Was eigentlich sind endokrine Disruptoren? - Pädiatrix

Quelle: bmp
Die Nachricht, dass hormonaktive Substanzen
die Tierwelt, insbesondere aquatische Lebensformen stark gefährden, ging vor fast zwanzig
Jahren um die Welt, als in Florida durch einen
Chemieunfall das Pestizid DDT (Dichlordiphenyltrichlorethan) ins Oberflächenwasser eingeleitet worden war. Wissenschaftler
beobachteten daraufhin bei Alligatoren eine
Häufung von Penisfehlbildungen sowie einen
Rückgang in deren Population vor Ort. Der
Testosteronstoffwechsel der Tiere war durch
DDT-Metaboliten gestört worden, die die Androgenrezeptoren blockierten. In der Folge wurden ähnliche Störungen bei Fischen und Vögeln
beobachtet.
In der Tierwelt werden seither immer öfter
Geschlechtsumwandlungen, Störungen der
Gonadendifferenzierung, des Immunsystems
und des Schilddrüsenhormonsystems, Fehlbildungen des Genitaltrakts, Tumorentwicklung
und Senkung der Fruchtbarkeit beobachtet.
Die hormonell aktiven Substanzen, sogenannte endokrine Disruptoren (endocrine disrupting
chemicals, EDC), schädigen dabei insbesondere
Spezies der „Wasserernährungskette“. Befürchtungen, dass von den Schädigungen auch der
Mensch nicht ausgenommen sein könnte, werden allerdings bis heute kontrovers diskutiert.
Nun ist die These von der menschlichen GePädiatrix 6/2008
fährdung mit der ausführlichen Stellungnahme der US-amerikanischen Endocrine Society
„Endocrine-Disrupting Chemicals“ [1] noch ein
Stück salonfähiger geworden.
von
Gerda Kneifel
Was eigentlich sind endokrine
Disruptoren?
Endokrine Disruptoren sind eine extrem heterogene Gruppe von Molekülen, zu denen
synthetische Chemikalien, wie Lösungs- und
Schmiermittel und ihre Nebenprodukte (polychlorierte Biphenyle, PCB, polybromierte Biphenyle, PBB, Dioxin), Kunststoffe (Bisphenol
A, BPA) und Weichmacher (Phthalate) genauso
wie Pestizide (Methoxychlor, Chlorpyrifos, Dichlordiphenyltrichlorethan, DDT), Fungizide
(Vinclozolin), Arzneimittelwirkstoffe (Diethylstilbestrol, DES) und UV-Filter in Kosmetika
(4-MBC) zählen. Aber auch natürliche Chemikalien wie die Phytoöstrogene Genistein und
Daidzein aus Soja und Rotklee wirken hormonell und gelangen als Bestandteile tierischer
und menschlicher Nahrung in den menschlichen Körper. Meist handelt es sich um lipophile
Substanzen, die sich im Fettgewebe anreichern.
Hydrophile EDCs gelangen ins Oberflächenund Grundwasser und werden auf diese Weise
in der Nahrungskette akkumuliert.
Die endokrine
Wirkung Tausender
Substanzen ist in der
Diskussion.
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Endokrine Disruptoren
Nach der Definition der US Environmental
Protection Agency (EPA) sind endokrine Disruptoren exogene Stoffe, die Einfluss nehmen
auf Synthese, Sekretion, Transport, Metabolismus, Bindungsaktivitäten oder auch Elimination von im Blutkreislauf zirkulierenden körpereigenen Hormonen, die verantwortlich sind für
Homöostase, Reproduktion und Entwicklungsprozesse. Einige Substanzen wirken agonistisch,
docken an Hormonrezeptoren an und imitieren
dort die Wirkung eines Hormons. Andere blockieren als Antagonisten den Rezeptor. Angriffspunkte sind nukleäre Hormonrezeptoren
(NHRs), darunter Östrogen-, Androgen-, Progesteron- und Schilddrüsenhormonrezeptoren,
sowie Retinoid-, aber auch Orphanrezeptoren
(Arylhydrocarbonrezeptor, AhR).
Für den Menschen unbedenklich?
EDCs werden insbesondere in Zusammenhang
mit steigenden Zahlen von Hoden-, Brust- und
Prostatakrebs, aber auch steigender Inzidenz
von Hypospadie gebracht (Abbildung 1). In
zahlreichen Studien wurde aber auch ein Zusammenhang mit sinkender Spermienzahl und
-qualität von Männern in Industrienationen beobachtet. Darüber hinaus ist der Einfluss auf die
pubertäre Entwicklung Thema in der Literatur
[2], ebenso wie in jüngster Zeit ein Zusammen-
Abbildung 1:
Nicht nur das Reproduktionssystem
ist betroffen
Viele Experten
fürchten, dass alle
hormonsensitiven
Systeme des Menschen durch EDCs
gestört werden.
Quelle: modifiziert
nach [1]
hang mit Adipositas diskutiert wird [3, 4].
Studien zu Phthalaten beispielsweise rüttelten die Gesundheitsexperten wach, als nachgewiesen wurde, dass die Weichmacher nach pränataler Exposition auch bei männlichen Babys
und Kleinkindern zu einem erhöhten Risiko
von Hodenhochstand und einen im Durchschnitt kleineren Penis führten [5].
Weichmacher sind unter anderem in Kapseln von rezeptpflichtigen und rezeptfreien
Medikamenten sowie in Nahrungsergänzungsmitteln zu finden. Der Kinder-Umwelt-Survey
(KUS), der im Rahmen des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys KiGGs vom Robert
Koch-Institut durchgeführt wurde, hat für einige endokrin wirksame oder vermutlich endokrin wirksame Substanzen bei Drei- bis 14Jährigen durch Biomonitoring nachgewiesen,
dass beispielsweise die Belastung mit Phthalaten bei Kindern in Deutschland zu hoch ist [6].
Die Tatsache, dass einige von ihnen mittlerweile bereits verboten sind, werten die Forscher
als einen Hinweis darauf, dass sie langfristige
Auswirkungen haben und um so vorsichtiger
zu handhaben seien.
Erst vor wenigen Jahren zeigte sich, dass
neben dem Reproduktionssystem auch die Hypothalamus-Hypophysen-Schilddrüsen-Achse Angriffspunkt von EDCs ist [7]. UV-Filter
in Sonnenschutzmitteln etwa dringen durch
die Haut und können so auch beim Menschen
das Schilddrüsenhormonsystem stören. „Jeder
Dritte hat im Laufe seines Lebens eine Schilddrüsenerkrankung und nur fünf Prozent haben
eine genetische Disposition“, fasst Prof. Werner
Kloas vom Institut für Biologie der Humboldt
Universität Berlin (IGB) zusammen. „Das bedeutet, dass 95 Prozent der Erkrankungen psychisch, sozialmedizinisch oder durch Umwelteinflüsse bedingt sind. Und die Inzidenz von
Schilddrüsenhormonmangel ist in den letzten
Jahrzehnten stark gestiegen.“
Wirkmechanismen der endokrinen
Disruption
Die amerikanischen Endokrinologen stellen in
ihrem Statement fest, dass „selbst winzig kleine
Konzentrationen – genau genommen jedwede Exposition – endokrine oder reproduktive
Anomalitäten auslösen können. Überraschenderweise können niedrige Dosen sogar größere Effekte auslösen als höhere Dosen“ [1]. Die
Dosis-Wirkungs-Kurven verlaufen bei manchen EDCs wie auch bei durch Hormone und
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Endokrine Disruptoren
Neurotransmitter ausgelösten Effekten nicht
klassisch, sondern zum Beispiel in Form eines
umgekehrten U – eine Erkenntnis, die sich erst
seit einigen Jahren herumspreche.
Noch komplizierter wird das Ganze dadurch, dass endokrine Disruptoren in einer bestimmten Umgebung in der Regel nicht isoliert
auftreten, sondern in zahllosen Mischungen,
deren Wechselwirkungen noch kaum erforscht
sind. „Wir haben in früheren Studien nachgewiesen, dass ein Dutzend Elemente, alle in
Mengen unterhalb ihrer feststellbaren Aktivitätsschwelle vorhanden, aufgrund ihrer additiven Wirkungsweise erhebliche Auswirkungen
haben“, bringt Dr. Andreas Kortenkamp, Schule
für Pharmazie an der Universität London und
Koordinator des EU-Projekts CREDO (Cluster
of Research on Endocrine Disruption in Europe), das Problem auf den Punkt. Neben dieser
additiven Wirkungsweise können unterschiedliche Klassen von EDCs sogar synergistisch
wirken. Hierzu ist vor kurzem eine Studie zur
Wirkung von einem Mix aus vier Antiandrogenen veröffentlicht worden. Während die vier
Substanzen in den verwendeten Dosen einzeln
keinerlei Nebenwirkungen an Ratten zeigten,
wurde bei Verabreichung der Mixtur eine signifikante Reduktion der anogenitalen Distanz im
männlichen Nachwuchs beobachtet [8].
Zudem spielt offensichtlich auch der Zeitpunkt der Exposition eine erhebliche Rolle.
Vierter Wirkmechanismus von
endokrinen Disruptoren entdeckt
Neuerdings wird neben agonistischen und
antagonistischen Wirkmechanismen sowie
Eingriffen in den Stoffwechsel auch eine
epigenetische Wirkung hormonaktiver
Chemikalien angenommen.
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„Das Phthalat-Syndrom zum Beispiel betrifft
männliche Feten. Werden sie am Ende des ersten Schwangerschaftstrimesters Weichmachern
ausgesetzt, setzt ihre sexuelle Entwicklung aus.
Der Testosteronspiegel sinkt, die sexuelle Differenzierung bleibt aus und die Spermienzahl
sinkt. Auch Hypospadien sind eine häufige
Folge“, fasst Dr. Holger Koch vom Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherungen (BGFA) in
Bochum zusammen. Sein Arbeitsgebiet ist das
Biomonitoring zur Expositionsermittlung und
Risikobeurteilung von endokrinen Disruptoren.
Die Endocrine Society weist in ihrem aktuellen
Statement ebenfalls auf das kritische Zeitfenster
während der Schwangerschaft hin, erweitert es
aber auf die frühe postnatale Periode mit ihren
substanziellen Entwicklungsschritten von Organen. Anstelle der Umschreibung „fetale Basis
von Erkrankungen im Erwachsenenalter“ für
endokrine Disruption führen die Experten die
Terminologie „entwicklungsbedingte Basis von
Erkrankungen im Erwachsenenalter“ ein.
Neben den bereits beschriebenen agonistischen und antagonistischen Wirkmechanismen
sowie der Störung der Hormonkonzentrationen sehen Experten seit Kurzem eine vierte
Wirkungsweise endokriner Disruptoren. Neue
Studien haben gezeigt, dass die Wirkung in
einigen Fällen epigenetisch ist [1]. Die EDCs
bewirken dann keine Mutation der DNA-Sequenz, sondern die Genexpression steuernde
Faktoren wie DNA-Methylierung und HistonAcetylierung werden beeinflusst.
Ging man bislang davon aus, dass
die Substanzen lediglich auf das
Individuum wirken, gehen Wissenschaftler mittlerweile davon aus,
dass auch die Kinder und nachfolgenden Generationen betroffen sein
können.
Abbildung 2:
Missbildung an
Hydrobiaschnecken
Die „schleichende
Verschmutzung“ der
Umwelt mit endokrinen Disruptoren führt
vor allem in aquatisch
lebenden Organismen
zu Geschlechtsveränderungen und
anderen hormonellen
Störungen. Eine der
bekanntesten androgenen Wirkungen ist die
anormale Penis- und
Spermakanalbildung
bei weiblichen Hydrobiaschnecken, die am
Meeresboden leben.
Die Missbildungen
werden von Tributyltin und Triphenyltin
verursacht, die in
Schiffsfarben und in
Fungiziden verwendet
werden.
Quelle der Abbildungen 2– 6: Dr. Ulrike
Schulte-Oehlmann
Abbildung 3:
Borstenwurm Eupolymnia nebulosa
Endokrine Disruptoren
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Nicht nur anthropogene Belastung der
Gewässer
„Die östrogene Belastung unserer Gewässer ist sicherlich vom Menschen geschaffen.
Bei der relativ hohen antiandrogenen Belastung ist das noch nicht so sicher. Fungizide
und andere Chemikalien spielen zwar eine
Rolle, eventuell aber zu einem nicht unerheblichen Teil auch organischer Stoffabbau.
Eine neue Arbeit an unserem Institut zeigt,
dass sich zersetzende Eichenblätter eine
nennenswerte antiandrogene Komponente
besitzen.“ Prof. Werner Kloas, IGB Berlin
Leitungsgruppe der NFP 50, forderte daher
auch dringend toxikologische Studien, wies zugleich aber darauf hin, dass die Untersuchung
der Toxizität hormonaktiver Stoffe im Vergleich
zu anderen Chemikalien schwierig und zeitraubend ist, da sie schon in Mengen wirken können, die um Größenordnungen unterhalb der
Schwelle konventioneller Toxizität liegen. „Wir
sprechen deshalb auch von Tarnkappenchemikalien“, so der Schweizer. Immerhin haben die
Ergebnisse dazu geführt, dass zumindest die
Schweizer Industrie prüft, ob sie künftig auf
die besonders verdächtige UV-Filter-Substanz
4-MBC verzichten kann.
Blick in die Zukunft
Abbildungen 3–6:
Aquatische
Lebensformen sind
besonders stark von
Störungen durch
EDCs betroffen.
In der Praxis ist bei allen alles anders
Für Kliniker liegen die praktischen Konsequenzen nicht klar auf der Hand. Jeder einzelne
Mensch bringt völlig unterschiedliche Voraussetzungen mit, die auf die endokrine Wirkung
Einfluss haben, wie Metabolismus, Kondition,
Gehalt an Fettgewebe, genetischer
Polymorphismus, unterschiedlich
starke und lange Exposition zu bekannten und noch unbekannten
hormonaktiven Substanzen. Das
alles macht jeden Menschen ganz
individuell anfällig für EDCs. Klar
ist zunächst einmal nur, das zeigen
Biomonitoring-Studien, dass die
Exposition mit bestimmten endokrinen Substanzen in eine erhöhte
Belastung mündet. In der Schweiz
berichteten Forscher im Schlussbericht des Nationalen Forschungsprogramms „Hormonaktive Stoffe“
(NFP 50) im Sommer letzten Jahres,
dass in über drei Viertel von 54 untersuchten Muttermilchproben einer
oder mehrere UV-Filter gefunden
wurden. Dabei wiesen Frauen, die
viel Sonnenschutzmittel und Kosmetika mit diesen Filtern benutzten,
signifikant höhere Konzentrationen
auf: „Der höchste Muttermilchwert
eines UV-Filters lag nur elfmal tiefer
als die Konzentration in der Milch
von Ratten bei einer Dosis, die bei
den Tieren zu Funktionsstörungen
führte“ [9]. Üblich ist eine Sicherheitsmarge von einem Faktor 100.
Prof. Felix Althaus, Präsident der
Sicher ist vor allem eines: Selbst wenn fortan intensiv geforscht werden würde, würden wohl
nie alle Substanzen beziehungsweise Mischungen in ihren dosisabhängigen Wirkungsweisen
vollständig aufgeklärt. „Wir sprechen hier über
Tausende potenziell endokrin wirksame Substanzen, von denen wir noch viel zu wenig wissen“, bringt es Prof. Hubertus Jarry, Abteilung
Klinische und Experimentelle Endokrinologie
des Universitätsklinikums Göttingen, auf den
Punkt. Zurzeit kennen wir allein rund 6000
Substanzen mit östrogener Wirkung.“ Vor sechs
Jahren hatte die Europäische Kommission 553
Chemikalien als hormonaktiv identifiziert. Die
im Sommer 2007 verabschiedete EU-Chemikalienverordnung REACH (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals)
wird ein Übriges tun, die Liste zu verlängern.
Eine omnipräsente Alltagschemikalie ist Bisphenol A, die sich in fast allen Kunststoffen findet und als Bestandteil etwa von CDs, Lacken,
Konservendosen, Folienverpackungen und Babyflaschen im Umlauf ist. Weltweit wurden im
Jahr 2006 mehr als vier Millionen Tonnen dieser
Substanz hergestellt – für 2015 gehen Experten
von einer Jahresproduktion von sieben Millionen Tonnen aus. „Sie lässt sich auswaschen“,
konstatiert Jarry. „Wenn Mütter die Babyflaschen besonders sauber halten wollen, setzen
sie also besonders viel Bisphenol A frei.“ Die
EU-Kommission sei gewarnt, meint der Göttinger Biochemiker und erwäge ein Verbot.
Bezüglich der Wirkung von endokrinen Disruptoren herrscht jedoch noch immer nicht Einigkeit. „Ich bin der Meinung“, so zum Beispiel
Dr. Michael Schwarz, Koordinator des Ende
dieses Jahres auslaufenden EU-Projektes ReProTect, in dem unter anderem Methoden zur
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Minipille
Die nahezu östrogenfreie Minipille basiert
im Gegensatz zur herkömmlichen Antibabypille auf Gestagenen. Nach neuen Untersuchungen beeinflussen diese das Reproduktionssystem aber noch stärker als die
klassische östrogenhaltige Pille. „Die Minipille bedeutet daher womöglich einen noch
größeren Impact für die Umwelt“, warnt
Dr. Werner Kloas vom IGB Berlin.
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aus.“ Und wenn tatsächlich zum Beispiel ein
neuer, dringend benötigter Test zum Nachweis
endokriner Wirkungen entwickelt worden sei,
werde die Validierung jahrelang hinausgezögert. „Am Leibniz-Institut haben wir in einem
vom Umweltbundesamt geförderten internationalen Projekt bereits im Jahr 2000 einen sehr
simplen Test zum Nachweis von endokriner
Disruption im Schilddrüsenhormonsystem
entwickelt. Im Juni dieses Jahres ist er nun
endlich in die OECD-Testrichtlinie aufgenommen worden. Und mit dieser Zeitspanne haben
wir noch Glück gehabt“, so Kloas. Es handelt
sich um einen einfachen Test, der die Effekte
der Hormonwirkung am Modell der Amphibienmetamorphose misst und in jedem ökotoxikologischen Labor sehr leicht angewendet
werden kann.
Wenn auch mit dem neuen Statement der
Endocrine Society weiterhin umstritten bleibt,
inwiefern die Chemikalien die menschliche Gesundheit beeinträchtigen: Endokrine Disruption gefährdet erwiesenermaßen wildlebende
Tierpopulationen. Das allein sollte Grund genug sein, die Wirkung endokriner Substanzen
weiter zu erforschen und sie gegebenenfalls zu
verbieten.
Literatur
1. Diamanti-Kandarakis E et al.: Endocrine-disrupting chemicals. An Endocrine Society scientific statement. Endocr Rev. 2009 Jun; 30(4): 293-342
2. Schoeters G et al.: Endocrine disruptors and abnormalities of pubertal development. Basic Clin Pharmacol Toxicol. 2008 Feb; 102(2): 168-175
3. Elobeid MA: Putative environmental-endocrine disruptors and obesity: a review. Curr Opin Endocrinol Diabetes Obes. 2008 Oct; 15(5): 403-408
4. Heindel JJ et al.: Role of nutrition and environmental endocrine disrupting chemicals during the perinatal period on the aetiology of obesity. Mol Cell Endocrinol. 2009
May 25; 304(1-2): 90-96
5. Swan SH et al.: Prenatal Phthalate Exposure and Anogenital Distance in Male Infants. Environ Health Perspect.
2006 Feb; 114(2): A88-A89
6. Kinder-Umwelt-Survey (KUS), telegramm: umwelt +
gesundheit, 25. August 2009, 5/09, www.umweltbun
desamt.de/gesundheit/telegramm/Ausgabe05-2009.
pdf
7. Schmutzler C et al.: Endocrine disruptors and the thyroid gland – a combined in vitro and in vivo analysis
of potential new biomarkers. Envorin Health Perspect.
2007 Dec; 115(1): 77-83
8. Christiansen S et al.: Synergistic Disruption of External
Male Sex Organ Development by a Mixture of four Antiandrogens. Doi 10.1289/ehp.0900689, online 15 July
2009
9. Schweizer Wissenschaftler präsentieren Abschlussbericht
des Nationalen Forschungsprogramms Hormonaktive
Stoffe: www.rhobos.de/shop/a/show/story/?1261
Endokrine Disruptoren
Erfassung hormonaktiver Substanzen entwickelt werden, „dass die Wirkung auf den Menschen überschätzt wird. Bislang konnte mir niemand erläutern, warum zum Beispiel Frauen
aus Fernost durchschnittlich sehr viel seltener
Brustkrebs und Männer seltener Prostatakrebs
haben als Europäer und Amerikaner – obwohl
sie durch ihre spezifische Ernährungsweise
sehr viel mehr Soja und damit Phytoöstrogene
wie Daidzen und Genistein zu sich nehmen.“
Zudem ist die Brustkrebshäufigkeit korreliert mit der Anzahl der Kinder. Da diese in Industrienationen bekanntermaßen sinkt, könnte
auch das eine Störgröße in den einschlägigen
Studien sein. Außerdem gilt zu bedenken,
dass endokrine Disruptoren aus der Umwelt
überwiegend mit der Nahrung aufgenommen
werden. Da sie oft gut fettlöslich sind, sollten
Menschen, die sich fettreich ernähren, im Mittel auch höhere Gehalte dieser Fremdstoffe in
ihrem Körper aufweisen. Gleichzeitig ist aber
fettreiche Nahrung an sich ein bekannter Risikofaktor für die Entstehung von Krebserkrankungen. Zum Thema sinkender Samenqualität
bemerken Kritiker, dass die Fertilität unter anderem auch bei Stress abnimmt – und darunter
leiden offensichtlich viele junge Männer in den
Industrienationen.
Hinzu kommt nach Ansicht Kloas die sinkende Bereitschaft deutscher Politiker, in die
Erforschung der EDCs und Tests zum Nachweis zu investieren. „Im Vergleich zu den
80er Jahren, einem Eldorado für Ökotoxikologen, bekommen wir heute gerade mal zehn
bis zwanzig Prozent der damaligen Fördergelder.“ Nur die Europäische Union gebe hin
und wieder noch Gelder für Untersuchungen
hormonaktiver Substanzen. „Der administrative Aufwand für die Anträge bindet einen
wissenschaftlichen Mitarbeiter ein halbes Jahr
lang. In dieser Zeit fällt er für die Forschung
Projekt zum Umgang
mit Agrarchemikalien und Arzneimittelwirkstoffen im
Trinkwasser: www.
start-project.de