unsere nachbarn
Arbeitszufriedenheit, Wettbewerb,
Marketing, Einkommen und Umsatz
Was denken die Ärzte dazu?
Klagen über zu viel Bürokratie, zu lange Arbeitszeiten und nicht angemessene Einkommen
werden häufig laut, wenn nach den Ursachen
für eine mangelnde Motivation zur Niederlassung in Deutschland gefragt wird. Daraus wird
meist eine hohe Unzufriedenheit der Praxisinhaber abgeleitet.
Die Studie „Ärzte im Zukunftsmarkt Gesundheit“ im Auftrag der Hamburger Stiftung Gesundheit bestätigt diese Annahmen nur zum
Teil.
Deutlich wird, dass besonders unter jungen Ärzten die Arbeitszufriedenheit hoch ist. Je länger
ein Arzt aber niedergelassen ist, desto stärker
nimmt diese Zufriedenheit ab. Fast 40 Prozent
der Ärzte, die länger als 20 Jahre niedergelassen
sind, bewerten die eigene Arbeitszufriedenheit
mit der Schulnote vier oder schlechter. Bei den
Praxisgründern (bis fünf Jahre Niederlassung)
sind dies nur 28 Prozent. Die durchschnittliche
Arbeitszeit der Ärzte beträgt pro Woche 56
Stunden, wovon 33 Stunden (58 Prozent) auf
kurative Leistungen entfallen. Zehn Stunden
pro Woche verbringen die Ärzte mit administrativen Aufgaben (18 Prozent), den Rest mit
Weiterbildung, Forschung und Gutachten sowie
Mitarbeiterinstruktion.
Was aber führt zur Zufriedenheit oder Unzufriedenheit mit der eigenen Situation in der Praxis?
Die Studie liefert dazu einige Anhaltspunkte:
8 Zufriedene Ärzte verdienen meist gut. Für die
Ärzte, die ihre Arbeitszufriedenheit mit sehr
gut bewerten, ermittelte die mit der Auswertung beauftragte Gesellschaft für Gesundheitsmarktanalyse (GGMA) ein Bruttojahreseinkommen von durchschnittlich 183 363
Euro. Zugleich hatten diese extrem zufriedenen Ärzte den GKV-Anteil am Umsatz auf 61
Prozent und ihre Arbeitszeit auf wöchentlich
52 Stunden begrenzt.
8 Die unzufriedenen Ärzte dagegen erwirtschaften 77 Prozent ihres Umsatzes in der gesetzli-
chen Krankenversicherung und arbeiten länger als 68 Stunden pro Woche. Ihr Bruttojahreseinkommen beträgt durchschnittlich
71 875 Euro.
Diese beiden extremen Gruppen mit den Noten
sehr gut und ungenügend für die Arbeitszufriedenheit stellen aber in allen Altersgruppen nur
eine Minderheit. 79 Prozent geben moderate
Noten zwischen zwei und vier, immerhin die
Hälfte aller Ärzte erwartet außerdem, dass dieser Zufriedenheitsgrad auch im kommenden
Jahr unverändert bleiben wird. Von der anderen
Hälfte glaubt allerdings nur eine Minderheit,
dass sich ihre Situation verbessert.
Weitere Ergebnisse der Studie:
8 Wettbewerb: Über ein Drittel der Ärzte sieht
sich im starken Wettbewerb mit Kollegen,
nur zehn Prozent nehmen kein Wettbewerbsverhalten wahr. Als wichtigstes Instrument
im Wettbewerb stufen sie ihr Verhalten gegenüber den Patienten ein. Auch angepasste
Öffnungszeiten, Selbstzahlerangebote, Werbung und Preisgestaltung halten sie für bedeutend. Zweidrittel der Ärzte erwarten durch
den Wettbewerb ein sinkendes Honorar, ein
Drittel eine sinkende Versorgungsqualität.
8 Marketing: Über Zweidrittel der Ärzte halten
Werbemaßnahmen für ein wichtiges Element
der Praxisführung. Gut 15 Prozent haben bereits ein eigenes Marketingbudget definiert,
die meisten von ihnen geben mehr als 500 Euro pro Jahr dafür aus. Faustregel: Je höher der
Praxisumsatz, desto höher das Werbebudget
der Praxis.
8 Einkommen: Das Bruttojahreseinkommen
der Ärzte beträgt 117 375 Euro. Auffällig sind
die enormen Unterschiede zwischen Frauen
(78 200 Euro) und Männern (128 700 Euro).
Mit mehr Arbeit lässt sich nicht immer mehr
Geld verdienen. So arbeiten etwa die Ärzte in
der Einkommensklasse 500 000 bis 750 000
Euro mit knapp unter 60 Stunden nicht länger als ihre Kollegen in der Einkommensklasse
150 000 bis 200 000 Euro. Zehn Prozent gaben ein im Vergleich zum Vorjahr gestiegenes
Einkommen an. Nur 8,8 Prozent erwarten
dies für das kommende Jahr.
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 1/2007
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8 Umsatz: 65 Prozent des Praxisumsatzes erwirtschaften die niedergelassenen Ärzte in
der GKV, obwohl fast 90 Prozent der Patienten gesetzlich versichert sind. Allgemeinmediziner haben mit 80 Prozent einen höheren
GKV-Anteil als Fachärzte, bei denen Laborärzte und Radiologen den geringsten Anteil
aufweisen (62 Prozent). Die Umsatzspanne
Terminale Sedierung
Terminale Sedierung war zwar das Thema des
jüngsten Ethikseminars in der Hamburger Universitätsklinik Eppendorf (UKE), doch sollte
man, so die Referenten, diesen Begriff in Anführungszeichen setzen.
Darauf machte Prof.
Dr. Andreas Frewer
von der Abteilung
Geschichte, Ethik
und Philosophie der
Medizinischen Hochschule Hannover aufmerksam. Dennoch
führe diese Formulierung ins Zentrum der
Debatte, in der es Fragen gebe wie: Gibt es
Prof. Dr. Andreas Frewer
ein Menschenrecht
auf eine solche Sedierung? In welcher Form darf
Sedierung am Lebensende eingesetzt werden?
Gibt es ein Recht auf aktive Sterbehilfe? Andreas
Frewer wies darauf hin, dass der Begriff vor allem die Menschen in Deutschland bewege, dabei sei er uralt. Belegt sei er seit etwa dem 5. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung. Hippokrates
habe später formuliert, er werde niemandem,
auch nicht auf dessen Bitte hin, ein tödliches
Gift geben oder auch nur dazu raten. In der Antike habe es einerseits die Hilfe zum Sterben gegeben, andererseits aber Bemühungen um Lebensschutz: „Beides geht also in unserer Tradition zusammen, was den so genannten guten Tod
betrifft.“ Im christlichen Mittelalter sei aktive
Sterbehilfe verboten gewesen. Eine erneute Diskussion habe es im 19. Jahrhundert gegeben, als
sich die Medizin wieder dem Lebensende zugewandt habe. Zu den Aufgaben des Arztes zähl-
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der Praxen reicht von unter 50 000 Euro
bis über fünf Millionen. 35,8 Prozent und damit die größte Gruppe setzt zwischen
100 000 und 250 000 Euro im Jahr um. Die
Studie steht im Internet unter www.stiftunggesundheit.de in der Rubrik Presseservice,
dort unter Studien zum Herunterladen bereit.
(di)
ten damals prophylaxis, curatio und euthanasia.
Letzteres nannte der Arzt Karl Friedrich Heinrich
Marx eine Kernaufgabe der Heilkunde. In der
Medizin der Zeit des Nationalsozialismus, so
Andreas Frewer, sei umgesetzt worden, was sich
vorher in den Köpfen zahlreicher Menschen abgespielt habe, bis hin zur Vernichtung so genannten lebensunwerten Lebens. Seitdem werde der Begriff Euthanasie vorsichtig verwendet.
Im Paragraphen 216 des StGB sei aktive Sterbehilfe ebenso untersagt wie im ärztlichen Standesrecht. Erneut stellen sich Fragen: Sollen und
dürfen Behandlungen abgebrochen werden?
Was ist bei der modernen Pharmakotherapie
noch aktiv, was schon passiv? Was tun wir mit
denjenigen, die ihren Willen nicht mehr äußern
können? „Andererseits“, erläuterte der Wissenschaftler, „gilt es als Körperverletzung, wenn ein
Patient gegen seinen Willen behandelt wird.“
Die indirekte Sterbehilfe erscheine moralisch/
ärztlich geboten, „und das betrifft auch die palliative Sedierung“. Hier komme die Theorie der
Doppelwirkung ins Spiel: einerseits Schmerzlinderung, andererseits in Kauf nehmen, dass der
Tod beschleunigt eintritt. Andreas Frewer
spricht lieber von palliativer statt von terminaler Sedierung, „im Wort terminal steckt immer
auch die Intention“, er erinnerte daran, dass der
Begriff Therapie nicht nur behandeln heiße,
sondern auch verehren, respektieren. Ärztliches
Handeln sollte daher stets auf Schmerzlinderung abheben, „ultima ratio sollte sein die Hospiz- und Palliativmedizin“.
Auf der Intensivstation
Prof. Dr. Karl-Georg Kreymann von der Klinik
für Intensivmedizin am Universitätsklinikum
Hamburg-Eppendorf stellte fest, auf einer Intensivstation sterbe niemand mehr, ohne dass vorher darüber beschlossen worden sei. Dies gelte
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