Passauer Neue Presse vom 29.04.2015 Seite: 09 bis 09 Ausgabe: Passauer Neue Presse Stadt- und Landkreis Passau, Hauptausgabe 98 Ressort: Quellrubrik: Weblink: Bayern Nummer: Passauer Neue Presse - Ausgabe A http://www.pnp.de/nachrichten/artikel.php?cid=29-48539876&Ressort=bay&BNR=0 Hausärzte schießen scharf gegen AOK-Chef Niedergelassene Mediziner pochen auf Einhaltung des neuen Versorgungsvertrags in Bayern und fordern Ablösung von Helmut Platzer Passau/Eggenfelden. Das Interview mit Helmut Platzer, Vorstandschef der AOK Bayern, in der Heimatzeitung vom Montag hat bei den Hausärzten der Region für heftige Reaktionen gesorgt. Trotz eines unabhängigen Schiedsspruchs, der laut Bundessozialgericht rechtlich nicht aufschiebbar ist, weigert sich die AOK Bayern, den neuen Hausarztvertrag, der seit 1. April in Kraft ist, umzusetzen. "Spätestens jetzt sollte klar sein, dass die Wertschätzung unserer Arbeit bei der AOK ziemlich weit unten angesiedelt ist", wettern niedergelassene Hausärzte wie Dr. Hans Hugo Schlemmer aus Bernried (Lkr. Deggendorf). Kollegen wie Dr. Stefan Putz aus Iggensbach (Lkr. Deggendorf) und Dr. Michael Rosenberger aus Breitenberg (Lkr. Passau) fordern gar, die "gesundheitspolitische Geisterfahrt" von AOKChef Platzer zu beenden und ihm "die Fahrerlaubnis auf Dauer zu entziehen". Als einheitliche Stimme für den Bayerischen Hausärzteverband hat die PNP Dr. Gerald Quitterer, Bezirksvorsitzender für Niederbayern, zu den Querelen befragt. Herr Dr. Quitterer, wie beurteilen Sie die Weigerung der AOK Bayern, den gesetzlich geregelten Schiedsspruch anzunehmen, nachdem die vierjährigen Verhandlungen zwischen Hausärzteverband und AOK Bayern misslungen waren? Dr. Gerald Quitterer: Der Hausarztzentrierte Versorgungs-Vertrag (HzV) AOK Bayern ist von der Rechtsaufsicht nicht beanstandet worden und daher seit dem 3. März 2015 wirksam. Der Bayerische Hausärzteverband hält sich an Recht und Gesetz und setzt den HzVVertrag AOK Bayern seit dem 1. April 2015 um. Die Bayerische Staatsministerin für Gesundheit und Pflege Melanie Huml hat ebenso wie die Landtagspräsidentin Barbara Stamm die AOK Bayern aufgefordert, sich ebenfalls an Recht und Gesetz zu halten. Dem ist nichts hinzuzufügen. Was sagen Sie zu den Vorwürfen der AOK, dass bei den Hausarztverbänden statt der Verbesserung der Versorgungsqualität nur die Frage nach mehr Geld im Vordergrund gestanden habe? Quitterer: Die Hausarztverträge haben bundesweit nachweisbar zur Verbesserung der Qualität in der hausärztlichen Versorgung geführt. Dies belegen u. a. verschiedene wissenschaftliche Evaluationen. Grund für diese Qualitätsverbesserungen sind neben einer strukturierten hausärztlichen Fort- und Weiterbildung vor allem konkrete Teilnahmevoraussetzungen, die über Voraussetzungen zur Niederlassung weit hinausgehen - etwa die psychosomatische Weiterbildung. Behindertengerechte Zugänge zu den Praxen oder Abendterminsprechstunden oder ein erweitertes Präventionsangebot bieten zudem konkrete Serviceleistungen für die Patienten. Womit argumentieren Sie bei Versicherten, dass es sich für diese lohnt, einen Hausarztvertrag zu haben und ggf. mehr Beiträge zahlen zu müssen? Herr Platzer sagt, dass 5000 der 8000 Hausärzte und 3,7 Mio. AOK-Versicherte nicht an der Hausarzt-zentrierten Versorgung teilnehmen und dennoch tadellos versorgt werden. Ist das so? Quitterer: Einem Patienten, der an der Hausarztzentrierten Versorgung teilnimmt, stehe ich als Koordinator seiner medizinischen Leistungen und als erster Ansprechpartner in allen medizinischen Belangen zur Verfügung. Dies ist auch angesichts des zunehmenden Hausarztmangels ein nicht zu unterschätzender Vorteil für meine Patienten. Die vertraglich festgelegte höhere Vergütung im Fall von Versorgungsverträgen dient zudem dem Erhalt der flächendecken- 18 / 23 den Versorgung auf dem Land und in den Brennpunktvierteln der Städte. Und: Hausärzte, die demnächst in Rente gehen, können nur ersetzt werden, wenn man potentiellen Nachfolgern eine langfristig tragbare Perspektive gibt. Warum reicht den Hausärzten nicht eine vorgeschlagene zehn Prozent höhere Vergütung? Was halten Sie von einer Vergütungsobergrenze, die die AOK avisiert, und wo dürfte diese Ihrer Meinung nach liegen? Quitterer: Es gibt einen rechtsgültigen Hausarzt-Vertrag, den die AOK Bayern umzusetzen hat. Es ist deshalb unredlich, über die Medien Pseudo-Angebote zu streuen. Einziges Ziel der AOK Bayern ist es, zu Lasten ihrer Versicherten auf Zeit zu spielen. Wie gesagt: Auch die AOK Bayern hat sich an Recht und Gesetz zu halten. Was machen die Hausärzte, wenn es bis zum Stichtag 8. Mai nicht zu einer Einigung kommt? Quitterer: Diese Frage stellt sich aktuell nicht. Das Bayerische Staatsministerium hat angekündigt, die Durchführung des Hausarztvertrags durch die AOK Bayern anzuordnen. An dem Vollzug dieser Ankündigung habe ich keine Zweifel. Interview: Ariane P. Freier HAUSARZTVERTRAG Das Bundessozialgesetzbuch V regelt, dass Krankenkassen verpflichtet sind, ihren Versicherten Hausarztverträge anzubieten. Die Patienten verpflichten sich damit, zuerst ihren Hausarzt zu konsultieren. Über 80 Prozent der Behandlungsanlässe können in der Regel dort zur Zufriedenheit der Patienten gelöst werden, die verbleibenden Fälle werden einem geeigneten Spezialisten überwiesen. Passauer Neue Presse vom 27.04.2015 Seite: 10 bis 10 Ausgabe: Passauer Neue Presse Stadt- und Landkreis Passau, Hauptausgabe 96 Ressort: Quellrubrik: Weblink: Oberbayern Nummer: Südostbayerische Rundschau http://www.pnp.de/nachrichten/artikel.php?cid=29-48508717&Ressort=obb&BNR=0 "Kein vernünftiges Preis-Leistungsverhältnis" Vorstandschef der AOK Bayern warnt im Interview: Neuer Hausarztvertrag ist nicht im Interesse der Versicherten München. Die AOK Bayern und der Bayerische Hausärzteverband sind seit geraumer Zeit in einen Streit über einen sogenannten Hausarztvertrag verstrickt, der zuletzt immer weiter eskaliert ist. AOK-Vorstandschef Helmut Platzer erläutert im Interview mit der Heimatzeitung, warum sich seine Kasse weigert, den Schiedsspruch umzusetzen. Die Bundesregierung schreibt den Krankenkassen vor, mit den Hausärzteverbänden Sonderverträge zu schließen, die den Medizinern mehr Geld und den Patienten eine bessere Versorgung bringen sollen. Der Vertrag sollte sei Monatsbeginn gelten, aber die AOK Bayern weigert sich. Warum? Platzer: Vorweg: Der Hausarzt als Lotse durch das Gesundheitswesen ist eine versorgungspolitische Idee der AOK. Wir waren die ersten bundesweit, die einen großen und flächendeckenden Hausarztvertrag ermöglicht haben. Der Gesetzgeber ist sogar nachgezogen und hat diese gute Idee für alle verpflichtend gemacht. Leider stand dann aber statt der Verbesserung der Versorgungsqualität schnell die Frage nach dem Geld im Vordergrund, konkret die höhere Vergütung für die Ärzte. Da gehen dann naturgemäß die Interessen auseinander, schließlich vertreten wir die Interessen der Beitragszahler. Das Gesetz sieht auch vor, dass die zusätzliche Vergütung durch eine verbesserte Versorgung - beispielsweise Vermeidung unnötiger Krankenhauseinweisungen - gegenfinanziert werden kann. Es ist zwischenzeitlich ein Schiedsspruch ergangen. Warum weigern Sie sich weiter? Platzer: Der Schiedsspruch ist unseres Erachtens nicht nur rechtswidrig - das müssen die Gerichte klären. Er ist darüber hinaus gar nicht umsetzbar, weil er die Leistungen der Ärzte nicht konkret festlegt. Gerade die Vergütungsanlage ist unvollständig. In der sehr einseitigen Auslegung des Hau- särzteverbands führt sie bei 1,4 Millionen eingeschriebenen Versicherten zu zusätzlichen Ausgaben in Höhe von jährlich 200 Millionen Euro - allein für die hausarztzentrierte Versorgung. Diese ergänzt ja lediglich die allgemeine hausärztliche Versorgung, innerhalb derer die Patienten auf Vorlage ihrer Gesundheitskarte alle medizinisch erforderlichen Leistungen erhalten. Einer höheren Vergütung müssen aber auch angemessene Gegenleistungen gegenüberstehen. Auch weitere Gespräche blieben ergebnislos. Bayerns Gesundheitsministern Melanie Huml bezeichnet Sie als "uneinsichtig" und hat angekündigt, sollten Sie "auch weiterhin nicht zur Vernunft kommen", werde sie von ihrem Recht Gebrauch machen, Ihnen die "sofort vollziehbare Anweisung" zu geben, den Schiedsspruch umzusetzen. Bis 8. Mai müssen Sie erklären, ob Sie einlenken. Werden Sie? Platzer: Darüber entscheidet das Parlament der AOK - das ist der Verwaltungsrat, dem Vertreter der bayerischen Arbeitgeber und der Versicherten angehören. Ob es vernünftig ist, den Beitragszahlern beträchtliche finanzielle Opfer abzuverlangen ohne adäquate Gegenleistung, muss jeder selbst beurteilen. Sollte es bei einem Nein bleiben, werden rechtsaufsichtliche Maßnahmen gegen die AOK Bayern ergriffen. Das bedeutet? Platzer: Die Aufsicht kann eine sofort vollziehbare Verpflichtungsanordnung erlassen. Dagegen steht grundsätzlich der Rechtsweg offen. Ob der Vorwurf, die AOK handle rechtswidrig, zutrifft, wird dann vor den Gerichten entschieden, wie in einem Rechtsstaat glücklicherweise üblich. Aber so weit sind wir ja längst noch nicht. Dient Ihr Widerstand lediglich dazu, Ihren Versicherten sagen zu können, die Beitragserhöhung haben nicht wir ver20 / 23 schuldet, sondern die Politik? Platzer: Es geht doch nicht um die Frage, wer woran schuld ist. Unser Ziel muss es sein, Versicherte vor einem Beitrag zu bewahren, für den es kein vernünftiges Preis-Leistungsverhältnis gibt. Das müsste auch das Anliegen der Politik sein. Und die bayerischen Hausärzte haben im bundesweiten Vergleich beim Einkommen eine Spitzenposition. Allein die AOK Bayern hat seit 2008 1,2 Milliarden Euro zusätzlich an den Hausärzteverband überwiesen. Bei im Schnitt 5000 teilnehmenden Hausärzten macht dies je Arzt im Jahr zusätzlich über 34 000 Euro. Das liegt deutlich über dem Durchschnittsjahresverdienst unserer Versicherten - und das für eine ergänzende Leistung. Und jetzt soll noch mehr dazu kommen. Klar ist: Wer die Umsetzung des Schiedsspruchs von Dr. Klein anweist, wie der Hausärzteverband ihn interpretiert, weist zugleich 4,3 Millionen Versicherte an, dafür höhere Beiträge zu zahlen - ohne entsprechende Gegenleistung. Wie stellen Sie sich eine Lösung vor? Platzer: Unser Vorschlag kann sich sehen lassen: Wir haben eine Erhöhung der Vergütung um zehn Prozent vorgeschlagen. Auch das ist viel Geld, aber eben doch weniger, als der Schiedsspruch in der einseitigen Auslegung des Hausärzteverbandes vorsieht. Was wir brauchen, ist Kalkulierbarkeit und Verlässlichkeit. Dazu gehört eine belastbare Vergütungsobergrenze. Dann ist der Weg frei für eine neue Vereinbarung. Haben Sie das Gefühl, die Politik geht falsch mit Ihnen um? Platzer: Unsere Versicherten haben sicherlich kein Verständnis dafür, überzogene Forderungen zu begleichen, ohne entsprechende Gegenleistungen erkennen zu können. Gegenwärtig nehmen ja 5000 der über 8000 bayerischen Hausärzte und 3,7 Millionen unserer Versicherten nicht an der hausarztzentrierten Versorgung teil. Versorgung tadellos. Auch hier funktioniert die hausärztliche Interview: Alexander Kain Urheberinformation: (c) 2015 NeuePresseVerlags-GmbH Passau © PMG Presse-Monitor GmbH 21 / 23
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