WOCHENENDE Bild: SN/FOTOLIA S A M ST A G, 1 8 . APR I L 2 0 09 WO CH E NE ND E @S AL Z BU RG .C OM Wahre Schönheit Was uns attraktiv macht Schönheit ist Geschmacksache. Ihr Bild ändert sich von Epoche zu Epoche und von Kultur zu Kultur. Mal sind üppige Kurven gefragt, mal mag man’s streng und schmal. Aber wer bestimmt eigentlich, wer schön ist? Im Wesentlichen tut das unser Gehirn. Es bastelt sich ein Idealbild aus vielen Gesichtern zusammen und scannt dann andere Menschen. Doch hinter Schönheit steckt offenbar noch mehr: genetische Gesundheit. BARBARA MORAWEC S chönheit liegt im Auge des Betrachters. Eindeutig. Die Padaung-Frauen an der thailändischen Grenze zu Birma zum Beispiel tragen im Lauf ihres Lebens immer mehr Halsreifen, sodass ihre Hälse überstreckt werden. In den Reisekatalogen nennt man sie deshalb gern Giraffenhalsfrauen, für die Touristen, die es dorthin verschlägt, sind sie ein beliebtes, wenngleich ein bisschen gruseliges Bildmotiv. Weniger bekannt sind die Surma-Frauen an der Grenze Äthiopiens zum Sudan. Sie schmücken sich traditionell mit riesigen Lippentellern, die bis zur Brust hinunterhängen. Sie legen große Holz- oder Tonteller in ihre durchlöcherten und ausgeweiteten Unterlippen und Ohrläppchen, und sie sehen damit in unseren Augen völlig grotesk aus. Thema Nackte Details: Der Louvre gibt seine intimsten Szenen preis. Seite V Aber was würde jemand aus einem fremden Kulturkreis zu unseren Schönen sagen? Sie tragen zu chronischen Schmollmündern aufgeplusterte Lippen, schwenken geliftete Gesäße und haben nicht selten mit Silikon bis zur Abnormität ausgestopfte Brüste. Ist das schöner als Giraffenhals oder Hängelippe? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Ein Blick auf unsere Kunstgeschichte zeigt, wie unglaublich vielfältig im Lauf der Jahrhunderte der Schönheitsbegriff war. Mal war die Frau schön, wenn sie strenge Züge hatte, mal konnten ihre Formen nicht üppig genug sein. Sowohl Körpergewicht als auch ideale Figur schwanken von Epoche zu Epoche und Kultur zu Kultur recht stark. Die heutige Bevorzugung sehr schlanker Frauenkörper ist im historischen Vergleich eher die Ausnahme. Sie zeigt, Interview Die nicht nur heile Welt von Marianne und Michael. Seite VII dass unsere Gesellschaft in sicherem Überfluss lebt, beweist, dass man es sich „leisten“ kann, dünn zu sein. Wichtig war seit jeher, dem Schönheitsideal nachzueifern. Das ist heute einfacher denn je. Denn das Hippste, was derzeit in der Schönheitsbranche angeboten wird, ist die Körpermodelage. Selten bezeichnet ein Wort so treffend Vorgang und Zeitgeist zugleich. Die Prozedur dauert nicht lang, die Erholungsphasen werden immer kürzer, weil die einzelnen Operationen immer unblutiger durchgeführt werden können. Körpermodelage verrät aber auch viel über die Haltung unserer Gesellschaft zum Körperlichen und Schönen. Mieder, die zurückhalten, was sonst üppig quillt, sind von vorgestern. Die Blitzdiät, die ein paar Kilos runterreißt, ist von gestern, und auch die bloße Fettabsaugung schaut schon recht alt aus. Heute will man per Körpermodelage seine Ausstrahlung nicht mehr dem Zufall überlassen. Schönheit durch genetische Vielfalt ist out. Wer mit großer Nase geboren wird, plagt sich nicht mehr damit herum, sondern kauft sich eine neue, niedliche Nase. Zu mittlerweile erschwinglichen Preisen. Unser Medienzeitalter ist geprägt von Bildern perfekter Menschen mit hübschen Augen, Nasen, Lippen und Brüsten, wohlgeformten Popos und straffen Oberschenkeln, ja, sogar mit üppigen, aber keineswegs hängenden Schamlippen. Diese Dinge zählen mittlerweile zu den gefragtesten Konsumartikeln, gemeinsam mit Flachbildschirmen, Autos und Schmuck. Wer nicht schön ist, ist selbst schuld. Und es heißt neuerdings: „So eine schöne Frau. Ob alles an ihr echt ist?“ Fortsetzung Seite II Thema Das Bauhaus: Maßstab für Design und Architektur. Seite IX Reisen Ladakh: Ursprünglicher als das Mutterland Tibet. Seite XI
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