Was geschah in der Niewedder Senke bei Kalkriese? (I. Teil)

Was geschah in der Niewedder Senke bei Kalkriese? (I. Teil)
Es war der englische Hobbyarchäologe Tony Clunn, der 1987 als Sondengänger auf der Suche
nach dem berühmtesten Arminiusschlachtfeld auf dem Fundplatz "Kalkriese" einen weitgehend
zerpflügten Verwahrfund römischer Silbermünzen entdeckte.
Die im Herbst 1988 gefundenen Schleuderbleie ließen auf ein
weitläufiges, ca. 30 qkm großes, antikes Schlachtfeld schließen
und waren Ausgangspunkt einer systematischen
archäologischen Erforschung der Kalkrieser Niewedder Senke
durch die Stadt- und Kreisarchäologie Osnabrück. Für seine
Entdeckung erhielt Clunn von der Queen Elizabeth II. den
"Order of the British Empire".
Ende 1989 begannen die bis heute andauernden
Ausgrabungen. Gefunden wurden bisher einige Tausend
römische Objekte (s. Schlüter, 2002), darunter Werkzeuge,
Geräte und Gegenstände des
täglichen Bedarfs, Nieten und
Nägel, Teile der militärischen
Ausrüstung, Trachtbestandteile
und Schmuck, Reit- und
Zuggeschirrzubehöre.
Nr.:2 Schleudergeschosse (Blei)
Nr.:1 Helmbuschträger (Eisen)
Des Weiteren Wagenbeschläge, Gefäßteile aus Ton und Metall,
Beschläge von Möbeln, Kästchen und Geräten,
Operationsbestecke und eine schallgedämmte Maultierglocke (mit
Stroh). Neben diesen Objekten
wurden aber auch im wahllosen
Durcheinander menschliche und
tierische Knochen in Gruben und
Senken gefunden (Tierknochen von
mind. 8 Pferden und 30 Maultieren).
Anhand der genannten Funde wird der Kampfplatz von Schlüter
in die spätaugusteische-frühtiberische Zeit eingeordnet.
Außerdem sind Münzen in erheblicher Anzahl
gefunden worden. Bis zum Jahre 2002 waren
es rd. 1200 Münzen (750 Silber-, 23
Nr.:3+4 Fingerring (Eisen)
Gold- und 630 Kupfermünzen) , die sich
inzwischen auf ca. 1500 erhöht haben.
1996 datierte Dr. Franz Berger die bis dahin gefundenen Münzen (Berger,
Mainz, 1996) in den Spätsommer des Jahres 9 n. Chr. – ja das Ereignis
selbst sogar auf den Haupttag, den 3.Tag der Varusschlacht -.
Schlüter übernimmt diese „genauere“ Datierung und schreibt: „û dass in
Kalkriese nach 9 n. Chr. keine römischen Münzen mehr in den Boden
gekommen und das Kampfgeschehen zwischen Kalkrieser Berg und
Großem Moor mit der Varusschlacht 9 n. Chr. zu verbinden ist.
Nr.:4
Schwertscheidenklammer
(Bronze)
Hieran erhitzen sich die
Gemüter mit kritischen Tönen und fundamentalen Zweifeln wie Prof. Reinhard Wolters (in:
Schlüter/Wiegels Osnabrück,1999) und Dr. Peter Kehne (in: Wiegels Paderborn, 2000). Unser
Vereinsmitglied Wolfgang Lippek (in: Lippische Mitteilungen, Detmold, 2002) widerlegte die
These, den einzigen Beweisversuch von Berger. Der wiederum rezensiert diese
Veröffentlichungen (Numismatisches Nachrichtenblatt Nr. 07/04).
Lippek kontert: „Trotz seiner Bemühungen kann Bergers Rezension objektiven Maßstäben nicht
standhalten, da er dem Leser die unlösbare Aufgabe überlässt, jene Aussagen herauszufinden,
die von seiner Grundannahme her vorbelastet sein könnte.“ Bergers Grundannahme er habe „...
die wohlbegründete Auffassung, dass die Funde von Kalkriese die Hinterlassenschaft der im
Teutoburger Wald
gestorbenen
Soldaten des Varus
sind. ...“
Aus Lippeks Replik bleibt als Quintessenz
festzuhalten:



Nr.:5 Kinnstange einer Hebelstangentrense (Eisen)
Aus numismatischer Sicht müsste es heißen, in Kalkriese fand sich keine
Münze jünger als 2 n. Chr..
Mit dem Gegenstempel des Varus kann als frühest mögliches Enddatum
der Kalkrieser Ereignisse die Zeit 7 n. Chr. angesetzt werden.
Die Münzen können auch später als 9 n. Chr. in den Boden gekommen
sein.
Damit können die Ereignisse in Kalkriese nicht nur an Hand der „NichtMünzfunde“, sondern auch unter Berücksichtigung der Münzfunde, in die
spätaugusteische-frühtiberische Zeit eingeordnet werden. (9 – 15/16 n.
Chr.)
In das gleiche
Horn bläst auch
der Archäologe
Stephan Berke,
der an der
Universität
in Münster
Nr.:6 Riemenbeschlag (Bronze)
einen Lehrauftrag für
provinzialrömische Archäologie hat, in dem er feststellt: „Archäologische Funde
lassen sich nicht auf ein Jahr genau bestimmen“. In der Zeit zwischen 2 und
Nr.:7 Bügelschere
14 n. Chr. seien kaum Münzen geprägt worden, die sich exakt einordnen
(Eisen)
ließen.
Diese 'zeitliche Unschärfe' erlaube keine punktgenaue Datierung erklärte er dem Westfalen-Blatt
(25.11.2004). Das ist Wasser auf den Mühlen derjenigen, die anzweifeln, dass die Varusschlacht
im Jahre 9 n. Chr. in Kalkriese bei Bramsche stattgefunden hat: Berke hält zumindest
die eindeutige Zuschreibung Kalkriese bei Osnabrück als Schauplatz für „so
wissenschaftlich nicht haltbar (http://www.nw-news.de).
Unter diesen Gesichtspunkten ist Kalkriese nur eine der rd. 700 bekannten Theorien zur
Verortung der Varusschlacht, nicht mehr und nicht weniger.
Jetzt wird auch verständlich, warum Prof. Heinz Horn 2005 'den Rückwärtsgang' eingelegt hat.
Horn stellt fest: „.... Auch scheint es noch keineswegs ausgemacht, dass wir mit dem
Schlachtplatz von Kalkriese bei Bramsche im Osnabrücker Land (Niedersachsen) tatsächlich den
Ort der sogenannten Schlacht im Teutoburger Wald im Jahre 9 n. Chr. vor uns haben. Es gibt
offensichtlich
bedenkenswerte
Argumente, ihn eher mit
einem für die Römer
ebenfalls verlustreichen
Kampfgeschehen im
Sommer 15 n. Chr. in
Verbindung zu bringen.
Damals geriet Aulus
Caecina mit einem Teil
des Niedergermanischen
Heeres auf dem
Rückmarsch von der Weser an den Rhein in einen
Hinterhalt des Arminius.
Nr.:8 Stechbeitel u. Lochbeitel mit geschw.
Klinge (Eisen)
Möglicherweise ist der vornehmlich durch Münzen mit varianischem Gegenstempel datierte
'Haltern-Horizont', auf den sich die Datierung des Kalkrieser Befundes durch die 'Varus-SchlachtVerfechter' stützt, doch feinchronologisch etwas differenzierter zu sehen. ....“ (Band 8 „Schriften
zur Baudenkmalpflege in NRW“)
Nr.:9 Siegelkapsel (Bronze)
mit figürlichem Bleirelief
Mit dem Hinweis auf die wahrscheinlichste These „Caecina
kämpfte in Kalkriese gegen Arminius“, der sich wohl Wolters,
Kehne, Lippek und Horn anschließen könnten, endet der 1.
Teil dieses Berichtes. Im 2. Teil werden weitere Thesen zu
Kalkriese und im 3. Teil die Caecina-These ausführlicher
vorgestellt.
Lemgo, den 3. März 2006
Gerhard Kroos
www.arminiusforschung.de