Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins durch den Ausschuss Insolvenzrecht zu dem BMJV-Eckpunktepapier für eine Reform des Insolvenzanfechtungsrechts Stellungnahme Nr.: 1/2015 Berlin, im Januar 2015 Mitglieder des Ausschusses - Herr RA Dr. Klaus Pannen, Hamburg (Vorsitzender) Herr RA Kolja von Bismarck, Frankfurt Frau RAin Claudia Diem, Stuttgart Herr RA Wolfgang Hauser, Stuttgart (Berichterstatter) Herr RA Kai Henning, Dortmund Herr RA Thomas Oberle, Mannheim Herr RA Dr. Manfred Obermüller, Bad Camberg (Berichterstatter) Herr RA Dr. Klaus Olbing, Berlin Herr RA Horst Piepenburg, Düsseldorf Herr RA Prof. Rolf Rattunde, Berlin Frau RAin Dr. Ruth Rigol, Köln Herr RA Dr. Andreas Ringstmeier, Köln Zuständig in der DAV-Geschäftsführung Deutscher Anwaltverein Littenstraße 11, 10179 Berlin Tel.: +49 30 726152-0 Fax: +49 30 726152-190 E-Mail: [email protected] Büro Brüssel Rue Joseph II 40 1000 Brüssel, Belgien Tel.: +32 2 28028-12 Fax: +32 2 28028-13 E-Mail: [email protected] Transparenz-Registernummer: 87980341522-66 www.anwaltverein.de - Herr RA Udo Henke, Berlin -2- Verteiler - Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz - Deutscher Bundestag, Rechtspolitische Sprecher der Fraktionen - Bundesverband der Freien Berufe - Bundesrechtsanwaltkammer - Bundesnotarkammer, Berlin - Deutscher Notarverein e. V. - Deutscher Richterbund e. V. - Gravenbrucher Kreis - Verband Insolvenzverwalter Deutschlands e.V. - Bundesarbeitskreis Insolvenzgerichte e.V./BAKinso - Vorstand des Deutschen Anwaltvereins - Geschäftsführung des Deutschen Anwaltvereins - Vorsitzende der Gesetzgebungsausschüsse des Deutschen Anwaltvereins - Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaften des Deutschen Anwaltvereins - Vorsitzender des Forum Junge Anwaltschaft im Deutschen Anwaltverein - Geschäftsführender Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht und Sanierung des Deutschen Anwaltvereins - Insolvenzrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins - Pressereferat des Deutschen Anwaltvereins, Berlin - Redaktion Anwaltsblatt / AnwBl, Berlin - Redaktion Juristenzeitung / JZ, Tübingen - Redaktion Monatsschrift für Deutsches Recht / MDR, Köln - Redaktion Neue Juristische Wochenschrift / NJW, Frankfurt a. M. - Redaktion Zeitschrift für Wirtschaftsrecht / ZIP, Köln - Redaktion InDat-Report, Köln - Redaktion Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht / DZWIR, Berlin - Redaktion Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung / NZI, München - Redaktion Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht / ZInsO, Recklinghausen - Redaktion (Print) Zeitschrift für Verbraucher- und Privat-Insolvenzrecht / ZVI, Köln - Redaktion (Internet) Zeitschrift für Verbraucher- und Privat-Insolvenzrecht / ZVI, Köln -3- Der Deutsche Anwaltverein (DAV) ist der freiwillige Zusammenschluss der deutschen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Der DAV mit derzeit ca. 67.000 Mitgliedern vertritt die Interessen der deutschen Anwaltschaft auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene. Zusammenfassung Der DAV begrüßt es generell, wenn beim Insolvenzrecht regelmäßig überprüft wird, ob es notwendig ist, Modernisierungen und Anpassung an die Bedürfnisse der Praxis vorzunehmen. Das kürzlich bekannt gewordene „Eckpunktepapier zum Anfechtungsrecht in Insolvenzverfahren“, vorgelegt vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz unter dem Datum vom 10.09.2014 zwecks Abstimmung mit den Regierungsfraktionen, bietet in mehreren Punkten eine gute Basis, um Schwächen der Insolvenzordnung, die in den vergangenen Jahren zutage getreten sind, zu beseitigen. So bewertet der DAV als eher unproblematisch die Überlegungen zur Änderung der Anfechtungsregelungen für Bargeschäfte, zur Verkürzung der Anfechtungsfrist des § 133 InsO von 10 auf 5 Jahre oder zur Formulierung einer verständlicheren Vermutungsregelung in § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO. Jedoch geht der Entwurf in anderen Punkten über das Ziel hinaus und gefährdet so ohne Not die Gläubigergleichbehandlung und damit Grundprinzipien der Insolvenzordnung. Anlass für die Überprüfung des Anfechtungsrechtes ist die Erklärung der Parteien der Koalitionsvereinbarung, wonach u.a. "das Anfechtungsrecht im Interesse der Planungssicherheit des Geschäftsverkehres sowie des Vertrauens der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ausgezahlte Löhne auf den Prüfstand gestellt" werden sollte. Keine Rede war davon, das Anfechtungsrecht grundlegend zu ändern. Dem Begehren vor allem der mittelständischen Unternehmen nach größerer Planungssicherheit ist bereits mit kleineren Änderungen gedient, ohne daß tiefe Eingriffe in das System der Insolvenzanfechtung notwendig wären. Dazu möchte der DAV folgende Modifikationen anregen, die auf langjährigen Erfahrungen aus der Praxis beruhen. -4- 1. Bargeschäfte Unternehmen, die sich in einer wirtschaftlichen Krise befinden, aber noch nicht zur Stellung eines Insolvenzantrags verpflichtet sind, müssen unbeeinträchtigt am Wirtschaftsverkehr teilnehmen können. Ihre Geschäftspartner dürfen nicht die Sorge haben, bei üblichen Austauschgeschäften später einer Anfechtung ausgesetzt zu sein. Bargeschäfte sollten deshalb generell von der Anfechtung ausgenommen werden. Die entgegen dem Ersten Bericht der Kommission für Insolvenzrecht (Kommission für Insolvenzrecht des BMJ, Bd. 1, Köln 1985, s. dort Nr. 5.2.4) in die InsO eingefügte Ausnahme, die auch gegenüber Bargeschäften eine Anfechtung nach § 133 InsO gestattet, hat in der Insolvenzpraxis keine erkennbare Bedeutung erlangt, führt aber in der Beratung zu erheblichen Unsicherheiten und Zurückhaltung der Geschäftspartner. Damit verringert sie ohne zwingenden Grund die Überlebenschancen kriselnder Unternehmen. 2. Verzugszinsen Der DAV unterstützt das Vorhaben, die Fälligkeit des Rückerstattungsanspruchs an den Zeitpunkt anzuknüpfen, in dem der Insolvenzverwalter ihn erhebt. Dies entspricht dem allgemeinen Rechtssystem, das für Verzug grundsätzlich Kenntnis vom Zeitpunkt der Fälligkeit verlangt. Daran wird es aber bei Anfechtungen oft fehlen. Denn ein Gläubiger wird z.B. bei Anfechtungen nach §§ 130, 131 InsO oft nicht wissen, welche ihm bekannten Umstände aus Sicht eines Gerichts rückblickend zwingend auf eine Zahlungsunfähigkeit schließen lassen. Demgegenüber kann der Insolvenzverwalter mit der Anfechtung bis zu 3 Jahren warten und erhält dadurch für einen größeren Zeitraum eine Verzinsung, die auf dem freien Markt nicht einmal annähernd zu erzielen ist. 3. Anfechtungsfrist Der DAV hat keine Einwendungen gegen die Verkürzung der Anfechtungsfrist des § 133 InsO von 10 auf 4 oder 5 Jahre. Die über 5 Jahre hinausgehende Frist hat keine praktische Bedeutung. -5- 4. Zwangsvollstreckungen Der DAV hat zwar ein gewisses Verständnis für die Kritik des Mittelstandes an der Einordnung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen als inkongruente Deckung. Dennoch weiß auch der Gläubiger, der sich seine Titel nicht „selbst“ beschaffen kann, seit jeher, dass Vollstreckungsmaßnahmen, die im 3-Monatezeitraum vor Antragsstellung vorgenommen werden, anfechtungsgefährdet sind. Auf diesen Zeitraum sollte die Anfechtung wegen inkongruenten Handelns im Rahmen einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme begrenzt werden. Zu begrüßen sind aber die Absicht der CDU, eine Besserstellung von Fiskus, Sozialkassen oder Banken zu vermeiden, und der korrespondierende Vorschlag der SPD, eine gesetzliche Vermutung einzuführen, dass Gläubiger, die aus selbstgefertigten Titeln vollstrecken, Kenntnis über die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners haben. 5. Arbeitnehmer Die Arbeitnehmer sind durch das Insolvenzgeld und dessen Einsatz durch vorläufige Verwalter für die Betriebsfortführung schon heute gut gesichert. Für die seltenen Fälle, in denen trotzdem eine Anfechtung in Betracht kommt, hat das BAG durch seine Entscheidung vom 6.10.2011 Vorsorge getroffen. Für eine auch nur klarstellende Kodifizierung besteht kein praktischer Bedarf. Vielmehr ist vor der Einführung derartiger Vorschriften zu warnen. Sie erwecken den Eindruck der Schaffung weiterer Vorrechte und verführen andere Gläubigergruppen, ebenfalls Sonderrechte zu verlangen. Dies würde die InsO schnell in den Zustand der Funktionsunfähigkeit zurückversetzen, in den die Konkursordnung durch die sukzessive Ausweitung der Vorrechte geraten war. 6. Unlautere Benachteiligung Auch der DAV sieht die Probleme für die Wirtschaft, die durch die Rechtsprechung zu § 133 InsO entstanden sind, meint jedoch, daß auch hier kleinere Änderungen des Gesetzes wie eine Vereinfachung des Bargeschäftsbegriffs in § 142 InsO und eine verständlichere Vermutungsregelung in § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO ausreichen würden. Vor tiefer gehenden Eingriffen in das im Prinzip bewährte System der Insolvenzanfechtung, insbesondere vor der Einführung neuer Begriffe wie unlautere Benachteiligung, ist zu warnen. -6- Fazit Teilweise stellen die in den Eckpunkten für eine Reform des Anfechtungsrechts niedergelegten Gedanken einen Schritt in die richtige Richtung dar, teilweise gehen sie jedoch weit über den Wunsch der am Wirtschaftsleben Teilnehmenden auf Planungssicherheit hinaus und widersprechen dem Grundgedanken der Gläubigergleichbehandlung des Insolvenzrechtes. In jedem Falle bedürften die neuen Regelungen, so wie sie im Eckpunktepapier vorgeschlagen sind, aber wegen ihrer weitreichenden Folgen einer intensiven Diskussion in Fachkreisen. Dafür steht der DAV bei Bedarf gern zur Verfügung. ____________________
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