Leaders` Perspectives

Leaders’
Perspectives
VIERTELJÄHRLICHE AUSGABE –
SEPTEMBER 2016
DER TAG NACH EINEM
TRIUMPH TRUMPS
MARK BURGESS
Leaders’ Perspectives – September 2016
Der Tag nach
einem Triumph
Trumps
Mark Burgess
CIO EMEA und Global Head of Equities
Sollte Donald Trump am 8. November 2016 zum Präsidenten der Vereinigten
Staaten gewählt werden, wird dieser Tag als der Tag in die Geschichte eingehen,
an dem zum ersten Mal ein Geschäftsmann mit wenig politischer Erfahrung die
Präsidentschaftswahlen in den USA gewonnen hat.
Es verhält sich ähnlich wie bei den Briten, die
mit dem Austritt aus der Europäischen Union für
einen Wechsel gestimmt haben. Wenn die USAmerikaner sich für Trump entscheiden, dann
deshalb, weil sie erwarten, dass dieser schwierige
Entscheidungen fällt und sein Versprechen
umsetzt, „Amerika wieder großartig zu machen“.
Die Ansichten und Aussagen, die Trump während
seiner Wahlkampagne verlauten ließ, haben
weltweit für Gesprächsstoff und Bedenken
gesorgt. Neben diesen Bedenken interessieren
sich die Anleger jedoch insbesondere für seine
Ideen bezüglich einer neuen Wirtschaftspolitik
und welchen Einfluss diese auf die Finanzmärkte
haben könnten. Tatsache ist, dass eine
Präsidentschaft Trumps mit weitaus mehr
Unsicherheit einhergeht als eine Administration
unter Hillary Clinton, denn diese unterstützt
die aktuelle Regierungspolitik in zahlreichen
Bereichen. In diesem Artikel gehen wir der Frage
nach, welche kurz- bis mittelfristigen Auswirkungen
es voraussichtlich auf die Finanzwelt und die
Märkte haben wird, wenn Trump in den USA als
Präsident das Ruder übernimmt.
2
Leaders’ Perspectives – September 2016
Was passiert nach der Wahl?
Das ist die Schlüsselfrage, die eine hohe
Unsicherheit hervorrufen wird und durchaus
über Erfolg oder Nichterfolg einer Amtszeit
Trumps entscheiden könnte. Anders als seine
Gegnerin Hillary Clinton hat Trump im Zuge
seiner Kampagne nicht zahllose Konzepte und
Vorschläge auf den Tisch gelegt – wie viel davon
tatsächlich umgesetzt wird, bleibt abzuwarten.
Wie Antoine de Saint-Exupéry sagte: „Perfektion
ist nicht dann erreicht, wenn es nichts mehr
hinzuzufügen gibt, sondern wenn man nichts mehr
weglassen kann.“ Auch wenn Trump noch viel tun
muss, um in seinem angestrebten Amt erfolgreich
zu sein, könnte sein Mangel an politischen
Vorschlägen zu seinen Gunsten ausfallen. Denn
es gibt nur wenig, was er im Nachhinein von seiner
politischen Agenda streichen muss.
Der erste und wahrscheinlich wichtigste
Aspekt, den es zu berücksichtigen gilt, ist die
Sitzverteilung von Demokraten und Republikanern
im Kongress. Bei einer Mehrheit der Demokraten
im Repräsentantenhaus oder Senat könnte
Trump seine radikaleren Änderungsvorschläge
nur begrenzt umsetzen. In diesem Fall könnte
es bei einigen Themen sogar zu einem Stillstand
kommen.
Es ist jedoch äußerst unwahrscheinlich, dass
die Republikaner nicht die Mehrheit behalten,
wenn Trump die Wahl gewinnt. Mitch McConnell,
Mehrheitsführer im Senat, würde in seinem Amt
verbleiben. Es ist allerdings unwahrscheinlich,
dass dieser eine Mehrheit anführen wird, die
groß genug ist, um die Demokraten im Senat
vollständig zu übergehen. Wenn die Republikaner
bei den nächsten Kongresswahlen im Jahr 2018
jedoch vorne liegen, kommt es möglicherweise zu
einer Verschiebung. Denn jene Abgeordnete, die
einen Sitz ergattern oder ihren bestehenden Sitz
sichern möchten, könnten auf den PopulismusZug aufspringen, um die Herzen der Bevölkerung
zu erobern. Einzelne Politiker wie Paul Ryan (der
aktuelle Sprecher des Repräsentantenhauses)
dürften standhaft bleiben und allen wilderen
politischen Vorschlägen eine Absage erteilen –
und zudem die Kosten scharf im Auge behalten.
Zweitens werden die Märkte gespannt darauf
warten, wer es in den inneren Kreis von Trump
schafft. Die Zusammensetzung seiner Regierung
wird einen ersten Aufschluss darüber geben,
wie weit Trump gehen möchte. Zudem wird die
Regierungsmannschaft das dringend benötigte
Know-how einbringen, damit sich Trump durch das
politische System manövrieren kann.
DIE WICHTIGSTEN VORSCHLÄGE: KOSTEN UND EINSPARUNGEN ÜBER 10 JAHRE HINWEG
Trump
Infrastruktur
Gesundheit
Veteranen
Einwanderungsreform
Bildung und Arbeitsmarkt
Energie
Steuern
Clinton
-4
-2
AUSGLEICH
0
2
KOSTEN
Quelle: Committee for a Responsible Federal Budget, CBO, Kampagnen-Websites, Evercore ISI.
3
4
6
BILLIONEN USD
8
10
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14
16
Leaders’ Perspectives – September 2016
Welche Wahlversprechen gab es,
und wie wahrscheinlich ist es,
dass diese erfüllt werden?
Abgesehen von den enormen Kosten, die mit
manchen Vorschlägen einhergehen, die Trump
während seiner Wahlkampagne einbrachte,
wurden nur wenige Schlüsselthemen konkretisiert,
darunter Steuerreformen, Handelsabkommen,
Einwanderung und Gesundheit. Auch wenn die
Kosten auf den ersten Blick unüberschaubar
erscheinen, ließ Trump verlauten: „Als Präsident
bin ich eine andere Person. Wenn man ein Land
führt, findet eine andere Art von Dialog statt. Wir
können dies problemlos bewältigen.” Vielleicht
können wir dann mit einem moderateren Ansatz
rechnen. In den folgenden Abschnitten gehen
wir ausführlich auf einige der Vorschläge ein und
erörtern, wie wahrscheinlich es ist, dass diese
umgesetzt werden.
Steuerreform
Auf diesem Gebiet sind sich Clinton und Trump
relativ einig. Beide sind der Ansicht, dass
eine fiskalische Entlastung durch niedrigere
Steuern erforderlich ist, um der US-Wirtschaft
auf die Sprünge zu helfen. Deshalb ist es am
wahrscheinlichsten, dass die Steuerreform als
erstes durchgesetzt wird. Die Details müssen
jedoch noch herausgearbeitet werden. So ist
beispielsweise noch nicht klar, wie die entgangenen
Einnahmen ausgeglichen werden sollen.
Trump setzt sich offiziell für folgende Punkte ein:
nnVereinfachtes Steuersystem für alle und
Verringerung der Steuerabzüge. Größte
Steuerreform seit Reagan.
nnNiedrigere Steuern für alle, um die
Familiengründung für Arbeiterfamilien
erschwinglicher zu machen.
nnMassive Senkung der Einkommensteuer.
nnVereinfachung der Einkommensteuer von
sieben auf drei Steuerklassen.
nnVollständige Absetzbarkeit von
Kinderbetreuungskosten.
nnSenkung des Körperschaftsteuersatzes für alle
Unternehmen auf 15 %.
nnDie Körperschaftsteuer soll weltweit
wettbewerbsfähig und das Land der
attraktivste Investitionsstandort der Welt
werden.
nnAbschaffung der Erbschaftssteuer.
Der wichtigste Punkt hier ist, dass Trump eine
unternehmensfreundliche Steuerreform und die
Repatriierung von Offshore-Kapital zu niedrigen
Steuersätzen anvisiert. Auf diese Weise möchte
er die US-Wirtschaft wieder auf Kurs bringen und
dafür sorgen, dass „Amerika wieder zum weltweit
besten Ort für Geschäfte wird“. Die Reform der
Körperschaftsteuer und die Steuersenkungen für
Privatpersonen werden schätzungsweise Kosten
in Billionenhöhe verursachen. Am 8. August gab
Trump auf einer Rede in Detroit bekannt, dass
er die individuellen Steuersätze der von ihm
vorgeschlagenen Steuerreform ändern möchte.
Er schlägt drei Steuersätze vor: 12 %, 25 % und
33 %. Diese Änderungen würden die Kosten der
Steuerreform erheblich reduzieren. Gleichwohl
sind die tatsächlichen Kosten nur schwierig
vorherzusagen, da er nicht verlauten ließ, wie die
Einkommensklassen gegliedert werden sollen.
Die Auswirkungen auf die Wirtschaft werden
natürlich unterschiedlich ausfallen, je nachdem,
wer letztendlich von diesen Steuersenkungen
profitiert. Bürger mit hoher Steuerbelastung
dürften im Zuge der Kürzungen mehr sparen,
während die Mittelschicht höhere Ausgaben
tätigen wird – auf diese Weise werden Verbrauch
und Einzelhandelsausgaben in der Volkswirtschaft
angekurbelt. Bei Steuerzahlern in der niedrigen
Einkommensklasse könnten die Steuersenkungen
zu einer höheren Erwerbsbeteiligung führen.
Was die tatsächliche Höhe der Steuersenkungen
angeht, ist Trump von seinen ursprünglichen
Plänen bereits etwas abgewichen und bei
realistischeren Zielen gelandet. Solange Trump
an diesen etwas konservativeren Zielen festhält,
gibt es keinen Grund, weshalb die Steuerreform
nicht abgesegnet werden sollte – zumindest
bis zu einem gewissen Grad. Es könnte jedoch
wesentliche Auswirkungen auf den US-Dollar
haben, sollten US-Unternehmen dazu gezwungen
werden, im Ausland gehaltene Barmittel in die USA
zurückzuführen.
Handel
Trump hat aus seiner handelsfeindlichen
Einstellung keinen Hehl gemacht: Er wird sich
aktiv dafür einsetzen, dass Handelsabkommen
rückgängig gemacht und neue Zölle und
Handelsbeschränkungen eingeführt werden. Dies
weckt Erinnerungen an den US-amerikanischen
Isolationismus der 1930er Jahre. Zudem stellt
sich die Frage, ob in den USA und weltweit
tendenziell eine Rückkehr zu den „guten alten
Zeiten“ angestrebt wird.
Die Wahrheit ist, dass Trump ein schwerer
Kampf bevorsteht, wenn er versuchen möchte,
bestehende Handelsabkommen rückgängig
zu machen. Die Einführung neuer Zölle und
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Leaders’ Perspectives – September 2016
Handelsbeschränkungen ist dagegen eine
leichtere Aufgabe. Wenn Trump Zölle in Höhe
von 35 % einführt, könnte dies dem USHandelsdefizit zugutekommen. Gleichwohl
scheint der Schwerpunkt im Handelsbereich
auf dem aktuellen Handelsabkommen zwischen
den USA und China zu liegen, das auch Clinton
thematisieren möchte. Diese Angelegenheit
wird von den US-amerikanischen Arbeitern ganz
genau verfolgt werden. Könnte dies wirklich
zu einer Wiederbelebung des heimischen
Fertigungssektors führen? Oder werden die
Unternehmen nach wie vor ihre Fertigung
nach China verlegen, um von den niedrigeren
Lohnkosten zu profitieren? Trump verfolgt im
Hinblick auf China zweifellos ehrgeizige Ziele:
nnChina soll wieder an den Handelstisch
gebracht werden, indem man das Land prompt
als „Währungsmanipulator“ bezeichnet.
nnInnovationskraft und Investitionen der USA
sollen geschützt werden, indem man China
dazu zwingt, Gesetze zum Schutz geistigen
Eigentums einzuhalten. Zudem soll die Praxis
gestoppt werden, dass US-Unternehmen nur
dann ein Zugang zum chinesischen Markt
gewährt wird, wenn diese ihre Technologien an
chinesische Wettbewerber weitergeben.
nnWiederherstellung von Millionen Arbeitsplätzen
in den USA und Wiederbelebung der USamerikanischen Fertigung, indem man die
chinesischen Exportsubventionen und die
lockeren Arbeits- und Umweltstandards
aufhebt.
nnStärkung der eigenen Handelsposition durch
die Senkung des Körperschaftsteuersatzes.
Auf diese Weise soll die Abwanderung von USUnternehmen und heimischen Arbeitsplätzen
verhindert werden. Auch die Verschuldung und
das Defizit sollen angegangen werden, damit
China diese Faktoren nicht als Druckmittel
gegenüber den USA einsetzen kann. Darüber
hinaus soll die militärische Präsenz der USA
im Ost- und Südchinesischen Meer erhöht
werden.
Die Zeit wird zeigen, wie viel davon in einer
vierjährigen Amtszeit tatsächlich umgesetzt
werden kann. Dabei sollte der Schwerpunkt
vielleicht zunächst im eigenen Land liegen. Es
wird schon schwierig genug werden, die inneren
Mechanismen des Repräsentantenhauses
und Senats zu beherrschen. Deshalb wäre es
momentan zu viel des Guten, wenn man China
jetzt auch noch die Daumenschrauben ansetzt,
damit das Land sich dem Willen Trumps beugt.
Es ist weitaus wahrscheinlicher, dass es zu einer
Neuverhandlung des Handelsabkommens kommt.
5
Einwanderung
Die Parallelen zur isolationistischen Periode
werden nicht nur im Hinblick auf China deutlich.
Sie fallen am stärksten ins Auge, wenn man
bedenkt, welche Ansichten Trump hinsichtlich
der Einwanderung vertritt. So möchte er „Mexiko
dazu zwingen, für den Bau einer Grenzmauer zu
zahlen“. Im Laufe der Geschichte wurden schon
immer Mauern gebaut, um Regionen abzutrennen
und / oder zu schützen – mit unterschiedlichem
Erfolg. In den meisten Fällen wurden diese Mauern
jedoch überflüssig, da die Menschen einen Weg
fanden, diese zu umgehen.
Die legale Einwanderung sollte gefördert werden,
denn ohne sie hätten die USA nie ihre Größe
erlangt. Die illegale Einwanderung dagegen muss
kontrolliert werden. Bei diesem Thema hat Trump
im Zuge seiner Kampagne einen etwas milderen
Ton angeschlagen. Wenn er diese Angelegenheit
richtig handhabt, könnte die US-Wirtschaft
langfristig profitieren. Kurzfristig besteht jedoch
die Gefahr, dass bestimmte Sektoren, die von
günstigen Arbeitskräften abhängig sind (darunter
der Einzelhandel sowie Bau und Landwirtschaft),
beeinträchtigt werden. Die Wirtschaft wird darunter
leiden, wenn man das Angebot an Arbeitskräften
austrocknet – und gibt es wirklich USamerikanische Arbeitnehmer, die zur Verrichtung
dieser Arbeiten bereit sind? Vorerst wird vielfach
die Meinung vertreten, dass Investitionen in
mexikanische Zement- und Bauunternehmen nun
Zukunftspotenzial haben – auch wenn die Mauer,
über die Trump spricht, nicht aus Ziegel und
Mörtel bestehen wird, sondern aus zahlreichen
Handelsabkommen und Visa.
Gesundheit
Das Gesundheitswesen war ein weiteres heißes
Thema im Vorfeld der Wahlen. Trump beharrte
hartnäckig auf seinem Standpunkt, dass der
„Affordable Care Act“ (ACA) zurückgenommen
und durch ein anderes Gesetz ersetzt werden
sollte. In Anbetracht der Kosten in Höhe von 400
Mrd. US-Dollar stehen die Chancen schlecht,
dass er für diese Forderung Rückendeckung
erhält. Wahrscheinlicher ist es, dass die
sogenannte „Cadillac-Steuer“ für besonders
großzügige Versicherungspolicen vom Tisch
kommt. Die Ungewissheit hinsichtlich der
Zukunft des „Affordable Care Act“ könnte jedoch
negative Auswirkungen auf Krankenhäuser und
das Managed-Care-System haben, wenn die
angebotenen Behandlungen nicht mehr abgedeckt
werden. Im Gegensatz dazu blickt der Pharma- und
Biotechnologiesektor einer erfreulicheren Zukunft
entgegen. So unterstützt Trump die Regierung
bei ihren Verhandlungen der Arzneimittelpreise
gemäß Teil D der Medicare-Krankenversicherung
(Medicare Part D). Zudem spricht er sich für
die Einfuhr von Arzneimitteln und aggressive
Steuerreformen aus.
Leaders’ Perspectives – September 2016
Wirtschaft und Märkte – „Nichts ist so
unsicher wie geglaubte Sicherheit“
(Robert Burns)
In der Vergangenheit waren die Republikaner
gegenüber dem Aktienmarkt freundlich eingestellt
und sprachen sich für mehr Wachstum, eine
starke Verteidigung, große Pharmaunternehmen
(„Big Pharma“), eine geringere Regulierung und
einen ausgewogenen Haushalt aus. Wie oben
erörtert, hat Trump bereits gezeigt, dass er
etwas andere Ansichten vertritt. So befürwortet
er eine Steuerreform sowie eine handels- und
einwanderungsfeindliche Politik und möchte den
„Affordable Care Act“ abschaffen. Dies könnte
für die Unternehmen und die Binnenwirtschaft
als Ganzes in gewisser Weise positiv sein.
Jedoch ist „nichts so unsicher wie geglaubte
Sicherheit“ – und da Trump unberechenbar
ist, dürfte er für Unsicherheit auf den Märkten
sorgen. Wir sind bereits darauf eingegangen,
dass wir in vielen Bereichen nur wenig darüber
wissen, welche Ansichten Trump vertritt. Sein
instinktives und sprunghaftes Wesen dürfte auf
den Märkten Nervosität hervorrufen. In diesen
weltweit unsicheren Zeiten könnte sich aber auch
das Gegenteil als wahr erweisen: Möglicherweise
werden sich die Märkte in Selbstzufriedenheit
wiegen und abwarten, was passiert, bevor sie
voreilige Schlüsse ziehen.
Ein Wahlsieg Trumps dürfte den US-Dollar
zunächst stärken, wenn die Währung in einer
Phase der geringen Risikobereitschaft zugekauft
wird. Dies stellt für den Dollar jedoch auch ein
Bullen-Szenario dar, da der Protektionismus das
Produktionspotenzial verringert und eine höhere
Inflation zur Folge hat. Zudem hat er ab einem
bestimmten Wachstumsniveau zur Folge, dass
die US-Notenbank im Vergleich zur Ausgangslage
aggressiver vorgeht. Hinzu kommt, dass nahezu
Vollbeschäftigung herrscht und hohe öffentliche
Ausgaben für den Bau von Infrastrukturen getätigt
werden. Dadurch werden Löhne und Inflation nach
oben getrieben. Wenn das Wachstum hingegen
in anderen Bereichen der Wirtschaft implodiert,
kommt es möglicherweise lediglich zu einer
großen Beschäftigungsverlagerung hin in den
Bausektor.
Eine große Sorge besteht darin, ob die
Äußerungen Trumps hinsichtlich der Rückkehr zum
Goldstandard ernstzunehmen sind. Trump wird
mit folgenden Worten zitiert: „Eine Rückkehr zum
Goldstandard wäre schwierig, aber wunderbar.
Auf diese Weise hätten wir einen Standard,
mit dem wir unsere Währung decken könnten.“
Man kann nur hoffen, dass er diese Aussage
nicht ernst gemeint hat. Ist es möglich, dass
es Trump entgangen ist, dass sich die Welt seit
nahezu einem Jahrzehnt in einem rezessiven
Wirtschaftsumfeld befindet? Theoretisch sprechen
folgende Argumente für einen Goldstandard, mit
dem der US-Dollar an den Goldpreis gebunden
wird: Es würde verhindert werden, dass die
US-Notenbank in übermäßigen Mengen Geld
druckt. Zudem könnte die Inflation auf einem
niedrigen Niveau gehalten werden, was die
Verteuerung der Verbraucherpreise ausbremst.
Die Ölpreise würden eine Stabilisierung erfahren
und Gold würde seinen weltweit anerkannten Wert
selbstverständlich beibehalten. Vieles hiervon ist
in Anbetracht des aktuellen Wirtschaftsumfelds
jedoch überflüssig. Wenn die Zentralbanken
nicht in der Lage gewesen wären, die Geldpresse
anzuwerfen, wäre die globale Finanzkrise
zweifellos schlimmer verlaufen. Tatsächlich ist es
teilweise (wenn nicht gänzlich) der quantitativen
Lockerung zu verdanken, dass die US-Wirtschaft
offensichtlich eine Kehrtwende vollzieht. Darüber
hinaus schreit die Wirtschaft angesichts der
historischen Tiefststände nach Inflation. Die Idee,
die Inflation zu senken, ist deshalb absurd.
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Leaders’ Perspectives – September 2016
Trumps Erinnerungsvermögen scheint in dieser
Hinsicht eher kurzfristiger Natur zu sein, denn
man muss nicht einmal 100 Jahre zurückblicken,
um sich anzuschauen, welche katastrophalen
Folgen die Einführung des Goldstandards hatte.
Der Standard hielt sich gerade mal ein Jahrzehnt,
danach war die Ordnung wieder hergestellt.
Die Auswirkungen auf den Aktienmärkten werden
unterschiedlich ausfallen. Die Infrastruktur dürfte
zu den klaren Gewinnern zählen, insbesondere
Straßen, Brücken, Flughäfen sowie Sektoren,
die von den Fusionen und Übernahmen sowie
von der Branchenkonsolidierung profitieren,
für die sich Trump ganz besonders begeistert.
Der Finanzsektor würde von einer Lockerung
der Dodd-Frank-Vorschriften profitieren.
Auch der Verteidigungssektor dürfte einen
Aufschwung erfahren. Unter anderem dürften
auch die Sektoren Nicht-Basiskonsumgüter,
Basiskonsumgüter, Telekommunikation, Energie
und Bergbau gut abschneiden.
Für den US-Anleihemarkt wäre ein Wahlsieg
Trumps aufgrund des Anstiegs der Break-evenInflationsraten wahrscheinlich keine erfreuliche
Nachricht. Die von ihm vorgeschlagenen
Maßnahmen würden insbesondere zu hohen
Haushaltsdefiziten führen, was wiederum
eine gewisse Versteilerung der Zinskurve zur
Folge hätte. Darüber hinaus gab Trump einige
besorgniserregende Kommentare über ein
mangelndes Engagement bei der Schuldentilgung ab.
Sollte es erneut zu einem bedeutenden globalen
Ereignis (wie der Finanzkrise) kommen, könnte
dies zur Folge haben, dass die Inlandsschulden
getilgt werden, die Auslandsschulden jedoch
weiterhin bestehen bleiben. Könnte dies
Investoren abschrecken? Dies wäre insbesondere
deshalb bedauerlich, weil die Emission von USStaatsanleihen voraussichtlich deutlich ansteigen
würde, um die zahlreichen kostspieligen Vorschläge
zu finanzieren, während gleichzeitig immer größere
Löcher in das US-Defizit gerissen werden.
POTENZIELLE AUSWIRKUNGEN EINER PRÄSIDENTSCHAFT TRUMPS AUF SCHLÜSSEL- UND TEILSEKTOREN
Sektor
Teilsektor
Trump
Industrie
Verteidigung
Verlagerung der Verteidigungsausgaben weg von Auslandseinsätzen und hin zum
inländischen Aufbau und F&E
Gesundheit
Gesundheits-dienstleister,
Versicherer und
Krankenhäuser
Für die Aufhebung des „Affordable Care Act“
Pharma und Biotechnologie
Technologie
Technologie
Gegen Handelsabkommen (einschließlich jener, die den Schutz geistigen Eigentums und
Halbleiter betreffen)
Nicht-Basiskonsumgüter
Medien
Förderung von Fusionen und Übernahmen durch die Liberalisierung der Kartell- und
Wettbewerbspolitik sowie durch die Liberalisierung der Vorschriften zum
Medieneigentum.
Hotels und Restaurants
Kfz-Zulieferer
Förderung US-amerikanische Hersteller von Automobilkomponenten im Zuge einer
insgesamt skeptischen Einstellung gegenüber dem Handel.
Basiskonsumgüter
Getränke und Tabak
Gegen eine stärkere Regulierung von Cola- / zuckerhaltigen Getränken und Tabak
Energie
Fossile Brennstoffe
Für eine Regierungspolitik und gesetzliche Vorschriften zugunsten fossiler Brennstoffe.
Für einen aggressiveren Export von Öl und Flüssigerdgas (LNG)
Finanzsektor
Banken
Für eine Lockerung der Dodd-Frank-Vorschriften; Freistellung kleinerer und
mittelständischer Banken.
Telekommunikation
Drahtlose
Telekommunikation
Für die Aufhebung der herkömmlichen Entgeltregulierung. Gegen die Regulierung des
Breitbandnetzes als öffentliche Einrichtung.
Innovative
Telekommunikationsunternehmen
Gegen die Besteuerung von Internetverkäufen
Versorger
Grundstoffe
Elektrizitäts- und
Gasversorgungs-unternehmen
Erneuerbare Energien
Gegen eine Regierungspolitik zugunsten von Solarenergie, alternativen Energien und
sauberen Technologien.
Metalle und Bergbau
Förderung eines verstärkten Rohstoffabbaus, auch auf bundesstaatlichem Gebiet, mit
einer geringeren Regulierung.
Landwirtschaft
Geringeres Arbeitskräfteangebot im Niedriglohnsektor infolge eines harten Vorgehens
gegen illegale Einwanderer.
Infrastruktur
Quelle: Columbia Threadneedle. Stand: 2016.
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Gewinner
Leaders’ Perspectives – September 2016
Währungen
Es gibt drei Bereiche, durch die der US-Dollar
beeinträchtigt werden könnte:
1. Repatriierung (Rückführung von Kapital): Eine
Wiederholung des „Homeland Investment Act“
von 2004 ist unter Trump wahrscheinlicher, da
dieser von einer einmaligen Repatriierungssteuer
in Höhe von 10 % sprach (diese erscheint jedoch
nicht unter der „Economic Vision“ auf seiner
Kampagnen-Website). Das in Übersee gehaltene
Kapital von US-Unternehmen beläuft sich
schätzungsweise auf 2 Bio. US-Dollar. Für den USDollar wäre dies jedoch nur dann positiv, wenn
a) das Geld wieder in die USA transferiert wird oder
b) das Kapital nicht in Vermögenswerten gehalten
wurde, die auf US-Dollar lauten, in Dollar
denominiert oder in Dollar abgesichert sind, und
deshalb umgetauscht werden müsste.
Da die Unternehmen dazu tendieren, die
Zusammensetzung ihres Vermögens nicht
offenzulegen, ist die Datenlage lückenhaft. Der
Großteil der Vermögenswerte, die offengelegt
wurden, werden jedoch in US-Dollar gehalten.
Deshalb läge die Höhe des zurückgeführten
Kapitals weit unter 2 Bio. US-Dollar. Trotzdem
könnte sich dies für den Dollar als positiv
erweisen. Nach dem Erlass des Homeland
Investment Act 2004 (HIA) wurden 2 % des BIP
zurückgeführt.
DER GROSSTEIL DER IN ÜBERSEE GEHALTENEN GEWINNE
KONZENTRIERT SICH AUF EINE KLEINE ANZAHL AN
UNTERNEHMEN: 50 % DER 2–2,5 BIO. USD WERDEN VON 15
UNTERNEHMEN GEHALTEN
180
160
140
120
100
80
60
40
20
0
100%
80%
In Übersee gehaltene Gewinne
einzelner Unternehmen
(in Mrd. USD, links)
In Übersee gehaltene
kumulierte Gewinne
(% der Gesamtsumme, rechts)
25
50
75 100 125 150 175 200 225 250 275 300
Anzahl der Unternehmen
60%
40%
20%
0%
Quelle: JP Morgan, CTJ, „Form 10-K“ (Jahresbericht in standardisierter Form) einzelner Unternehmen, Hinweis:
Der schwarze Balken steht für die 13 Unternehmen, die nachfolgend ausführlicher beleuchtet werden und
insgesamt rund die Hälfte ausmachen.
2. Handel: Voraussichtlich wird es zu einem
verstärkten Protektionismus durch die
Einführung von Zöllen kommen. Dies wird sich
am deutlichsten in einer Verringerung des
Handelsdefizits niederschlagen und somit auch
zu einer Senkung des Leistungsbilanzdefizits
führen. Traditionell würde dies mit einer starken
Währung einhergehen. Der Rückgang des
Leistungsbilanzdefizits würde auch die Menge
der im Ausland verfügbaren US-Dollar senken.
Hierdurch würden Volkswirtschaften mit hohen,
in US-Dollar denominierten Verbindlichkeiten
unter Druck geraten. Dies hätte einen doppelten
Negativeffekt für Länder, die viel in die USA
exportieren und hohe Verbindlichkeiten in USDollar aufweisen. Deshalb gehen wir davon
aus, dass der US-Dollar gegenüber Ländern
wie Mexiko und China extrem gut abschneiden
würde. Der Kontrapunkt hierzu wäre, dass
die USA bei einer Präsidentschaft Trumps als
Kapital- und Investitionsstandort an Attraktivität
verlieren würden – und Währungen wie Euro
und Yen voraussichtlich besser abschneiden
würden als der US-Dollar. Insgesamt würde
die Handelspolitik von Trump die Währungen
jener Länder beeinträchtigen, die in erster Linie
Waren in die USA exportieren (hauptsächlich
die Schwellenländer). Profitieren würden
Länder, die Kapital / Investitionen in die USA
exportieren (die Industrienationen). Um eine
historische Perspektive einzunehmen: Eine solche
Entwicklung haben wir Anfang der 2000er Jahre
erlebt, als Europa Stahl-Zölle auferlegt wurden,
sowie Mitte der 1990er Jahre, als Japan mit AutoZöllen belegt wurde.
3. Fiskalische Expansion: Die Globalisierung
scheint das Trendwachstum erhöht zu haben.
Deshalb könnte man annehmen, dass
Handelsschranken das Gegenteil bewirken
würden. Bei der von Trump vorgeschlagenen
fiskalischen Expansion wird ein niedrigeres
Trendwachstum in einer Volkswirtschaft, die sich
bereits der Vollbeschäftigung nähert, die Inflation
wahrscheinlich rasant ansteigen lassen und
zudem eine Reaktion der US-Notenbank auslösen.
Dies hätte eine Aufwertung des US-Dollar zur
Folge. Dieser würde auch von dem Anstieg der
langfristigen Renditen profitieren, der mit einer
fiskalischen Expansion in dieser Größenordnung
einhergehen würde.
In Wirklichkeit wird Trump in seiner
Handlungsfähigkeit vermutlich eingeschränkt sein,
weil er keine Kontrolle über den Kongress hat.
Deshalb dürfte er nicht in der Lage sein, alle der
oben genannten Maßnahmen umzusetzen – oder
bestenfalls in einer stark abgespeckten Version. In
den USA würde wahrscheinlich erneut eine Phase
des politischen Stillstands beginnen, und die
politische Unsicherheit hätte zur Folge, dass die
US-Notenbank in den Hintergrund tritt. Dies würde
dazu führen, dass sich der US-Dollar abschwächt
und auf den Märkten eine Phase der geringen
Risikobereitschaft einsetzt.
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Leaders’ Perspectives – September 2016
Fazit
Es ist unwahrscheinlich, dass vor dem Ablauf
von zwölf Monaten wichtige Rechtsvorschriften
durchgesetzt werden, denn der Wahlsieger
wird sein Amt erst im Januar antreten und
muss Behördenleiter ernennen und deren
Bestätigung erhalten. Beispielsweise steht
die Ernennung eines neuen Richters für den
Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten
an. Die gängige Meinung ist jedoch, dass die
wichtigen Errungenschaften eines Präsidenten
in den ersten zwei Jahren seiner Amtszeit erzielt
werden sollten. Danach wird es viel schwieriger,
9
Rechtsvorschriften durchzusetzen, da sich schon
die nächsten Präsidentschaftswahlen am Horizont
abzeichnen. Selbstverständlich könnten bei einem
Wahlsieg Trumps die ersten zwei Jahre seiner
Amtszeit davon geprägt sein, dass die Verlierer
bestraft werden und die Kongressabgeordneten
die Glaubwürdigkeit ihrer konservativen
Grundsätze unter Beweis stellen. Trump hätte
als Präsident jedoch auch Spielraum, um echte
Veränderungen herbeizuführen, die vernünftig
und ausgewogen sind. Ob dies geschieht, bleibt
abzuwarten.
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