Bericht über das Seminar „Wie kann ich dir helfen, deinen Weg zu

Bericht über das Seminar
„Wie kann ich dir helfen, deinen Weg zu finden“
Am 22.03.2014 fand in der Evangelisch methodistischen Gemeinde Osnabrück, Christuskirche, das
Seminar „Wie kann ich dir helfen, deinen Weg zu finden?“ des Schwarzen Kreuzes e.V. statt.
Ab 9.30 Uhr trafen Mitarbeiter in der christlichen Straffälligenhilfe aus ganz Niedersachsen und
sogar Nordrhein Westfalen in den Gemeinderäumen ein. Insgesamt waren wir 22 Teilnehmer plus
zwei Dozenten. Bis 10.00 Uhr konnten wir uns bei einem Schluck Kaffee und einem Keks schon
kennenlernen und interessante Dinge über verschiedene Arbeitsbereiche des Schwarzen Kreuzes
erfahren.
Die Erzählungen einer älteren Mitarbeiterin aus Hannover, die regelmäßig als Seelsorgerin im
Frauengefängnis ist, oder die Erfahrungen eines Mitarbeiters, der Briefkontakt zu zwei
Langzeitinhaftierten hält, waren zum Beispiel sehr interessant zu hören.
Um 10.00 Uhr begann dann das offizielle Programm zunächst mit einer kurzen Andacht des
Arbeitskreisleiters Osnabrück Uwe Engelmann. Er ließ uns an seinen Gedanken dazu teilhaben,
dass auch Jesus festgenommen und inhaftiert wurde, so wie eben auch „unsere“ Inhaftierten. Des
Weiteren erinnerte er uns an Jesu Worte „Ich bin im Gefängnis gewesen und ihr seid zu mir
gekommen“ (Mt. 25, 36).
Dann folgte eine Vorstellung der Dozenten. Sie teilten uns in
zwei Gruppen ein und forderten uns auf, uns Gedanken über
das Leben von Inhaftierten zu machen und dies bildlich mithilfe
von Papierstraßen und Verkehrsschildern darzustellen. Die
eine Gruppe sollte den Lebensweg aus der Sicht eines
Inhaftierten darstellen. Das Ergebnis ist auf dem Foto Nr. 1 zu
sehen.
Die zweite Gruppe sollte darstellen, wie sie sich den
Lebensweg eines Inhaftierten für diesen wünscht. Das
Ergebnis ist auf dem Foto Nr. 2 zu sehen. Anschließend stellte
jede Gruppe ihr Ergebnis vor.
Die Dozenten fassten die Ergebnisse zusammen und zeigten
zum Beispiel auf, dass sich der Inhaftierte während der Haft
fast ausschließlich auf seine Entlassung konzentriert und oft
meint, nach der Haft werde „alles anders“. Auf die Zeit der
Haft, deren Grund und die Chancen, die sich während der Haft bieten, sehe der Inhaftierte oft gar
nicht.
Zu dem Ergebnis der zweiten Gruppe machte Otfried Junk deutlich, dass sich das turbulente, freie
Leben des Inhaftierten vor der Haft attraktiver darstelle als die Kontrolle, die er in der Haft erfahre.
In der Haftzeit werde dem Inhaftierten zudem vieles abgenommen. Die alltäglichen
Entscheidungen, die das Leben ausmachen, treffe nicht mehr der Inhaftierte, sondern diese
würden ihm durch die Justiz abgenommen.
Nach diesem Programmteil waren alle reif für das Mittagessen, das wir gemeinsam in den
Gemeinderäumen einnahmen. Hierbei war wieder Gelegenheit, sich mit Kollegen aus anderen
Arbeitsbereichen auszutauschen. Nach einem Kaffee und einem Keks ging es um 14.00 Uhr weiter.
Inzwischen hatten die Dozenten den Tagungsraum in eine Hälfte mit der Überschrift „Ja“ und eine
Hälfte mit der Überschrift „Nein“ eingeteilt. Dann formulierten sie diverse Aussagen, zu denen sich
sämtliche Teilnehmer jeweils im „Ja-“ oder „Nein-Bereich“ positionieren sollten. Zu diesen
Aussagen gehörten z.B. „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“, „Es fällt mir leicht, ‚Nein‘ zu
sagen“, „Ich bin ein extrovertierter Mensch“, „Ich gebe niemals auf“ usw. Es war interessant zu
sehen, wie sich die Teilnehmergruppe bei manchen Fragen praktisch teilte und bei manchen
Fragen lediglich ein oder zwei Personen in einer Raumhälfte standen. Im Rahmen dieser Aufgabe
waren wir gezwungen, uns einzuschätzen und uns zu entscheiden, was nicht immer leicht fiel.
Nach dieser Übung hatten die Dozenten in den Gemeinderäumen auf acht Plakaten Fragen bzw.
Thesen formuliert und forderten uns auf, dazu schriftlich auf dem jeweiligen Plakat Stellung zu
nehmen.
Die Themen lauteten z.B. „Helfen durch Loslassen“, „ Was bin ich für den Inhaftierten? Was ist der
Inhaftierte für mich?“ usw.
So machten sich die Teilnehmer auf den Weg und schrieben ihre Ansichten und Antworten auf die
Plakate. Anschließend wurden diese in der großen Runde vorgelesen und besprochen. Dabei
gerieten sowohl Teilnehmer als auch Dozenten immer wieder miteinander in Diskussion. Die
wichtigsten Punkte wurden schriftlich zusammengefasst.
Nach einer Abschlussrunde, in der jeder sein Fazit vom Tag mitteilen durfte, was durchweg positiv
ausfiel, machten sich alle wieder auf den Heimweg.
Mit hat das Seminar grundsätzlich gut gefallen. Besonders im Gedächtnis bleiben werden mir die
Zusammenfassungen und Erklärungen von Otfried Junk darüber, in welcher Gedanken- und
Gefühlswelt die Inhaftierten leben. Durch Otfrieds Worte habe ich erkannt, dass ich an manchen
Stellen viel zu schlichte Vorstellungen vom Leben eines Inhaftierten und in vieler Hinsicht auch
eine zu naive Sicht habe. Da mir persönlich Gruppenarbeiten nicht so sehr liegen, hätte ich gerne
noch mehr „direkten Input“ seitens der Dozenten gehabt. Toll fand ich die Gespräche während der
Pausen mit anderen Mitarbeitern über deren Arbeit, die sich von unserer Arbeit im offenen Vollzug
in Osnabrück stark unterscheidet. Der gegenseitige Austausch und auch Zuspruch hat gut getan.
Ich hätte ihn nicht missen wollen.
Rabea Wille