Folien zu Fall 2

Übungen im Obligationenrecht
Besonderer Teil
Fall 2 – Hilfe unter «Expats»
Donnerstag, 26. Februar 2015
Jean-Marc Schaller
www.rwi.uzh.ch/huguenin
Fall 2 – Hilfe unter «Expats»
Ausgangs-Sachverhalt (Skizze)
Übungen OR BT – Fall […]
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Fall 2 – Hilfe unter «Expats»
Frage 1: Qualifikation des Vertrags vom 15. Januar 2014
− Darlehen?
– Rechtsgrundlage: Art. 312 ff. OR
– i.c. keine Rückerstattungspflicht.
− Schenkung?
−
−
Rechtsgrundlage: Art. 239 ff. OR
Legaldefinition in Art. 239 OR:
− Unter Lebenden vs. Verfügung von Todes wegen.
− Subjektiv: Schenkungsabsicht und Wille, Schenkung zu empfangen.
− Zuwendung: Bereicherung des Gegenübers aus dem Vermögen des Schenkers
(Entreicherung) ohne entsprechende Gegenleistung?
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Fall 2 – Hilfe unter «Expats»
Frage 1: Qualifikation des Vertrags vom 15. Januar 2014
− Gemischte Schenkung oder Schenkung mit Auflage?
– Gem. Schenkung: teilentgeltliches Geschäft (bewusste u. gewollte
Leistungsinäquivalenz); Abwandlung verkehrstypischer (vollentgeltlicher)
Geschäfte /vs./ Auflage: Art. 245 OR; Charakter der Unentgeltlichkeit.
– Hier: Nichterhöhung Mietzinse = (teilentgeltliche) Gegenleistung?
−
−
Auferlegtes Verhalten selbst mit Vermögenswert nicht zwingend Gegenleistung,
selbst wenn im Zusammenhang mit Schenkung stehend.
James auferlegt Patrick ein Verhalten gegenüber Dritten ohne eigenes
vermögenswertes Interesse (keine Wertschöpfung zugunsten des Schenkers).
Zudem Hauptmotiv = finanzielle Unterstützung von Patrick.
– Ferner: keine Bedingung i.S.v. Art. 245 Abs. 1, sond. selbst. Verpflichtung
Auflage; Inhalt und Dauer (10 Jahre) zulässig (Art. 19/20 OR i.V.m. Art. 27
Abs. 2 ZGB)
Schenkung (schriftliches Schenkungsversprechen) mit Auflage
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Fall 2 – Hilfe unter «Expats»
Frage 2: Qualifikation des Rechts (Gestaltungsrecht oder
«Einrede»)
− Einschlägige Normen: Art. 249-251 OR.
− Noch nicht vollzogenes Schenkungsversprechen: Art. 250 Abs. 1 Ziff.1
OR mit Verweis auf Art. 249 OR.
– Art. 249 Ziff. 3 OR: «… wenn er die mit der Schenkung verbundenen
Auflagen in ungerechtfertigter Weise nicht erfüllt».
– Rechtsfolge (Art. 250 OR, Ingress): «… kann der Schenker das
Versprechen widerrufen und dessen Erfüllung verweigern?»
Gem. SV ist die ungerechtfertigte Nichterfüllung der Auflage durch Patrick denn
auch das Motiv von James’ geltend gemachter Rechtsposition.
– Gesetzeswortlaut widersprüchlich: «Widerruf» (vgl. Marginalie) bzw.
«widerrufen» versus «kann … Erfüllung verweigern».
Widerruf/widerrufen = üblicherweise rechtsaufhebendes Gestaltungsrecht.
Kann/Verweigern“ = üblicherweise Leistungsverweigerungsrecht («Einrede»).
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Fall 2 – Hilfe unter «Expats»
Frage 2: Qualifikation des Rechts (Gestaltungsrecht oder
«Einrede»)
a) So funktioniert das rechtsaufhebende Gestaltungsrecht (-> Einwendung):
Anspruch (Recht)
Rechtsaufhebendes
Gestaltungsrecht
-> führt zu einer
rechtsaufhebenden
Einwendung
b) So funktioniert die «Einrede» (Leistungsverweigerungsrecht):
Anspruch (Recht)
Einrede (Gegenrecht /
Leistungsverweigerungsrecht)
Durchsetzung des Anspruchs gehemmt (Recht
und Gegenrecht neutralisieren sich)
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Fall 2 – Hilfe unter «Expats»
Frage 2: Qualifikation des Rechts (Gestaltungsrecht oder
«Einrede»)
− «Widerruf» eines Schenkungsversprechen keine Einrede, sondern ein
rechtsaufhebendes Gestaltungsrecht:
– Gesetzestext: «F. Aufhebung der Schenkung» (Übertitel zu Art. 249-252 OR) sowie
«II. Widerruf und Hinfälligkeit des Schenkungsversprechen (Marginalie zu Art. 250
OR)».
– Systematik: Art. 250 zählt zur Gliederungsebene, welche die Marginalie «F.
Aufhebung der Schenkung» definiert.
– (ferner: Entstehungsgeschichte der Norm).
− Rechtsfolge:
– Widerruf führt zu Auflösung Schenkungsversprechen «ex nunc»: Der Schenker kann
einwenden, der geltend gemachte Anspruch des Beschenkten sei erloschen =
rechtsaufhebende Einwendung.
– Im Gegensatz dazu genügt es nicht, dass der Schenker seine Leistung «bloss»
verweigert, da kein Leistungsverweigerungsrecht vorliegt. Vielmehr bedarf es der
rechtskonformen Geltendmachung des Gestaltungsrechts (Widerrufs).
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Fall 2 – Hilfe unter «Expats»
Frage 3: Ist der Vertrag vom 15. Januar 2014 aufgelöst?
− Geltendmachung eines Gestaltungsrechts mittels:
– einseitiger,
– empfangsbedürftiger,
– Willenserklärung.
− James hat Brief an Notar Häni adressiert. Notar Häni ≠ korrekter Adressat, da:
– ≠ Partei des Schenkungsvertrags;
– ≠ (passiver) Stellvertreter von Patrick.
− Korrekter Adressat: Patrick (Gegenpartei/Beschenkter). Deshalb:
Kein rechtsgültiger Widerruf des Schenkungsversprechens. Letzteres hat nach
wie vor Bestand. James schuldet Patrick CHF 2 Mio.
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Frage 4: Was unternehmen Sie als Anwältin/Anwalt?
− Art. 251 OR: Widerruf innert Jahresfrist.
– Beginn Fristenlauf bei Kenntnis des Widerrufsgrunds.
– Keine Verjährungs- sondern Verwirkungsfrist, denn Gestaltungsrechte sind im
Gegensatz zu (schuldrechtlichen) Ansprüchen unverjährbar
– Im Unterschied zur Verjährung (vgl. Art. 142 OR) beachtet der Richter
die Verwirkung von Amtes wegen.
− Hier («in casu»):
−
−
25. Februar 2014 = James nimmt Kenntnis vom Widerrufsgrund.
25. Februar 2015 = Fristende (vgl. Art. 132 II / Art. 77 (3) OR).
Widerruf: Eingang eingeschriebener Brief bei Patrick
spätestens am 25. Februar 2015 (= gestern Mittwoch).
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Fall 2 – Hilfe unter «Expats»
Frage 5: Vertragskonforme Erfüllung vs. Verpflichtung
− Prämisse: Widerruf fristgerecht erfolgt (d.h. spätestens am 25. Feb. 2015 bei
Patrick eingegangen). Daher:
Schenkungsversprechen wurde rechtsgültig widerrufen.
James ist nicht (mehr) verpflichtet, die CHF 2 Mio. an Patrick zu überweisen.
Es bedürfte einer Neubegründung des Schenkungsversprechens.
Anders wäre es bei einer «Einrede», da sie nur die Durchsetzbarkeit hemmt
(Recht vs. Gegenrecht). Daher wäre bei Wegfall des Einredegrunds (hier:
Erfüllung der zuerst nicht ordnungsgemäss erfüllten Auflage) der Anspruch
wieder uneingeschränkt durchsetzbar.
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