Was ist Burnout? Symptome, Erkennung und Möglichkeiten der Prävention Spiegel – 24.01.2011 Dr. rer. nat. Dipl.-Psych. Nicole Bührsch, Charité - Campus Benjamin Franklin Klinik und Hochschulambulanz für Psychiatrie und Psychotherapie „Psychiatrie des Alterns“ Burnout in der Presse Ärzteblatt, Sep. 2010 Ärzteblatt, Apr. 2009 Ärzteblatt, Sep. 2009 Gliederung 1. Definition: Burnout und typ. Symptome 2. Frühsignale späterer Burnout-Symptomatik und typischer weiterer Verlauf 3. Potentielle externe und interne Risikofaktoren 4. Ansatzpunkte für Belastungsmanagement/ Prävention Burnout: 6843 Treffer 1. Publikation: 1977 2010 2005 2000 1995 1990 1985 1980 1977 H. Freudenberger: Begründer des Begriffs Burnout „We work too much, too long and to intensely. We feel a pressure from within to work and help and we feel a pressure from the outside to give. When the staff member then feel an additional pressure from the administrator to give even more, he is under a three-pronged attack…” Staff Burn-Out. (1974): J. of Social Issues, Definition Burnout Schaufeli & Maslach; 1998: Ein dauerhafter, arbeitsbezogener Seelenzustand normaler Individuen. In erster Linie von Erschöpfung gekennzeichnet, begleitet von Unruhe und Anspannung, einem Gefühl verringerter Effektivität, gesunkener Einstellungen Motivation und und Entwicklung Verhaltensweisen bei der dysfunktionaler Arbeit. Diese psychische Verfassung entwickelt sich nach und nach, kann dem betroffenen Menschen aber unbemerkt bleiben. Burnout – Klassifikation in ICD-10 und DSM IV Burnout klinische Diagnose ICD 10: Z73.0 Kapitel Z: Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme von Gesundheitsdiensten führen DSM-IV: keine Verschlüsselung möglich, ähnlich: 68.20 „Probleme im Beruf“ Integration in ICD-11 oder DSM-V bisher nicht geplant ABER: geschätzte Prävalenz: 9 Millionen in Deutschland (BKK, 2009) 10 Millionen AU-Tage wegen Stress/ Arbeitsüberlastung/ Burnout (TKK, 2009) Symptomatik bei Burnout Charakteristische Merkmale: emotionale und körperliche Erschöpfung anhaltende physische und psychische Leistungs- und Antriebsschwäche mit Verlust der Fähigkeit, diese zu regenerieren zynische, abweisende Grundstimmung gegenüber Kollegen, Patienten und der eigenen Arbeit Burnout tritt vor allem in sozialen Berufen auf, in denen der Umgang mit Klienten (Patienten, Schülern etc.) einen großen Bestandteil der täglichen Arbeit ausmacht. Typische Beschwerden bei Burnout Psychische Symptome Motivations- und Kreativitätsverlust vermindertes Interesse / Gleichgültigkeit/ sozialer Rückzug Insuffizienzerleben Reizbarkeit innere Unruhe/ Anspannung Zukunftssorgen Körperliche Symptome chronische Müdigkeit/ Energieverlust Kognitive Einbußen Schlafstörungen höhere Infektanfälligkeit allg. Unwohlsein, Schmerzen, Schwindel, Verdauungsstörungen Typischer Entwicklungsverlauf 1. Vermehrtes Engagement: Arbeit ohne Pausen Beruf als hauptsächlicher Lebensinhalt Verzicht auf Erholung/ Urlaub 2. Reduziertes Engagement + Verlust pos. Verstärker durch die Arbeit: Schuldzuweisungen; Stereotypisierung verstärkter Ge-/Missbrauch von Substanzen Desorganisation, Unsicherheit komplexe Probleme können nicht mehr gelöst werden 3. Verflachung: Konzentration auf eigene Person emotionaler, mentaler und sozialer Rückzug 4. „Psychosomatische Reaktionen“: Infektanfälligkeit Schlafstörungen, gastrointestinale Beschwerden, 5. Mögliches Endstadium: totale Erschöpfung existenzielle Verzweiflung Sinnlosigkeitsempfinden Messung von Burnout Dominantes Instrument in der Burnout-Forschung: Das Maslach-Burnout-Inventar (MBI) EE: Emotionale Erschöpfung (9 Items) „Durch meine Arbeit bin ich gefühlsmäßig am Ende.“ „Ich fühle mich durch meine Arbeit ausgelaugt“ DP: Depersonalisierung / Zynismus (5 Items) „Seit ich diese Arbeit mache, bin ich gleichgültiger gegenüber Menschen geworden.“ „Ich glaube, ich behandle einige meiner Patienten als ob sie unpersönliche “Objekte“ wären.“ LM: (subjektiver) Leistungsmangel/ verminderte Leistungsfähigkeit (8 Items) „Es gelingt mir gut mich in meine Patienten hineinzuversetzen.“ „Ich habe viele wertvolle Dinge in meiner derzeitigen Arbeit erreicht.“ Burnout versus Depression Burnout Depression Konzept Sozial- und arbeitspsychologisches Konstrukt Klinische Diagnose ätiologische Vorstellung Resultat eines Prozesses initiiert und aufrechterhalten durch chronische Überlastung und Stress bei der Arbeit Kein obligater Kontext Integrale Dimensionen des Phänomens/ der Diagnose Gemäß MBI folgend Trias: Emotionale Erschöpfung Depersonalisation/ Zynismus Verminderte subj. Leistungsbewertung Leitsymptomatik (DSM-IV/ ICD-10): Depressive Stimmung Verlust von Freude/ Anhedonie Antriebsminderung Rasche Ermüdbarkeit Zusatzsymptome Erschöpfung/ Ermüdbarkeit Frustrationsintoleranz Vermindertes Einfühlungsvermögen Gleichgültigkeit Wertlosigkeits-/ Versagensgefühle Schlafstörungen Konzentrationsstörungen Psychomotorische Agitation/ Retardation Suizidgedanken Vermindertes Einfühlungsvermögen Gleichgültigkeit Wertlosigkeits-/ Schuldgefühle Schlafstörungen/ Appetitminderung/ Libidoverlust (In Anlehnung an Maslach & Jackson, 1981) Burnout bei Ärzten - Häufigkeiten Prävalenz Burnout Ärzte: 25-60% - je nach spezifischer Berufssituation Moderatorvariablen: Alter/ Berufserfahrung Krankenhaus vs. ambulante Versorgung Fachrichtung Burnout bei verschiedenen Berufsgruppen aus G. Sonnek, Ärztemagazin, (44) 2004 Potentielle externe und interne Risikofaktoren Externe Risikofaktoren Zeitdruck lange Arbeitszeiten/ keine/ kaum Pausenmöglichkeiten (zu) hohe Arbeitslast/ Arbeitsdichte unzureichende Einarbeitung wenig/ kein Einfluss auf inhaltliche und oder organisatorische Gestaltung der Arbeit zu viele inhaltsfremde/ -ferne Tätigkeiten (z.B. Dokumentation, Übernahme von Arbeiten anderer Kollegen/ Berufsgruppen) Hohe Anforderung und wenig Autonomie Interne Risikofaktoren Persönlichkeitsfaktoren: Anspruch, Leistung immer zu mind. 100% erbringen zu müssen, besser sein zu müssen als Kollegen bei gleichzeitig geringer Kompetenzerwartung generelle Überzeugung, Arbeiten selber besser zu machen/ Unvermögen Arbeit abzugeben externale Kontrollüberzeugung ungünstiges eigenes Zeitmanagement geringe Übereinstimmung Berufswunsch und tatsächliche Tätigkeit Soziale Einbindung Verheiratete und Menschen mit Kindern sind weniger häufig betroffen Anamnese frühere depressive Episode/ pos. Familienanamnese für Depression Effort-Reward Inbalance Low Reward High Effort Extrinsisch: Anforderungen Gehalt, Anerkennung, Kontrollmöglichkeiten Intrinsisch: Coping (Siegrist et al., 1996) Ansatzpunkte für Belastungsmanagement/ Behandlung 1. Strukturelle Ansatzpunkte Gelegentlicher Wechsel des Tätigkeitsbereiches Trainings- und Eingewöhnungsprogramme für neue Mitarbeiter Workshops und andere konstruktive Unterbrechungen der Routine Erhöhung der Zahl der Mitarbeiter/ Umverteilung der Arbeit/ Begrenzung der Arbeitszeit 2. Interaktion mit Kollegen Pflege von Kollegialität und eines positiven Interaktionsklimas Klare Urlaubsregelungen (Flexibilität bewahren, wer eine Auszeit braucht, soll sie haben!) Austausch mit Kollegen, auch über eigene Belastungen 3. Personenbezogen Unterscheidung unrealistischer und realistischer Selbstansprüche eigenverantwortliche Begrenzung der Arbeitsstunden Abklärung der individuellen Motive und Ziele Körperliches Training, Entspannungsverfahren (Nil et al., 2010) Checkliste für individuelle Prävention Freizeit aktiv Gestalten, Freunde/ Hobbies sozialen Rückzug vermeiden Ruhephasen einlegen Urlaub nicht (nur) für Promotion, Paper, Fortbildung „Auszeit heißt Auszeit!“ Arbeitstag strukturieren, Prioritäten setzen auf externe und interne Belohnung achten (ggf. einfordern) realistisches, angemessenes Anspruchsniveau 5 Take-Home-Messages Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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