Wie viel Vermittlung verträgt die Musik? - HKB

Datum: 08.01.2011
Schweizer Musikzeitung
8038 Zürich
044/ 281 23 21
www.musikzeitung.ch
Medienart: Print
Medientyp: Spezial- und Hobbyzeitschriften
Auflage: 21'596
Erscheinungsweise: monatlich
Themen-Nr.: 375.19
Abo-Nr.: 1074128
Seite: 23
Fläche: 50'041 mm²
Wie viel Vermittlung verträgt die Musik?
sind übergeordnete Organisationen, die
Projekte beraten, fördern, vernetzen -
und finanzieren. Gunhild Hamer von
der Fachstelle Kulturvermittlung im
Departement Bildung, Kultur und
Sport des Kantons Aargau informierte
über die Einrichtung Kultur macht
Schule, die Kinder und jugendliche mit
Peter Kraut: «Musik kann man letztendlich nicht erklären.»
Das Symposium «Musikvermittlung
Education oder Kunst?» ging Ende
November in Aarau dieser Frage nach.
Musikvermittlung lautet das Gebot der
Stunde: Ob Sinfonieorchester oder
Opernhaus, sie alle leisten sich eine Stelle, die sich explizit darum bemüht. Mu-
sik einem gemischten Publikum zu er-
schliessen, dieses für das Hören und
Foto: 0 ZHdK
ter bisweilen engagieren, um neue Zu-
gänge zur tradierten Kunstform des
Konzerts zu entwickeln, ohne dabei das
Wesentliche in der Musik zu vernachlässigen. Denn wie es Markus Lüdke, Leiter
Programmbereich Musik an der Bundesakademie für kulturelle Bildung Wolfenbüttel, ganz zum Schluss der Veranstaltung auf den Punkt brachte: «Kunst muss
immer auch Vermittlung sein.»
Erfahren von (klassischer) Musik zu senZum Zuhören motivieren
sibilisieren, Verständnis zu schaffen und
Innovativ sind die Kinderkonzerte und
Berührungsängste abzubauen. Die Aus- Klangfabriken, wie sie am Freitagnach-
wahl der Hilfsmittel ist mittlerweile mittag vorgestellt wurden. Diana Lehfacettenreich wie die Musik selbst, be- nert, die Verantwortliche für die Mu-
wegt sich geschickt im Spannungsfeld sikvermittlung beim Luzerner Sinfonievon Marketing und Bildung. Doch: Wie orchester hat mit
Ahoi! eine «musiktheviel Vermittlung verträgt die Musik?
atrale» Konzertreihe entworfen, die
Auf Einladung der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) und der Schweizer
Akademie für Musik und Musikpädago-
gik (SAMP), die einen Studiengang in
Musikervermittlung und Konzertpädagogik führen (siehe Kasten), kamen am
26. und 27. November 2010 im Kulturund Kongresshaus Aarau Vertreterinnen
und Vertreter von Institutionen aus der
Schweiz, Deutschland und Österreich
zusammen, um ihre Erfahrungen und
Standpunkte in Referaten, Podien und
Workshops darzulegen und zu diskutie-
Schauspiel, Licht, Video und Bewegung
in Verbindung mit Musik treten lässt.
Ähnliches berichtete Irena Müller-Brozovic, Leiterin Education Projekte Region Basel, über Mini.Musik: Ihr insze-
niertes Kammermusikprojekt des Sin-
fonieorchesters Basel geht mit der
ganzen Familie auf musikalische Entdeckungsreise. Zeitgenössische Musik
für und mit Kindern bieten in Bern
Tönstör (Leitung: Barbara Balba Weber)
und in Basel die Gare des enfants, der
ren. Während sich der erste Tag der Mu- Musikbahnhof (Leitung: Sylwia Zytynssikvermittlung für Kinder zuwandte und ka). Ziel beider Foren ist es, die Kinder
damit Einblicke in bereits geläufige, an nachhaltig ins Geschehen mit einzube-
der elementaren Musikerziehung an- ziehen, sei es mit selbst gestalteten
knüpfende Modelle lieferte, befasste sich Programmen oder als aktiv Zuhörende:
der zweite mit der Musikvermittlung für Avantgarde als kreatives Potenzial.
Nicht direkt an eine Institution und
jugendliche und Erwachsene. Es wurde
aufgezeigt, wie vielfältig sich Veranstal- somit an Eigeninteressen gebunden
Medienbeobachtung
Medienanalyse
Informationsmanagement
Sprachdienstleistungen
verschiedenen Angeboten an Kunst und
Kultur heranführt. Mit Erfolg: Seit 2010
ist die Kulturvermittlung im Kulturgesetz des Kantons Aargau verankert.
Wie eine erlebnisreiche Musikvermittlung primär über die Motivation
der Kinder zum Zuhören funktioniert,
das erläuterte Elisabeth Danuser, Leiterin Weiterbildung Musik und Studienleiterin BaChelor Musik und Bewegung
ZHdK, in einem Workshop: Wahrnehmen und Interagieren auf verschiedenen Ebenen, die sogenannte Multi-Le-
vel-Vermittlung, illustriert an praktischen Beispielen.
Vermittlung des Unvermittelten
Am Samstag standen zwei Referate im
Zentrum. Bewusst kontrovers titelte Peter Kraut: Die Vermittlung des Unvermittelten oder: Warum es Musikvermittlung gerade heute (nicht) braucht,
und die Ausführungen des Sozialwissen-
schaftlers und Dozenten an der Hochschule der Künste Bern waren schlüssig.
Er forderte von der Kunstvermittlung
Glaubwürdigkeit, Einsicht («Musik kann
man letztendlich nicht erklären.») und
Diskurs. Letzterer solle nicht überstrapaziert werden, mahnte Kraut, und sich
immer auf der Höhe der Sache selbst
bewegen, qualitativ und quantitativ.
Eine Vorreiterin in Sachen Musikvermittlung ist die Bieler Pianistin Gertrud
Schneider; sie kombiniert seit rund
vierzig Jahren in ihren «kommunikativen Programmen» neue mit alter Musik, vereint im Konzert Einführung und
Aufführung, indem sie Kompositionen
durch sich selber erschliesst. Schneider
demonstrierte das anhand eines Aus-
ARGUS der Presse AG
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schnitts aus Roland Mosers Brentanophantasien, zunächst in kommentierten Etappen, dann als Ganzes. Das Publikum zum Hören zu wecken, es einund heranzuhören, das sei ein Dosierungskunststück, meinte sie.
Weitere Jugendbeauftragte an Kon-
Allwardt, der Geschäftsführerin des
Netzwerks junge Ohren, des Fachpor-
tals im deutschsprachigen Raum für
die Musikvermittlung. Sie hatte es sich
zur Aufgabe gemacht, das Gebotene an
den beiden Veranstaltungstagen, beson-
ders die thematisierten Projekte, zuzert- und Opernhäusern gaben an- sammenzufassen und zu evaluieren.
schliessend Einblick in ihre Aufgaben- Markus Lüdke veranschaulichte darauf
bereiche: Matthijs Bunschoten vom an konkreten Beispielen, nach welchen
Musikkollegium Winterthur sprach Kriterien die verschiedensten Formate
von der Überzeugungskraft, die es gebündelt werden können. Er teilte ein
braucht, um Jugendlichen über die in die vier Kategorien «Im Konzert»,
klassische Musik zu begegnen. Sein «Ums Konzert herum», «Hin zum Kon-
gross angelegtes Opernprojekt sieht er zert» und «Hin zur Musik». Lüdke deckdiesbezüglich auch als Experiment. te damit die gesamte Spanne zwischen
Noch im Aufbau befinden sich Roger Konzerterlebnis und Musikerziehung
Lämmlis Bemühungen am Opernhaus ab und ergänzt sie mit den gesteigerten
Zürich. Dort versteht er sich vor allem Mitteln der Neuen Medien.
Zufrieden zeigte sich Regula Stibi,
als «Türöffner in eine bisweilen als sehr
Studiengangsleiterin
an der ZHdK und
elitär geltende Kunstwelt». Er will mehr
Selbstverständnis und Emotionen Mitorganisatorin, im Rückblick auf das
schaffen, auch seitens des Betriebs. El- Symposium: «Aus der Sicht unseres Stu-
mar Weingartner, der Intendant des diengangs für Musikvermittlung und
Tonhalle-Orchesters Zürich, und die Konzertpädagogik war es ein grosser
Projektleiterin Mara Corleoni sind bestrebt, für die mittlere Generation Angebote zu schaffen, die auf das Erlebnis
Musik ausgerichtet sind: Klänge erfahren, statt nur konsumieren.
Alle diese Ausführungen ergänzte
Dominik Sackmann, Leiter des Institute for Music Studies an der ZHdK mit
einer Diskussion über die verbale Vermittlung, über das Reden und Schreiben über Musik in Form von mündlichen Einführungen bzw. Einfiihrungstexten. Der erwachsene Konzertbesucher habe ein Bedürfnis nach Informationen, nach Musikwissen und Horanregungen, stellte Sackmann fest. Doch
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Erfolg. Die Referate und Diskussionen
waren allesamt engagiert und inhaltlich orientiert. Im Speziellen gefreut
haben wir uns über die vielen Teilneh-
menden aus dem Ausland. Wir sind
überzeugt, dass solche Anlässe wichtig
sind und zum Selbstverständnis von
Musikvermittlung studieren
ZHdK. Als schweizweit erste Institutionen bieten die Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) und die Schweizer Akademie für Musik und Musikpädagogik (SAMP) gemeinsam einen
Master of Advanced Studies Zürcher
Fachhochschule in Musikvermittlung und Konzertpädagogik an.
Gelehrt werden allgemeine Grundlagen und Methoden der Vermittlung
sowie die Konzeption und die Organisation von Vermittlungsangeboten für
Kinder und Erwachsene bis hin zum
dritten Lebensalter. Angebote in Mu-
sikvermittlung können unmittelbar
im eigenen beruflichen Umfeld lanciert oder innerhalb einer Kulturinstitution realisiert werden.
Das Weiterbildungsangebot in
Musikvermittlung und Konzertpäd-
agogik ist modular aufgebaut und
umfasst vier Semester. Ein Einstieg
ist auf jeden Semesterbeginn möglich. Anmeldeschluss für das Herbstsemester 2011 ist der 30. Mai 2011.
Information: Sekretariat Weiterbildung Musik, Tel. +41 (0)43 446 51 86,
[email protected]
Musikvermittlung innerhalb von Insti-
tutionen und Bildungseinrichtungen
beitragen können.» Weitere Veranstaltungen werden folgen.
David Koch
welche Voraussetzungen bringt das
Publikum mit, welche Erwartungen
und Vorkenntnisse? Und: Verändern
Inhalte das Hören? Solchen Fragen
muss ein Autor zwingend nachspüren.
Die Fülle der Formate
Den einen richtigen Weg der Musikvermittlung gibt es nicht. Im Gegenteil: Es
gibt eine - fast schon unübersichtliche
- Fülle an Möglichkeiten. Das wurde
zum Abschluss des Symposiums deutlich, bei den Ausführungen von Ingrid
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