Das Tagesthema Akte Tier Mittwoch, 10. Dezember 2008 l Die Zebraspringspin ne wird sieben Milli meter groß Seite 18 Michael Aufhauser Leben lieben. Aiderbichl Respektvoll und furchtlos E Die Angst vor Spinnen stellt Psychologen noch vor viele Rätsel: Jede dritte Frau und jeder fünfte Mann kann den Anblick der achtbeinigen Krabbler nicht ertragen Die Angst vor Spinnen Foto: Vario-image Psychologie rätselt: Warum wird ihre Gefährlichkeit überschätzt? D ie Angst vor Spinnen ist nicht immer angeboren – bis zum Alter von etwa drei Jahren greift praktisch jeder Bub und jedes Mädchen nach den achtbeinigen Krabblern und stopft sie in den Mund. Meist reagieren Mama und Papa darauf etwas hektisch, denn jede dritte Frau und jeder fünfte Mann ekelt oder fürchtet sich vor Spinnen. Das sind allein in München über 300 000 Menschen mit Anzeichen von Arachnophobie! Psychologen nehmen seit Langem an, Spinnenangst werde im Laufe des Lebens erlernt, sei praktisch anerzogen. Eine andere Theorie ist, dass es ein Urinstinkt der Menschen sei, sich vor potenziell gefährlichen Tieren zu fürchten. Professor Georg Alpers von der Uni Würzburg reichten diese Erklärungen nicht aus: „Spinnenangst stellt uns vor viele Rätsel. Wenn wir uns vor Gefahren schützen möchten, müssten wir uns genauso vor Bienen und Wespen ängstigen.“ Der Professor und seine Mitarbeiter legten Freiwilligen Bilder von Spinnen, Bienen, Motten, Käfern und Wespen vor. Jeder sollte sagen, für wie gefährlich er die Tierchen hält und wie sehr er sich vor ihnen fürchtet. Das Ergebnis überraschte Georg Alpers: „Spinnen riefen signifikant mehr Angst und Ekel hervor als die anderen Tiere.“ Sie wurden als deutlich gefährlicher eingestuft als Wespen und Bienen. Die Gefährlichkeit der Spinne wird überschätzt: „Die Angst ist irrational.“ Einerseits stimmt es, dass jede Spinne giftig ist. Sie braucht das Gift, um ihre Beute zu töten. Durch die menschliche Haut dringen ihre Giftklauen jedoch meist nicht durch. Selbst wenn: das Ner- Eine Kreuzspinne harrt ruhig in ihrem Netz aus vengift lähmt nur Fliegen oder kleine Insekten. Nur etwa 20 Arten sind richtig gefährlich für den Menschen und keine davon lebt in Mitteleuropa. Woher haben wir also die große Furcht vor dem eigentlich harmlosen Krabbler? Georg Alpers erklärt das so: Dass nur Spinnen Angst auslösen, Fotos: dpa, ap, ddp Bienen jedoch nicht, könne daran liegen, dass Menschen mit Bienen mehr Erfahrungen haben als mit Spinnen, da sie schon immer am Honig interessiert gewesen seien. Dazu gehöre es eben, hin und wieder gestochen zu werden. Auf diese Weise hätten die Menschen die – zugegeben schmerzhafte – Erfahrung machen können, dass Bienenstiche in der Regel nicht zum Tod führen. Weil nicht genug Menschen von Spinnen gebissen würden, fehle es an der Erfahrung, dass diese Bisse vergleichsweise harmlos seien. Für Menschen mit Spinnenphobie ist jede Spinne eine Bedrohung. Je größer das Tier ist, desto größer wird meistens die Angst. Der Alltag kann kompliziert werden: Viele Menschen mit Spinnenangst gehen nicht mehr in den Keller, sie bitten den Partner Tierchen zu entfernen. Urlaubsorte werden nach Spinnenwahrscheinlichkeit ausgewählt. Oft ist die Phobie schon sehr ausgeprägt, damit die Betroffenen zum Arzt gehen. Verschiedene Therapien sind erfolgversprechend, neben der Gewöhnung an die Tiere, helfen manchmal schon Entspannungsübungen, um den Anblick zu ertragen. ier Wie Spinnen leben und lieben Typisch ■■ Spinnen haben nicht nur acht Beine, sondern auch acht Augen. ■■ Der Mund ist eine schmale Spalte, ähnlich wie ein eingebauter Strohhalm. Damit kann jedoch nur Flüssiges aufgesogen werden. ■■ Bei der Netzgröße hält die tropische Gattung Nephila den Rekord, sie spinnt Netze mit einem Durchmesser von bis zu zwei Metern. ■■ Spinnen töten ihre Beute mit einem Giftbiss und spucken Verdauungssaft auf das Tier, das sich auflöst und dann aufgegeschlürft wird. ■■ Gerade aus dem Ei geschlüpft, sehen Jungspinnen aus wie die Eltern im MiniFormat. Im Wachstums häuten sie sich bis zu viermal. ■■ In Deutschland leben 1004 Spinnenarten. ■■ Der Spinnenfaden besteht aus flüssigem Eiweiß, in das Eiweißkristalle eingelagert sind. ■■ Fast alle einheimischen Arten leben nur knapp ein Jahr. ■■ Die Hälfte aller Spinnenarten baut keine Netze, sondern fängt die Beute schleichend, rennend oder lauernd. ■■ Die ältesten versteinerten Spinnen sind etwa 400 Millionen Jahre alt, wesentlich älter als die Dinos. ■■ Zu den Verwandten gehören Krebse, aber auch Hundert- und Tausendfüßler. Spinne 2009: die Dreiecks spinne, unten ihr Netz Foto: ddp Montag Lifestyle ■■ Das Männchen einer tropischen Riesenkrabbenspinne erreicht eine Spannweite von 30 Zentimetern. Dienstag Zukunft Alter mittwoch ■■ Meistens trennen sich die Tiere nach der Paarung friedlich. Nur wenn das Männchen nicht schnell genug flüchtet, kann schon mal ein Unfall pas- Akte Tier sieren. Bei einer Minderheit ist das Fressen des Männchens jedoch die Regel. Es betrifft die Arten, bei denen das Männchen klein und zu schwach ist, ein weiteres Weibchen zu begatten. Der Vater opfert sich, damit seine Nährstoffe dem Nachwuchs zugute kommen. ■■ Kleine Spinnen können im Flug große Strecken überwinden: Sie pressen einen kurzen Faden heraus, dann genügt schon ein Windhauch und die Spinne hebt ab. Auf diese Art und Weise sind schon Spinnen auf Schiffen gelandet. Quelle: Arachnologische Gesellschaft e.V., Freiburg Donnerstag Multimedia inerseits unterschätzen wir Tiere. Das sehen wir an miesen Sprüchen wie dumme Kuh, blödes Schwein. Ganz abgesehen vom Adressaten trifft die unflätige Beleidigung auch das Tier. Kühe sind nicht dumm, Schweine nicht blöd. Andererseits überschätzen wir Tiere, indem wir sie zu Unrecht fürchten. Auf unseren GutAiderbichl-Höfen leben mehr als 60 Stiere, von denen jeder einzelne über 1200 Kilogramm wiegt und mit kräftigen Muskeln und Hörnern ausgestattet ist. Aber schnaubende Monster, die uns niedermachen wollen – die gibt es nur bei Stierkämpfen. Freiwillig gehen sie nicht auf den Menschen los. Bei uns auf Aiderbichl ist noch nie etwas passiert. Kein einziger Stier greift an. Vielleicht schon deshalb, weil es bei uns verboten ist, den Tieren Druck zu geben. Stöcke und Prügel sind strengstens verboten. Auch verbal pfeift niemand die Tiere an. Tiere sind mit außergewöhnlich feinen Sinnen ausgestattet, und es ist durchaus möglich, dass sie an unserem wenn sie zu wenig über diese Tiere wissen. Informiert zu sein, gehört zu den Grundvoraussetzungen des Umgangs. Als vor Jahren Gerry Friedle, der den meisten als DJ Ötzi bekannt ist, für Fernsehaufnahmen zu uns kam, war er furchtbar nervös und gestand,dass er schreckliche Angst vor allen Tieren hätte. Mir fiel damals auf, dass selbst die lammfrommen Haflinger, die wir ihm vorstellten, nervös waren und nicht still stehen wollten. Auf dem Hof befand sich gerade ein kleines Mädchen, das nicht die Spur einer Phobie zeigte. Sie nahm ihn bei der Hand, und gemeinsam besuchten sie Pferde, Hunde und Schweine. Das wiederholten sie in Abständen über einige Monate hinweg. Seine Ängste vor Tieren hat Gerry Friedle peu à peu abgelegt. Auch die Tiere sind jetzt, wenn er wieder bei uns Aufnahmen macht, ganz entspannt in seiner Nähe. Immer wieder mache ich die gleiche Beobachtung, wenn zum Beispiel Rinder oder Pferde auf Schlachttransporte verladen DJ Ötzi hat auf Aiderbichl seine Furcht vor Tieren überwunden Atem oder an unserem Gang spüren, ob wir Angst haben oder etwas im Schilde führen. Die eigene Unsicherheit des Menschen lässt Tiere gefährlicher erscheinen, als sie sind. Das erzeugt Nervosität bei den Tieren. Sie finden keinen Punkt, an dem sie anknüpfen oder so etwas wie Vertrauen aufbauen können. Natürlich trifft das nicht bei allen Tieren zu. Gegenseitiger Respekt ist notwendig. Und Menschen, die von Wildtieren oder aggressiv ausgebildeten Hunden, zum Beispiel, Nähe einfordern, können schreckliche Erfahrungen machen, Freitag Medizin werden: In vielen Fällen wird brutal mit ihnen verfahren. Viel schlimmer, als ich es hier schreiben möchte. Dann denke ich darüber nach, dass die Menschen, die imstande sind, so schrecklich mit Lebewesen umzugehen, nicht zwangsläufig Sadisten sein müssen. Ich glaube, sie handeln unter Zeitdruck, aber auch aus Angst so unmenschlich. Ich glaube, man kann die Menschen von dieser Angst vor Tieren befreien. Allerdings rate ich,Tieren grundsätzlich mit Respekt zu begegnen, wenn man ihre Vorgeschichte nicht kennt. Respekt hat mit Angst nichts zu tun. Samstag Garten
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