Glocken von St. Marien läuten im Gedenken an den schwärzesten Tag

Glocken von St. Marien läuten im
Gedenken an den schwärzesten Tag
Gallustag 1
Am 8. Oktober 1654, 20 Jahre nach Einfall der katholischen Kroaten, wurde die neue Kirche St. Marien eingeweiht. Foto: frankphoto.de
Suhl wurde am 16. Oktober 1634 durch Isolanis Truppen zum Aschehaufen
Suhl - „Der Morgen des 16.
Octobers oder des Gallustages
war angebrochen und man hätte meinen sollen, dass etwas
Schlimmeres Suhl gar nicht
hätte treffen können. Vom
Thurme der Marienkirche
schlug die Glocke die achte
Stunde des Morgens. Ach,
schon die neunte Stunde konnte die Glocke nicht mehr verkündigen." „In sieben Stunden,
nämlich vom Morgen um
8 Uhr bis zum Nachmittage um
3 Uhr war Suhl ein rauchender
Aschehaufen."
So hielt Dr. Ferdinand Werther in seiner „Chronik der
Stadt Suhl" (Seite 223 f.) das
Geschehen an diesem schwärzesten Tag in der Geschichte
der Stadt fest. Er schreibt darin
auch: „Nicht nur im Leben
ganzer Völker, sondern auch
im Leben einzelner Städte gibt
es Tage, die wegen des Unglücks, das sie gebracht haben,
nie vergessen, sondern von
Mund zu Mund genannt werden, so lange ein solches Volk
oder eine solche Stadt überhaupt noch in der Wirklichkeit
oder auch nur in der Erinnerung fortlebt." Für die Stadt
Suhl war dieser unglückliche,
tragische Tag der Gallustag des
Jahres 1634. In Europa wütete
seit 1618 der Dreißigjährige
Krieg. Katholiken kämpften gegen den damals neuen, protestantischen Glauben.
Die Henneberger Landesherren standen geschlossen auf der
Seite der Protestanten, die vor
allem durch den Schwedenkönig Gustav Adolph Unterstützung erhielten.
Segen und Fluch zugleich
Dass Suhl damals fast die einzige Gewehrfabrik in Deutschland war, zeigte sich als Segen
und Fluch zugleich. Bereits vor
dem 16. Oktober 1634 zogen
mehrfach plündernde Truppen
des Kroaten Isolani durch Suhl.
Mehr als 87 Bürger kamen um.
Der Abzug Isolanis am Morgen
des 16. Oktober war das Signal
zum Anzünden der Stadt durch
dessen Truppen. Nur 84 von
853 Gebäuden blieben stehen.
Auch die Marienkirche wurde
vernichtet. „Etwa 100 Jahre
lang hat in Suhl und Umgebung der 16. Oktober als örtlicher Bußtag bestanden. Er war
durch die Herrschaft angeordnet worden. Dann geriet der
Tag in Vergessenheit", weiß
Hans Joachim Reum, Pfarrer
der Hauptkirche. Bei Recherchen in den alten Kirchenbüchern und in der Wertherschen
Chronik war Diplom-Historikerin Annette Götz darauf gestoßen, dass 2004 zwei denkwürdige Ereignisse ins Haus standen: der 350. Jahrestag der
Wiedereinweihung der Hauptkirche und der 370 Jahre zurückliegende Gallustag.
In mehreren Gesprächen entstand bei Pfarrer Reum und Annette Götz der Gedanke, beide
Ereignisse mit einem besonderen Läuten der Kirchenglocken
zu würdigen. Der Gemeindekirchenrat der Hauptkirchengemeinde beschloss in jenem Jahr
eine spezielle Läuteordnung,
um den Gallustag ins Bewusstsein der Suhlerinnen und Suhler zu rücken.
Sie trat 2004 in Kraft. Geläu-
tet wird danach die große Glocke - um 8.45 bis 9 Uhr und
von 14.45 bis 15 Uhr für jeweils drei mal drei Minuten.
Nach jedem 3-Minuten-Geläut
wird per Hand der Klöppel drei
Mal angeschlagen.
Friedliche Zeit bewusst machen
„Auch in unserer heutigen hektischen und schnelllebigen Zeit
sollten wir an diesen schwärzesten Tag in Suhls Geschichte
erinnern und uns des Glückes
einer friedlichen Zeit noch
mehr bewusst werden", meinen
Pfarrer, Diplom-Historikerin
und Mitglieder des Gemeindekirchenrates.
Die große Glocke von St. Marien wird darum auch an diesem 16. Oktober, so wie nunmehr seit 2004 in jedem Jahr,
auf diese ganz ungewöhnliche
Weise geläutet. Wird das besondere Geläut den Suhlern und
Gästen der Stadt auffallen?
Wird jener Tag des .Unglücks
und künftig wieder von Mund
zu Mund genannt und nie verA.G./gh
gessen werden?