Was sind die Gründe für steigende Mieten in Berlin und anderen

Was sind die Gründe für steigende Mieten
in Berlin und anderen Großstädten?
ANGEBOT UND NACHFRAGE REGELN DEN PREIS
Steigt die Nachfrage nach einem Produkt, ohne das im gleichen Verhältnis das Angebot steigt, kann der Verkäufer einen
höheren Preis für das Produkt beim Käufer durchsetzen. Dass es in Berlin in den letzten Jahren eine Verknappung des Produktes „Wohnung” gegeben hat, steht außer Frage. Wie jedoch kam es zu dieser Verknappung?
1. Die Attraktivität der Stadt Berlin als Wohn- und Lebensort hat stark zugenommen.
2. Viel Kultur und Kunst, interessantes Straßenleben, Tag und Nacht lebendig, gute Nahverkehrsverbindungen, preisgünstiges Aufenthaltsangebot im Vergleich zu den anderen europäischen Großstädten mit ähnlicher Anzugskraft (Paris,
London etc.) Dies erhöht den Zuzug nach Berlin, eine Wohnung in Berlin zu haben, ist schick.
3. Das Arbeitsangebot hat sich erhöht, große Firmen und Start-Ups verlegen ihren Firmensitz nach Berlin, gut ausgebildetes Personal zieht aufgrund der Attraktivität nach Berlin.
4. fehlende Arbeitsmöglichkeiten in Südeuropa führt zu einer Wanderbewegung nach Berlin.
5. Von Jahr zu Jahr ist die durchschnittlichen Belegungszahl einer Wohnung gesunken. Stattdessen leben immer mehr Singles in einer Wohnung. Deshalb werden mehr Wohnungen benötigt – vor allem im 1-3 Zimmer-Bereich.
6. Umwandlungen von Mietwohnungen in Ferienwohnungen führen ebenfalls zu einer Verknappung auf dem Wohnungsmarkt.
7. Kitas, Schulen, gesellschaftliche und kulturelle Aufenthaltsorte liegen in der Nähe des Arbeitsplatzes. Hohe Mobilität
und Zeiteinsparung durch kurze Wege entsprechen dem heutigen urbanen Lebensstil und dem heutigen Arbeitsmarkt.
WESHALB IST DER BERLINER IMMOBILIEN- UND WOHNUNGSMARKT
FÜR VERMIETER UND IMMOBILIENINVESTOREN SO RENTABEL?
1. Nach den schwerwiegenden Turbulenzen auf den internationalen Finanzmärkten suchen Investoren und private Geldanleger sichere Anlagemöglichkeiten und investieren in den Berliner Immobilienmarkt (Betongold). Zudem ist die Höhe
der Zinsen für Kredite, die zum Haus-oder Wohnungskauf aufgenommen werden, historisch niedrig und die Berliner Immobilien sind im internationalen Vergleich eher unterbewertet und bieten somit bei Weiterverkauf oftmals die Aussicht
auf eine eine lohnende Rendite.
2. Auch die Mieten in Berlin sind im nationalen und internationalen Vergleich Mittelmaß (Paris Innenstadt: 22 Euro durchschnittlich netto kalt pro Quadratmeter, München Innenstadt: 16 Euro durchschnittlich netto kalt pro Quadratmeter)
und bieten somit noch Steigerungsmöglichkeiten – gerade im Hinblick auf den Zuzug einkommensstärkerer Bevölkerungsschichten.
3. Die gesetzlichen Regelungen zur Mietenbegrenzung sind lückenhaft und bieten die Möglichkeit erheblicher Mietsteigerungen. Z.B. gab es bei Neuvermietungen bisher keinerlei gesetzlichen Regelungen, die Mieterhöhung orientierte sich
allein am Markt. Seit kurzem hat der Berliner Senat einen gesamtstädtisch angespannten Wohnungsmarkt festgestellt
und damit eine Mieterhöhung bei Neuvermietungen über 20% im Verhältnis zum umliegenden Mietniveau hinaus als
rechtswidrig festgelegt (Wuchermiete).
Allerdings liegt die Beweislast beim Mieter. Dieser muss auch nachweisen, dass er in der Umgebung keine preisgünstigere Wohnung gefunden hat. Zudem hat der Berliner Immobilienverband gegen den Wuchermieterparagraphen geklagt und es bleibt abzuwarten, zu welchem Ergebnis das Gericht kommen wird.
Bei bestehenden Mietverträgen sind zur Zeit Mieterhöhungen von max. 15% in drei Jahren möglich. Zudem können
Modernisierungskosten mit 11% pro Jahr – 9 Jahre lang – auf die Mieter umgelegt werden. Erstaunlicherweise wird die
Miete nach neun Jahren – also wenn der Mieter den gesamten Wertzuwachs der Wohnung durch die Modernisierung
bezahlt hat – nicht wieder auf das ursprüngliche Mietniveau zurückgeführt.
4. Verkauf kommunaler Wohnungen
Ende der neunziger bis Mitte 2000 wurde die Hälfte des kommunalen Wohnungsbestands an private Investoren verkauft
und somit die mietpreisdämpfende Wirkung eines hohen kommunalen Wohnungsbestandes mit günstigen Mieten auf
den gesamtstädtischen Wohnungsmarkt geschwächt. Zudem durften sich die städtischen Wohnungsbaugesellschaften
zur Gewinnabschöpfung durch den Senat bei Mieterhöhungen innerhalb ihres verbliebenen Wohnungsbestandes an den
Vorgaben der privatwirtschaftlichen Mieterhöhungen halten und die Mietenspirale mit nach oben treiben und waren
nicht mehr der Gemeinnützigkeit im Wohnungsbau verpflichtet.
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5. Fehlender sozialer und privater Wohnungsbau
Obwohl die Gefahr der Verknappung der Wohnungen spätestens ab 2005 deutlich erkennbar war, gab es de facto keinerlei öffentlichen Wohnungsbau.
Auch der private Wohnungsbau hatte sich lange zurückgehalten. Aufgrund der Mieterhöhungsmöglichkeiten bei Neuvermietungen bei Bestandshäusern und den Haus- und Grundstückswertsteigerungen war es rentabler, bestehende Häuser
zu kaufen und wieder zu verkaufen, am besten entmietet und in Eigentumswohnungen umgewandelt. Ein Neubau wirft
für den Investor erst bei einer Vermietung ab 10 Euro eine marktübliche Rendite ab – dies bedeutet de facto, dass der
private Wohnungsbau für einen Großteil der Berliner Bevölkerung kein kostenakzeptables Angebot im Neubausektor
mehr anbietet, während gleichzeitig im Bestandssektor durch Mietsteigerungen das kostenakzeptable Angebot immer
weiter verringert wird. Will die Politik die soziale Mischung der Innenstadt erhalten, wird sie dieses Ziel beim privaten
Wohnungsangebot nur noch über eine massive Subventionierung der Mieten oder über eine starke Regulierung der
Mieterhöhungen erreichen. Neubau ist teuer – auch im städtischen Neubau wären die Kosten einer Wohnung höher, als
die Mieten der städtischen Wohnungen es z.Zt. sind und müssten für einkommensschwache Mieter-innen runtersubventioniert werden, aber natürlich ist die Neubau kommunalen Eigentums der Subventionierung der privaten Wohnungswirtschaft vorzuziehen. Der Berliner Senat hat den städtischen Wohnungsbaugesellschaften die Aufnahme von ca. 600
Millionen Euro neuer Schulden zum Wohnungsneubau gestattet. Die Mieten in den neuen städtischen Wohnungen sollen
dann um die 6 Euro netto kalt liegen – genaue Zahlen liegen noch nicht vor.
WAS SIND DIE FOLGEN DER STEIGENDEN MIETEN?
•Einkommensschwache Menschen verlieren ihren Wohnraum im innerstädtischen Bereich und werden mittelfristig in
Richtung Stadtrand abgedrängt.
•Menschen mit durchschnittlichen Einkommen finden aufgrund der hohen Steigerungen bei Neuvermietungen keinen
Wohnraum mehr im innerstädtischen Bereich.
•Die öffentliche Subventionierung(z.B. durch Wohngeld) von Mietwohnungen nimmt zu, es sei denn, die Berechnungsgrundlagen zum Erhalt von Wohngeld und Heizkostenzuschuss werden zum Nachteil der Bürger_innen verändert, wie
dies z.Zt. die Bundesregierung handhabt.
•Die Gewinne aus der steigenden Miete werden privatisiert, die Kosten der sozialen Probleme durch steigende Mieten
werden verstaatlicht.
•Die Innenstädte werden homogenisiert und größtenteils nur noch für Personen mit einem entsprechenden Einkommen
für Wohnzwecke nutzbar.
•Das nach Abzug der Fixkosten (z.B. Miete, Strom) verfügbare Einkommen der Bevölkerung wird geringer und damit sinkt
der konsumierbare oder sparbare Anteil des monatlichen Einkommens. Nach einer aktuellen Studie liegt der Wohnkostenanteil an den Ausgaben bei armen und armutsgefährdeten Haushalten bereits zwischen 42 und 52%. Auch die breite
Mittelschicht ist mittlerweile vom Wohnungsmangel und dessen Auswirkungen betroffen.
WAS IST ZU TUN UM DEN WOHNUNGSMARKT ZU ENTSPANNEN UND DIE STEIGERUNG DER MIETEN ZU BEGRENZEN?
•An erster Stelle der Maßnahmen zur Stabilisierung der Mieten sollte durch eine gesetzliche Regelung die Mieterhöhungen bei Neuvermietungen auf maximal 10% begrenzt werden - man kann hier allerdings auch die Frage stellen, ob
allein der Auszug eines Mieters und der Einzug eines neuen Mieters ohne das eine Wohnwertverbesserung stattgefunden
hat, überhaupt eine Mieterhöhung rechtfertigt.
•Die Berechnungsgrundlagen des Mietspiegels sind dahingehend zu verändern, dass alle Mieten der letzten vier Jahre in
die Berechnungen des aktuellen Mietspiegels einfließen und nicht nur die Mieten, die sich in den letzten vier Jahren
verändert haben, weil ansonsten die Mieten, die stabil geblieben sind gar nicht in den Mietspiegel einfließen und somit
das Ergebnis der Berechnungen zugunsten der Immobilienwirtschaft verfälscht wird. Dies gilt im Übrigen auch für die
überproportionale Einbeziehung der Neuvermietungen, deren übermäßigen Erhöhungen aufgrund fehlender Gesetzesregelungen dann den Mietspiegel in die Höhe treiben.
•Auch die Bestandsmieten sollten ab einer bestimmten, festzulegenden Höhe ohne Wohnwertverbesserung nur noch im
Rahmen der Inflation steigen können – allerdings sollte hier flexibel auf wirtschaftliche Veränderungen reagiert werden
.
•Bei Modernisierungen sollte die Miete nach Beendigung des Modernisierungskostenumlageverfahrens wieder auf ihr
ursprüngliches Niveau zurückgeführt werden. Die jährliche Belastung des Mieters ist zu verringern.
•Es müssen wieder städtische Wohnungen gebaut werden, deren Miete für mittlere Einkommen erschwinglich ist. Für untere Einkommensbezieher sollte das Wohngeld erhöht werden und die Heizkosten sollten wieder im Wohngeld enthalten
sein.
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•Die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen im innerstädtischen Bereich sollte genehmigungspflichtig werden.
Es ist verständlich, dass sich Mieter-innen durch den Kauf ihrer Wohnung vor weiteren Mietsteigerungen oder vor der
Verdrängung schützen wollen. Die Flucht in Eigentum – ob Neubau oder Wohnungskauf – ist die Folge eines Wohnungsmarktes, dessen Renditestreben eine ausreichende Begrenzung fehlt. Trotzdem ist dieser Entwicklung aus folgenden
Gründen entgegenzusteuern :
•Durch Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen werden nur diejenigen ihr Wohnrecht in der Innenstadt
absichern, die finanziell in der Lage sind, sich Wohneigentum anzueignen – während gleichzeitig der Bestand der Mietwohnungen verringert wird.
•Investoren, die größere Bestände an Mietwohnungen mit dem Ziel aufkaufen, diese zum Zweck der Profitmaximierung zu
entmieten und in Eigentumswohnungen umzuwandeln, müssen gestoppt werden. Hier werden Mieter-innen verdrängt,
die sich Eigentum nicht leisten können und dies des öfteren mit miesen Tricks indem bestehende Gesetzeslücken ausgenutzt werden, um die Mieter-innen zum Auszug zu zwingen. Anhand der Beispiele Paris und London ist erkennbar, in
welchem Ausmaß die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen die soziale Zusammensetzung der Bevölkerung in
der Innenstadt verändert.
•Allerdings macht die Begrenzung der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen nur dann Sinn, wenn die Mietpreise der Wohnungen auf ein, für die Mehrheit der Bevölkerung bezahlbares Niveau gehalten werden kann – ansonsten
können sich nur die gehobene Einkommensbezieher die Mieten leisten und der Effekt für durchschnittliche Einkommensbezieher wäre derselbe wie bei Eigentumsbildung. Sie könnten sich die Wohnungen in der Innenstadt nicht mehr
leisten.
Zum Abschluss des kleinen Beitrages noch ein paar Sätze zu den Aufgaben einer vernünftigen Wohnungspolitik:
Wohnungspolitik hat die Aufgabe die Mieten für Wohnraum für den Großteil der Bevölkerung aus eigenem Einkommen bezahlbar zu halten und dort, wo das eigene Einkommen nicht ausreicht, unterstützend einzugreifen und eine soziale Durchmischung innerhalb eines städtischen Raums sicherzustellen. Haus und Wohnungsinhaber sollen durchaus Rendite erzielen
können – Häuser sollen instandgehalten, modernisiert und neu gebaut werden, ohne Rendite gibt es hierzu keinen Anreiz.
Allerdings gilt für die Wohnungswirtschaft auch die Orientierung am Gemeinwohl, denn Wohnraum ist kein normales Produkt wie z.B. ein Auto. Wohnraum gehört zur existenziellen Daseinsvorsorge der Bevölkerung und darf deshalb nicht allein
nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten vermarktet werden, sondern bedarf der wohnungspolitischen Reglementierung. Dazu gehört auch der politische Wille, die Miethöhe ab einer bestimmten Höhe einzufrieren bzw. nur noch einen
Inflationsausgleich zuzulassen. Es darf kein gesetzliches Recht der Vermieter auf permanent steigende Mieteinnahmen
geben, nur weil der Markt dies hergibt. Noch in diesem Jahr scheiterte eine Bundesratsinitiative, die eine Begrenzung der
Mieterhöhungen bei Neuvermietungen vorsah, an dem Veto der Länder, in denen die CDU mit in der Regierung sitzt.
Das Land Berlin hat sich aufgrund des Vetos der Berliner CDU bei der entscheidenden Abstimmung der Stimme enthalten.
Allein in den letzten 10 Jahren wurde in der Bundesrepublik jede dritte Sozialwohnung weggestrichen. Zu Zeit stehen 1,6
Millionen Sozialwohnungen 6 Millionen Anspruchsberechtigte gegenüber.
Die Probleme bei der Versorgung der Bevölkerung mit bezahlbaren Wohnungen in den meisten der deutschen Ballungszentren sind spätestens seit 2004 bekannt. Die Bundesregierung und Regierungen auf kommunaler sowie Landesebene
blieben jahrelang untätig. Nun wird die Bekämpfung der Fehlentwicklungen auf dem Wohnungsmarkt den Mietern und den
Steuerzahler teuer zu stehen kommen und für einige der jetzige Mieter-innen der Innenstädte wird sie zu spät kommen
oder nicht mehr ausreichend sein.
Das Sozialbündnis Alt-Treptow wird dieses Thema weiter bearbeiten, veröffentlichen und zur Sprache bringen.
Jürgen Hans
Sozialbündnis Alt-Treptow
Noch im Februar dieses Jahres scheiterte an dem Veto der CDU-regierten Ländern eine Bundesratsinitiative, die u.a. die
Begrenzung der Mieterhöhungen bei Neuvermietungen gesetzlich regeln sollte.
ICH HOFFE, DER VERSUCH, DIE MIETENPROBLEMATIK FÜR DIE BEWOHNER_INNEN DES KUNGERKIEZES ETWAS VERSTÄNDLICHER ZU MACHEN, IST NICHT ZU UMSTÄNDLICH GERATEN. DAS THEMA IST KOMPLEX. AUCH ERHEBE ICH KEINEN ANSPRUCH
AUF 100-PROZENTIGE VOLLSTÄNDIGKEIT DER ANALYSE.
Jürgen Hans
Sozialbündnis Alt-Treptow
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