Die nachfolgenden Artikel sind auf den Jugendseiten der Zeitung "Freies Wort" am 28. Januar 2014 erschienen. Die Texte und Fotos stellen wir Ihnen hier mit freundlicher Genehmigung der Autorin MariaTheresia Wagner zur Verfügung. Was würde bleiben? Warum Füchse? „Füchse sind schlau und charmant“, sagt Alexander Lahl. Es gibt nur noch Füchse. Die Menschen sind, im Jahr 2492, von der Erde verschwunden. Was von ihnen in Erinnerung geblieben ist, lernen die jungen Füchse in der Fuchsoberschule. Die Brandenburger Verfassung? Hört sich als Thema nicht eben prickelnd an. Kann es aber sein. In seinem Animationsfilm „Foxy Future“ hat Alexander Lahl auf der Geschichtsmesse in Suhl gezeigt, wie sich ein trockenes Thema unterhaltsam vermitteln lässt. Er ist einer der „Kulturingenieure“, die in Berlin als Medienproduzenten arbeiten. Und unbedingt der Meinung, „dass man über alles was erzählen kann“. Auch über Entstehung und Inhalt einer Landesverfassung. Der von der Illustratorin und Designerin Kitty Kahane gezeichnete Film betrachtet die untergegangene Menschen-Welt im Rückblick – was die Möglichkeit und die Notwendigkeit bietet, sich zu fragen, was bleiben würde; was, sagt Alexander Lahl, „wirklich wichtig war“. Wer sich „Foxy Future“ – oder einen anderen Film der Kulturingenieure – ansehen möchte: http://vimeo.com/diekulturingenieure Text: Maria-Theresia Wagner/Foto: Kulturingenieure „Was vor der eigenen Haustür passierte“ Abstrakt? Lange vorbei? Was Geschichte mit dem Ort, in dem man wohnt, mit dem eigenen Leben zu tun hat? Sechs Schülerinnen haben es erfahren – und ihr Projekt auf der Geschichtsmesse in Suhl vorgestellt. Suhl – Sie sind buchstäblich auf Spurensuche gegangen – im Unterricht in der Europaschule in Erkelenz in Nordrhein-Westfalen, in ihrer Freizeit, ein halbes Jahr lang. Sie haben Leute gefragt, die nicht gefragt werden wollten und andere, die lange gewartet hatten, bis sie jemand fragte. Sie haben alte Fotoalben durchsucht, im Stadtarchiv nachgeforscht, in Internet-Datenbanken recherchiert. Und dann hatten sechs Schülerinnen und ihre Lehrerin das bisher unbekannte Schicksal einer Frau aufgeklärt – Toni Marcus, so wussten sie am Ende ihrer Suche, ist 1944 in Auschwitz ermordet worden. Die jüdische Frau, 1875 geboren, erzählt Lehrerin Janine Geuer, sei in der Nazi-Zeit von einem Pfarrer auf dem Bauernhof von dessen Bruder in einem Dorf, das zu Erkelenz gehört, versteckt worden. „Vermutlich“, berichten die Schülerinnen, „ist sie denunziert worden“, vor der Deportation – sie seien im Rahmen ihrer Arbeit in das Dorf gefahren, um mögliche Zeitzeugen oder deren Nachkommen dort zu befragen. Und hätten feststellen müssen, „dass Toni Marcus bis heute kein beliebtes Thema ist“, mehr noch, „dass die Leute nicht darüber reden wollen“. Geredet haben sie mit den Kindern des mutigen Bauern. Und sie fanden die Enkelin von Toni Marcus, eine 84jährige Frau in den USA. „Das geht schon unter die Haut“, sagt die 16-jährige Hanna in Suhl, „wenn man so nah an einer Familiengeschichte dran ist“. Und vor allem, sagt sie, müsse sie viel darüber nachdenken, „dass das alles in dem Ort, wo man wohnt, vor der eigenen Haustür passierte“. Aber man sehe auch, sagt Lehrerin Janine Geuer, was die Beschäftigung mit Geschichte, was ein Schulprojekt bewirken könne – in Erkelenz erinnere jetzt ein Straßenname an die Familie des Pfarrers, die Toni Marcus geholfen hat. Die Ergebnisse sollen in der Chronik der Stadt Erkelenz veröffentlicht werden; weitere Archive hätten bereits angefragt. Und nicht zuletzt: Die Arbeit „Denunziert – verfolgt – ermordet: Frau Marcus. Das Schicksal einer jüdischen Frau im Nationalsozialismus“ hat im Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten einen Landessiegerpreis und einen dritten Bundessiegerpreis bekommen. Text + Foto: Maria-Theresia Wagner „Erstaunliche Erkenntnisse über die eigene Schule“ Am Anfang war ein Foto. Mädchen, die Geburtstag feiern. Zwei Schüler haben versucht, ihre Geschichte nachzuvollziehen. Suhl – „Die Recherche“, geben die beiden zu, „war schwieriger als gedacht“. Aber kein Grund für die beiden Schüler des Gymnasiums Dresden-Plauen, ihr ehrenamtliches Schulprojekt nicht weiterzuverfolgen – ein spannendes Projekt, das sie auf der Geschichtsmesse in Suhl vorgestellt haben: „Dürfen wir noch Nachbarn sein?“. Es geht um ein altes Geburtstagsfeier-Foto, das einer ehemaligen Schülerin gehört – und die Frage, was aus den Freundinnen geworden ist, die Jüdinnen waren. Zunächst hätten sie, sagen Julius und Tobias, „erstaunliche Erkenntnisse über die eigene Schule“ gewonnen – die 1936 für besondere Treue zum NS-Regime ausgezeichnet worden sei. Die Gespräche mit Zeitzeugen offenbarten ihnen einiges darüber, wie Kinder die NS-Zeit erlebt haben. Aber auch, dass manche der hochbetagten Leute heute „lieber lustige Geschichten aus der Schulzeit“ erzählen. In städtische Archive und bis nach Israel führten die Spuren der Kinder die beiden Schüler. Ihre Erkenntnis? „Erschütterung“ darüber, wie konkret der Nationalsozialismus im Alltag von Kindern präsent und prägend gewesen sei. Aber auch „Hoffnung“, der Feststellung wegen, dass „nicht alle privaten Kontakte dadurch zerstört“ worden seien. Und vor allem sagen Julius und Tobias, betrachteten sie ihr Wissen als „Auftrag an uns, wie man leben sollte“. Text + Foto: Maria-Theresia Wagner Geschichtsmesse Die Geschichtsmesse, die in den vergangenen Tagen zum siebten Mal in Suhl stattgefunden hat, wird von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung zur SED-Diktatur veranstaltet. Jedes Jahr steht ein Thema der deutsch-deutschen Geschichte, gesehen im europäischen Zusammenhang, im Mittelpunkt – jetzt hieß es „Diktatur und Demokratie im Zeitalter der Extreme“. Nicht nur Lehrerinnen und Lehrer, Leute aus Bildungseinrichtungen, Kulturämtern, Initiativen und Geschichtsvereinen aus ganz Deutschland treffen sich drei Tage lang – auch Schülerinnen und Schüler aus allen Bundesländern haben dort die Möglichkeit, ihre Geschichts-Projekte vorzustellen. Es ist, sagt Dr. Jens Hüttmann, Koordinator der Messe, ausdrücklich gewünscht, dass junge Leute die Gelegenheit nutzen, zu präsentieren, zu diskutieren und sich Anregungen zu holen – was in diesem Jahr viele getan haben. Neben den hier vorgestellten wurden unter anderem ein Schul-Projekt zu den „Ostklassen“ – Schüler aus Ostberlin, die in Westberlin zur Schule gingen – in der gerade geteilten Stadt präsentiert; die Arbeit einer Gymnasiastin über Flüchtlinge in ihrer Heimatstadt; eine Auseinandersetzung zum Thema „Vertraute Fremde – Nachbarn in der Geschichte“. Etliche der Schul-Projekte sind im Rahmen des Geschichtswettbewerbs des Bundespräsidenten entstanden; einige mit einem Preis ausgezeichnet worden. Wer mehr erfahren oder sich Ideen holen möchte – auf der Internetseite der Bundesstiftung finden sich alle Projekte und auch die Lesebücher der Geschichtsmessen aus den vergangenen Jahren. www.bundesstiftung-aufarbeitung.de/geschichtsmesse
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