Leaders’ Perspectives VIERTELJÄHRLICHE AUSGABE – SEPTEMBER 2016 DER TAG NACH EINEM TRIUMPH TRUMPS MARK BURGESS Leaders’ Perspectives – September 2016 Der Tag nach einem Triumph Trumps Mark Burgess CIO EMEA und Global Head of Equities Sollte Donald Trump am 8. November 2016 zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt werden, wird dieser Tag als der Tag in die Geschichte eingehen, an dem zum ersten Mal ein Geschäftsmann mit wenig politischer Erfahrung die Präsidentschaftswahlen in den USA gewonnen hat. Es verhält sich ähnlich wie bei den Briten, die mit dem Austritt aus der Europäischen Union für einen Wechsel gestimmt haben. Wenn die USAmerikaner sich für Trump entscheiden, dann deshalb, weil sie erwarten, dass dieser schwierige Entscheidungen fällt und sein Versprechen umsetzt, „Amerika wieder großartig zu machen“. Die Ansichten und Aussagen, die Trump während seiner Wahlkampagne verlauten ließ, haben weltweit für Gesprächsstoff und Bedenken gesorgt. Neben diesen Bedenken interessieren sich die Anleger jedoch insbesondere für seine Ideen bezüglich einer neuen Wirtschaftspolitik und welchen Einfluss diese auf die Finanzmärkte haben könnten. Tatsache ist, dass eine Präsidentschaft Trumps mit weitaus mehr Unsicherheit einhergeht als eine Administration unter Hillary Clinton, denn diese unterstützt die aktuelle Regierungspolitik in zahlreichen Bereichen. In diesem Artikel gehen wir der Frage nach, welche kurz- bis mittelfristigen Auswirkungen es voraussichtlich auf die Finanzwelt und die Märkte haben wird, wenn Trump in den USA als Präsident das Ruder übernimmt. 2 Leaders’ Perspectives – September 2016 Was passiert nach der Wahl? Das ist die Schlüsselfrage, die eine hohe Unsicherheit hervorrufen wird und durchaus über Erfolg oder Nichterfolg einer Amtszeit Trumps entscheiden könnte. Anders als seine Gegnerin Hillary Clinton hat Trump im Zuge seiner Kampagne nicht zahllose Konzepte und Vorschläge auf den Tisch gelegt – wie viel davon tatsächlich umgesetzt wird, bleibt abzuwarten. Wie Antoine de Saint-Exupéry sagte: „Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn es nichts mehr hinzuzufügen gibt, sondern wenn man nichts mehr weglassen kann.“ Auch wenn Trump noch viel tun muss, um in seinem angestrebten Amt erfolgreich zu sein, könnte sein Mangel an politischen Vorschlägen zu seinen Gunsten ausfallen. Denn es gibt nur wenig, was er im Nachhinein von seiner politischen Agenda streichen muss. Der erste und wahrscheinlich wichtigste Aspekt, den es zu berücksichtigen gilt, ist die Sitzverteilung von Demokraten und Republikanern im Kongress. Bei einer Mehrheit der Demokraten im Repräsentantenhaus oder Senat könnte Trump seine radikaleren Änderungsvorschläge nur begrenzt umsetzen. In diesem Fall könnte es bei einigen Themen sogar zu einem Stillstand kommen. Es ist jedoch äußerst unwahrscheinlich, dass die Republikaner nicht die Mehrheit behalten, wenn Trump die Wahl gewinnt. Mitch McConnell, Mehrheitsführer im Senat, würde in seinem Amt verbleiben. Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass dieser eine Mehrheit anführen wird, die groß genug ist, um die Demokraten im Senat vollständig zu übergehen. Wenn die Republikaner bei den nächsten Kongresswahlen im Jahr 2018 jedoch vorne liegen, kommt es möglicherweise zu einer Verschiebung. Denn jene Abgeordnete, die einen Sitz ergattern oder ihren bestehenden Sitz sichern möchten, könnten auf den PopulismusZug aufspringen, um die Herzen der Bevölkerung zu erobern. Einzelne Politiker wie Paul Ryan (der aktuelle Sprecher des Repräsentantenhauses) dürften standhaft bleiben und allen wilderen politischen Vorschlägen eine Absage erteilen – und zudem die Kosten scharf im Auge behalten. Zweitens werden die Märkte gespannt darauf warten, wer es in den inneren Kreis von Trump schafft. Die Zusammensetzung seiner Regierung wird einen ersten Aufschluss darüber geben, wie weit Trump gehen möchte. Zudem wird die Regierungsmannschaft das dringend benötigte Know-how einbringen, damit sich Trump durch das politische System manövrieren kann. DIE WICHTIGSTEN VORSCHLÄGE: KOSTEN UND EINSPARUNGEN ÜBER 10 JAHRE HINWEG Trump Infrastruktur Gesundheit Veteranen Einwanderungsreform Bildung und Arbeitsmarkt Energie Steuern Clinton -4 -2 AUSGLEICH 0 2 KOSTEN Quelle: Committee for a Responsible Federal Budget, CBO, Kampagnen-Websites, Evercore ISI. 3 4 6 BILLIONEN USD 8 10 12 14 16 Leaders’ Perspectives – September 2016 Welche Wahlversprechen gab es, und wie wahrscheinlich ist es, dass diese erfüllt werden? Abgesehen von den enormen Kosten, die mit manchen Vorschlägen einhergehen, die Trump während seiner Wahlkampagne einbrachte, wurden nur wenige Schlüsselthemen konkretisiert, darunter Steuerreformen, Handelsabkommen, Einwanderung und Gesundheit. Auch wenn die Kosten auf den ersten Blick unüberschaubar erscheinen, ließ Trump verlauten: „Als Präsident bin ich eine andere Person. Wenn man ein Land führt, findet eine andere Art von Dialog statt. Wir können dies problemlos bewältigen.” Vielleicht können wir dann mit einem moderateren Ansatz rechnen. In den folgenden Abschnitten gehen wir ausführlich auf einige der Vorschläge ein und erörtern, wie wahrscheinlich es ist, dass diese umgesetzt werden. Steuerreform Auf diesem Gebiet sind sich Clinton und Trump relativ einig. Beide sind der Ansicht, dass eine fiskalische Entlastung durch niedrigere Steuern erforderlich ist, um der US-Wirtschaft auf die Sprünge zu helfen. Deshalb ist es am wahrscheinlichsten, dass die Steuerreform als erstes durchgesetzt wird. Die Details müssen jedoch noch herausgearbeitet werden. So ist beispielsweise noch nicht klar, wie die entgangenen Einnahmen ausgeglichen werden sollen. Trump setzt sich offiziell für folgende Punkte ein: nnVereinfachtes Steuersystem für alle und Verringerung der Steuerabzüge. Größte Steuerreform seit Reagan. nnNiedrigere Steuern für alle, um die Familiengründung für Arbeiterfamilien erschwinglicher zu machen. nnMassive Senkung der Einkommensteuer. nnVereinfachung der Einkommensteuer von sieben auf drei Steuerklassen. nnVollständige Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten. nnSenkung des Körperschaftsteuersatzes für alle Unternehmen auf 15 %. nnDie Körperschaftsteuer soll weltweit wettbewerbsfähig und das Land der attraktivste Investitionsstandort der Welt werden. nnAbschaffung der Erbschaftssteuer. Der wichtigste Punkt hier ist, dass Trump eine unternehmensfreundliche Steuerreform und die Repatriierung von Offshore-Kapital zu niedrigen Steuersätzen anvisiert. Auf diese Weise möchte er die US-Wirtschaft wieder auf Kurs bringen und dafür sorgen, dass „Amerika wieder zum weltweit besten Ort für Geschäfte wird“. Die Reform der Körperschaftsteuer und die Steuersenkungen für Privatpersonen werden schätzungsweise Kosten in Billionenhöhe verursachen. Am 8. August gab Trump auf einer Rede in Detroit bekannt, dass er die individuellen Steuersätze der von ihm vorgeschlagenen Steuerreform ändern möchte. Er schlägt drei Steuersätze vor: 12 %, 25 % und 33 %. Diese Änderungen würden die Kosten der Steuerreform erheblich reduzieren. Gleichwohl sind die tatsächlichen Kosten nur schwierig vorherzusagen, da er nicht verlauten ließ, wie die Einkommensklassen gegliedert werden sollen. Die Auswirkungen auf die Wirtschaft werden natürlich unterschiedlich ausfallen, je nachdem, wer letztendlich von diesen Steuersenkungen profitiert. Bürger mit hoher Steuerbelastung dürften im Zuge der Kürzungen mehr sparen, während die Mittelschicht höhere Ausgaben tätigen wird – auf diese Weise werden Verbrauch und Einzelhandelsausgaben in der Volkswirtschaft angekurbelt. Bei Steuerzahlern in der niedrigen Einkommensklasse könnten die Steuersenkungen zu einer höheren Erwerbsbeteiligung führen. Was die tatsächliche Höhe der Steuersenkungen angeht, ist Trump von seinen ursprünglichen Plänen bereits etwas abgewichen und bei realistischeren Zielen gelandet. Solange Trump an diesen etwas konservativeren Zielen festhält, gibt es keinen Grund, weshalb die Steuerreform nicht abgesegnet werden sollte – zumindest bis zu einem gewissen Grad. Es könnte jedoch wesentliche Auswirkungen auf den US-Dollar haben, sollten US-Unternehmen dazu gezwungen werden, im Ausland gehaltene Barmittel in die USA zurückzuführen. Handel Trump hat aus seiner handelsfeindlichen Einstellung keinen Hehl gemacht: Er wird sich aktiv dafür einsetzen, dass Handelsabkommen rückgängig gemacht und neue Zölle und Handelsbeschränkungen eingeführt werden. Dies weckt Erinnerungen an den US-amerikanischen Isolationismus der 1930er Jahre. Zudem stellt sich die Frage, ob in den USA und weltweit tendenziell eine Rückkehr zu den „guten alten Zeiten“ angestrebt wird. Die Wahrheit ist, dass Trump ein schwerer Kampf bevorsteht, wenn er versuchen möchte, bestehende Handelsabkommen rückgängig zu machen. Die Einführung neuer Zölle und 4 Leaders’ Perspectives – September 2016 Handelsbeschränkungen ist dagegen eine leichtere Aufgabe. Wenn Trump Zölle in Höhe von 35 % einführt, könnte dies dem USHandelsdefizit zugutekommen. Gleichwohl scheint der Schwerpunkt im Handelsbereich auf dem aktuellen Handelsabkommen zwischen den USA und China zu liegen, das auch Clinton thematisieren möchte. Diese Angelegenheit wird von den US-amerikanischen Arbeitern ganz genau verfolgt werden. Könnte dies wirklich zu einer Wiederbelebung des heimischen Fertigungssektors führen? Oder werden die Unternehmen nach wie vor ihre Fertigung nach China verlegen, um von den niedrigeren Lohnkosten zu profitieren? Trump verfolgt im Hinblick auf China zweifellos ehrgeizige Ziele: nnChina soll wieder an den Handelstisch gebracht werden, indem man das Land prompt als „Währungsmanipulator“ bezeichnet. nnInnovationskraft und Investitionen der USA sollen geschützt werden, indem man China dazu zwingt, Gesetze zum Schutz geistigen Eigentums einzuhalten. Zudem soll die Praxis gestoppt werden, dass US-Unternehmen nur dann ein Zugang zum chinesischen Markt gewährt wird, wenn diese ihre Technologien an chinesische Wettbewerber weitergeben. nnWiederherstellung von Millionen Arbeitsplätzen in den USA und Wiederbelebung der USamerikanischen Fertigung, indem man die chinesischen Exportsubventionen und die lockeren Arbeits- und Umweltstandards aufhebt. nnStärkung der eigenen Handelsposition durch die Senkung des Körperschaftsteuersatzes. Auf diese Weise soll die Abwanderung von USUnternehmen und heimischen Arbeitsplätzen verhindert werden. Auch die Verschuldung und das Defizit sollen angegangen werden, damit China diese Faktoren nicht als Druckmittel gegenüber den USA einsetzen kann. Darüber hinaus soll die militärische Präsenz der USA im Ost- und Südchinesischen Meer erhöht werden. Die Zeit wird zeigen, wie viel davon in einer vierjährigen Amtszeit tatsächlich umgesetzt werden kann. Dabei sollte der Schwerpunkt vielleicht zunächst im eigenen Land liegen. Es wird schon schwierig genug werden, die inneren Mechanismen des Repräsentantenhauses und Senats zu beherrschen. Deshalb wäre es momentan zu viel des Guten, wenn man China jetzt auch noch die Daumenschrauben ansetzt, damit das Land sich dem Willen Trumps beugt. Es ist weitaus wahrscheinlicher, dass es zu einer Neuverhandlung des Handelsabkommens kommt. 5 Einwanderung Die Parallelen zur isolationistischen Periode werden nicht nur im Hinblick auf China deutlich. Sie fallen am stärksten ins Auge, wenn man bedenkt, welche Ansichten Trump hinsichtlich der Einwanderung vertritt. So möchte er „Mexiko dazu zwingen, für den Bau einer Grenzmauer zu zahlen“. Im Laufe der Geschichte wurden schon immer Mauern gebaut, um Regionen abzutrennen und / oder zu schützen – mit unterschiedlichem Erfolg. In den meisten Fällen wurden diese Mauern jedoch überflüssig, da die Menschen einen Weg fanden, diese zu umgehen. Die legale Einwanderung sollte gefördert werden, denn ohne sie hätten die USA nie ihre Größe erlangt. Die illegale Einwanderung dagegen muss kontrolliert werden. Bei diesem Thema hat Trump im Zuge seiner Kampagne einen etwas milderen Ton angeschlagen. Wenn er diese Angelegenheit richtig handhabt, könnte die US-Wirtschaft langfristig profitieren. Kurzfristig besteht jedoch die Gefahr, dass bestimmte Sektoren, die von günstigen Arbeitskräften abhängig sind (darunter der Einzelhandel sowie Bau und Landwirtschaft), beeinträchtigt werden. Die Wirtschaft wird darunter leiden, wenn man das Angebot an Arbeitskräften austrocknet – und gibt es wirklich USamerikanische Arbeitnehmer, die zur Verrichtung dieser Arbeiten bereit sind? Vorerst wird vielfach die Meinung vertreten, dass Investitionen in mexikanische Zement- und Bauunternehmen nun Zukunftspotenzial haben – auch wenn die Mauer, über die Trump spricht, nicht aus Ziegel und Mörtel bestehen wird, sondern aus zahlreichen Handelsabkommen und Visa. Gesundheit Das Gesundheitswesen war ein weiteres heißes Thema im Vorfeld der Wahlen. Trump beharrte hartnäckig auf seinem Standpunkt, dass der „Affordable Care Act“ (ACA) zurückgenommen und durch ein anderes Gesetz ersetzt werden sollte. In Anbetracht der Kosten in Höhe von 400 Mrd. US-Dollar stehen die Chancen schlecht, dass er für diese Forderung Rückendeckung erhält. Wahrscheinlicher ist es, dass die sogenannte „Cadillac-Steuer“ für besonders großzügige Versicherungspolicen vom Tisch kommt. Die Ungewissheit hinsichtlich der Zukunft des „Affordable Care Act“ könnte jedoch negative Auswirkungen auf Krankenhäuser und das Managed-Care-System haben, wenn die angebotenen Behandlungen nicht mehr abgedeckt werden. Im Gegensatz dazu blickt der Pharma- und Biotechnologiesektor einer erfreulicheren Zukunft entgegen. So unterstützt Trump die Regierung bei ihren Verhandlungen der Arzneimittelpreise gemäß Teil D der Medicare-Krankenversicherung (Medicare Part D). Zudem spricht er sich für die Einfuhr von Arzneimitteln und aggressive Steuerreformen aus. Leaders’ Perspectives – September 2016 Wirtschaft und Märkte – „Nichts ist so unsicher wie geglaubte Sicherheit“ (Robert Burns) In der Vergangenheit waren die Republikaner gegenüber dem Aktienmarkt freundlich eingestellt und sprachen sich für mehr Wachstum, eine starke Verteidigung, große Pharmaunternehmen („Big Pharma“), eine geringere Regulierung und einen ausgewogenen Haushalt aus. Wie oben erörtert, hat Trump bereits gezeigt, dass er etwas andere Ansichten vertritt. So befürwortet er eine Steuerreform sowie eine handels- und einwanderungsfeindliche Politik und möchte den „Affordable Care Act“ abschaffen. Dies könnte für die Unternehmen und die Binnenwirtschaft als Ganzes in gewisser Weise positiv sein. Jedoch ist „nichts so unsicher wie geglaubte Sicherheit“ – und da Trump unberechenbar ist, dürfte er für Unsicherheit auf den Märkten sorgen. Wir sind bereits darauf eingegangen, dass wir in vielen Bereichen nur wenig darüber wissen, welche Ansichten Trump vertritt. Sein instinktives und sprunghaftes Wesen dürfte auf den Märkten Nervosität hervorrufen. In diesen weltweit unsicheren Zeiten könnte sich aber auch das Gegenteil als wahr erweisen: Möglicherweise werden sich die Märkte in Selbstzufriedenheit wiegen und abwarten, was passiert, bevor sie voreilige Schlüsse ziehen. Ein Wahlsieg Trumps dürfte den US-Dollar zunächst stärken, wenn die Währung in einer Phase der geringen Risikobereitschaft zugekauft wird. Dies stellt für den Dollar jedoch auch ein Bullen-Szenario dar, da der Protektionismus das Produktionspotenzial verringert und eine höhere Inflation zur Folge hat. Zudem hat er ab einem bestimmten Wachstumsniveau zur Folge, dass die US-Notenbank im Vergleich zur Ausgangslage aggressiver vorgeht. Hinzu kommt, dass nahezu Vollbeschäftigung herrscht und hohe öffentliche Ausgaben für den Bau von Infrastrukturen getätigt werden. Dadurch werden Löhne und Inflation nach oben getrieben. Wenn das Wachstum hingegen in anderen Bereichen der Wirtschaft implodiert, kommt es möglicherweise lediglich zu einer großen Beschäftigungsverlagerung hin in den Bausektor. Eine große Sorge besteht darin, ob die Äußerungen Trumps hinsichtlich der Rückkehr zum Goldstandard ernstzunehmen sind. Trump wird mit folgenden Worten zitiert: „Eine Rückkehr zum Goldstandard wäre schwierig, aber wunderbar. Auf diese Weise hätten wir einen Standard, mit dem wir unsere Währung decken könnten.“ Man kann nur hoffen, dass er diese Aussage nicht ernst gemeint hat. Ist es möglich, dass es Trump entgangen ist, dass sich die Welt seit nahezu einem Jahrzehnt in einem rezessiven Wirtschaftsumfeld befindet? Theoretisch sprechen folgende Argumente für einen Goldstandard, mit dem der US-Dollar an den Goldpreis gebunden wird: Es würde verhindert werden, dass die US-Notenbank in übermäßigen Mengen Geld druckt. Zudem könnte die Inflation auf einem niedrigen Niveau gehalten werden, was die Verteuerung der Verbraucherpreise ausbremst. Die Ölpreise würden eine Stabilisierung erfahren und Gold würde seinen weltweit anerkannten Wert selbstverständlich beibehalten. Vieles hiervon ist in Anbetracht des aktuellen Wirtschaftsumfelds jedoch überflüssig. Wenn die Zentralbanken nicht in der Lage gewesen wären, die Geldpresse anzuwerfen, wäre die globale Finanzkrise zweifellos schlimmer verlaufen. Tatsächlich ist es teilweise (wenn nicht gänzlich) der quantitativen Lockerung zu verdanken, dass die US-Wirtschaft offensichtlich eine Kehrtwende vollzieht. Darüber hinaus schreit die Wirtschaft angesichts der historischen Tiefststände nach Inflation. Die Idee, die Inflation zu senken, ist deshalb absurd. 6 Leaders’ Perspectives – September 2016 Trumps Erinnerungsvermögen scheint in dieser Hinsicht eher kurzfristiger Natur zu sein, denn man muss nicht einmal 100 Jahre zurückblicken, um sich anzuschauen, welche katastrophalen Folgen die Einführung des Goldstandards hatte. Der Standard hielt sich gerade mal ein Jahrzehnt, danach war die Ordnung wieder hergestellt. Die Auswirkungen auf den Aktienmärkten werden unterschiedlich ausfallen. Die Infrastruktur dürfte zu den klaren Gewinnern zählen, insbesondere Straßen, Brücken, Flughäfen sowie Sektoren, die von den Fusionen und Übernahmen sowie von der Branchenkonsolidierung profitieren, für die sich Trump ganz besonders begeistert. Der Finanzsektor würde von einer Lockerung der Dodd-Frank-Vorschriften profitieren. Auch der Verteidigungssektor dürfte einen Aufschwung erfahren. Unter anderem dürften auch die Sektoren Nicht-Basiskonsumgüter, Basiskonsumgüter, Telekommunikation, Energie und Bergbau gut abschneiden. Für den US-Anleihemarkt wäre ein Wahlsieg Trumps aufgrund des Anstiegs der Break-evenInflationsraten wahrscheinlich keine erfreuliche Nachricht. Die von ihm vorgeschlagenen Maßnahmen würden insbesondere zu hohen Haushaltsdefiziten führen, was wiederum eine gewisse Versteilerung der Zinskurve zur Folge hätte. Darüber hinaus gab Trump einige besorgniserregende Kommentare über ein mangelndes Engagement bei der Schuldentilgung ab. Sollte es erneut zu einem bedeutenden globalen Ereignis (wie der Finanzkrise) kommen, könnte dies zur Folge haben, dass die Inlandsschulden getilgt werden, die Auslandsschulden jedoch weiterhin bestehen bleiben. Könnte dies Investoren abschrecken? Dies wäre insbesondere deshalb bedauerlich, weil die Emission von USStaatsanleihen voraussichtlich deutlich ansteigen würde, um die zahlreichen kostspieligen Vorschläge zu finanzieren, während gleichzeitig immer größere Löcher in das US-Defizit gerissen werden. POTENZIELLE AUSWIRKUNGEN EINER PRÄSIDENTSCHAFT TRUMPS AUF SCHLÜSSEL- UND TEILSEKTOREN Sektor Teilsektor Trump Industrie Verteidigung Verlagerung der Verteidigungsausgaben weg von Auslandseinsätzen und hin zum inländischen Aufbau und F&E Gesundheit Gesundheits-dienstleister, Versicherer und Krankenhäuser Für die Aufhebung des „Affordable Care Act“ Pharma und Biotechnologie Technologie Technologie Gegen Handelsabkommen (einschließlich jener, die den Schutz geistigen Eigentums und Halbleiter betreffen) Nicht-Basiskonsumgüter Medien Förderung von Fusionen und Übernahmen durch die Liberalisierung der Kartell- und Wettbewerbspolitik sowie durch die Liberalisierung der Vorschriften zum Medieneigentum. Hotels und Restaurants Kfz-Zulieferer Förderung US-amerikanische Hersteller von Automobilkomponenten im Zuge einer insgesamt skeptischen Einstellung gegenüber dem Handel. Basiskonsumgüter Getränke und Tabak Gegen eine stärkere Regulierung von Cola- / zuckerhaltigen Getränken und Tabak Energie Fossile Brennstoffe Für eine Regierungspolitik und gesetzliche Vorschriften zugunsten fossiler Brennstoffe. Für einen aggressiveren Export von Öl und Flüssigerdgas (LNG) Finanzsektor Banken Für eine Lockerung der Dodd-Frank-Vorschriften; Freistellung kleinerer und mittelständischer Banken. Telekommunikation Drahtlose Telekommunikation Für die Aufhebung der herkömmlichen Entgeltregulierung. Gegen die Regulierung des Breitbandnetzes als öffentliche Einrichtung. Innovative Telekommunikationsunternehmen Gegen die Besteuerung von Internetverkäufen Versorger Grundstoffe Elektrizitäts- und Gasversorgungs-unternehmen Erneuerbare Energien Gegen eine Regierungspolitik zugunsten von Solarenergie, alternativen Energien und sauberen Technologien. Metalle und Bergbau Förderung eines verstärkten Rohstoffabbaus, auch auf bundesstaatlichem Gebiet, mit einer geringeren Regulierung. Landwirtschaft Geringeres Arbeitskräfteangebot im Niedriglohnsektor infolge eines harten Vorgehens gegen illegale Einwanderer. Infrastruktur Quelle: Columbia Threadneedle. Stand: 2016. 7 Gewinner Leaders’ Perspectives – September 2016 Währungen Es gibt drei Bereiche, durch die der US-Dollar beeinträchtigt werden könnte: 1. Repatriierung (Rückführung von Kapital): Eine Wiederholung des „Homeland Investment Act“ von 2004 ist unter Trump wahrscheinlicher, da dieser von einer einmaligen Repatriierungssteuer in Höhe von 10 % sprach (diese erscheint jedoch nicht unter der „Economic Vision“ auf seiner Kampagnen-Website). Das in Übersee gehaltene Kapital von US-Unternehmen beläuft sich schätzungsweise auf 2 Bio. US-Dollar. Für den USDollar wäre dies jedoch nur dann positiv, wenn a) das Geld wieder in die USA transferiert wird oder b) das Kapital nicht in Vermögenswerten gehalten wurde, die auf US-Dollar lauten, in Dollar denominiert oder in Dollar abgesichert sind, und deshalb umgetauscht werden müsste. Da die Unternehmen dazu tendieren, die Zusammensetzung ihres Vermögens nicht offenzulegen, ist die Datenlage lückenhaft. Der Großteil der Vermögenswerte, die offengelegt wurden, werden jedoch in US-Dollar gehalten. Deshalb läge die Höhe des zurückgeführten Kapitals weit unter 2 Bio. US-Dollar. Trotzdem könnte sich dies für den Dollar als positiv erweisen. Nach dem Erlass des Homeland Investment Act 2004 (HIA) wurden 2 % des BIP zurückgeführt. DER GROSSTEIL DER IN ÜBERSEE GEHALTENEN GEWINNE KONZENTRIERT SICH AUF EINE KLEINE ANZAHL AN UNTERNEHMEN: 50 % DER 2–2,5 BIO. USD WERDEN VON 15 UNTERNEHMEN GEHALTEN 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0 100% 80% In Übersee gehaltene Gewinne einzelner Unternehmen (in Mrd. USD, links) In Übersee gehaltene kumulierte Gewinne (% der Gesamtsumme, rechts) 25 50 75 100 125 150 175 200 225 250 275 300 Anzahl der Unternehmen 60% 40% 20% 0% Quelle: JP Morgan, CTJ, „Form 10-K“ (Jahresbericht in standardisierter Form) einzelner Unternehmen, Hinweis: Der schwarze Balken steht für die 13 Unternehmen, die nachfolgend ausführlicher beleuchtet werden und insgesamt rund die Hälfte ausmachen. 2. Handel: Voraussichtlich wird es zu einem verstärkten Protektionismus durch die Einführung von Zöllen kommen. Dies wird sich am deutlichsten in einer Verringerung des Handelsdefizits niederschlagen und somit auch zu einer Senkung des Leistungsbilanzdefizits führen. Traditionell würde dies mit einer starken Währung einhergehen. Der Rückgang des Leistungsbilanzdefizits würde auch die Menge der im Ausland verfügbaren US-Dollar senken. Hierdurch würden Volkswirtschaften mit hohen, in US-Dollar denominierten Verbindlichkeiten unter Druck geraten. Dies hätte einen doppelten Negativeffekt für Länder, die viel in die USA exportieren und hohe Verbindlichkeiten in USDollar aufweisen. Deshalb gehen wir davon aus, dass der US-Dollar gegenüber Ländern wie Mexiko und China extrem gut abschneiden würde. Der Kontrapunkt hierzu wäre, dass die USA bei einer Präsidentschaft Trumps als Kapital- und Investitionsstandort an Attraktivität verlieren würden – und Währungen wie Euro und Yen voraussichtlich besser abschneiden würden als der US-Dollar. Insgesamt würde die Handelspolitik von Trump die Währungen jener Länder beeinträchtigen, die in erster Linie Waren in die USA exportieren (hauptsächlich die Schwellenländer). Profitieren würden Länder, die Kapital / Investitionen in die USA exportieren (die Industrienationen). Um eine historische Perspektive einzunehmen: Eine solche Entwicklung haben wir Anfang der 2000er Jahre erlebt, als Europa Stahl-Zölle auferlegt wurden, sowie Mitte der 1990er Jahre, als Japan mit AutoZöllen belegt wurde. 3. Fiskalische Expansion: Die Globalisierung scheint das Trendwachstum erhöht zu haben. Deshalb könnte man annehmen, dass Handelsschranken das Gegenteil bewirken würden. Bei der von Trump vorgeschlagenen fiskalischen Expansion wird ein niedrigeres Trendwachstum in einer Volkswirtschaft, die sich bereits der Vollbeschäftigung nähert, die Inflation wahrscheinlich rasant ansteigen lassen und zudem eine Reaktion der US-Notenbank auslösen. Dies hätte eine Aufwertung des US-Dollar zur Folge. Dieser würde auch von dem Anstieg der langfristigen Renditen profitieren, der mit einer fiskalischen Expansion in dieser Größenordnung einhergehen würde. In Wirklichkeit wird Trump in seiner Handlungsfähigkeit vermutlich eingeschränkt sein, weil er keine Kontrolle über den Kongress hat. Deshalb dürfte er nicht in der Lage sein, alle der oben genannten Maßnahmen umzusetzen – oder bestenfalls in einer stark abgespeckten Version. In den USA würde wahrscheinlich erneut eine Phase des politischen Stillstands beginnen, und die politische Unsicherheit hätte zur Folge, dass die US-Notenbank in den Hintergrund tritt. Dies würde dazu führen, dass sich der US-Dollar abschwächt und auf den Märkten eine Phase der geringen Risikobereitschaft einsetzt. 8 Leaders’ Perspectives – September 2016 Fazit Es ist unwahrscheinlich, dass vor dem Ablauf von zwölf Monaten wichtige Rechtsvorschriften durchgesetzt werden, denn der Wahlsieger wird sein Amt erst im Januar antreten und muss Behördenleiter ernennen und deren Bestätigung erhalten. Beispielsweise steht die Ernennung eines neuen Richters für den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten an. Die gängige Meinung ist jedoch, dass die wichtigen Errungenschaften eines Präsidenten in den ersten zwei Jahren seiner Amtszeit erzielt werden sollten. Danach wird es viel schwieriger, 9 Rechtsvorschriften durchzusetzen, da sich schon die nächsten Präsidentschaftswahlen am Horizont abzeichnen. Selbstverständlich könnten bei einem Wahlsieg Trumps die ersten zwei Jahre seiner Amtszeit davon geprägt sein, dass die Verlierer bestraft werden und die Kongressabgeordneten die Glaubwürdigkeit ihrer konservativen Grundsätze unter Beweis stellen. Trump hätte als Präsident jedoch auch Spielraum, um echte Veränderungen herbeizuführen, die vernünftig und ausgewogen sind. Ob dies geschieht, bleibt abzuwarten. Mehr erfahren Sie unter COLUMBIATHREADNEEDLE.COM Wichtige Informationen: Nur für professionelle und/oder qualifizierte Anleger (Nutzung durch oder Weitergabe an Privatkunden verboten). Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist kein Hinweis auf die künftige Wertentwicklung. Der Wert der Anlagen und etwaige Einkünfte daraus sind nicht garantiert und können sowohl steigen als auch fallen sowie von Wechselkursveränderungen beeinflusst werden. Das bedeutet, dass ein Anleger unter Umständen den ursprünglich angelegten Betrag nicht zurückerhält. Diese Veröffentlichung dient lediglich der Information und stellt kein Angebot zum Kauf von Wertpapieren oder anderen Finanzinstrumenten noch eine Anlageberatung und eine Investmentdienstleistung dar. Das Research sowie die Analysen, auf die hier Bezug genommen wird, wurden von Columbia Threadneedle Investments im Rahmen des eigenen Anlagenverwaltungsgeschäfts durchgeführt, und die Ergebnisse derselben sind möglicherweise bereits vor der Veröffentlichung dieser Informationen genutzt worden und werden hier lediglich als Hintergrundinformationen zur Verfügung gestellt. Alle zum Ausdruck gebrachten Meinungen entsprechen dem Stand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung, können jedoch ohne Benachrichtigung geändert werden. Informationen aus externen Quellen werden zwar als glaubwürdig angesehen, für ihren Wahrheitsgehalt und ihre Vollständigkeit besteht jedoch keine Gewähr. 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