ORGANISATION Auslagerungen gestalten – was dabei zu beachten ist Alters- und Pflegeheim, Verkehrsbetrieb, Abfallentsorgung und Energieversorgung: Der Trend, öffentliche Aufgaben aus der Kernverwaltung einer Gemeinde oder einer Stadt in selbstständige Betriebe auszulagern oder in überkommunalen Zusammenarbeitsmodellen wahrzunehmen, setzt sich fort. Die Gründe dafür sind vielfältig. Ebenso vielfältig sind die (Rechts-)Formen, welche gewählt werden können. Auslagerungen bieten Chancen, sie bergen aber auch Risiken. Öffentliche Aufgaben können grundsätzlich vom Gemeinwesen selber erfüllt oder aus der Kernverwaltung ausgelagert und an andere Organisationen übertragen werden. Dabei wird zwischen Ausgliederung (Übertragung einer Verwaltungseinheit an eine separate, dezentrale staatliche Organisation) und Auslagerung (Übertragung einer Aufgabe an ein Unternehmen des Staates oder Dritter) unterschieden. Bei Auslagerungen handelt es sich nicht um Privatisierungen im Sinne eines Aufgabenabbaus, sondern um die Verschiebung der Aufgabenerfüllung. Die staatlichen Aufgaben können in Anlehnung an das 3-Kreis-Modell1 von HRM2 wie folgt gegliedert werden (vgl. Grafik): • Kreis 1 umfasst sämtliche Aufgaben im Zusammenhang mit der Legislative (Wahlen, Abstimmung, Gemeindeversammlung, Parlament etc.), der Exekutive (Gemeinde- und Stadtrat, Kommissionen etc.) und der Kernverwaltung • Kreis 2 beinhaltet die Rechtspflege (Bezirksgerichte, Friedensrichter, Betreibungsamt etc.) und weitere Behörden (Schulpflegen, Alters- und Pflegeheime mit eigener Betriebskommission etc.) • Kreis 3 bezieht sich auf Anstalten und Organisationen, an welchen die Gemeinde beteiligt ist oder auf die sie Einfluss nehmen kann Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf die Führung von Anstalten und Organisationen in Kreis 3. Die Public Corporate Governance benennt die Grundsätze für die Organisation, Führung und Steuerung dieser ausgelagerten Verwaltungsaufgaben. Verschiedene Gründe für Auslagerungen2 Als Vorteile von Auslagerungen werden insbesondere folgende Aspekte betrachtet: • Flexibilität und unternehmerischer Handlungsfreiraum 30 • Entpolitisierung (Trennung zwischen politischer und betrieblicher Einflussnahme) • Effizientere und effektivere Aufgabenerfüllung • Konzentration des Fachwissens • Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit • Optimierung der Zusammenarbeit mit Dritten Als Nachteile sind Abstriche in folgender Hinsicht zu beachten: • politische Einflussmöglichkeiten • Aufsicht bzw. Oberaufsicht • demokratische Mitwirkung und Kontrolle (Steuerungsverluste) • Leistungsniveau und Qualität • rechtsstaatliche Garantien • Versorgungssicherheit Vorgehensweise bei einer Auslagerung Die Wahl der Rechtsform für die neue Trägerschaft hat nach präziser Beschreibung der auszulagernden Aufgabe und sorgfältiger Prüfung von Sinn und Zweck der Auslagerung zu erfolgen. Dabei soll analysiert werden, ob die gewählte Organisationsform zu mehr Effektivität und Effizienz führt. Neben der Rechts- und Or- ganisationsform, den sachgerechten Strukturen und geeigneten Führungsinstrumenten innerhalb der verselbstständigten Einheit ist ein zweckmässiger Steuerungskreislauf zwischen der Gemeinde und dem Leistungserbringer von besonderer Bedeutung. Zwei Beispiele aus der Praxis Ein Beispiel aus der Praxis, wie man es nicht tun sollte: Eine Gemeinde ist einer regionalen Spitexorganisation mit fünf weiteren Nachbarsgemeinden angeschlossen. Jede Organisation hat gemäss Statuten Anrecht auf ein Vorstandsmitglied. Nun delegiert die besagte Gemeinde eine engagierte Bürgerin in den Vorstand der regionalen Spitexorganisation, kümmert sich jedoch danach – solange keine Reklamationen und Beschwerden eingehen – in keiner Art und Weise mehr um das Geschäft. Ein Beispiel aus der Praxis, wie man es tun sollte: Eine Gemeinde besitzt 100 Prozent der Anteile an einem Alters- und Pflegeheim. Der Gemeinderat hat ein Mitglied der Sozialkommission in den Verwaltungsrat delegiert und die strate- Seit über zwölf Jahren in eine Aktiengesellschaft ausgelagert: die Verkehrsbetriebe Luzern, (vbl). Bild: zvg Schweizer Gemeinde 12/13 ORGANISATION gischen Leitplanken definiert. Die Gemeinde will beispielsweise den Nachbarsgemeinden keine Minderheitsbeteiligungen verkaufen, und die Organisation soll die erwirtschafteten Gewinne für eigene Zwecke behalten können. Einmal jährlich treffen sich Gemeinde- und Verwaltungsrat zu einem strategischen Gespräch. Im Frühjahr und im Herbst orientiert das von der Gemeinde delegierte Verwaltungsratsmitglied über Budget, Jahresrechnung, grosse Investitionsvorhaben und personelle Angelegenheiten. Wahl der strategischen Führungsebene Der Erfolg eines (öffentlichen) Unternehmens hängt in grossem Mass von der Zusammensetzung und der Arbeitsdynamik der strategischen Führungsebene ab. Die Mitglieder des Verwaltungs- oder Stiftungsrats oder des Vorstands sind anhand eines Anforderungsprofils zu bestimmen. Die Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung, das Einbringen von Fachkenntnissen und Erfahrungen sowie das Verständnis für die unterschiedlichen (fachspezifischen und politischen) Funktionen sind von Bedeutung. Die Zugehörigkeit zu einer Exekutive ist hingegen kein zwingendes Kriterium. Die optimale Zusammensetzung ist äusserst anspruchsvoll. Es lohnt sich, die Kriterien für die einzelnen Mitglieder und für das Gesamtgremium im Vorfeld festzulegen und die Auswahl sorgfältig abzustimmen, sodass ein strategisches Führungsorgan mit fünf bis sieben Personen gebildet werden kann. Statisches und dynamisches Führungsinstrumentarium Eine Gemeinde sollte frühzeitig definieren, wie sie mit ihren ausgelagerten Aufgaben umgeht, und nicht erst, wenn Schwierigkeiten auftreten. Dazu stehen ihr statische und dynamische Führungsinstrumente zur Verfügung. Statische Instrumente werden bei Auslagerung einer Aufgabe geschaffen und bleiben in der Regel über längere Zeit unverändert. Sie bestimmen beispielsweise Zweck und Aufgaben, Organisationsform sowie Rechte und Pflichten der ausgelagerten Einheit. Als statische Instrumente dienen daher das entsprechende Gesetz, die Statuten oder die Leistungsvereinbarung (Grundauftrag). Häufig weniger systematisch wird das dynamische Instrumentarium angewendet. Als dynamische Instrumente werden die Eignerstrategie, der AufgaSchweizer Gemeinde 12/13 Die staatlichen Aufgaben können in Anlehnung an das 3-Kreis-Modell von HRM2 in drei Grafik: BDO Bereiche gegliedert werden. ben- und Finanzplan der ausgelagerten Organisation, Planungen und die Budgetierung sowie Rechenschaftsberichte verstanden. Die Planungs- und Rechenschaftsinstrumente der verselbstständigten Einheiten sind mit der rollenden Jahresplanung der Gemeinde abzustimmen. Ebenfalls frühzeitig festzulegen ist, in welcher Form und in welchem Rhythmus die Behörde über Inhalte und Absichten informiert wird. Dabei geht es nicht um einen Eingriff der Exekutive in das laufende operative Geschäft der Organisation, sondern um die Basis für die erforderliche strategische Steuerung und Lenkung. Um die abschliessende Verantwortung weiterhin wahrnehmen zu können, muss sich der Gesamtgemeinderat periodisch über die Tätigkeit der Organisation ins Bild setzen und – falls diese nicht der Grundstrategie der Gemeinde entspricht – allenfalls eingreifen. Als geeignetes Instrument dazu sind jährliche strategische Gespräche zwischen dem Verwaltungs- oder Stiftungsrat resp. dem Vorstand der Organisation und der Gemeindebehörde fest einzuplanen. Für solche Strategiegespräche sind standardisierte Traktanden hilfreich (z. B. Rückblick auf vergangenes Geschäftsjahr, Zielerreichung der Eignerziele, Erfüllung des Leistungsauftrags, Ausblick betreffend Investitionen und strategische Projekte). Diese Form von Controllinggesprächen ist besonders dann zweckmässig, wenn das Gemeinwesen eine Mehrheitsbeteiligung an einer Organisation hält. Oft ist die Gemeinde jedoch mit diversen anderen an einem Verband, einer Stiftung oder einem Verein beteiligt. In diesem Fall kommt dem delegierten Mitglied eine zentrale Rolle zu. Für die Wahrnehmung dieser Funktion und Verantwortung ist zu klären, ob diese Person weisungsgebunden agiert und einen Auftrag des Gesamtgemeinderates wahrnimmt oder ob sie frei und nach persönlicher Präferenz entscheiden kann. Damit die Vorteile einer Auslagerung zum Tragen kommen können, sind auch die Nachteile zu beachten. Insbesondere der schwächere Einfluss der Gemeindeversammlung bzw. des Parlamentes muss durch die verstärkte Kontrolle und Steuerung durch die Exekutive kompensiert sein. Das bedingt, dass das Gemeinwesen frühzeitig definiert, welche Rolle es spielen will, wie die Delegation wahrgenommen werden soll und in welcher Form es auf Entscheidungen der ausgelagerten Organisation Einfluss nehmen will. Die Bestimmung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten, der Informations- und Steuerungsgefässe und der Interventionsmöglichkeiten der Beteiligten ist daher sehr zentral und wird vorzugsweise bereits in der Vorbereitungsphase einer Auslagerung vorgenommen. Helene Meyer-Jenni, Beraterin öffentliche Verwaltungen, BDO AG, Luzern Michael Käsermann, Leiter Bereich öffentliche Verwaltungen Schweiz, BDO AG, Solothurn 1 Handbuch harmonisiertes Rechnungsmodell für die Kantone und Gemeinden HRM2 2 In Anlehnung an «Grundlagen der Public Corporate Governance» von Dr. Andreas Lienhard BDO Gemeindetagung Am 21. Januar 2014 findet in Luzern die BDO Gemeindetagung statt. Diese steht unter dem Titel «Auslagerungen und Zusammenarbeit – was Sie tun können und lassen sollten». An der Tagung wird gezeigt, was kommunale Behörden bei ihren Entscheiden zu beachten haben. Referentinnen und Referenten aus Wissenschaft und Praxis zeigen, wie sie die Planung angepackt haben, was sich in der Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden oder bei der Auslagerung von einzelnen Aufgaben bewährt hat und wo die Stolpersteine liegen. Informationen: www.bdo.ch (Branchen > öffentliche Verwaltungen) 31
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