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HIER STIMMT WAS NICHT! Zum Umgang mit Gewaltsituationen in der Pflege
Die Familie ist Deutschlands größter Pflegedienst. Von den etwa zwei Millionen
pflegebedürftigen Menschen wird etwa ein Drittel zu Hause von pflegenden Angehörigen mit
und ohne Unterstützung von ambulanten und teilstationären Hilfen versorgt. Je komplexer die
Pflegesituation zu Hause wird – vor allem in Hinblick auf körperliche Pflegebedürftigkeit und
herausfordernde Verhaltensweisen – umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass
pflegebedürftige Menschen in stationäre Einrichtungen umziehen. Professionelle Pflegekräfte
sehen sich in den Einrichtungen mit hochkomplexen und zunehmend schwierigen
Pflegesituationen konfrontiert. Die Anforderungen und Erwartungen an die Angehörigen und
Pflegenden im Hinblick auf eine fachgerechte und eine würdevolle Pflege sind hoch. Die
Tatsache, dass hilfebedürftigen und abhängigen Menschen – häufig noch durch die eigenen
Familienangehörigen – Gewalt angetan wird, stößt in der Öffentlichkeit zu Recht auf Ablehnung.
Was kann man tun, um Gewaltsituationen zu reduzieren und allen Betroffenen wirksam zu
helfen?
Schuldzuweisungen und Verurteilungen auszusprechen ohne sich die einzelnen Pflegesituationen genau anzusehen, greifen zu kurz und werden keinem gerecht. Dieses führt eher dazu,
dass Betroffene nicht den Schritt nach außen wagen um sich Hilfe zu holen. Gewalt an
pflegebedürftigen Menschen steht häufig mit der Überforderung der Pflegenden in
Zusammenhang. In häuslichen Pflegesituationen müssen viele unterschiedliche Bedürfnisse
vereinbart werden, und das häufig über Jahre. In der stationären Pflegepraxis haben
Personalausstattung, Wissensbasis, bauliche Gegebenheiten oder Teamzusammensetzung
Einfluss auf die pflegerische Arbeit.
Ein erster Schritt, sich diesem Thema zu nähern, ist offen über Gewaltsituationen zu sprechen
und alle, die mit pflegebedürftigen Menschen in den unterschiedlichen Settings und in
unterschiedlichen Rollen zu tun haben, dazu zu ermutigen, ihre Beobachtungen offen
auszusprechen. Häufig sind die Pflegebedürftigen nicht mehr in der Lage, sich selbst zu helfen
und darauf angewiesen, dass mutige Menschen sich ihrer Problemlage annehmen. Dazu ist es
notwendig, dieses Thema in den unterschiedlichen Fort- und Weiterbildungen aufzugreifen. Nur
wer weiß, worauf er achten muss, kann eine Situation auch korrekt beurteilen.
Gleichzeitig gilt es, die betroffenen Angehörigen und Pflegenden in ihrer anspruchvollen Arbeit
zu unterstützen und so die Rahmenbedingungen für eine würdevolle und gewaltfreie Pflege und
Betreuung zu verbessern. In stationären Einrichtungen heißt dies, ein Klima zu schaffen,
welches ein offenes, kreatives Arbeiten ermöglicht, die Teams in die Lage versetzen, sich
intensiv mit ihren pflegebedürftigen Bewohnern auseinander zusetzen und Raum für praxisnahe
Lösungen zu finden. Nur wer weiß, was er kann, kann auch schwierige Situationen bewältigen.
In häuslichen Pflegesituationen gilt es, die Angehörigen von Beginn an, orientiert an ihrer
Alltagssituation, zu beraten. Dabei müssen neben einer fundierten Pflegeberatung, Beratung
über die Erkrankung und deren Verlauf auch Entlastungsangebote thematisiert werden. In
diesem Zusammenhang erscheint es wichtig, genau die Motive einer Pflegeübernahme zu
klären. Auf Basis dieser Erkenntnisse können auf die individuelle Situation angepasste
Angebote gemacht werden.
Charlotte Boes, Pflegewissenschaftlerin (MScN)