Medizin Aktuell Bandscheibe kaputt Was nun? Bandscheibenerkrankungen sprechen in der Regel gut auf eine konsequente konservative Therapie an. Aber es gibt immer wieder Patienten, bei denen die geschädigte Bandscheibe nicht zur Ruhe kommt und dauerhaft Schmerzen verursacht. Bis vor wenigen Jahren konnte nur mit einer Versteifungsoperation Schmerzfreiheit erzielt werden. Doch jetzt gibt es eine Alternative: die Bandscheibenprothese. „M it einer Bandscheibenprothese wird – genau wie an Hüfte und Knie – ein erkranktes und schmerzauslösendes Gelenk ersetzt, und zwar das zwischen zwei Wirbelkörpern“, erklärt Frau Dr. Marita Ant, Neurochirurgin an der Gemeinschaftspraxis für Orthopädie und Neurochirurgie in Düsseldorf. „Die Prothese übernimmt Funktion und Aufgabe einer gesunden Bandscheibe, wenn die erkrankte dazu nicht mehr in der Lage ist. Daher ist sie auch ähnlich wie eine Originalbandscheibe aufgebaut. Die für eine gute Bandscheibenfunktion erforderliche Kombination aus Stabilität und Beweglichkeit hat die Medizintechniker vor große Probleme gestellt, aber mittlerweile stehen sehr gut ausgereifte Modelle sowohl für den Lendenwirbelbereich als auch für die Halswirbelsäule zur Frau Dr. Ant: „Die Behandlung von chronischen Bandscheibenerkrankungen ist durch die Einführung von Bandscheiben prothesen sehr bereichert worden. Es wird nicht nur der H öhenverlust ausgeglichen, auch die Beweglichkeit des betroffenen Segmentes kann erhalten bleiben.“ 8 ORTHOpress 4 /2009 Verfügung. Bei vielen Patienten kann so eine Versteifung der Wirbelsäule vermieden werden.“ Der Natur abgeschaut Früher war die Fusion, das heißt die Versteifung von zwei oder mehreren Wirbelkörpern, die einzige Möglichkeit, Schmerzfreiheit zu erreichen, wenn mit konservativen und mikrochirurgischen Verfahren die Schmerzen nicht mehr beherrscht werden können. Die Versteifung ist eine seit vielen Jahren angewandte Technik, die in aller Regel auch zum Erfolg führt. Die Schmerzen verschwinden, dies jedoch auf Kosten der Beweglichkeit. Damit kommen viele Patienten zwar relativ gut zurecht, allerdings besteht immer das Risiko, dass das versteifte Segment die angrenzenden Wirbelabschnitte verstärkt belastet und dort zu einer beschleunigten Degeneration führt. Die Medizin Aktuell Bandscheibenprothese dagegen ist weitaus genauer an die normale Physiologie angepasst, sodass die Gefahr einer Anschlussdegeneration geringer ist. Erste Nachuntersuchungen zeigen auch, dass nach einer Bandscheibenimplantation mehr Patienten ihre Arbeit wieder aufnehmen als nach einer Fusionsbehandlung. Außerdem ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Revisionsoperation erforderlich wird, geringer als nach einer Fusion. Indikation beachten Die Implantation einer Bandscheibenprothese ist an einige Voraussetzungen gebunden. Dr. Ant: „Die Schmerzen müssen sicher durch Veränderungen der Bandscheiben verursacht werden und durch eine konsequente konservative Therapie nicht beherrschbar sein. Meistens liegt dem ein Verschleiß der Bandscheibe zugrunde, es kann aber auch z. B. ein sogenanntes Postnukleotomie-Syndrom sein, das heißt der Zustand nach einer Bandscheibenoperation mit ungenügendem Erfolg. Ein akuter Bandscheibenvorfall ist an der Lendenwirbelsäule keine Indikation für eine Prothese –, dort wird er anders behandelt – wohl aber an der Halswirbelsäule.“ Damit eine Bandscheibenprothese erfolgreich eingesetzt werden kann, muss der Knochen eine gesunde Struk- tur aufweisen. Außerdem dürfen keine weiteren degenerativen Veränderungen, z. B. an den kleinen Wirbelgelenken oder den Nervenaustrittslöchern, vorliegen, denn diese würden auch nach dem Einbau der Prothese weiterhin Schmerzen verursachen. Daher kommen für eine Bandscheibenprothese in der Regel eher jüngere Patienten infrage. Osteoporose, Tumoren oder bakterielle Infektionen im Bereich der Wirbelsäule sind eine Kontraindikationen für den Einbau einer Bandscheibenprothese. Muskulatur wird geschont Ist aber die Indikation für eine Bandscheibenprothese gegeben, hat sie im Vergleich zur Versteifung noch einen weiteren Vorteil: Sie ist der kleinere Eingriff. Der Zugang zum Operationsfeld erfolgt nämlich in aller Regel von vorne. Das heißt im Lendenwirbelbereich von einem kleinen Bauchschnitt aus und an der Halswirbelsäule vom vorderen Hals aus. Diese Technik schont also die empfindliche Rückenmuskulatur. Die Patienten können bereits am Operationstag, spätestens am nächsten Tag wieder aufstehen und nach einigen Tagen bereits die Klinik verlassen. Die Erholungsphase ist insgesamt deutlich kürzer als nach einer Wirbelkörperfusion. Eine spezielle Nachbehandlung ist nicht erforderlich. Die Wirbelsäule kann und sollte sofort bewegt werden. So ist eine Bandscheibenprothese aufgebaut Eine Bandscheibenprothese besteht im Prinzip aus zwei Metallplatten mit einem Kunststoffkern dazwischen. An der Oberfläche der Metallplatte zum Knochen hin befinden sich kleine Metallzähnchen, die der Verankerung im Knochen dienen und eine gute Primärstabilität unmittelbar nach der Operation ermöglichen. Die übrige Oberfläche ist aufgeraut, sodass in den folgenden Wochen der Knochen gut in die Metallplatten einwachsen und sie so dauerhaft befestigen kann. Der Kunststoffkern zwischen den Metallplatten ermöglicht – wie bei einer gesunden Bandscheibe – die Beweglichkeit. Frau Dr. Ant fasst für ORTHOpress die Vorteile der Bandscheibenprothese zusammen: • Beweglichkeit und Funktionsfähigkeit bleiben erhalten • Anschlussdegeneration wird vermieden • Mobilisation unmittelbar nach der Operation • Rasche Erholung • Kurzer stationärer Aufenthalt • Frühzeitige Wiederaufnahme des alltäglichen Lebens • Hohe Erfolgsquote • Geringe Wahrscheinlichkeit für eine Revisionsoperation Attraktive Alternative „Falls erforderlich, können in einer Operation auch mehrere Etagen gleichzeitig mit einer Prothese versorgt werden. Auch kann es manchmal sinnvoll sein, eine Etage zu versteifen und die andere mit einer Prothese zu versorgen nach dem Prinzip: Was beweglich ist, sollte auch nach Möglichkeit beweglich bleiben. Das heißt aber auch, wenn bereits eine natürliche Versteifung eingetreten ist, hat eine Bandscheibenprothese keinen Sinn mehr. Aber bei gegebener Indikation ist die Bandscheibenprothese eine attraktive Alternative zur Versteifung, vor allem für jüngere Patienten. Mit ihr ist ein völlig normales leben möglich, inklusive fast aller sportlicher Aktivitäten. Daher bin ich der festen Überzeugung, dass Bandscheibenprothesen in den nächsten Jahren Versteifungsoperationen weiter verdrängen und sich vor allem an der Halswirbelsäule zur Standardtherapie entwickeln werden“, so Dr. Ant abschließend. von Kathy Breuer Weitere Informationen Tel.: 0211 - 710 63 14 www.onc-duesseldorf.de ORTHOpress 4 /2009 9
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