KV-Blatt 05/09: Wirtschaft VI - Für Sonderverträge wie HIV/AIDS

Wirtschaft und Abrechnung
KV-Blatt 05.2009
Für Sonderverträge wie HIV/AIDS, Onkologie oder Rheuma
AOK Berlin hält Abschlagszahlungen
in Millionenhöhe zurück
Nach KV-Angaben sind solche
Abschlags­zahlungen bis zum drittletz­
ten Banktag eines jeden Monats fällig. Bereits die Januar-Zahlung sei
aller­dings verspätet und erst nach
„erheb­licher Zusatzkommunikation“
(O-Ton KV Berlin) eingegangen. Die
Februar-Zahlung blieb schließlich ganz
aus. Die Kasse steht auf dem Standpunkt, dass Abschlagszahlungen auf
Sonderzahlungen gar nicht Gegenstand
des Honorarvertrages 2009 sind. Die
KV Berlin verweist hingegen auf die
Regelung, wonach die Abschlagszahlungen für sämtliche Leistungen innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung
fällig sind. So sehen es offenbar auch
alle anderen Krankenkassen, die ihre
Abschlagszahlungen nach Lesart der KV
meist pünktlich leisten. Überdies hat
der Bewertungsausschuss – ihm gehören Kassen- und Ärztevertreter an – in
seiner Empfehlung über die Weiterführung von Sonderverträgen (speziell zu
HIV/AIDS) die Abschlagszahlungen
ausdrücklich einbezogen.
Abrechnungsexperten bei der KV Berlin mutmaßen vor diesem Hintergrund,
dass die Zurückhaltung der FebruarAbschlagszahlung der AOK Berlin „eine
Art Faustpfand“ zur Durchsetzung
anderer Spielregeln sein könnte. Tatsächlich hat die Kasse der KV Berlin den
Entwurf einer „Vorläufigen Vereinbarung“ vorgelegt, wonach die Abschlagszahlungen nun nicht mehr bis zum
drittletzten Banktag des laufenden
Monats, sondern erst bis zum dritten
Banktag des Folgemonats erfolgen soll.
Würde die KV unterschreiben, dann
würde die ausstehende Februar-Zahlung auch „unverzüglich“ erfolgen.
KV hat Klage gegen die AOK Berlin
eingereicht
Während die KV Berlin also weiterhin
ihre Abschlagszahlungen an die Ärzte
bis zum drittletzten Banktag des laufenden Monats zu leisten hätte, müsste
die AOK Berlin dann erst rund 6 Tage
später zahlen. Für die KV wäre dies eine
erhebliche Zinsbelastung, da die fraglichen monatlichen Abschlagszahlungen
der AOK Berlin bei weit über einer Million Euro liegen. Jetzt muss das von
der KV angerufene Sozialgericht Berlin
diese Auseinandersetzung klären.
Reinhold Schlitt
* Stand: Redaktionsschluss
Kommentar
Ansichtssache
Archivfoto: da vinci design GmbH
Zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Berlin und der Allgemeinen
Ortskrankenkasse (AOK) Berlin gibt es
einen handfesten Streit um Abschlagszahlungen der Kasse auf Sonderverträge. Die AOK Berlin schuldet * nach
KV-Angaben die Abschlagszahlungen
auf Sonderleistungen seit dem Monat
Februar 2009, u. a. für die Versorgung
von HIV/AIDS-Patienten, für Rheuma­
patienten und onkologische Leis­tungs­
fälle.
Die AOK hält Geld zurück. Na und? Immer wieder passiert es, dass Kassen und KV sich um die
Auslegung von Verträgen streiten. Wer zahlen
muss, lehnt sich zurück, nach dem Motto: Soll
die Gegenseite doch beweisen, dass sie im Recht
ist. Das Zurückhalten scheinbar oder tatsächlich
fälliger Zahlungen ist ein beliebtes Druck­mittel.
Der jüngste Streit mit Berlins größter Primär­
krankenkasse um die Abschlagszahlungen bei
Sonderverträgen passt in dieses Raster. Wie aus
heiterem Himmel bricht die AOK einen Streit über die Rechtmäßigkeit von
Vorauszahlungsforderungen vom Zaun und erklärt für nicht gegeben, woran sie
sich gestern noch gehalten hat. Die KV klagt dagegen, das Sozialgericht muss
entscheiden. Unterliegt die Kasse, dann muss sie eben nachzahlen – mit Zins
und Zinseszins. Alles halb so schlimm? Ansichtssache.
Ansichtssache auch das: Die AOK als größte gesetzliche Berliner Krankenkasse
streitet sich mit der KV um ein paar Zinstage und hält deswegen Geld für Ärzte
zurück, das rauszurücken sie nur willens ist, wenn die KV sich ihren Spiel­regeln
unterwirft. Hat die Kasse, die jährlich Milliardensummen bewegt, so etwas
nötig? Ist das Erpressung? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Aber selbst dann hat
das Ganze noch Gschmäckle: Im vorliegenden Fall streitet sich die KV für ihre
Ärzte mit der Kasse. Abschlagszahlungen an die Ärzte fließen trotzdem weiter.
Man stelle sich vor, die Ärzte würden direkt oder über privatwirtschaftlich organisierte Stellen mit der AOK abrechnen. Was würde passieren, wenn plötzlich
ein nicht unwesentlicher Teil vorauskalkulierter Zahlungen nicht mehr einträfe,
weil die Kasse deren Rechtmäßigkeit bestreitet? Geht nicht? Geht doch! Der
vorliegende Fall spricht Bände. Und irgendwie passt er auch in diese aufgeregten
Diskussionen um einen Systemwechsel á la Lauterbach & Co.
Reinhold Schlitt
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