Symposium: Phantom Germanicus. Historische Überlieferung gegen archäologischen Befund – eine wissenschaftliche Herausforderung Termin: 2.–3. Juli 2015 Ort: Museum und Park Kalkriese / Uni Osnabrück Begleitend zu der großen Sonderausstellung ICH GERMANICUS FELDHERR PRIESTER SUPERSTAR im Museum und Park Kalkriese [20.06.–01.11.2015] veranstaltet die Universität Osnabrück, Museum und Park Kalkriese und das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege in Kooperation ein zweitägiges wissenschaftliches Symposium, das sich mit der archäologischen Identifikation der historischen Ereignisse nach der Varusschlacht befasst. In den Jahren 14–16 n. Chr. führte das römische Militär unter dem Kommando von Germanicus die größten Operationen in der germanischen Okkupationsgeschichte durch. Während die antiken Schriftquellen diese Militäroperationen ausführlich wiedergeben, sind die Spuren dieser Ereignisse im archäologischen Fundbild kaum greifbar. Der so genannte Germanicus-Horizont ist gleichsam ein Phantom, das sich bisher nicht zu erkennen gegeben hat. Ein archäologischer Nachweis der römischen Reaktionen auf die Varusschlacht konnte bislang nicht erbracht werden. Insbesondere in Niedersachsen ist das weitgehende Fehlen einer gesicherten archäologischen Quellenlage bemerkenswert. Gerade hier hatte Rom mit den Friesen und Chauken seine letzten treuen Verbündeten rechts des Rheins, und gerade hier wurden die größten militärischen Operationen durchgeführt. Textquellen und Bodenfunde ergänzen sich für die letzten Jahre der römischen Okkupationsgeschichte nicht. Das ist insofern erstaunlich, als die früheren Phasen der römischen Okkupation rechts des Rheins sich in den archäologischen Quellen deutlich abzeichnen. Vor allem anhand der Münzen lässt sich der so genannte Oberaden-Horizont vom Haltern-Horizont abgrenzen. Mit dem Oberaden-Horizont werden die Eroberungszüge unter Drusus von 12–9 v. Chr. identifiziert. Die diesem Horizont zuzuweisenden Fundplätze korrelieren sehr gut mit den schriftlich überlieferten Darstellungen der militärischen Operationen. Nach dem Abschluss der Eroberungszüge unter Tiberius im Jahre 8 v. Chr. kam es zur Konsolidierung der römischen Herrschaft über Germanien. Diese Phase wird mit dem so genannten Halten-Horizont identifiziert und spiegelt sich in einer dichten Überlieferung archäologischer Funde und Befunde wider. Deutlich zeichnet sich im archäologischen Fundbild der Ausbau der römischen Herrschaft im rechtsrheinischen Raum zumindest bis zu den Mittelgebirgen ab. Die in den Schriftquellen dokumentierte Kontrolle nördlich der Mittelgebirge fällt in den archäologischen Belegen jedoch bereits aus. Militärische Vorstöße östlich des Rheins, 14–16 n. Chr. | 1 Die Militäroperationen unter der Führung des Germanicus waren die größten der gesamten germanischen Okkupationsgeschichte. Sie waren zudem äußerst verlustreich; im Jahre 15 n. Chr. entgingen die Römer knapp einer verheerenden Niederlage mit dem Verlust von vier Legionen. Trotz dieser großangelegten und umfassenden Aktionen, fällt der archäologische Nachweis bislang weitgehend aus. Allein in Kalkriese scheinen sich die Ereignisse niedergeschlagen zu haben. Tacitus berichtet vom Besuch des Varusschlachtfeldes der Germanicus-Legionen und den folgenden Bestattungsmaßnahmen. Die in Kalkriese freigelegten »Knochengruben« lassen sich wahrscheinlich mit diesen Maßnahmen in Verbindung bringen. Doch einen weiteren Fundniederschlag hat das Acht-Legionenheer hier anscheinend auch nicht bewirkt. In den weiter südlich gelegenen Fundplätzen von Haltern [Nordrhein-Westfalen] und Waldgirmes [Hessen] verdichten sich die Hinweise, auf Indizien für rechtsrheinische römische Aktivitäten nach der Varusschlacht. Die durch Schriftquellen belegte Wiederbesetzung römischer Standorte in diesem Raum findet möglicherweise hier einen Niederschlag in den archäologischen Quellen. Es sind jedoch vor allem bauliche Strukturen, die aufgrund ihrer stratigraphischen Position eine Germanicuszeitliche Nutzungsphase andeuten. Das Fundspektrum selbst gibt das nicht zu erkennen. Damit stoßen wir auf ein generelles methodisches Problem: Eine feinchronologische Differenzierung ist anhand archäologischer Fundtypen in einem derart eng gesteckten Zeitraum bislang nicht möglich. Selbst die Münzen, die für die Definition der älteren Horizonte Oberaden und Haltern bestimmend waren, erlauben keine zeitliche Fixierung. Es ist durchaus anzunehmen, dass bereits Funde aus dem Germanicus-Horizont vorliegen, sie jedoch nicht als solche erkannt werden. Das ist insofern bedauerlich, als wir dadurch blind gegenüber den Ereignissen der Jahre nach der Varusschlacht sind, die so entscheidend für die weitere historische Entwicklung der rechtsrheinischen Gebiete waren. Das Symposium soll einen Überblick über den aktuellen Stand der Forschungen zu diesem Thema vermitteln. Ziel ist es zu klären, inwieweit sich erste Ansätze finden lassen, die Aktivitäten der Germanicus-Phase auch archäologisch zu belegen und die Vorgänge in Germanien nach der Varusschlacht stärker auszuleuchten. Der Weg dahin führt über Grundlagendiskussionen, z. B. welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit sich ein Münzhorizont zeitlich derart eng fassen lässt, um einen Germanicus-Horizont zu identifizieren. Die bislang vorhandenen Indizien für einen Germanicus-Horizont sind ebenso kontrovers zu diskutieren wie das vermeintliche Ausbleiben der archäologischen Überlieferung für die letzte Phase der römischen Okkupationsgeschichte. Damit hoffen wir, ein tieferes Verständnis der historischen Vorgänge sowie ihrer Überlieferung zu gewinnen. Das Fernziel des Symposiums ist es, aus der Diskussion der gegenwärtigen Problemlage Ansätze für eine zukünftige Forschungsstrategie zu entwickeln, wie – gerade im Hinblick auf Niedersachsen – neue Verdachtsflächen für römische Aktivitäten im Norden ausgewiesen und für die Forschung erschlossen werden können. Detail einer Knochengube, 1990 ausgegraben in Kalkriese. | 2 Programm Donnerstag, 2. Juli [Museum und Park Kalkriese] 9:30 Begrüßung Joseph Rottmann | Museum und Park Kalkriese May-Britt Kallenrode | Universität Osnabrück Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege 10:00 Stefan Burmeister | Museum und Park Kalkriese Zur Diskrepanz zwischen historischer und archäologischer Überlieferung 10:30 Salvatore Ortisi | Seminar für Alte Geschichte, Universität Osnabrück Kalkriese – neue Perspektiven in der archäologischen Forschung 11:00 Achim Rost und Susanne Wilbers-Rost | Museum und Park Kalkriese Germanicus in Kalkriese: Zwischen historischer Quelle und archäologischem Befund 11:30–12:00 Kaffeepause 12:00 Gabriele Rasbach | Römisch-Germanische Kommission, Frankfurt am Main »What's another year«. Waldgirmes – Archäologie und Ereignisgeschichte 12:30 Armin Becker | Institut für Archäologie und Geschichte der römischen Provinzen sowie Archäologie von Münze, Geld und von Wirtschaft in der Antike, Goethe-Universität Frankfurt am Main Germanicus an der Lahn. Zum Enddatum von Waldgirmes 13:00–14:30 Mittagspause/Ausstellungsbesuch 14:30 Stephan Berke | Institut für Klassische Archäologie, Universität Trier Die Verknüpfung der relativen Chronologie in der römischen Nekropole von Haltern mit der absoluten Chronologie der römischen Germanenkriege. Ein Versuch. 15:00 Bernhard Rudnick | LVR-Archäologischer Park Xanten Ist ein Germanicus-Horizont erkennbar? Versuch einer Annäherung an mögliche keramische Terra Sigillata-Fundspektren der Germanicus-Feldzüge der Jahre 14–16 n. Chr. 15:30 Dr. Bettina Tremmel | LWL-Archäologie für Westfalen, Münster Neue Ausgrabungen in Haltern. Hinweise zur inneren Chronologie des Hauptlagers? 16:00–16:30 Kaffeepause 16:30 Peter Kehne | Historisches Seminar, Universität Hannover Varus- oder Germanicus-Horizont? Methodische Bedenken gegen Deutungsversuche in Randwissenschaften 17:15 Rückfahrt mit dem Bus nach Osnabrück 19:00 Abendvortrag Rainer Wiegels, Sparkasse Osnabrück Sine ira et studio? Germanicus und die Germanenkriege in der antiken Überlieferung | 3 Freitag, 03. Juli [Universität Osnabrück] 9:00 Roland Kaestner | Institut für strategische Zukunftsanalyse der Carl Friedrich von WeizsäckerStiftung Die Feldzüge des Germanicus aus militärischer Perspektive 9:30 Henning Haßmann | Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, Hannover Die Nadel im Heuhaufen. Zur Entwicklung von archäologischen Prospektionsstrategien der gezielten Erschließung neuer Quellenbereiche 10:00–10:30 Kaffeepause 10:30 Reinhard Wolters | Institut für Numismatik und Geldgeschichte, Universität Wien Schatten aus Germaniens Dark Ages? Zum Stand der Fundmünzenauswertung 11:00 Ulrich Werz | Historisches Seminar, Universität Zürich Gibt es einen »Germanicus-Horizont« im Fundmünzaufkommen? 11:30 David Wigg-Wolf | Römisch-Germanische Kommission, Frankfurt am Main 9 oder nicht 9? Neues zu den Fundmünzen von Waldgirmes 12:00 Stéphane Martin | Faculteit der Letteren, Radboud Universiteit Nijmegen Germanicus on the Upper-Rhine. Earlier Tiberian contexts from Germania Superior 12:30–14:00 Mittagspause 14:00 Annette Siegmüller | Niedersächsisches Institut für historische Küstenforschung, Wilhelmshaven Zeit des Umbruchs. Landschaftsveränderungen um Christi Geburt 14:30 Kai Mückenberger | Stadtarchäologie Paderborn Germanicuszeitliche Detektorfunde an der Unterweser 15:00 Hardy Prison | Stadtarchäologie Heidenheim »Stapelplatz« Bentumersiel im Kontext des kaiserzeitlichen Siedlungsgefüges an der Ems 15:30 Schlussdiskussion Kontakt/ Adressen VARUSSCHLACHT im Osnabrücker Land gGmbH – Museum und Park Kalkriese, Venner Straße 69, 49565 Bramsche-Kalkriese, Stefan Burmeister, Tel. 05468 9204-51, Fax 05468 9204-45 E-Mail [email protected] Universität Osnabrück, Seminar für Alte Geschichte, Schlossstraße 8, 49074 Osnabrück, Ragnar Hund, Tel. 0541 969-4397, E-Mail [email protected] | 4
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