Fachbeiträge – Thema Chronische Rückenschmerzen Johannes Friedrich Lutz Aktuelle Situation in Deutschland Rückenschmerzen gelten mit Recht als eine der führenden Volkskrankheiten. Auf die Frage, ob sie irgendwann in ihrem Leben schon einmal starke Rückenschmerzen gehabt hätten, antworteten in der neuesten deutschen Epidemiologiestudie zum Thema Rückenschmerz 87 Prozent der Befragten mit Ja. Im Vergleich zu dieser Lebenszeitprävalenz lag die Jahresprävalenz immer noch bei 77 Prozent und die Punktprävalenz, das heißt die bejahende Antwort auf die Frage: „ Haben Sie heute Rückenschmerzen?“ bei rund 35 Prozent. Inzwischen, so belegt C. Schmidt aus der Abteilung für Community Medicine der Universität Greifswald, nehmen Rückenschmerzen im Vergleich zu Schmerzen anderer Körperpartien den ersten Rang ein. Bei nahezu 10 Prozent der Menschen in Deutschland ist die schmerzbedingte Beeinträchtigung im Alltag, während der Arbeit oder in der Freizeit als besonders hoch einzustufen (Schmerzschweregrad nach V. Korff III und IV). Frauen sind etwas häufiger betroffen als Männer. Die Jahresund Lebenszeitprävalenz ist bei beiden Geschlechtern durchaus mit Daten aus anderen Industrieländern vergleichbar. Nach einer Untersuchung der Technikerkrankenkasse (TK) hatte in Hessen 2007 jeder 20. Arbeitnehmer so starke Rückenschmerzen, daß er nicht arbeiten konnte. Die TK errechnete für das Jahr 2007 mehr als 1,2 Millionen „RückenFehltage“ in Hessen. Anfang 2008 berichtete die Kaufmännische Krankenkasse (KKH), daß die Diagnose Rückenschmerz mittlerweile neben den Erkrankungen der Atemwege nach KKH-Analysen bereits den zweiten Platz unter den am häufigsten gestellten Diagnosen einnehmen würde. Rückenschmerzen sind zunehmend und in hohem Maße auch ein ökonomisches Problem für die deutsche Volkswirtschaft. Nach den Angaben der KKH liegen die Kosten der Produktionsausfälle (Arbeitsunfähigkeit und Berentung) für die deutsche Wirtschaft um neun Milliarden Euro pro Jahr. Die Kosten für die medizinische Versorgung betragen zusätzlich mehr als fünf Milliarden Euro. Nach Untersuchungen von Schwartz et al. (Medizinische Hochschule Hannover) liegen die Gesamtkosten für Rückenschmerzen in Deutschland bei rund 17 Milliarden Euro. Ein Drittel davon betreffen direkte medizinische Kosten inklusive Arztbesuche, Medikamente, Rehabilitationen usw. Tabelle 1. Rote Flaggen („Red flags“) Begleitende Grunderkrankungen Osteoporose, rheumatische Erkrankungen, immunsuppressive Therapien Unfall z. B. Sturz mit Verdacht auf Fraktur Fieber Erhöhte Körpertemperatur mit und ohne sonstige Erkrankung Gewichtsverlust Starker, nicht gewollter Gewichtsverlust Karzinom Tumorgeschehen mit möglicher Metastasierung Akute Neurologie Sensomotorisches Defizit, Lähmung mit Verdacht auf Wurzelkompression Caudasyndrom Reithosenanästhesie, schwere neurologische Defizite der unteren Extremitäten, Blasenstörung Ausgabe 10 / 2008 19. Jahrgang Dr. Johannes Friedrich Lutz Klassifikation von Rückenschmerzen Es ist zu betonen, daß Rückenschmerzen ein Symptom und keine Diagnose sind. Sucht man nach den Gründen für Schmerzen im Rücken, entfallen nach aktuellen Einschätzungen ca. 70 Prozent auf funktionelle Ursachen, zehn Prozent auf degenerative Prozesse beziehungsweise Abnutzung und nur fünf Prozent auf Bandscheibenvorfälle. Weniger als ein Prozent der Fälle sind einer akuten und schweren strukturellen Pathologie zuzuordnen. Problematisch ist allerdings, daß gerade Fälle funktioneller Störungen oft schwer von akuten Pathologien abzugrenzen sind. Hilfreich bei der Unterscheidung sind hierbei die Beachtung der Warnhierarchie der sogenannten „gelben und roten Flaggen“ (Tabelle 1 und 2). Sind in der klinischen Untersuchung beispielsweise frische und ausgeprägte neurologische Defizite mit den akuten Schmerzen vergesellschaftet, wird eine weiterführende Diagnostik und gegebenenfalls eine Konsultation eines Fachkollegen notwendig. Liegen eindeutige kausale Zusammenhänge vor, spricht man von spezifischen Rückenschmerzen. Sind die Symptome z. B. in Verbindung mit einem Unfall oder einer schweren Infektion akut und bedrohlich, sollte der Patient umgehend in ein spezialisiertes Zentrum (z. B. Neurochirurgie, Wirbelsäulenchirurgie) eingewiesen werden (Abb. 1). In der Praxis sind dies aber mit Abstand die selteneren Fälle (s.o.). Oft lassen sich subjektives Schmerzerleben des Patienten, klinische Befunde und Bildgebungen 563 Fachbeiträge – Thema Abb. 1. Akute Spondylodiszitis mit Abszeßbildung. nicht befriedigend in Einklang bringen. Eine kausale Verknüpfung ist häufig nicht herzustellen. Diese „nichtspezifischen Rückenschmerzen“ sind bei einer weitaus größeren Gruppe von Patienten zu finden und erfordern ein anderes Vorgehen als bei spezifischen Rückenschmerzen. Nichtspezifische Rückenschmerzen unterliegen einer großen Vielfalt an Risikobeziehungsweise Einflußfaktoren. Dazu zählen die in früheren Jahren viel zu gering gewichteten psychosozialen Faktoren („gelbe Flaggen“; Tabelle 2). Diagnostik bei akuten und chronischen Rückenschmerzen Eine umfassende Anamnese mit Berücksichtigung von Begleiterkrankungen, Vordiagnostik und Vorbehandlungen, der aktuellen Medikation, der beruflichen und psychosozialen Situation ist unumgänglich. Die körperliche Untersuchung mit Funktionsprüfung und klinisch-neurologischer Untersuchung (Sensibilität, Motorik, Muskeleigenreflexe) soll dann dazu dienen, spezifische Erkrankungen (siehe „rote Flaggen“) auszuschließen und radikuläre Probleme aufzudecken. In der überwiegenden Anzahl der Fälle ist außer einer ausführlichen Anamnese und körperlichen Untersuchung keine weitere Diagnostik notwendig. Bildgebende Diagnostik ist bei akuten Rückenschmerzen nicht routinemäßig sinnvoll. Sie sollte dann erfolgen, wenn aufgrund der klinischen Untersuchung eine ernsthafte strukturelle Läsion zu erwarten ist. Degenerative Veränderungen des Bewegungsapparates in der Bildgebung sind in hohem Maße auch bei schmerzfreien Patienten zu finden. Jensen et al. fanden z. B. in einer Studie mit schmerzfreien Probanden in der Gruppe der 40- bis 49jährigen in 35 Prozent einen Bandscheibenprolaps und in 65 Prozent Protrusionen. Eine isolierte Darstellung der Bildgebung ohne Einbeziehung des gesamten Befundes wird mittlerweile als Chronifizierungsfaktor angesehen. Stehen bei der Anamnese „gelbe Flaggen“ (Tabelle 2) im Vordergrund, kann in Anbetracht der knappen Zeitressourcen in Praxis und Ambulanz zur Straffung der Abläufe ein validierter Fragebogen wie der Deutsche Schmerzfragebogen zu Hilfe genommen werden (erhältlich bei der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes DGSS www.dgss. org.). Der Bogen wird vom Patienten ausgefüllt und kann dann beim Anamnesegespräch vom behandelnden Arzt gezielt um wichtige Informationen ergänzt werden. Aus einem weiteren Grund eignet sich dieser Fragebogen sehr gut zur Datenerhebung bei chronischen Schmerzpatienten. Zunehmend rücken nämlich psychische Komorbiditäten im Rahmen chronischer Schmerzsyndrome in den Mittelpunkt des Interesses. Nichtberücksichtigte depressive Störungen und Angststörungen trüben die Aussicht auf einen Therapieerfolg. Nicht ohne Grund werden deshalb im Deutschen Schmerzfra- gebogen psychometrische Daten (z. B. Hospital Anxiety and Depression Scale HADS-A und HADS-D, Fragen zum Wohlbefinden FW7) erhoben, die wichtige Hinweise auf derartige Störungen liefern können. Eine profunde psychologische Evaluation ersetzen sie zwar nicht, ermöglichen aber eine gezielte weiterführende Diagnostik mit dem Ziel der Erfassung entsprechender ICD-10-Diagnosen und deren Berücksichtigung im therapeutischen Gesamtkonzept. In Fällen fortgeschrittener Chronifizierung und nach ausbleibendem Erfolg auf den vorausgegangenen Versorgungsebenen (siehe unten) ist eine weiterführende multidisziplinäre algesiologische Diagnostik notwendig. Diese umfaßt neben erneuter Anamnese, klinischer Diagnostik, körperlicher und manualtherapeutischer Untersuchung ergänzende Verfahren, wie z. B. diagnostische Lokal- und Regionalanästhesie (Abb. 2), gezielte Bildgebung (Abb. 3 und 4) und ausführliche interdisziplinäre Erörterung der Fälle mit den angrenzenden Fachgebieten (Neurologie, Orthopädie, Psychosomatik, Neurochirurgie, Wirbelsäulenchirurgie, Psychologie, Physiotherapie, Seelsorge). Aktionswege Rückenschmerz Im Rahmen der Konzeption des „Gesundheitspfades Rücken“ hat im vergangenen Jahr eine Gruppe von Fachkollegen (unter anderem Vertreter der Disziplinen: Orthopädie, Schmerztherapie, Allgemeinmedizin, Epidemiologie, Psychologie, Physiotherapie, Re habilitation, Manuelle Medizin), Ver tretern universitärer Einrichtungen, Tabelle 2. Gelbe Flaggen (Yellow flags) 564 Lebensstil Rauchen, Übergewicht, geringe körperliche Kondition Beruflich Schwerarbeit, monotone Körperhaltung, geringe berufliche Qualifikation, berufliche Unzufriedenheit Psychisch Traumatisierungen, emotionale Beeinträchtigungen (Depression, Angst), passive Grundeinstellung, inadäquates Krankheitsmodell Abb. 2. Nervenwurzelblockade rechts bei Patient mit lumbaler Spondylodese. Ärzteblatt Thüringen Fachbeiträge – Thema Abb. 3 und 4. Thermographie vor und nach Wurzelblockade S1 links (ThermaCam B20 HS, FLIR Systems ™). Schmerzzentren, Fachgesellschaften, Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK) und Versicherungen unter dem Dach der Bertelsmannstiftung einen Versorgungspfad Rückenschmerz präsentiert, der unter Berücksichtigung aller Versorgungsebenen (Hausarzt, Facharzt, akutstationäre Einrichtung, Rehabilitationseinrichtung) Aktionswege zur Diagnostik und Therapie des Rückenschmerzes aufzeigt (Abb. 5). Dieser Versorgungspfad berücksichtigt auch eine Zeitlinie, die innerhalb der ersten vier Wochen eines Rückenschmerzes beziehungsweise den ersten zwei Wochen einer schmerzbedingten Arbeitsunfähigkeit durch Rückenschmerz eine Triage auf der Ebene des Haus- oder Facharztes nach dem „Flaggensystem“ vorschlägt. Ist ein hohes Chronifizierungsrisiko erkennbar (z. B. drohender Arbeitsplatzverlust, häufige Inanspruchnahme des Gesundheitswesens, inadäquates Krankheitsmodell, psychische Komorbidität), wird eine frühe interdisziplinäre Beurteilung des Falles (Assessment) im Rahmen einer interdisziplinären algesiologischen Diagnostik, z. B. in einem Zentrum, empfohlen. Ausgabe 10 / 2008 19. Jahrgang Abb. 5. IGOST-Algorithmus Rückenschmerz (R. Casser, Nervenheilkunde 4/2008, mit freundlicher Genehmigung). Welche therapeutischen Maßnahmen sind bei akuten Rückenschmerzen sinnvoll? Liegt ein „neuer“, akuter Rückenschmerz vor und sind die „roten Flaggen“ ausgeschlossen, reichen meist einfache Maßnahmen zur Therapie aus. An erster Stelle sollten immer eine ausführliche und verständliche Information und Aufklärung über die erhobenen klinischen Befunde stehen. Des weiteren sind klare Verhaltensrichtlinien für die Betroffenen sinnvoll. Die Patienten sollten ermutigt wer- den, aktiv und in Bewegung zu bleiben. Eine beruhigende Rückversicherung über die Gutartigkeit der Rückenschmerzen ist ein wichtiger Teil der Therapie und bewahrt vor kontraproduktivem Angstvermeidungsverhalten des Patienten. Unnötige Verbote oder gar Bettruhe sind nicht mehr zeitgemäß und begünstigen eine Chronifizierung. Etwa 60 Prozent der Patienten mit akuten Rückenschmerzen sind nach einer Woche wieder voll arbeitsfähig, 85 Prozent können mit einfachen Maßnahmen innerhalb von sechs Wochen erfolgreich behandelt werden. 565 Fachbeiträge – Thema Zur Überbrückung der Akutphase sind Medikamente sinnvoll und sollten zunächst regelmäßig nach Uhrzeit verordnet werden. Spezielle „Rückenschmerz“Medikamente gibt es nicht. Eine Medikation richtet sich nach dem klinischen Befund und sollte individuell ausgetestet werden. Steht nach der klinischen Untersuchung z. B. der Verdacht auf degenerative Prozesse im Vordergrund, können nichtsteroidale Antiphlogistika sinnvoll sein. Finden sich myofasziale Probleme, lohnt sich eventuell ein therapeutischer Ansatz mit muskelentspannenden Medikamenten wie Tolperison oder Flupirtin. Bei starken Schmerzen ist auch der Einsatz sogenannter „schwacher“ Opioide, wie Tramadol oder Tilidin/Naloxon eine Behandlungsoption. Eine klare Evidenz zugunsten einer Medikamentengruppe besteht aber nicht. In jedem Falle sollte eine medikamentöse Therapie zeitnah auf die Wirksamkeit überprüft und gegebenenfalls angepaßt werden. Sind höhere Dosierungen erreicht, ohne daß es zu einer Verbesserung der körperlichen Funktion und einer Schmerzreduktion kommt, sollte das Regime geändert werden. Eine Schmerzreduktion allein in Ruhe, ohne Verbesserung der Beweglichkeit und Leistungsfähigkeit, macht auf Dauer wenig Sinn. Neben einer medikamentösen Therapie ist es sinnvoll, frühzeitig weitere adjuvante Verfahren mit einzubinden. Dazu gehören physikalische Maßnahmen (z. B. Kälte- und Wärmeanwendungen), Manuelle Therapie, Neuraltherapie, Akupunktur und Physiotherapie. Aktiven Thera pien und das Erlernen von Eigenübungen kommt in der Postakutphase im Sinne einer Rezidiv-Prophylaxe große Bedeutung zu. schätzung der Chronifizierung häufig schwierig. Die Zeitdauer des Schmerzgeschehens (6-Monate-Regel) alleine reicht nicht aus, um akute von chronischen Rückenschmerzen zu unterscheiden. Hilfreich bei der Einordnung von Patienten mit wiederkehrenden Schmerzen beziehungsweise dem Verdacht auf höhere Chronifizierung ist das Mainzer Stadienmodell (MPSS nach Gerbershagen). Es ermöglicht mit zehn Fragen eine schnelle und einfache Einordnung in die drei Chronifizierungsstadien (Abb. 6, Download unter www.drk-schmerz-zentrum.de). Behandlung chronischer Rückenschmerzen Sind Rückenschmerzen im Stadium II oder gar III nach Gerbershagen angelangt, versprechen monomodale Therapieansätze kaum Erfolg mehr. In grö- Chronisch oder akut? Sind akute Pathologien ausgeschlossen, aber dennoch starke und anhaltende Schmerzen vorhanden, oder persistieren Rückenschmerzen nach Operationen auch nach chirurgisch kontrolliertem gutem Operationsergebnis, rückt die Frage nach einer Chronifizierung des Schmerzgeschehens und den weiteren Behandlungsmöglichkeiten in den Mittelpunkt. In der ambulanten Situation ist eine Ein- 566 Abb. 6. Chronifizierungsstadien. Ärzteblatt Thüringen Fachbeiträge – Thema ßeren Untersuchungen zeigten intensive multimodale Therapieprogramme, die das biopsychosoziale Krankheitsmodell berücksichtigten und einen verhaltenstherapeutischen Ansatz beinhalteten, eine klare Überlegenheit gegenüber einfachen Therapien. Guzmán et al. kamen in einem Cochrane-Review 2005 zum Ergebnis, daß multimodale Programme mit mehr als 100 Therapiestunden im Gegensatz zu weniger intensiven und nicht multidisziplinären Programmen eine deutliche funktionelle Verbesserung und Schmerzreduktion erzielten. Nur inhaltlich und organisatorisch aufeinander abgestimmte, interdisziplinäre Behandlungsverfahren haben langfristig positive Effekte. Dies wird unter anderem auch in deutschen Leitlinien zur Rückenschmerztherapie, wie z. B. den Empfehlungen zur Therapie von Kreuzschmerzen der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft 2007 und im oben genannten Gesundheitspfad Rücken der Bertelsmannstiftung, empfohlen. Wichtige Inhalte solcher Programme sind eine intensive Patientenschulung, konsequente Bewegungstherapie mit Dehnungs- und Kräftigungsübungen sowie Ausdauertraining (z. B. Nordic-Walking). In speziellen verhaltenstherapeutisch ausgerichteten Einheiten wie dem Schmerzbewältigungstraining wird auf eine Veränderung maladaptiven Krankheitsverhaltens und die Anpassung des Schmerzmodells fokussiert. Sehr häufig spielen Angstvermeidungsverhalten („fearavoidance beliefs“) mit katastrophisierenden Gedanken („Wenn ich mich falsch bücke, geht im Rücken etwas kaputt“) eine bedeutende, den Schmerz aufrechterhaltende Rolle. Die Konsequenz sind häufig einseitige Belastung und generelle Dekonditionierung („nur in Ruhe geht es mir besser“). Eines der Ziele verhaltenstherapeutisch orientierter Programme ist insofern ein Wiedererlangen von Vertrauen in Bewegung, Belastung und normale körperliche Funktion. Beispielhaft für ein solches Programm kann das alltagsund berufsbezogene Training (WorkHardening) genannt werden, in dem typische Bewegungen des Alltags und Berufes (z. B. Bücken, Überkopfarbeiten, Ausgabe 10 / 2008 19. Jahrgang bensqualität und die Wiederherstellung der Funktion. Eine Verstärkung krankheitsfokussierenden Verhaltens sollte vermieden werden. Aktivierende Therapien stehen im Vordergrund, während auf passive Therapieverfahren und ausschließlich medikamentöse Ansätze verzichtet werden sollte. Zusammenfassung Abb. 7. Alltags- und berufsbezogenes Training (Work-Hardening in der Zentralklinik Bad Berka). Feinmotorik) systematisch wiedererlernt und trainiert werden können (Abb. 7). Entspannungsverfahren wie die progressive Muskelrelaxation nach Jacobson und Biofeedback gehören maßgeblich mit zur Therapie chronischer Rückenschmerzen. Verschiedene Einrichtungen in Thüringen bieten solche Verfahren im Rahmen multimodaler Schmerztherapieprogramme an. Auch in der ambulanten Praxis können einzelne Elemente dieser Programme (wie z. B. Edukation, Entspannungsverfahren) eingesetzt werden. Ein Hauptziel der Therapiemaßnahmen zur Behandlung chronischer Rückenschmerzen ist die Verbesserung der Le- Chronische Rückenschmerzen kommen häufig vor und bedeuten eine Herausforderung für alle Kollegen der verschiedenen Versorgungsebenen. Im Sinne der Prävention ist es essentiell, daß bereits in den Praxen der Hausärzte interdisziplinär gehandelt und bei fehlendem Therapieerfolg unspezifischer Rückenschmerzen frühzeitig Fachkollegen und Zentren in die weitere Diagnostik und Folgebehandlung einbezogen werden. Hierzu zählen in erster Linie schmerztherapeutische, neurologische, orthopädische, psychologische, psychosomatische, psychiatrische und physiotherapeutische Disziplinen. Chronische Rückenschmerzen erfordern frühzeitig einen multimodalen Therapieansatz unter Einbezug der genannten Fachbereiche in die Planung und Durchführung. Den Hausärzten und niedergelassenen Fachkollegen kommt dabei die wichtigste Rolle in der Erkennung chronischer Patienten, des Fallmanagements und der Nachsorge beziehungsweise weiteren Begleitung dieser Patienten nach multimodalen Therapien zu. Literatur beim Verfasser. Dr. med. Johannes Friedrich Lutz Zentralklinik Bad Berka GmbH Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin Leiter des interdisziplinären Schmerzzentrums an der Zentralklinik Bad Berka Robert-Koch-Allee 9 99438 Bad Berka Zentralklinik 567
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