VERTRAU(D)LICH Hier spielt die Musik

Helaba Volkswirtschaft/Research
VERTRAU(D)LICH
21. Februar 2017
Hier spielt die Musik
AUTOR
Dr. Gertrud R. Traud
Chefvolkswirt/
Leitung Research
Telefon: 0 69/91 32-20 24
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REDAKTION
Barbara Bahadori
HERAUSGEBER
Helaba
Landesbank
Hessen-Thüringen
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Als Teenager der siebziger und achtziger Jahre besitze ich eine Schallplattensammlung, und als
ich sie mal wieder durchschaute, stieß ich auf den Titel „Frankfurt“ der Pop-Grand-Dame Ulla Meinecke. Sie hatte der Stadt 1980 ein liebevolles Lied gewidmet: „Hier scheuert’s Leben am Beton...
da kocht’s, da brodelt’s, da steppt der Nightlife-Bär.“
Inzwischen gibt es eine Vielzahl von Künstlern und Festivals aller Musikrichtungen, die es in die
Rhein-Main-Region zieht. Das ausgerechnet aus London stammende „Wireless Festival“ hat sich
nun Frankfurt als erstmaligen Veranstaltungsort auf dem Kontinent ausgesucht. Es konnte bereits
Pop-Prominenz wie Justin Bieber und The Weekend gewinnen, so dass das Line-up hier schon
weiter fortgeschritten ist als auf der Insel.
Damit dies auch im Banken- und Börsenwesen gelingt, ist es wichtig, nicht neidisch auf die Wettbewerber zu schielen, sondern Interessenten von den Vorzügen des Standorts Frankfurt zu überzeugen – davon gibt es mehr als genug.
Bald zum Beispiel wird geklärt, ob und wann die Fusion der Deutschen Börse AG mit der London
Stock Exchange zustande kommt. Die Aktionäre versprechen sich, trotz Brexit-Votum der Briten,
höhere Erträge durch mehr Effizienz und geringere Kosten, insbesondere bei der Nutzung und
Entwicklung der elektronischen Handelsplattformen und Abwicklungssysteme.
Als Sitz der Holding wurde London festgelegt. Dies war aus britischer Sicht nicht verhandelbar und
wurde von den Anteilseignern beider Seiten mehrheitlich akzeptiert. Wen dies verwundert, der
muss sich zum einen die Aktionärsstruktur der Deutschen Börse AG anschauen: Nur 15 Prozent
werden Deutschland zugeordnet, während zusammen 59 Prozent aus Großbritannien und den
Vereinigten Staaten sind. Zum anderen mag aus Londoner Perspektive der Arbeitsplatz Eschborn
nicht attraktiv erscheinen – zeigt doch die hiesige Börse kaum noch Präsenz in der Frankfurter
City, wohingegen die LSE unweit der St. Paul’s Cathedral residiert.
Die Publikation ist mit größter
Sorgfalt bearbeitet worden.
Sie enthält jedoch lediglich
unverbindliche Analysen und
Prognosen zu den gegenwärtigen und zukünftigen
Marktverhältnissen. Die Angaben beruhen auf Quellen,
die wir für zuverlässig halten,
für deren Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität wir
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dieser Publikation getroffenen Angaben dienen der Information. Sie dürfen nicht
als Angebot oder Empfehlung für Anlageentscheidungen verstanden werden.
Die Unterstützung der Aktionäre reicht aber nicht für die Fusion, da hier auch wettbewerbspolitische Aspekte beachtet werden müssen. Somit ist die EU-Kommission am Zug. Das entscheidende
Machtwort hat jedoch die hessische Börsenaufsicht, die dem hiesigen Wirtschaftsminister Tarek
Al-Wazir untersteht. Vor dem Sommer erwarten wir keine Entscheidung. Unserer Einschätzung
nach wäre aber die Fusion mit Hauptsitz in London ein enormer Verlust für den Finanzplatz Frankfurt.
Die Börsenfusion beschäftigt hier auch andere Institutionen. So hat die EZB verlauten lassen, dass
der Austritt Großbritanniens aus der EU den Wirkungsgrad der EZB-Aufsicht mit Blick auf das
Abwicklungsgeschäft beeinträchtigen könnte. Dieses Clearing ist ein wesentliches Geschäft der
Börsen.
Eine weitere wichtige Entscheidung wird für Frankfurt sein, ob beim Brexit der sogenannte EUPass für die Banken in Großbritannien erhalten bleibt. Falls nicht, müssen sich Banken, die in der
Union Geschäfte machen wollen, dort einen Standort suchen. Voller Selbstvertrauen rechnet etwa
Paris damit, London rund 20.000 Banker „stehlen“ zu können. Auch für Frankfurt sehen wir ein
erhebliches Potential. Unsere vorsichtige Schätzung beläuft sich auf 8.000 Personen. Es könnten
aber leicht mehr werden – wenn es gelingt, die Vorzüge Frankfurts adäquat herauszustellen. 
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