Predigt zum Erntedankfest 2004 Dieser Kessel da, was ist das? Nein, am Erntedankfest frage ich: was war das? Und die über Sechzigjährigen müssten sich eigentlich erinnern können: nach dem Krieg standen solche Kessel in den Waschküchen, und im Oktober wurde Zwetschenmus und Sirup darin gekocht - bei ständigem Rühren. Ich habe die Bewegung noch vor Augen und den Geruch noch in der Nase. Erinnerung geht über die Nase. Kartoffelfeuer zum Beispiel. Wie haben wir uns Finger und Zunge verbrannt, weil wir es nicht abwarten konnten, diese von weißer Asche bepuderten Köstlichkeiten in den Mund zu stecken! Sollten wir die Streuobstwiese um ein Stück Kartoffelacker ergänzen? Nicht gegen den Hunger! Aber um den Geruch wieder in die Nase und den Geschmack wieder auf die Zunge zu bekommen! Unsere Streuobstwiese hinter Elliehausen, wo wir gestern gepflanzt und geerntet haben und mitgebracht; sehen Sie ja. Ein Mitbringsel ist nicht zum Sehen und Schmecken, sondern zum Hören, ist nämlich, was der Pastor von Elliehausen zu diesem allen, was man hier sieht, geschrieben hat. Nein, nicht der jetzige Pastor, sondern der da vor 450 Jahren gewirkt hat, Zacharias Kempe. Der hat 1567 in Frankfurt am Main erschienen ein Buch herausgebracht. In der Vorrede (von Cyriakus Stangenberg) heißt es, Gott habe jetzt wörtlich ((zitiert aus Karl-Heinz Thiel, in: Jahrbuch der Gesellschaft für Niedersächsische Kirchengeschichte 1999, S. 64 f.)) Gott habe uns albern(e) und einfeltige Menschen gar wol bedacht und auß sonderlicher Lieb uns zur Le(h)re, Underricht und Trost zwey schöne herrliche Bücher fürgeleget, darinn wir täglich lesen und studieren und denn forder (=fürderhin) darauß seinen Göttlichen Willen, Hertz und Gemüth gegen uns erkennen und dessen (uns) frewen und trösten sollen. Das erste dieser beiden Bücher sei Gottes Heilige Bibel, sagt er. Aber darbeneben (=daneben) hat er seinen Gleubigen auch noch ein ander grosses Buch fürgeleget, - nemlich sein herrliches Geschöpf Himmel, Erden unnd alle Creaturen darinnen ¸daß sie daraus neben der H.Schrifft täglich seiner Gnad, Allmechtigkeyt und Warheyt sich erinnern sollen. Wiewol nu dieses Buch, - mit grossen schönen hellen Buchstaben geschrieben und auffs allerschönste illuminiert und außgestrichen -, allen Menschen offentlich und weit auffgethan für den Augen ligt (seine Schöpfung nämlich), so können doch alleine die Gleubigen, denen das erste vorgedachte Buch (d.h. die Bibel) bekannt, (ge)leuffig und lieb ist, mit Nutz und Frommen in diesem andern Buch studieren und jnen (=sich) dasselbe nütz machen. Warum nur die Gläubigen? Weil nur sie den Schlüssel zum Verstehen haben. Dass Gott uns lieb hat, erfahren wir durch seinen Sohn, wissen wir aus der Bibel, nicht von der Streuobstwiese, nicht aus der herrlichen Natur. Aber wenn wir das erstmal wissen aus Gottes erstem Buch, dann wird es uns durch sein zweites, die Schöpfung - so sagt der Pastor von Elliehausen 1567 sozusagen Seite für Seite bestätigt. Dann finden und lesen die Gläubigen etwas von göttlicher Liebe in allen Creaturen abgemalet und fürgebildet. Also dass auch ein geringer Stro(h)halm, ein kleines Grasekimichen (=Graskeimchen) j(h)nen Gott mit seiner Güte und Macht fürstellt, und muß jhnen also alles zu Lere und Trost dienen. In sonderheyt aber hat Gott in den Creaturen sein Väterlichs Hertz und liebreiches Gemüt, ja Göt(t)liche Treu und Liebe gegen seine Gleubigen abkontrafeien (=abbilden) wöllen. Wenn du ihn kennst, erkennst du ihn da, in seiner Schöpfung, wieder. Seine Schönheit. Und sein uns Freundlich Zugewandt Sein. Das Gegenteil von geizig. Verschwenderisch. Hier sieht man´s! Und weil das in dieser Kirche nur einmal zu sehen zum Erntedankfest nämlich zu wenig ist, ist es da oben ins vierte Fenster gemalt, mit Glas gemalt, und also immer vor Augen. Sehen Sie das? Ganz oben rechts im vorletzten Fenster, im Schöpfungsrot: wie Gott ist und wie er gibt: Von Gott kommt alles her, der Strohhalm und die Sterne, der Sperling und das Meer. Von ihm sind Büsch´ und Blätter und Korn und Obst von ihm, das schöne Frühlingswetter und Schnee und Ungestüm. Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn. Singen wir mal, was man da oben sehen kann? Herr Kordes tippt es mit der Orgel an, und dann, wenn´s geht, gemeinsam und auswendig, Alle gute Gabe In Dank ausbrechen! Nicht gedankenverloren nach innen blicken und so, eingeschlossen, bei sich selbst bleiben sondern des groß en Gottes großes Tun erweckt mir alle Sinne. Im Wahrnehmen all der guten Gaben gehen mir Augen und Ohren, Nase und Hände auf. Und vor allen Dingen das Herz. Ich breche in Dank aus. Heute mal, endlich mal. Und nicht nur leise gehaucht, sondern laut. Und nicht nur gesagt, sondern gesungen. Liebe Gemeinde, auch das ist noch zu wenig. Gefeiert. Dank feiern! Das griechische Wort für Danken heißt eucharistein. Manche merken was. Bei Katholiken klingelt´s bei dem Wort. Eucharistie das ist die große Dankfeier mit Brot und Wein für Brot und Wein und alles, was sonst noch zum Leben gehört, einschließlich Eltern und Kinder, gute Freunde, getreue Nachbarn und wir haben heute den 3. Oktober ein wieder gemeinsames Land für unser Volk. Das alles feiern, dafür danken. Und sonst nichts. Heute mal: sonst nichts. Wie gut das tut : danken, Dank feiern, und sonst nichts. Und wenn wir nicht danken? Kommt jetzt die Drohung? Nein, die kommt nicht. Johann Peter Hebel hat´s verstanden: Gott grüßt manchen, der ihm nicht dankt. Zum Beispiel, wenn dich früh die Sonne zu einem neuen kräftigen Leben weckt, so bietet er dir: Guten Morgen. Wenn sich abends dein Auge zu erquicklichem Schlummer schließt: Gute Nacht. Wenn du mit gesundem Appetit dich zur Mahlzeit setztest, sagt er: Wohl bekomms. Wenn du eine Gefahr noch zur rechten Zeit entdeckst, so sagt er: Nimm dich in acht, junges Kind, oder altes Kind, und kehre lieber wieder um! Wenn du am schönen Maitag im Blütenduft und Lerchengesang spazieren gehst, und es ist dir wohl, sagt er: Sei willkommen in meinem Schlossgarten Also grüßt Gott manchen, der ihm nicht antwortet und nicht dankt. Denn er ist sehr freundlich. (Jetzt gesungen sofort - , aufs Stichwort sozusagen, Danket, danket dem Herrn, (336) und 502, 1 und 4.
© Copyright 2024 ExpyDoc