WAS DER FREIE POSTMARKT WIRKLICH BRINGT - Arbeiterkammer

PRESSEKONFERENZ
25.06.2014
WAS DER FREIE POSTMARKT
WIRKLICH BRINGT
Die Liberalisierung der europäischen Postmärkte und die Folgen für
Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen
RUDI KASKE
Präsident der AK Wien
HELMUT KÖSTINGER
Vorsitzender der Kommunikationsgewerkschaft GPF
SILVIA ANGELO
Leiterin der Abteilung Wirtschaftspolitik der AK Wien
15 Jahre nach Beginn des Liberalisierungsprozesses ergibt sich ein ziemlich ernüchterndes
Bild von den Auswirkungen der Postmarktliberalisierung und (in einigen Ländern)
-privatisierung. Der Wettbewerb konzentriert sich nur auf einige wenige, spezielle Bereiche und
Kundensegmente. In allen anderen Bereichen führt der zunehmende Kostendruck zu
steigenden Preisen für Privatkunden, einem Abbau bzw. zur Auslagerung von Infrastrukturen
(Postämter) und Dienstleistungen (Subunternehmer). Die Auswirkungen auf die Beschäftigten
sind verheerend, es kommt zu Arbeitsplatz-Abbau, Lohndumping, schlechteren
Arbeitsbedingungen, atypischen Beschäftigungsverhältnissen und Scheinselbständigkeit.
AK und Gewerkschaft fordern daher: Es braucht einen einheitlichen Kollektivvertrag für die
gesamte Branche. Die Beschäftigungs- und Entlohnungsverhältnisse müssen regelmäßig
erfasst werden. Und es braucht Maßnahmen gegen Scheinselbständigkeit.
Die vorliegende Studie wurde vom Institut FORBA Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt als
Aktualisierung und Erweiterung des von der Europäischen Kommission beauftragten Projekts „PIQUE
- Privatisation of Public Services and Impacts on Quality, Employment and Productivity“ für Uni –
Global Union erstellt. Betrachtet wird die Situation in Österreich, Belgien, Deutschland, Polen,
Griechenland und den Niederlanden. Die Daten stammen teils aus nationalen Studien und Statistiken
zum Thema sowie aus Befragungen und decken den Zeitraum 2000 bis 2012 ab.
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Wettbewerb um die Rosinen im Postmarktkuchen
2013 fielen in den letzten EU-Mitgliedsstaaten die letzten Wettbewerbsschranken auf den
Postmärkten, ein Prozess der mit der Postdienst-Richtlinie der EU von 1997 begann. Mitgliedsstaaten
konnten bis 2003 noch Sendungen bis 350 Gramm dem Universaldienstbetreiber vorbehalten, danach
sank diese Grenze sukzessive bis zur vollständigen Liberalisierung ab dem 1.1.2011. Nur einige
(neue) Mitgliedsstaaten hatten sich noch Übergangsbestimmungen bis 2013 vorbehalten. Ab diesem
Zeitpunkt dürfen nun alle Postsendungen in der gesamten Europäischen Union auch von privaten
Postdienstbetreibern befördert werden.
Die bisherige Liberalisierung führte, in Verbindung mit technischer Innovation, zu Stellenabbau, einer
Zunahme atypischer Beschäftigung und massiven Verschlechterungen bei den Löhnen und
Arbeitsbedingungen. Aufgrund der niedrigen Löhne und geringen Beschäftigungssicherheit ist ein
steigender Prozentsatz der Arbeit im Postsektor als prekäre Beschäftigung einzustufen.
Der Wettbewerb beschränkt sich auf besonders interessante Teilbereiche, wie z. B. dem Verteilen
von Werbemitteln und Paket- und Expressdienstleistungen. Hier herrscht ein intensiver Wettbewerb, in
dem die ehemaligen Monopolbetriebe mit international agierenden Paketdiensten um Marktanteile
kämpfen. Dies war allerdings bereits vor der Liberalisierung der Fall, da in den meisten Ländern
Paket- und Expressdienstleistungen nie unter die Monopolregulierung fielen.
Bei den rein kommerziellen Paket- und Expressdiensten beruht das zentrale Geschäftsmodell auf
der Schaffung globaler Zulieferketten, in denen die marktbeherrschenden Konzerne eine gemeinsame
Infrastruktur anbieten und den Transport (inklusive Luftfracht) zwischen den verschiedenen
Logistikzentren organisieren, während ein Gutteil der Arbeit vor Ort von eigenständigen
Subauftragnehmern ausgeführt wird.
Großversender können durch maßgeschneiderte Lösungen zwar Kostenvorteile lukrieren. Die neuen
Anbieter versuchen aber gar nicht, landesweite Infrastrukturen aufzubauen, sondern konzentrieren
sich auf große Geschäftskunden, gepaart mit einer Zustellung an zwei oder drei Tagen pro Woche in
städtischen Ballungszentren.
Für KonsumentInnen als EmpfängerInnen, die den Postdienst, mit dem ihnen Sendungen zugestellt
werden, in der Regel nicht mitbestimmen, bedeutet das aber oft einen erhöhten Mehraufwand. Private
Dienstleister haben meistens keine Filialen, in denen man Sendungen abholen kann, sie kommen nur
bei Bedarf und nicht regelmäßig, und manchmal muss man seinen Sendungen nachlaufen und
nachtelefonieren.
Die ehemaligen Postmonopolisten, die als Universaldienstanbieter verpflichtet sind, ein
umfassendes Annahme- und Verteilernetz aufrechtzuerhalten und täglich zuzustellen, geraten
zunehmend unter Druck. Diese Kosten tragen auch dazu bei, dass Rufe nach einer Aufweichung von
Universaldienstverpflichtungen aufkommen. Und: die ehemaligen Monopolbetriebe verfolgen mit ihren
ausländischen Tochtergesellschaften genau dieselben Strategien, wie die rein kommerzielle
Konkurrenz.
Auf dem Briefmarkt investierten die ehemals staatlichen Monopolbetriebe massiv in die
Modernisierung ihrer Sortier- und Zustellinfrastrukturen, setzen zugleich aber auf die Schließung von
Postämtern und die Auslagerung der dort angebotenen Dienstleistungen an lokale Einzelhändler und
andere Betriebe. In Österreich werden zum Beispiel nur noch etwa 25 Prozent der ca. 1.900 Filialen
von der Post selbst betrieben.
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Neben dem eigentlichen Liberalisierungsprozess haben zudem Privatisierungsschritte bei ehemals
staatlichen Unternehmen zu einer Verstärkung des Rationalisierungsdrucks geführt, da Investoren
hohe Dividendenerwartungen haben. Die österreichische Post AG hat sich seit der Teilprivatisierung
im Jahr 2006 auch stets als Dividenden-Papier präsentiert, und schüttet seit damals fast die gesamten
Gewinne an die Aktionäre aus. Diese Strategie verschärft also nochmals die Folgen der
Liberalisierung und schafft zusätzlichen Druck, Kosten zu Lasten der Beschäftigten und der
Dienstleistungsqualität für EmpfängerInnen zu senken.
Beschäftigungsformen: Teilzeit und Scheinselbständigkeit am Vormarsch
Die
Liberalisierung
führte
auch
zu
gravierenden
Verschlechterungen
bei
den
Beschäftigungsverhältnissen. Es kam zu einem massiven Anstieg bei den atypischen
Beschäftigungsformen und zu einer weitreichenden Prekarisierung der Beschäftigung im Postsektor.
Dazu zählen Teilzeitarbeit, selbständige Arbeit und befristete Beschäftigung. FORBA hat Daten dazu
exemplarisch in einigen Einzelbereichen erhoben. Strukturierte und regelmäßige Erhebungen werden
aber nicht durchgeführt, obwohl hier massiv sozial- und arbeitsrechtliche Standards unterlaufen
werden.
Mittlerweile sind z. B. bei der niederländischen Post fast 85 Prozent der Belegschaft
teilzeitbeschäftigt. In Zypern und Litauen arbeiten knapp 60 Prozent der MitarbeiterInnen beim
ehemaligen Monopolanbieter Teilzeit, in Lettland und Luxemburg ca. 40 Prozent. Unter den neuen
Mitbewerbern ist Teilzeitbeschäftigung sogar noch verbreiteter. In Deutschland sind weniger als 20
Prozent des Personals bei den neuen Mitbewerbern vollzeitbeschäftigt, regulär teilzeitbeschäftigt sind
knapp 25 Prozent. Eine große Mehrheit von fast 60 Prozent der Belegschaften von deutschen
Mitbewerbern arbeitet in geringfügigen „Minijobs“, mit einem Einkommen von unter 450 Euro im
Monat. Auch in den Niederlanden arbeiten die ZustellerInnen bei den neuen Mitbewerbern nur wenige
Stunden pro Woche, waren aber bis vor kurzem selbständig tätig und wurden daher bisher nicht den
Teilzeitbeschäftigten zugerechnet.
Selbständige sind vor allem in den Paket- und Expressdienstleistungen stark vertreten. Die
selbständige Beschäftigung ist hier das Ergebnis einer Auslagerungskette, bei denen die globalen
Marktakteure, zunehmend aber auch die ehemaligen Monopolunternehmen, ihre Zustellaktivitäten an
so genannte „Servicepartner“ vergeben, die ihrerseits für die Zustellung selbständige FahrerInnen
unter Vertrag nehmen. So wurden 2010 beispielsweise 85 Prozent der mit der niederländischen Post
verschickten Pakete durch Subauftragnehmer zugestellt.
Für Österreich ergibt sich ein ähnliches Bild bei den alternativen Betreibern:
+ Im Bereich Expressdienste/Paketzustellungen werden Fahrtätigkeiten fast ausschließlich von
Subunternehmen erledigt.
+ Bei der Brief-, Werbemittel- und Zeitungsverteilung sind 90 Prozent der dort Tätigen
selbstständig beschäftigt. Als WerkvertragsnehmerInnen kommen sie weder in den Genuss von
arbeitsrechtlichen Standards noch von Versicherungsschutz (sofern sie sich nicht selber versichert
haben).
Massiver Stellenabbau
Mit wenigen Ausnahmen (Irland, Slowenien und Luxemburg) verzeichneten die ehemaligen
Monopolbetriebe seit 1998 starke Beschäftigungsrückgänge. In manchen Fällen macht der
Personalabbau sogar bis zu 40 bis 50 Prozent aus, typischerweise lagen die Rückgänge bei 20 bis 30
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Prozent. Im Gegensatz zu den Erwartungen der Kommission konnten die Beschäftigungszuwächse
bei den neuen Anbietern diese Verluste nicht wettmachen – nicht einmal in jenen wenigen Ländern, in
denen die neuen Mitbewerber Marktanteile von über 10 Prozent erreichen. In Österreich sank die Zahl
der Postbediensteten, soweit aus den Geschäftsberichten zu ermitteln ist, um 47 Prozent. Waren
etwa Mitte der 1990er Jahre noch über 35.000 MitarbeiterInnen bei der damaligen PTA im
Unternehmensbereich Post beschäftigt, sind es nun nur noch knapp 19.000.
Beschäftigungsentwicklung bei den ehemaligen Postmonopolunternehmen, 1998-2012 (FORBA)
Hoher Arbeitsdruck
Auf die verbliebenen Beschäftigten kommt eine immer höhere Arbeitsbelastung. Im Fall von
Österreich hat sich z. B. die Größe der Zustellrayons in den letzten 15 Jahren verdoppelt. Der
zunehmende Druck führt zu einer immer geringeren Identifikation mit der Tätigkeit, einem Wegfall der
Autonomie und zu einer hohen Personalfluktuation.
Selbständige ZustellerInnen sind noch schlechter dran und haben extrem lange Arbeitszeiten von bis
zu 15 Stunden täglich. Dazu kommen, bedingt durch moderne Technologien, wie etwa GPS, Track
and Trace, eine höhere Kontrolle und Überwachung der Logistikprozesse und damit der
ZustellerInnen.
Lohndumping
Durch die Liberalisierung sind die Löhne im Postsektor massiv unter Druck geraten. Die ehemaligen
Monopolbetriebe verringerten dazu entweder die Löhne für Beschäftigte, die später zum Unternehmen
stießen: in Deutschland seit 2001 um minus 30 Prozent, in Österreich seit 2009 um minus 25 Prozent.
Oder sie schufen neue, schlechter entlohnte Arbeitsplatzkategorien, wie jene der HilfszustellerInnen
(minus 40 Prozent in den Niederlanden, minus 5 Prozent in Belgien).
Die Löhne bei den neuen Anbietern liegen meist noch unter den schon gesenkten Löhnen der
ehemaligen Monopolisten. In Deutschland und Österreich etwa beträgt der Lohnunterschied zwischen
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den jeweiligen ehemaligen Monopolisten und den neuen Anbietern ca. 30 Prozent. Die Löhne
selbständiger ZustellerInnen in den Paket- und Expressdienstleistungen liegen laut einer deutschen
Fallstudie bei 70 bis 90 Cent pro zugestelltem Artikel, was einem Stundenlohn von 5 Euro entspricht
und damit meist auch unter den gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Mindestlöhnen liegt. Auch für
Österreich zeigte bereits die vorangegangene FORBA-Studie eine beträchtliche Differenz zwischen
unselbständig und selbstständig beschäftigten ZustellerInnen im Bereich Brief-, Werbemittel und
Zeitungszustellung, die im Stadtgebiet vier bis fünf Euro brutto pro Stunde verdienen.
Zweiklassengesellschaft
Während bei den ehemaligen Monopolisten oftmals noch Hauskollektivverträge bestehen, haben
alternative Zusteller meist gar keine kollektivvertraglichen Mindeststandards, denn die
Kollektivverträge der ehemaligen Monopolisten gelten für sie nicht. Nur in 7 der 21 EU-Mitgliedstaaten,
für die Daten zur Verfügung stehen, sind Mitbewerber kollektivvertraglich abgedeckt.
Dies führt zur Entstehung einer Zweiklassengesellschaft der ArbeitnehmerInnen in derselben Branche,
da ArbeitnehmerInnen der rein privaten Postdienstleister – sofern sie überhaupt angestellt sind – nach
unterschiedlichen und wesentlich schlechteren Kollektivverträgen entlohnt werden. Besonders in
Österreich ist die Lage verwirrend. Hier sind die Beschäftigten bei den Paket- und Expressdiensten in
sechs
verschiedenen
Kollektivverträgen
erfasst,
mit
unterschiedlichen
Arbeitsund
Beschäftigungsbedingungen. Sogar die Tochtergesellschaft der Österreichischen Post AG unterliegt
einem anderen Kollektivvertrag als die Mutter.
Zudem ist mit Zunahme selbständiger Beschäftigung ein wachsender Prozentsatz der Belegschaften
im Postsektor formal von der Vertretung durch Gewerkschaften und Betriebsrat ausgeschlossen.
Daher fordern AK und Kommunikationsgewerkschaft
Einheitlicher Kollektivvertrag für die gesamte Branche
Was die kollektivvertraglichen Zuordnungen angeht, ist die Postbranche derzeit stark zersplittert. Für
jene ArbeitnehmerInnen, die bei Postdienstleistern unselbständig beschäftigt sind, kommen viele
verschiedene Kollektivverträge zum Einsatz (Handels-KV, KV für Speditions- und Lagereibetriebe, KV
Güterbeförderung, KV Expedit, KV Werbung und Marktkommunikation, KV für Kleintransporteure…).
Angesichts der Lage der Beschäftigten wäre es notwendig, hier einheitliche Regelungen zu schaffen.
Wenn durch die Liberalisierung nun mehrere Branchen zu einem gemeinsamen PostdienstleisterMarkt zusammenwachsen, sollten auch die Beschäftigten einheitlich behandelt werden. Ein
gemeinsamer Kollektivvertrag wäre ein Schritt in die richtige Richtung.
Erhebung der Beschäftigungs- und Entlohnungsverhältnisse im Postbereich
Im Bereich der Postdienstleistungen sind zwar durch die Post-Erhebungs-Verordnung gewisse
Vorgaben gemacht um auch die MitarbeiterInnen zu erfassen, doch die derzeit veröffentlichten Daten
umfassen nur unselbständige MitarbeiterInnen und Leasingpersonal. Unzureichend abgebildet sind
WerkvertragsnehmerInnen und Subunternehmer, die oftmals als Ein-Personen-Unternehmen
Zustelldienste verrichten. Einkommensbedingungen werden gar nicht berücksichtigt.
Die Dynamik bei diesen „neuen Selbständigen“ in allen Branchen, aber insbesondere im Postbereich,
bedürfen einer besseren Evaluation auf nationaler und internationaler Ebene, um die Entwicklungen
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und Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt besser abschätzen und Problemen entgegensteuern zu
können. Die durch die Post-Regulierungsbehörde durchgeführten statistischen Erhebungen im
Bereich der MitarbeiterInnen sollten intensiviert werden und insbesondere sollten neben Zahlen zu
freien Dienstnehmern und Werkverträgen auch die Anzahl zu Subunternehmern erhoben und
veröffentlicht werden.
Maßnahmen für Scheinselbständige
MitarbeiterInnen im rein kommerziellen Postbereich sind großteils selbständig beschäftigt, obwohl sie
arbeitnehmerähnliche Tätigkeiten ausführen, und in hohem Grad von ihrem Auftraggeber abhängig
sind. Unter der derzeitigen Gesetzeslage sind diese Formen der Selbständigkeit möglich, obwohl sie
eigentlich nicht die wahren Arbeitsverhältnisse widerspiegeln.
Der Postmarkt ist nur eine Branche, in der Scheinselbständigkeit ein Problem ist. Daher fordern AK
und Gewerkschaft Maßnahmen, um ArbeitnehmerInnen besser vor der Abdrängung in die
Scheinselbständigkeit zu schützen.
Novelle des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes
Klarer Fahrplan und rasche Umsetzung entsprechend dem Regierungsübereinkommen
■ Einbeziehung aller Lohnbestandteile
Derzeit wird nur eine Entlohnung unter dem Grundlohn (Kollektivvertragslohn ohne Zulagen,
Zuschlägen und Sonderzahlungen) bestraft. Es sollte jedoch nicht nur Entlohnung unter dem
Grundlohn, sondern Entlohnung unter dem gesamten, nach der österreichischen Rechtsordnung
zustehenden Entgelt unter Strafe gestellt werden. Ansonsten können Unternehmen durch
Nichtzahlung von Zulagen, Zuschlägen oder Sonderzahlungen sich „legal“ einen Wettbewerbsvorteil
auf Kosten der ArbeitnehmerInnen verschaffen.
■ Verschärfung der Sanktionen hinsichtlich Bereithaltung der Lohnunterlagen
Derzeit sind die Strafsätze für das Nichtbereithalten der Lohnunterlagen niedriger als für
Lohndumping. Arbeitgeber, die Lohndumping betreiben kommen billiger davon, wenn sie keine
Lohnunterlagen vorlegen.
Z. B.: Arbeitgeber betreibt Lohndumping in Bezug auf 5 ArbeitnehmerInnen. Der Strafrahmen wäre in
diesem Fall 10.000 bis 100.000 €. Wenn der Arbeitgeber aber die Lohnunterlagen nicht bereithält,
dann kann die Behörde Lohndumping meist nicht feststellen und der Strafrahmen ist bloß 500 bis
5.000 € für das Nichtbereithalten der Lohnunterlagen.
Anpassung des Arbeitsnehmerbegriffes an die realen Verhältnisse
ÖGB und AK fordern im Zusammenhang mit der "Modernisierung des ArbeitnehmerInnenbegriffs" seit
langem, dass nicht die üblichen arbeitsrechtlichen Kriterien (Weisungsunterworfenheit, persönliche
Pflicht zur Arbeitsverrichtung, Eingebundenheit in den betrieblichen Organisationsablauf, Verrichtung
der Arbeit mit Arbeitsmitteln des Arbeitgebers) allein entscheidend sein sollen, sondern dass auch die
wirtschaftliche Abhängigkeit als Kriterium dazukommt.
Die juristische Definition des Arbeitnehmers ist an die geänderten Verhältnisse in der Arbeitswelt
anzupassen. Wer „persönlich abhängig“ tätig ist (Bindung an Arbeitsort und -zeit, Weisungen usw.),
soll wie bisher Arbeitnehmer sein, aber auch Personen, die im Rahmen eines
Beschäftigungsverhältnisses zwar persönlich unabhängig, aber wirtschaftlich abhängig sind, sollen
den Schutz der Arbeitnehmereigenschaft genießen. Kriterien der wirtschaftlichen Abhängigkeit sind
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unter anderem: das Fehlen eigener Betriebsmittel bzw. unternehmenstypischer Betriebsstrukturen,
eine begrenzte Anzahl von Auftraggebern, Beschränkungen der unternehmerischen
Dispositionsfreiheit (zB einseitige Festlegung des „Preises“, in Wirklichkeit also Lohnes).
Menschen, die beispielsweise schon lange bei ein und demselben Auftraggeber als Zusteller tätig
sind, sollte dadurch auch der Zugang zu einem regulären Arbeitsverhältnis erleichtert werden.
Beweislastumkehr
Bisher muss ein Arbeitnehmer beweisen, dass tatsächlich ein Arbeitsverhältnis vorliegt.
Das ist in der Praxis oft schwer möglich und birgt auch ein hohes Prozess-Risiko für den Einzelnen.
Eine Beweislastumkehr würde helfen, Scheinselbstständigkeit einzudämmen. Wenn es starke
Indizien für ein Arbeitsverhältnis gibt, wie etwa die Abhängigkeit von nur einem Arbeitgeber oder
starke Vorgaben bezüglich Arbeitszeiten, soll der Arbeitgeber beweisen müssen, dass kein reguläres
Arbeitsverhältnis besteht.
Verantwortung des Erstauftraggebers
Da im Postmarkt auch Subunternehmerketten gebildet werden, an deren Ende oftmals
Scheinselbständige stehen, wäre auch eine klar geregelte Verantwortung des Erstauftraggebers für
die Einbringlichkeit von Sozialversicherungsbeiträgen, die Einhaltung von arbeits- und
sozialrechtlichen Vorschriften und für Forderungen von ArbeitnehmerInnen bei Subunternehmen ein
erster wichtiger Schritt.
Für die KonsumentInnen
Keine Aushöhlung des Universaldienstes
Der Universaldienstbetreiber ist verpflichtet, ein gewisses Maß an Versorgung flächendeckend
aufrecht zu erhalten. Das betrifft einerseits das Filialnetz mit mindestens 1.650 Postgeschäftsstellen,
aber vor allem die flächendeckende Zustellung an 5 Tagen in der Woche und die Laufzeitvorgaben,
also wie schnell Sendungen zugestellt werden müssen. Briefe sollten etwa am nächsten Werktag
beim Empfänger ankommen.
Dass diese Dienstleistungen in guter Qualität flächendeckend erbracht werden, ist für die gesamte
Bevölkerung wichtig, insbesondere auch im ländlichen Raum. Die Bundesregierung ist aufgerufen sich
dafür einzusetzen, dass postalische Universaldienste auch in Zukunft flächendeckend zur Verfügung
gestellt werden müssen, und allfällige Begehrlichkeiten, diese Dienste auszuhöhlen, auch auf EUEbene abgewehrt werden.
Keine weiteren Privatisierungsschritte bei der Post AG
Nicht nur die Liberalisierung sondern auch die Privatisierung hat zu einem stärkeren Druck auf die
Beschäftigten und deren Arbeitsbedingungen geführt. Seit dem Börsegang der Post hat sie sich als
Dividendenpapier positioniert und zahlt fast sämtliche Gewinne an die Aktionäre aus.
Weitere Privatisierungsschritte würden diese Tendenz noch wesentlich verschärfen und nur privaten
Investoren zugute kommen. Deshalb sind alle Pläne, die öffentlichen Anteile der Post zu reduzieren
abzulehnen.
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