Seite 1 (von 2) Bildung Wie war ich? von Armin Himmelrath (Köln) und Marion Schmidt (Hamburg) Nicht jeder Professor ist ein begnadeter Dozent. Doch wenn Studenten Seminare schlecht bewerten, haben Lehrende wenig zu befürchten. Blick in einen Hörsaal der Universität in Düsseldorf Lob für ihre Lehre sind deutsche Professoren nicht gewohnt, schon gar nicht von Studenten. Und so stehen Margareta Heilmann, Jürgen Gerlach und Andreas Meier etwas nervös im Rektorat der Universität Wuppertal und lauschen leicht beschämt den wohlwollenden Worten ihrer Prorektorin für Studium und Lehre: "Sie sind für die Studierenden jederzeit ansprechbar und zeichnen sich durch große Hilfsbereitschaft aus", lobt Annegret Maack die drei Professoren. Besonders erwähnt werden "Diskussionen mit den Studierenden und das Akzeptieren von Kritik sowie persönliche Qualitäten: Humor und die Fähigkeit, den Studierenden Mut zu machen." Dann gibt es einen Handschlag und für jeden Professor einen Scheck über 5000 Euro. Jährlich werden die Studenten der Bergischen Uni aufgefordert, in einer Evaluation die Lehrqualitäten ihrer Professoren zu bewerten. Die Besten werden ausgezeichnet, über die Schlechten wird geschwiegen. "Für die Hochschulen ist Evaluation ein wichtiger Indikator für die Qualität ihrer Ausbildung", sagt Britta Krahn vom Bonner Zentrum für Evaluation und Methoden (ZEM). Je mehr über Exzellenz und Elite geredet werde, desto eher würden sich Hochschulleiter für Qualitätssicherung einsetzen. Selbstverständlich ist das, was die Uni in Wuppertal macht, aber noch lange nicht. ZUM THEMA z Deutsche Studenten hoffen auf die Uno (http://www.ftd.de/politik/deutschland/150814.html) z Unwissende Stubenhocker (http://www.ftd.de/karriere_management/karriere/147441.html) z Milliarden für deutsche Studenten (http://www.ftd.de/politik/deutschland/133653.html) Wenn es nach dem neuen Präsidenten der Kultusministerkonferenz (KMK), Jürgen Zöllner (SPD), geht, soll sich gute Lehre aber bald auch für andere Professoren lohnen. Zu seinem Amtsantritt forderte er eine Art Exzellenzinitiative für die Lehre. Ob es dafür auch Geld geben wird, ist unklar; Zöllner denkt eher an eine Imagekampagne, um den Ruf der Lehre aufzuwerten. Doch während sich Forschungsleistung über Publikationen, Patente oder Zitate nachweisen lässt, ist gute Lehre objektiv schwerer messbar. Die Hochschulrektorenkonferenz prüft derzeit eine Bewertung über verschiedene Indikatoren, darunter auch die studentische Evaluation. Ergebnisse verschwinden in Schubladen "Studierende haben sehr konkrete Vorstellungen von guten Seminaren und Vorlesungen", sagt Marian Krawietz vom Hochschul-Informations-System (HIS) in Hannover. Krawietz hat kürzlich eine Studie veröffentlicht, nach der drei von vier Studierenden konkrete Seminarkritik als "richtigen Weg zur Verbesserung von Studium und Lehre" betrachten. Jeder dritte Befragte kritisierte allerdings, dass seine Meinung ungehört bleibe; viele Hochschulen führen zwar Maßnahmen zum Seminar-Feedback durch, aber danach verschwinden die Ergebnisse in den Schubladen der Dekane. Es gibt keine Pflicht zur Veröffentlichung. Obwohl etwa für die neuen Bachelor- und Masterstudiengänge Evaluationen von Seminaren sogar ausdrücklich vorgesehen sind, werden sie bisher wenig angewendet, und wenn doch, dann freiwillig, mit geringer Teilnahme und ohne Folgen. Kein Professor soll an den Pranger, an den meisten Hochschulen herrscht das Prinzip der positiven Bestärkung. Private Hochschulen dürfen konsequenter sein: Den Lehrenden der Fachhochschule des Mittelstands (FHM) in Bielefeld beispielsweise droht bei dauerhaft schlechtem Feedback im schlimmsten Fall die Kündigung. "Unser Evaluationssystem weist explizit die am besten bewerteten Top-Dozenten aus, aber Seite 2 (von 2) auch die Flop-Dozenten", sagt Stefan Bieletzke, Professor und Evaluationsbeauftragter im Fachbereich Medienwirtschaft. Im von allen Uni-Angehörigen einsehbaren Online-Bewertungssystem der FHM erscheinen gut bewertete Dozenten in grüner Schrift, schlecht bewertete in Rot - das Warnsignal ist nicht zu übersehen und sorgt, so Bieletzke, bei den Dozenten für "spürbare Motivationssteigerungen". Gekündigt wurde deshalb aber noch niemandem. Handy-Voting in Greifswald Auch an der Uni Zürich müssen sich Professoren "unbequeme Fragen gefallen lassen", so Hans-Dieter Daniel, Leiter der Evaluationsstelle; er entwickelt Fragebögen, befragt jährlich Tausende von Studierende - und hört auf sie. Im Schnitt alle vier Jahre kommt ein Fachbereich unter die Lupe. Dozenten, die zweimal schlecht bewertet werden, müssen mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen. Mittlerweile gibt es viele Möglichkeiten, die Qualität von Lehrveranstaltungen zu bewerten. Das reicht von der klassischen Paper-Pencil-Evaluation, dem Ausfüllen von Fragebögen, über Onlinebefragungen bis hin zum Handy-Voting, wie es an der Uni Greifswald getestet wurde. 60 Medizinstudenten hatten dort gesponserte Mobiltelefone erhalten und wurden immer wieder von ihren Dozenten aufgefordert, eine kurze Bewertung per SMS zu schicken. "Wir wollten wissen, wie zufrieden die Studenten mit ihren Seminaren sind", sagt Bernd Kordaß, stellvertretender Studiendekan der Zahnmedizin. Gefragt wurde etwa danach, ob der Lernstoff verständlich vermittelt wurde oder ob man aktiv werden konnte. Mittlerweile ist das Projekt eingestellt worden - der Aufwand war zu groß. Weniger aufwendig ist Seminarkritik im Internet, auf den Seiten von Meinprof.de. Dort kann jeder nachlesen, welche Dozenten besonders mies abschneiden. An der ETH Zürich zeigt man Humor und verleiht jährlich einen Preis an den "seltsamsten Dozierenden": den "Goldenen Kauz".
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