Genscher-Ehrung: Julis kritisieren

Genscher-Ehrung: Julis kritisieren
"dilettantische Äußerungen" von
Stadträten
Der Ton bezüglich einer Ehrung von Hans Dietrich Genscher in Halle wird immer
rauer. Nachdem die FDP für den 22. Februar eine Demo angekündigt hat, melden
sich nun auch die Jungen Liberalen zu Wort. Anlass ist die Entscheidung im
Kulturausschuss, eine Umbenennung des Herder-Gymnasiums abzulehnen. Der
Bildungsausschuss übrigens hat am Donnerstag zugestimmt.
Die Ablehnung im Kulturausschuss sei bedauerlich. Noch gravierender seien
jedoch “die dilettantischen Äußerungen einiger Stadträte, die den Respekt und
die historische Einordnung Hans-Dietrich Genschers in jedweder Form missen
lassen”, heißt es in einer Erklärung. Aus diesem Grund haben die Julis einen
offenen Brief an den Stadtrat verfasst.
„Geehrte Stadträte,
Die Chance Genscher zu würdigen ist vertan. Das Fortführen der Diskussion in
der momentanen Form führt einzig und allein zum Verreißen der Persönlichkeit
Genschers. Dabei tragen alle Akteure einen Teil der Verantwortung. Dennoch
gibt es einige, die im besonderen Maße jeden Anstand missen lassen, sich
selbst als Opfer der Meinungsmache in der Mitteldeutschen Zeitung sehen und
danach selbst kräftig zulangen. Es scheint ein Wettstreit darin zu geben,
Genschers Verdienste abzusprechen.
Natürlich darf und muss man Personen der Zeitgeschichte kritisieren dürfen.
Dennoch sind Genschers Verdienste um die deutsche Einheit überwältigend.
Diese stehen natürlich nicht alleine sondern im Kontext von Millionen von
Deutschen, die für die deutsche Einheit auf die Straße gingen. Hans-Dietrich
Genscher galt Anfang der Neunziger besonders in Ostdeutschland als
Symbolfigur für diesen Wandel. Doch noch mehr als nur symbolisch formte er
realpolitisch die Deutsche Einheit und erwarb sich für seine Ausdauer in den
Verhandlungen auf internationaler Ebene großen Respekt. Nach Erreichen des
politischen Lebenszieles zog er sich aus der aktiven Politik zurück und
engagierte sich zunehmend für gesellschaftliche Belange – gerade in seiner
Heimatstadt Halle. Er warb Unterstützer für Projekte insbesondere für den
Wiederaufbau der Franckeschen Stiftungen.
Mit der Würdigung Genschers, das haben wir immer betont, muss die
Aufarbeitung der Wendezeit in der Stadt Halle einhergehen. In diesen Kontext
eingebettet, sollte eine Namensänderung eines Platzes oder einer Schule
stehen. Der Titel des Herder Gymnasium hätte lauten können – „GenscherGymnasium, Schule der Einheit“. Natürlich hätte man der Schule auch Freiräume
zur thematischen Aufarbeitung geben müssen. Kritik sollte wie diese
konstruktiv sein. Doch damit tun sich einige Stadträte schwer.
Es wäre wohl von Anfang an besser gewesen, die Kommission nicht zu
politisieren und mit Personen mit zeitgeschichtlichem Fachwissen und
gesellschaftlicher Relevanz zu besetzen. Das Resultat wäre wohl ein besseres
gewesen.
Dennoch fordern wir den Stadtrat auf bei seiner Entscheidung all dies zu
berücksichtigen und nicht länger Genschers Verdienste in Abrede zu stellen.
Das sind wir Genschers Ansehen und der Stadt Halle schuldig!”