veramente – a far conoscere – eh i nuovi – eh realizzatori – eh maa – l'anno
scorso – noi abbiamo dato il premio opera prima il leone d'oro opera prima
– a mh aa un film iugoslavo – eeh – eh di (...) eh che si che si chiamava –
eh Baby Doll ti eh ti ricor ti ricordi di Baby Doll – ti ricordi
20 C: eeh questo film non statoo non stato distribuito – nonostante a a avesse
21
avuto l'unanimitä della giuria
177
secondo te – ecco Emilio Greco secondo te capiterä per Erengard per
ii tuo Erengard quello che accaduto (...) o no
G: Ma spero che accada la stessa cosa per ö un po' prima francamente cio che
ci s'accorga – tempestivamente
F: Tu non vuoi che passino sette anni
G: No
F: Se sette giorni sette mesi sette anni no
G: Ma sette mesi ancora via – un tempo – umano – sette anni francamente
un po' troppo
F: Ecco Erengard – Emilio vuoi dire tu due parole su Erengard
poi
C: ... oh a questo punto io vorrei fare – una conferenza sull'amicizia –
arriva ii Romanticismo – che cominciato molto prima – di quando i libri
di scuola non dicano – e mise al primo posto l'amore – l'amore l'amore
l'amore – ci siamo – un po' – stufati —
22 F:
25
30
35
3.1 A: Siamo in un centro sanitario per la magnetoterapia accanto a me
una
coppia di coniugi che si sono rivolti a questo centro per motivi diversi – sentiamo la loro esperienza — qual ii suoo la sua condizionee – sanitaria
B: Guardi – a parte – che io sono on – on laringetomizzato – e – soffro di
5
artrosi – sacrolombale – e in piü – ho – tutto ii – ii l'apparato circolatorio –
che un po' – scassato
A: Ecco sia un pochino piü preciso cosa vuol dire scassato
B: Scassato vuol dire questo – io ho una (...) obliterante — e sono chiuse –
all'inguine — tutt'e due le parti – sia la destra – che la sinistra
10 A: Ecco questo che disturbi le dava
B: Mi dä dei disturbi – che purtroppo – a camminare – io facevo – venti trenta
metri – e poi – dei dolori — tipo – crampi – e – ero costretto a fermarmi —
con la magnetoterapia — questi dolori – io non li sento piü — cio — cammino – (...) – non ho mai fatto – tutto il giorno (.. .) – completo – e adesso
15
lo faccio avanti e indietro
C: Senza mai fermarti – senza mai fermarmi — beh
B: (...)
A: Senta da quanto tempo soffriva di queste malattie di questi suoi disturbi si
presentata prima l'artrosi oppure ha avuto prima problemi circolatori
20 B: Beh – io credo – che siano tutt'e due – contemporaneamente – ma sono
anni – che io ho l'artrosi – ho fatto delle cure – ho fatto anche delle punture
– giü
A: Lombari
B: Non lombari — proprio – al coccige intorno – cio – una puntura – me la –
25
suddividevano in – tre quattro — punture — cio – un'iniezione era suddivisa – in tre quattro cinque posizioni – sempre (11?) nel piccolo circolo
A: E i risultati
B: Beh – allora – eran buoni – poi non hanno servito piü a niente
A: Ha fatto altre cure per la circolazione per esempio.
30 B: Beh per la circolazione ne ho fatte – che – di – tempo pratico inutile
elencarne perch6 – sono anni – che ci sono dentro – e – sono un iperteso –
e ho anche la pressione – alta
A: Lei comeen di che cosa soffriva – e – com'era limitata dalla sua malattia
34 C: Ioo soffrivo di sciatalgia lombare – l'artrosi con artrosi diffusa no — ho
178
35
cominciato con la scoliosi – e poii — mmh era leggera allora no c'eran questi colpi della strega poi stavo a letto due tre giorni mi passavano – e poi
riprendevo allora ero piü giovane logico no — perö adesso eraa da tre
anni in qua – chee — mi prendevano questi dolorii – non so come sia stato
– son tornato dalla montagna – tre anni fa — ee era il mese di agosto mi
40 ricordo quando son venuta a casa — (han?) cominciato questi dolori –
allora – vado – mmh 'ndiamo dal medico no – e mi dä delle iniezioni —
quattordici iniezioni mi dice signora vedrä ehe con queste starä bene –
erano dolorosissime ma – perö dico speriamo (.. .) – niente fatte queste
quattordici come s – se niente 'nsomma
45 A: Ma doveva stare a letto oppure poteva muoversi
C: No no stavo – stavo – potevo muovermi in casa potevo muovermi — alla
mattina per esempio mi alzo – mi alzavo – andavo per metter su caff ma
mi prendevano questi dolori – beh e allora facevo – mettevo suu la caffettiera – poi mi sedevo – poi mangiavo – poi mi alzavo lavav mettevo le le
50 tazze – poi mi sedevo era tutto un lavoro cosi – dopo cominciavo a riprendere ii lavori di casa cosi – eeh – e andavo abbastanza bene perö quando
dovevo scendere le scale – eraa
A: 'na tragedia
C: 'na tragedia sembravo 'na donna di cent'anni proprio – cosi – e piü andavo
55 avanti e piü mi facevan male – 'nna sera – casualmente in televisione vedo
questa trasmissione — ho detto – ma sai ehe forse questa la volta buona
– e (...) andiamo insieme guarda faccio anch'io mi dice mio marito facciamo insieme — e difattü — siamo mmh — ho telefonato – son venuta qui
– e adesso mi trovo in Paradiso perch6 io entro nei negozi e cosi ci& – tre
quattro persone e io sto in piedi sto a parlare con la gente in piedi – cam60
mino ora la mattina metto su mio caM mmh – insomma tutt'un'altra
cosa.
62
Im syntaktischen Bereich fällt die Tendenz zur agglutinierenden Reihung
ins Auge; die semantische Ebene weist dementsprechend eine additive
Gedankenfolge auf, gewollte inhaltliche Vorwegnahmen, Rückgriffe oder
Verschränkungen als Mittel zur gedanklichen und thematischen Projektion und Fokussierung fehlen völlig; das Suchen nach dem Gedanken, die
Artikulation und das gleichzeitige Bemühen um die Fortführung der
Äußerung erfordert bereits so viel Konzentrationskraft, daß eine durchdachte und übersichtliche syntaktische Strukturierung außerhalb des Möglichen liegt. Die Reihung als dominierende Struktur erfolgt sowohl asyndetisch als auch polysyndetisch: „mettevo suu la caffettiera — poi mi
sedevo — poi mangiavo — poi mi alzavo lavav mettevo le le tazze — poi mi
sedevo era tutto un lavoro cosi — dopo cominciavo" (3:48-50); „Terranova
dunque — come — nemico — temibile — perch — la morte di Terranova —
sempre nello stesso numero di Dossier la rubrica del TG2 — Giuseppe Marrazzo chiese su — la morte di Terranova — una testimonianza — a un uomo —
Terranova conosceva molto bene — quest'uomo era Pio La Torre — dirigente comunista siciliano e nazionale" (1:1-5); „Mi dä dei disturbi — che
purtroppo — a camminare — io facevo — venti trenta metri — e poi — dei
179
dolori — tipo – crampi– e – ero costretto a fermarmi— con la magnetoterapia — questi dolori – io non ii sento piü" (3:11-13). – Der authentische
sprechsprachliche Charakter des Interviews spiegelt sich auch in der Explizierung der gedanklichen Textgliederung, die sowohl dem Sprecher als
auch dem Angesprochenen als Hilfestellung bei der Artikulation der
Äußerungen dient; Eröffnungssignale: dunque (1:1); guardi (1:35); ehm
(2:5); senta (3 :18) ; beh (3 :20 ; 3:30); beh – allora (3 :28) ; Schlußsignal: beh
(3:16); zur Rückversicherung: no (3:41). In diesem Zusammenhang ist
auch auf andere Möglichkeiten zur vorherigen Mitteilung bzw. begleitenden Kommentierung des Sprechablaufes zu verweisen: „vediamo il documento" (1:5); „ci sarebbe da dire" (1:9); „c'e da aggiungere qualche cosa"
(1:20); „mi lasci dire" (1:43); „scassato vuol dir questo: ." (3:8). – Die bei
spontanen Außerungjn fehlende Möglichkeit der Vorausplanung schlägt
sich in Verzögerungen nieder, wobei die Pause, während der der Sprecher
den weiteren Verlauf seiner Äußerung durchdenkt, durch Absetzen des
Redeflusses und anschließender Wiederaufnahme des letzten Wortes gebildet wird: „con – con il potere" (1:11); „delle – delle rappresentanze politiche" (1:16); „perch6 — perch6 questo deve essere un discorso politico"
(1:17-18); „eccomi – eccomi di nuovo (2:10); „sono – sono tornato" (2:11);
der verzögernde Effekt wird ebenso durch die einfache Wiederholung
eines Wortes ohne dazwischenliegende Pause erzielt: „questo questo
intreccio" (1:13); „e e questa – una giuria" (2:11); „e che si che si chiamava" (2:18); zur Verzögerung werden auch ganze Syntagmen wiederholt:
„eeh questo film non e statoo non e stato distribuito" (2:20); „e molto importante – eeh e molto importante" (2:14); wie schon aus dem vorhergehenden Beispiel ersichtlich, dienen zur Verzögerung des weiteren die Dehnung einzelner Silben oder auch andere lautliche Artikulationselemente,
so besonders charakteristisch in dem zitierten Beispiel (2:5-19).
Zur Stützung der Gedankenführung in der mündlichen Äußerung dient
die Wiederaufnahme einzelner Lexeme; der Unterschied zur bloßen Verzögerung liegt darin, daß hier gleichzeitig die grammatikalische bzw. semantische Struktur des Satzes in neue Bahnen gelenkt wird: „eh la mafia quando
– la mafia che ..." (1:14); „gli interessi agrari – i quali interessi agrari ..."
(1:15); „mi dä delle iniezioni — quattordici iniezioni" (3:41-42); typisch
für diese Form der Anknüpfung ist ein dazwischenliegender Einschub:
„non conosco – in questo periodo – non ricordo – per il passato – non
conosco alcuna inchiesta ..." (1:36); „secondo te – ecco Emilio Greco
secondo te capiterä . (2:22). –Besonders deutlich wird der sprechsprachliche Charakter des Interviews bei syntaktischen Fehlkonstruktionen und
ihren Korrekturen: „era – erano gli interessi agrari" (1:15); „penso che tutti
se laa – si ricordino ..." (2:6); „penso che sia – ehm che sia – ehni siano i
premi piü utili" (2:12); „qual il suoo la sua condizionee" (3:3); „che io
sono on on laringetomizzato" (3:4); „tutto il – il l'apparato circolatorio"
(3:5); „per esempio mi alzo – mi alzavo" (3:47). –Ähnlich die Phänomene
des Stotterns: „eh serv servano veramente" (2:15); „non180
ostante a a avesse avuto l'unanimitä della giuria" (2:20); „come s se niente
'nsomma" (3:44). — Schließlich kommen beim Interview auch außerhalb
der Intonation deutlich emphatische Strukturen zum Tragen: "e mise al
primo posto l'amore — l'amore l'amore l'amore" (2:34); „no no stavo
stavo — potevo muovermi in casa potevo muovermi" (3:46).
4. Resümee
Die exemplarische Untersuchung verschiedener Fernsehtexttypen hat
deutlich gemacht, daß eine einheitliche Konzeption des Phänomens
Mediensprache unangemessen wäre. Die Heterogenität der Mediensprache resultiert zum einen aus den unterschiedlichen Arten von Medien
(Fernsehen, Radio, Presse, etc.), zum anderen aus den unterschiedlichen
Kommunikationsformen innerhalb der einzelnen Medien.
Die Sprache der Nachrichtensendungen entspricht, wie festgestellt
wurde, weitgehend schriftsprachlichen Normen (wobei auch hier wiederum, wie am Beispiel des Ausschnitts aus TG2 gezeigt wurde, Unterscheidungen vorgenommen werden müssen); aus der spezifischen Intention der Nachrichtensprache resultiert der präzise Ausdruck mit geringer
Redundanz. — Die Beispiele aus der Werbesprache zeigen gewollt spontane Sprachformen mit charakteristischen Merkmalen des code parlg wie
Gliederungssignalen und Ellipsen (es fehlen jedoch viele spezifische Merkmale des Gesprochenen wie grammatikalische Normverstöße, Satzabbrüche, Fehlstarts; darin zeigt sich, daß die Spontaneität letztendlich gewollt
ist). Die wesensmäßige persuasive Funktion der Werbesprache spiegelt
sich in intensivierenden Wortverdoppelungen, Wiederaufnahmen, Wiederholungen, asyndetischen Reihungen, Superlativen und Hyperbeln, in vertrauter Anrede und expressiven Wendungen. — Authentischer. gesprochener Sprache am nächsten kommt die Sprache des Interviews. Einschränkungen sind insbesondere hinsichtlich des Interviewers zu machen, der
den Verlauf des Gesprächs oft bereits im voraus geplant hat; wie die festgestellten Merkmale zeigen, gehören spontane sprachliche Äußerungen
jedoch gerade zur Wesenheit dieser Kommunikationsform (einfache Syntax und Gedankenführung, Reihungen, Gliederungssignale, begleitende
Kommentierung des Redeablaufs, Verzögerungen, Wiederaufnahmen,
syntaktische Fehlkonstruktionen und Korrekturen, Stottern).
Abschließend bleibt noch darauf zu verweisen, daß die beschriebenen
Merkmale der Mediensprache durchaus — und dies ist im Hinblick auf den
einzelsprachlich nicht spezifizierten thematischen Rahmen dieser Sammlung von besonderem Interesse — übereinzelsprachliche Gültigkeit beanspruchen können (so etwa für das Französische); die genannten Phänomene haben universale Geltung und stehen zunächst nur in Abhängigkeit
von der Struktur der jeweiligen Sendeform; ihre tatsächliche einzelsprachliche Realisierung ist demgegenüber sekundär.
181
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182
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183
Inhalt
Vorwort
7
Wolfgang Bufe, Ingo Deichsel, Uwe Dethloff
Zur Einführung
9
Hans Scherer
Audiovisuelle Informationsaufnahme. Eine theoretische Skizze . . .
19
Hubert D. Zimmer
Kognitionspsychologische Aspekte des Fremdsprachenerwerbs
oder visuelle und verbale Komponenten der Wortbedeutung
im Fremdsprachenerwerb
49
Ingrid Janßen-Holldiek
Redundante, assoziative oder komplementäre Bilder?
Zur Problematik der Planung und Interpretation
von Bild/Text-Bezügen
67
Richard Batz, Peter Ohler
Hörsehverstehen.
Reflexionen im Umfeld eines Forschungsprojekts
79
Richard Baum
Sprache als Medium
133
Günter Holtus, Wolfgang Schweickard
Merkmale der Mediensprache
(dargestellt am Beispiel der italienischen Fernsehsprache)
163
Ingo Deichsel
Ansätze für eine Didaktik des Bildes
185
Wolfgang Bufe
Alternativer Fremdsprachenunterricht: Videointerviews vor Ort . . 209
5