Seniorenheime: Was tun, wenn ein Bewohner wegläuft? Wie viel Kontrolle darf sein, um die individuelle Freiheit möglichst unberührt zu lassen und doch ein Weglaufen aus Seniorenheime zu verhindern? Ein schwieriges Thema für Pflegekräfte, Angehörige und Behörden. CHAM. Noch sind die Begleitumstände zum Tod des 74-jährigen Hansgeorg Graf nicht ganz geklärt, der am 26. Dezember aus dem Pflegestift Cham weggelaufen war. Am Samstag, 2. Januar, wurde er tot auf einem Grundstück oberhalb der Maristen Realschule aufgefunden. Doch bestätigte jetzt die Polizei auf Nachfrage, dass der Mann vermutlich bereits in der ersten Nacht, in der er vermisst wurde, erfroren ist. Das ergaben Ermittlungen der Kriminalpolizei Regensburg. Vom Einzelschicksal abgesehen – was können Altenheime in so einem Fall tun? Was dürfen sie überhaupt tun, um die Gefahr des Weglaufens zu minimieren? Restrisiko bleibt immer Für die Leiterinnen der beiden Chamer Seniorenheime bleibt eines sicher: Man kann das Risiko eines Weglaufens minimieren, aber vollkommen kann man es nicht beseitigen. „Verhindern kann man es nicht“, sagt Marion Beer vom Pflegestift in der Pfarrer-Lukas-Straße, in dem der 74Jährige wohnte. Die Regeln für eine den Aufenthalt im Heim bestimme das Gesetz – auch, ob ein Mensch zu gewissen Zeiten fixiert werden dürfe oder nicht. „Wir dürfen die Menschen nicht einsperren – und wollen das auch nicht“, sagt die Heimleiterin. Ebenso wenig sei es für sie denkbar, einen Menschen den ganzen Tag anzubinden. Ziel sei die weitgehende Selbstbestimmung der Heimbewohner. Im Pflegestift gelte wie in allen Altenheimen der Grundsatz: Jeder habe das Recht, zu gehen. Suche nach Hilfen für Pflegekräfte Das gelte auch für demente Menschen. Anders als Zuhause, wo solche Kranken oft eingesperrt würden, könne ein Altenheim so weit nicht gehen, sagt Beer. Daher gebe es selbst bei geschlossenen Abteilungen immer wieder Vermisste. Was nie zu hören sei, seien Stimmen, die fragen würden, wie es den Pflegekräften dabei gehe. Solche Vorgänge wie der aktuelle würden das ganze Haus bedrücken. Es gebe immer nur Vorschriften, was alles nicht erlaubt sei. Als Beispiel nennt sie die Anordnung, dass in ihrem Haus nun die Drehgriffe durch normale Türklinken ersetzt werden müssen. Drehgriffe seien jedoch etwas schwieriger zu öffnen und würden daher ein Weglaufen eher behindern. Solche Dinge würden den Pflegekräften helfen. 74-Jähriger trug einen Sensor Marion Beer weist auch darauf hin, dass der 74-Jährige als einziger Bewohner einen Sensor getragen habe, der beim Verlassen den Hauses über die normalen Zugänge Alarm geschlagen habe. Das System sei extra eingebaut worden. Bei Hansgeorg Graf sei bekannt gewesen, dass er oft unterwegs war. Das Fatale sei jedoch gewesen, dass der Bewohner das Haus wohl über die Terrasse verlassen habe, weshalb es keinen Alarm über den Sensor gegeben habe. Es sei Nacht gewesen und zudem sehr kalt. Der Sensor sei nicht zu orten gewesen. Viele Senioren bräuchten das tägliche Laufen, daher gebe es extra Laufbereiche, um dem entgegen zu kommen. Durch die Tag-Nacht-Umkehr vieler alter Menschen würden auch nachts teils 20 Bewohner und mehr im Haus unterwegs sein. Solche „Läufer“-Zahlen würden natürlich viel Personal binden, da so weit wie möglich aufgepasst werden müsse. Enge man die Menschen in ihrer Bewegungsfreiheit ein, entstehe Aggression. Schilder an Fluchttüren würden etwa von Dementen überhaupt nicht beachtet. „Wir haben etwa eine Paniktür eingebaut. Deren Alarm schlägt dauernd an, weil diese einfach benutzt wird“, sagt Beer. Das bedeute dann für das Pflegepersonal immer, schnellstmöglich dorthin zu rennen. GPS-Sender als Lösung? Den Senioren einen GPS-Sender umzuhängen, um sie orten zu können, hält Marion Beer für eine gangbare Lösung. Es müsse jedoch unauffällig sein, dürfe die Bewohner nicht stören und nicht stigmatisieren. Seniorenheime: Was tun, wenn ein Bewohner wegläuft? Wie viel Kontrolle darf sein, um die individuelle Freiheit möglichst unberührt zu lassen und doch ein Weglaufen aus Seniorenheime zu verhindern? Ein schwieriges Thema für Pflegekräfte, Angehörige und Behörden. CHAM. Noch sind die Begleitumstände zum Tod des 74-jährigen Hansgeorg Graf nicht ganz geklärt, der am 26. Dezember aus dem Pflegestift Cham weggelaufen war. Am Samstag, 2. Januar, wurde er tot auf einem Grundstück oberhalb der Maristen Realschule aufgefunden. Doch bestätigte jetzt die Polizei auf Nachfrage, dass der Mann vermutlich bereits in der ersten Nacht, in der er vermisst wurde, erfroren ist. Das ergaben Ermittlungen der Kriminalpolizei Regensburg. Vom Einzelschicksal abgesehen – was können Altenheime in so einem Fall tun? Was dürfen sie überhaupt tun, um die Gefahr des Weglaufens zu minimieren? Restrisiko bleibt immer Für die Leiterinnen der beiden Chamer Seniorenheime bleibt eines sicher: Man kann das Risiko eines Weglaufens minimieren, aber vollkommen kann man es nicht beseitigen. „Verhindern kann man es nicht“, sagt Marion Beer vom Pflegestift in der Pfarrer-Lukas-Straße, in dem der 74Jährige wohnte. Die Regeln für eine den Aufenthalt im Heim bestimme das Gesetz – auch, ob ein Mensch zu gewissen Zeiten fixiert werden dürfe oder nicht. „Wir dürfen die Menschen nicht einsperren – und wollen das auch nicht“, sagt die Heimleiterin. Ebenso wenig sei es für sie denkbar, einen Menschen den ganzen Tag anzubinden. Ziel sei die weitgehende Selbstbestimmung der Heimbewohner. Im Pflegestift gelte wie in allen Altenheimen der Grundsatz: Jeder habe das Recht, zu gehen. Suche nach Hilfen für Pflegekräfte Das gelte auch für demente Menschen. Anders als Zuhause, wo solche Kranken oft eingesperrt würden, könne ein Altenheim so weit nicht gehen, sagt Beer. Daher gebe es selbst bei geschlossenen Abteilungen immer wieder Vermisste. Was nie zu hören sei, seien Stimmen, die fragen würden, wie es den Pflegekräften dabei gehe. Solche Vorgänge wie der aktuelle würden das ganze Haus bedrücken. Es gebe immer nur Vorschriften, was alles nicht erlaubt sei. Als Beispiel nennt sie die Anordnung, dass in ihrem Haus nun die Drehgriffe durch normale Türklinken ersetzt werden müssen. Drehgriffe seien jedoch etwas schwieriger zu öffnen und würden daher ein Weglaufen eher behindern. Solche Dinge würden den Pflegekräften helfen. 74-Jähriger trug einen Sensor Marion Beer weist auch darauf hin, dass der 74-Jährige als einziger Bewohner einen Sensor getragen habe, der beim Verlassen den Hauses über die normalen Zugänge Alarm geschlagen habe. Das System sei extra eingebaut worden. Bei Hansgeorg Graf sei bekannt gewesen, dass er oft unterwegs war. Das Fatale sei jedoch gewesen, dass der Bewohner das Haus wohl über die Terrasse verlassen habe, weshalb es keinen Alarm über den Sensor gegeben habe. Es sei Nacht gewesen und zudem sehr kalt. Der Sensor sei nicht zu orten gewesen. Viele Senioren bräuchten das tägliche Laufen, daher gebe es extra Laufbereiche, um dem entgegen zu kommen. Durch die Tag-Nacht-Umkehr vieler alter Menschen würden auch nachts teils 20 Bewohner und mehr im Haus unterwegs sein. Solche „Läufer“-Zahlen würden natürlich viel Personal binden, da so weit wie möglich aufgepasst werden müsse. Enge man die Menschen in ihrer Bewegungsfreiheit ein, entstehe Aggression. Schilder an Fluchttüren würden etwa von Dementen überhaupt nicht beachtet. „Wir haben etwa eine Paniktür eingebaut. Deren Alarm schlägt dauernd an, weil diese einfach benutzt wird“, sagt Beer. Das bedeute dann für das Pflegepersonal immer, schnellstmöglich dorthin zu rennen. GPS-Sender als Lösung? Den Senioren einen GPS-Sender umzuhängen, um sie orten zu können, hält Marion Beer für eine gangbare Lösung. Es müsse jedoch unauffällig sein, dürfe die Bewohner nicht stören und nicht stigmatisieren. Unabhängig davon werde schon jetzt alles getan, um das Risiko zu minimieren. Dies werde im Einzelnen dokumentiert und nun etwa von der Heimaufsicht und der Polizei kontrolliert. Wenn das nicht ausreiche, seien es schicksalhafte Entwicklungen, die zu solch tragischen Unglücken wie das aktuelle führen würden. „Kein Heim auf der Welt kann vollkommene Sicherheit garantieren“, so die Heimleiterin. Mit Foto und möglichen Wegen Jutta Steinigk-Schingale, die Leiterin des städtischen Seniorenheims St. Michael, sieht das ähnlich. Es gebe kein Patentrezept, um ein Weglaufen grundsätzlich zu verhindern. „Man kann nicht 24 Stunden danebenstehen“, so die Heimleiterin. Wenn man eine sogenannten „Wegläufer“ als Bewohner habe, müsse man in Absprache mit den Angehörigen und den Pflegekräften die Kontrolle möglichst engmaschig gestalten. Dazu werde für die Bewohnerakte auch genau ermittelt, welche Wege der Betroffene gehen könnte. Auch werde ein Foto von ihm angefertigt. Zudem lege man der Dokumentation einen Stadtplan mit entsprechenden Angaben bei und weihe die Nachbarn der Heimbewohner ein, um richtig zu reagieren, wenn die im Allgemeinen hilflosen Menschen auftauchen würden. Dazu müssten alle Angestellten im Haus – von den Pflegekräften bis zum Reinigungs- und Küchenpersonal – aufmerksam sein und reagieren, wenn ihnen ein offensichtlich hilfloser Bewohner außerhalb des Heims oder außerhalb seines üblichen Aufenthaltsbereichs begegnet. „Dennoch – ganz ausschalten kann man die Gefahr natürlich nicht“, so die Heimleiterin. „Einsperren erzeugt Aggression“ Es sei immer eine Gratwanderung zwischen größtmöglicher Freiheit und Beaufsichtigung. „Gerade Menschen, die sich eingesperrt fühlen, finden einen Weg in die Freiheit“, sagt SteinigkSchingale aus Erfahrung. Einen Menschen rund um die Uhr zu überwachen, sei zudem Folter. Jeder habe ein Anrecht auf eine gewisse Privatsphäre. Die einzige Ausnahme im Heimbereich sei eine geschlossene, „beschützende“ Station, die es aber in Cham nicht gebe, zumal die Folge aggressivere Bewohner seien. Denn, je mehr man eingesperrt sei, desto mehr Aggressionen würden sich aufbauen. (Quelle: Mittelbayrische.de 06.01.2010)
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