Wie kommen die Löcher in die Zähne? - Friedrich Verlag

Unterrichtspraxis
Wie kommen die Löcher
in die Zähne?
von Felix Wöhrle, Angelika Callaway, und Donata Mehrkens
Auf den ersten Blick scheint
die Frage in der Überschrift
wenig mit einem Themenheft
Carbonsäuren zu tun zu haben. Sie werden Ihre Meinung im Verlauf dieses Artikels ändern.
Die Beschäftigung mit
dieser simplen Frage wirft
viele Anknüpfungspunkte
auf, bei denen Carbonsäuren
eine prominente Rolle spielen, und eignet sich auch für
den Fachübergreifenden Unterricht. Insbesondere eine Zusammenarbeit mit dem Bereich Biologie ist hier angebracht. Jeder kennt mittlerweile die Werbeaussage einer
Kaugummifabrik: „Wenn Sie etwas essen, beginnt ein Säureangriff auf Ihre Zähne, der mehrere Stunden anhält.“ Tatsächlich ist diese Aussage in gewissem Rahmen berechtigt. Sie
beantwortet aber natürlich nicht die Frage, was dabei im
Detail geschieht.
Sehen wir uns zunächst einmal unsere Zähne unter
chemischen Aspekten an: Zähne bestehen im Wesentlichen aus zwei verschiedenen Materialien, dem relativ weichen Dentin und dem sehr harten Schmelz, der teilweise
das Dentin bedeckt. Chemisch gesehen sind beide Materialien hauptsächlich aus wechselnden Mengen an organischer Stützsubstanz (Collagen) und Hydroxylapatit
[Ca10(PO4)6(OH)2] aufgebaut. Normalerweise besteht ein
Gleichgewicht (Abb. 1) zwischen De- und Remineralisa-
Tooth decay begins with an attack
by lactic acid on the tooth substance. This phenomenon offers
quite some points – starting with
equilibria, on to micobiological procedures up to hygienic education
and social studies.
The article describes an experiment,
that can be performed in school to
clearly demonstrate this acid attack
to pupils.
tion. Fällt der pH-Wert unter die magische Grenze von 4,5,
löst sich der Hydroxylapatit durch Protonierung und Wasserabspaltung auf:
Ca10(PO4)6(OH)2 + 2 H+
Ca10(PO4)62– + 2 H2O
Die erforderliche Säure liefern Bakterien, die auf dem
Zahn in Form einer mehr oder weniger dicken Schicht, der
so genannten Plaque, siedeln. Unter Energiegewinn produzieren sie als Stoffwechselprodukt aus Glucose zwei
Moleküle Milchsäure (2-Hydroxypropansäure) [1].
O
H
C
HO — C — H
H — C — OH
O
OH
C
2HO — C — H
CH3
HO — C — H
H — C — OH
CH2OH
D-Glucose
Milchsäure
36 (244)
2
2(
H
O
)
Zucker
6(HPO42–)
Zusatzinformation: Diese Reaktion läuft unter anaeroben Bedingungen auch im Muskelgewebe ab und erzeugt so den
Muskelkater. Milchsäure wurde 1780 von Scheele in saurer
Milch entdeckt und wird auch dort von verschiedenen Bakterienarten produziert. Tatsächlich wird ihr Vorkommen in
der Milch benutzt, um die Frische der Milch abzuschätzen.
Normale Kuhmilch hat einen
pH-Wert von 6,3 bis 6,6. Wie
auch Blut besitzt Milch Puffersysteme (Phosphate, Citrate,
Proteine), die bei beginnender
Kariogene
Bakterien
Säuerung die Milch zunächst
H+
stabilisieren, bis etwa bei eiH+
nem pH-Wert von 4,9 (bei
+
H
+
Magermilch etwas höher) die
H
Milchgerinnung einsetzt [2].
H+
H+
Im Folgenden sollen Ver3
3
6 (PO4 )
6 (PO4 )
H+
suche beschrieben werden,
+
Ca10(PO4)6(OH)2
Ca10(PO4)6(OH)2
H
10 Ca2+
die es ermöglichen, diese
10 Ca2+
Hydroxylapatit
Hydroxylapatit
H+
Sachverhalte experimentell
+
–
H
2 (OH )
2 (OH–)
erfahrbar zu machen. Wenn
Speichel
der pH-Wert im Mund
Plaque
tatsächlich, wie angegeben,
auf unter 4,5 fällt, dann sollte
es doch ein Leichtes sein, diesen Vorgang nachzuweisen,
indem man einfach auf ein
pH-Papier spuckt. Führt man
a
b
den Versuch durch, zeigt das
Abb. 1: Gleichgewichtsreaktionen an der Grenzfläche Zahn – Plaque (umgezeichnet nach Larsen und Bruun).
pH-Papier, egal, ob vor oder
a: Gleichgewicht zwischen Demineralisation und Remineralisation,
nach Zuckergenuss, einen
b: Unter der aktiven Plaque ist das Gleichgewicht in Richtung Demineralisation verschoben.
Wert von 6,5 bis 7,0. Ganz so
NiU-Chemie 8 (1997) Nr. 41