Schriftliche Kleine Anfrage und Antwort des Senats

BÜRGERSCHAFT
DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG
Drucksache
21. Wahlperiode
21/3185
16.02.16
Schriftliche Kleine Anfrage
der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 09.02.16
und
Betr.:
Antwort des Senats
Inhaftierter trotz Begleitung beim Ausgang ausgerissen – Aufsichtsversagen?
Nach Angaben der Justizbehörde ist am 5. Februar 2016 ein Inhaftierter der
Sozialtherapeutischen Anstalt Fuhlsbüttel bei einer Ausführung entflohen.
Der 38-jährige Andre S. hatte sich in Begleitung eines Justizvollzugsbediensteten in einer Bäckerei in St. Georg aufgehalten, wegen einer Wartezeit zwischen einem Friseurbesuch und einem Beratungstermin. Dem Inhaftierten
gelang dann die Flucht.
Nach den Angaben der Behörde befand sich der Inhaftierte seit dem 15.
März 2013 wegen Diebstahl- und Betrugsdelikten in der Sozialtherapeutischen Anstalt. Das Ende der regulären Haft sollte am 1. März 2018 geschehen. Trotz Hinzuziehung der Polizei und eingeleiteter Fahndung, konnte der
Inhaftierte bisher nicht ergriffen werden.
Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:
Der Senat betrachtet Vollzugslockerungen als wichtigen Bestandteil des modernen
Strafvollzugs. Das schrittweise Erlernen eines verantwortungsvollen Umgangs mit
Freiheit und Selbstbestimmung stellt einen wesentlichen Beitrag für eine erfolgreiche
Resozialisierung dar. Lockerungen dienen dazu, das Vollzugziel zu befördern.
Der im Rahmen der vorliegenden Lockerung entwichene Gefangene hat sich am 10.
Februar 2016 in der Sozialtherapeutischen Anstalt gestellt. Er befindet sich wieder in
Haft.
Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt:
1.
Wie konnte der Inhaftierte flüchten, obwohl er sich bei der Ausführung in
Begleitung eines Justizvollzugsbediensteten befand (bitte aus Sicht und
nach Kenntnissen der zuständigen Behörde darstellen)? Ist die Begleitung von nur einem Justizvollzugsbediensteten der Regelfall?
Wenn ja, auf welcher Grundlage?
Wenn nein, warum nicht?
Nach § 12 Absatz 1 Nummer 1 Hamburgisches Strafvollzugsgesetz, Hamburgisches
Jugendstrafvollzugsgesetz können geeignete Gefangene die Justizvollzugsanstalt für
eine bestimmte Tageszeit unter Aufsicht verlassen (Ausführung). Näheres ist in einer
Verfügung der zuständigen Behörde geregelt. Danach sind die Gefangenen von
Angehörigen des einfachen Justizdienstes oder des mittleren allgemeinen Vollzugsdienstes (AVD) bei der Ausführung ständig und unmittelbar zu beaufsichtigen. Über
Ausnahmen einer ständigen und unmittelbaren Beaufsichtigung entscheidet die
Anstaltsleitung. Vor der Ausführung erteilt sie den Bediensteten die nach Lage des
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Einzelfalles erforderlichen Weisungen. Die Zahl der ausführenden Bediensteten und
die sonstigen Ausführungsmodalitäten sind so festzulegen, dass grundsätzlich eine
ständige und unmittelbare Beaufsichtigung sichergestellt ist, damit zu jeder Zeit und
an jedem Ort mögliche Entweichungsversuche vereitelt werden können. Mit wie vielen
Bediensteten eine Ausführung durchgeführt wird, ist somit abhängig von der Beurteilung des Einzelfalls.
Im vorliegenden Fall war eine Ausführung zur Teilnahme an einem Beratungsgespräch vorgesehen. Darüber hinaus waren im Rahmen der Ausführung ein Friseurbesuch und ein Treffen mit einer Familienangehörigen geplant. Die Durchführung der
Ausführung mit einem Bediensteten wurde aufgrund des bis dahin von dem Gefangenen im Vollzug gezeigten Verhaltens als ausreichend erachtet. Die Aufsicht wurde
einem erfahrenen Bediensteten übertragen. Als Weisung wurde die unmittelbare und
ständige Beaufsichtigung des Gefangenen, außer bei Toilettengängen und der Teilnahme an dem Beratungstermin, angeordnet.
Um die Zeit nach dem Friseurbesuch bis zum Beratungstermin zu überbrücken, suchte der Bedienstete mit dem Gefangenen eine Backstube auf, um einen Kaffee zu trinken. Der Gefangene nutzte hier einen Toilettengang des Bediensteten, um zu entweichen.
2.
Wie viele und welche Lockerungsmaßnahmen sind seit wann bezogen
auf den Inhaftierten umgesetzt worden?
Der Gefangene hat am 15. Januar 2016 erstmals Vollzugslockerungen erhalten. Er
wurde vor dem Ereignis am 5. Februar 2016 insgesamt dreimal, am 15. Januar 2016,
22. Januar 2016 und 29. Januar 2016, zu Beratungsgesprächen ausgeführt.
3.
Wie ist der aktuelle Stand der Umstände des Hergangs nach den Ermittlungen? Gibt es bisherige Fahndungserfolge?
Wenn ja, welche und wohin ist der Inhaftierte geflüchtet?
Wenn nein, warum nicht?
Strafrechtliche Ermittlungen zum Hergang der Flucht wurden mangels Strafbarkeit der
Entweichung nicht geführt. Die Polizei hatte zur Ergreifung des entwichenen Strafgefangenen Fahndungsmaßnahmen eingeleitet. Im Übrigen siehe Vorbemerkung und
Antwort zu 1.
4.
Wie viele und welche vergleichbaren Vorfälle hat es in den Jahren 2013
bis 2016 in Hamburg gegeben (bitte Angaben in Jahren, unter Angabe
der Straftaten der Inhaftierten und der Sozialtherapeutischen Anstalt
darstellen)?
In den Jahren 2013 bis 2016 (Stand: 11. Februar 2016) ist es außer der Entweichung
bei der Ausführung am 5. Februar 2016 zu zwei vergleichbaren Vorfällen gekommen.
2013 ist ein Gefangener der JVA Hahnöfersand bei einer Ausführung zur Arbeitssuche entwichen. Er verbüßte eine Jugendstrafe wegen schweren Raubes. Der Entwichene wurde nach drei Monaten festgenommen.
2015 ist ein Jugenduntersuchungshaftgefangener bei der Vorführung zur Hauptverhandlung im Amtsgericht Hamburg-Harburg entwichen. Die Untersuchungshaft war
wegen des Verdachts des räuberischen Diebstahls angeordnet. Der Entwichene wurde eine Woche nach der Entweichung festgenommen.
Zu Entweichungen von Gefangenen der Sozialtherapeutischen Anstalt Hamburg ist es
im erfragten Zeitraum nicht gekommen.
5.
Wer ist aus Sicht der zuständigen Behörde für die Flucht des Inhaftierten
verantwortlich? Wie bewertet der Senat beziehungsweise die zuständige
Behörde den Vorfall und wie wird nun mit welchen Maßnahmen darauf
reagiert?
Die Entweichung wurde durch eine Anordnung der Anstaltsleitung begünstigt, wonach
während eines Toilettengangs keine unmittelbare und ständige Aufsicht erforderlich
war. Die zuständige Behörde hat die Thematik mit allen Anstalten erörtert und klarge2
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stellt, dass die Anordnung bei ungefesselten Ausführungen durch einen Bediensteten
künftig so auszugestalten beziehungsweise zu konkretisieren ist, dass mögliche Entweichungsversuche durch die Festlegung entsprechender Sicherungsmaßnahmen
während notwendiger Toilettengänge vereitelt werden können.
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