Gewinnrealisierung bei Abschlagszahlungen für Werkleistungen

Gewinnrealisierung bei Abschlagszahlungen
für Werkleistungen
[22.03.2016]
Von: Andreas Vogl
Seit jeher stellt die Frage der Gewinnrealisierung bei Abschlagszahlungen einen gewissen
Dissens zwischen Finanzverwaltung und Unternehmenspraxis dar. Mit der Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 15. Mai 2014 und der weiten Auslegung im Rahmen einer
Urteilsanmerkung durch die Finanzverwaltung wurde weiter Öl ins Feuer gegossen und
die Bilanzierungspraxis in erhebliche Unruhe versetzt. Nun ist die Finanzverwaltung mit
Schreiben vom 15. März 2016 wieder weitgehend zur bisherigen Regelung zurückgekehrt, doch zurück zum Anfang.
Das Unheil nahm seinen Verlauf, als die Finanzverwaltung mit Schreiben vom 29. Juni
2015 allgemein anerkannte Grundsätze, wie insbesondere das Realisationsprinzip, ad absurdum geführt hat. Während bislang die Gewinnrealisierung bei Werkverträgen erst bei
finaler Abnahme (sog. „Completed Contract-Grundsatz“) zu unterstellen war, sollte steuerlich bei allen Werkverträgen fortan bereits die Entstehung eines Anspruchs auf Abschlagszahlungen zu einer entsprechenden (Teil-)Gewinnrealisierung führen. Kaum verwunderlich, dass gerade Branchen, wie der Maschinen- und Anlagenbau, deren Geschäftsmodell in wesentlichem Umfang durch den Erhalt von Abschlagszahlungen (als
eine Form der Finanzierung) geprägt ist, damit umfangreiche Auswirkungen auf den jeweiligen zu versteuernden Gewinn eines Geschäftsjahres befürchten mussten. Zudem
blieben eine Vielzahl von Fragen offen und ließen Raum für Interpretationen. Beispielhaft
sei hier die Abgrenzung zwischen nicht gewinnrealisierenden erhaltenen Anzahlungen
und gewinnrealisierenden Abschlagszahlungen genannt. Zudem enthielt das BMF-Schreiben auch keine Hinweise darauf, inwieweit Abschlagszahlungen nach anderen, insbesondere individualvertraglichen Vereinbarungen zu subsumieren sind. Schließlich schlossen
sich weitere Zweifel, insbesondere zur handelsrechtlichen Bilanzierung (Buchungstechnik hinsichtlich eines handelsrechtlich unzulässigen Teilgewinns einer Abschlagszahlung,
Steuerrückstellungen, latente Steuern etc.) an.
Nachdem zur Vermeidung von Härten zunächst lediglich eine Übergangsphase sowie
eine erstmalige Anwendung der neuen Regelungen auf Vertragsabschlüsse vorgesehen
war, die nach dem 30. Juni 2016 erfolgen, kehrt nunmehr wieder Vernunft ein. Mit BMFSchreiben vom 15. März 2016 wurde das ursprüngliche Schreiben vom 29. Juni 2015
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aufgehoben. Des Weiteren wurde klargestellt, dass die Grundsätze des Urteils aus 2014
ausschließlich auf Abschlagszahlungen nach § 8 Abs. 2 der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) in alter Fassung beschränkt bleiben. Damit sind lediglich
Planungsleistungen betroffen, die bis zum 17. August 2009 vertraglich vereinbart worden
sind.
PSP-Kommentar:
Die Anwendung der Grundsätze des BMF-Schreibens vom 29. Juni 2015 hätte für viele
Unternehmen erhebliche steuerliche Konsequenzen nach sich gezogen. So hätten etwa
branchentypische Abschlagszahlungen eine vorzeitige Gewinnrealisierung nebst Steuerbelastung ausgelöst und eine erhebliche Abweichung zwischen Handels- und Steuerbilanz manifestiert. Des Weiteren hätte die differenzierte Betrachtung der Grundsätze zur
Gewinnrealisierung aus steuerlicher und handelsrechtlicher Sicht eine nicht unerhebliche
Mehrbelastung bei der Erstellung des Jahresabschlusses nach sich gezogen. Erfreulicherweise hat die Finanzverwaltung nun eingelenkt und ist zu den Grundpfeilern des Bilanzrechts zurückgekehrt. Auch hier gilt: Besser zu spät als nie.
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