Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.07.2014, Nr. 168, S. 16 RECHT UND STEUERN Pkw-Maut verstößt gegen Europarecht Was Minister Dobrindt plant, ist nicht mit dem Diskriminierungsverbot vereinbar HAMBURG, 22. Juli. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat sein Konzept für eine Pkw-Maut vorgestellt: Sie soll ab 2016 für alle Kraftfahrzeuge (Kfz) bis 3,5 Tonnen Gesamtgewicht erhoben werden, die das öffentliche Straßennetz in Deutschland benutzen. Inländische Halter sollen dem Plan zufolge Jahresvignetten erwerben, deren Preis sich nach Hubraum und Schadstoffklasse richtet. Für Ausländer soll es Vignetten für zehn Tage, zwei Monate oder ein Jahr geben; der Preis ist abhängig von Hubraum und Schadstoffklasse. Die NettoEinnahmen sollen direkt in die Infrastruktur fließen. Inländer sollen über einen Freibetrag von der Kfz-Steuer entlastet werden, der die Mautkosten vollständig kompensiert. Steuerbefreite Fahrzeuge sollen auch von der Maut befreit werden. Europarechtlich steht Dobrindt vor der Herausforderung, ein Modell zu entwickeln, das ausländische Fahrer nicht gegenüber inländischen Fahrern diskriminiert. Daher darf die Steuersenkung nicht vom Kauf einer Mautvignette abhängig sein. Anderenfalls entstünden inländischen Kfz-Haltern im Ergebnis keine Kosten für die Vignette, während ausländische Autofahrer nicht in den Genuss der Steuerkompensation kämen. Dieses Strukturproblem der Pkw-Maut soll gelöst werden, indem die Kfz-Steuer unabhängig vom Erwerb der Vignette gesenkt wird - und die Maut nicht nur für Autobahnen, sondern für das gesamte Straßennetz erhoben wird. So müssen alle inländischen Autofahrer die Maut entrichten. Der Nachteil für den Bund: Die Länder erheben zu Recht Anspruch auf einen Anteil am Aufkommen zur Sanierung der Landes- und Gemeindestraßen. Damit sind die europarechtlichen Bedenken aber noch nicht ausgeräumt. Auch die konkrete Ausgestaltung der Maut darf Autofahrer aus anderen EU-Ländern nämlich nicht benachteiligen. Einige Beispiele zeigen, dass der Teufel im Detail steckt. So sollen Ausländer die Vignette im Internet oder bei der Einreise an Tankstellen erwerben können. Die günstigeren Jahresvignetten für Fahrzeuge mit kleinem Hubraum und geringem Schadstoffausstoß soll es hingegen nur im Internet geben. Wer sich kurzfristig entscheidet zu reisen und nicht mehr im Internet bestellen kann, müsste an der Tankstelle mehr zahlen, als es für seinen Fahrzeugtyp eigentlich erforderlich wäre. Inländern soll die ans Fahrzeug angepasste Jahresvignette hingegen automatisch zugestellt werden. Ein weiteres Problem: Tankstellen, an denen Reisende Vignetten erwerben können, finden sich häufig nicht in Grenznähe, insbesondere auf Land- und Kommunalstraßen. Deren Benutzung ist aber mautpflichtig. Das erschwert spontane Einreisen und ist im Hinblick auf die Freizügigkeit innerhalb der EU problematisch. Ferner müsste die geplante Befreiung Schwerbehinderter von der Maut auch auf Ausländer erstreckt werden. Es ist allerdings schwer vorstellbar, wie die Behinderung beim Kauf der Vignette nachgewiesen werden kann. Und schließlich: Die sogenannte Stillhalteverpflichtung verbietet es den EU-Mitgliedstaaten, ihre Vorschriften so zu ändern, dass sie die Stellung von gewerblichen Personen- und Güterbeförderern aus anderen Mitgliedstaaten im Verhältnis zu inländischen Verkehrsunternehmern verschlechtern. Im Jahre 1992 hat der Europäische Gerichtshof die Einführung einer Maut für schwere Lkw bei gleichzeitiger Senkung der Kfz-Steuer als Verstoß gegen diese Verpflichtung gewertet. Seit Erlass der EU-Wegekostenrichtlinie gilt sie zwar nur noch für Fahrzeuge mit einem Gewicht von bis zu 3,5 Tonnen. Das hilft hier aber nicht, denn ausländische Taxiunternehmen und Kurierdienste mit leichten Fahrzeugen sollen die Maut entrichten, ohne von der Senkung der Kfz-Steuer zu profitieren. Die Lage dieser Verkehrsunternehmer würde sich so im Vergleich zur deutschen Konkurrenz unzulässig verschlechtern. Fazit: Das Verkehrsministerium steht vor einer Herkulesaufgabe, wenn es ein in allen Details europarechtskonformes Gesetz vorlegen will - wenn es die ohnehin bescheidenen Zusatzeinnahmen nicht schmälern und den bürokratischen Aufwand für den Vollzug des komplizierten Systems nicht weiter erhöhen soll. Ob dies am Ende gelingt, ist mehr als fraglich. FRITZ VON HAMMERSTEIN/ INSA NUTZHORN Die Autoren sind Rechtsanwälte in der Kanzlei CMS Hasche Sigle. Mehr zum Thema Recht & Steuern im Internet auf unseren Seiten www.faz.net/recht
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