Erste Worte

editorial
Erste Worte
D
iesen Sommer fanden große
internationale Sport-Veranstaltungen statt, in denen
Menschen aus Europa respektive
der ganzen Welt zusammen kamen, um sich im Wettkampf zu
messen oder um jeweilige Mannschaften oder einzelne Sportler zu
unterstützen. Wenn unterschiedliche Kulturen aufeinander treffen,
ist es hilfreich, wenn Zeichen verwendet, die möglichst von vielen
Personen verstanden werden. Als
die Olympischen Spiele 1972 in
München stattfanden, wurden erstmals Pictogramme verwendet, um
die Orientierung für alle Besucher
zu erleichtern. Seitdem erleichtern Pictogramme im öffentlichen
Raum den Alltag.
Neben diesen fröhlichen und
bunten Ereignissen gab es auch
solche, in denen sich Menschen
nicht freiwillig auf den Weg machten. Zu Beginn des Jahres 2016
migrierten viele Menschen nach
Deutschland – sie flohen vor Terror und Krieg. Dabei nahmen
sie äußerst beschwerliche und
lebensgefährliche Wege auf sich.
Die Folge davon war, dass sich
teilweise das Umfeld recht kreativ auf die geflohenen Menschen
einstellte – um sprachliche Barrieren zu überwinden. Wenn keine
gesprochene Sprache zur Verfügung steht, bedarf es einer Form,
die für viele Klarheit schafft und
Missverständnisse zu vermeiden
versucht. In Deutschland gab es
ähnliche Migrationsbewegungen
ab den 1970ern, als die ersten so
genannten Gastarbeiter aus Südund Südosteuropa angeworben
wurden, um in Deutschland zu
arbeiten. Für die Integration von
Menschen mit Migrationshintergrund hielt man viele Jahre das
Unterstützte Kommunikation 3/2016
Beherrschen der deutschen Sprache als unabdingbar. Was ist aber,
wenn man nicht über Lautsprache
verfügt, in der Schule deutsch und
zu Hause eben nicht deutsch gesprochen wird?
In der vorliegenden Ausgabe wollen wir das Spannungsfeld aufzeigen, in welchem Formen von UK
unterstützend und hilfreich sein
können. Einerseits für Menschen,
die vor Krieg und Terror geflohen
sind, die aber auch z. B. nicht englisch oder französisch sprechen und
verstehen. Mehrsprachig aufgewachsene Personen ohne Lautsprache, in deren privatem Umfeld kein
deutsch gesprochen wird, sind eine
weitere Zielgruppe dieses Hefts.
Zunächst erläutern Kathrin Huxel und Jana Gamper allgemeine
theoretische Vorüberlegungen zu
Mehrsprachigkeit und Deutsch
als Zweitsprache im Allgemeinen.
Im Anschluss daran beleuchtet
Annekatrin Kelz die Zielgruppen
Unterstützter Kommunikation im
Kontext von Mehrsprachigkeit. Stefanie K. Sachse und Lena Schmidt
zeigen in Ihrem Artikel auf, wie
der Erwerb der englischen Sprache mit Kernvokabularmaterialien
im schulischen Kontext gestaltet
werden kann.
Der Artikel von Nina Fröhlich beschäftigt sich mit dem Einsatz der
GoTalk Now-App bei mehrsprachigen Kindern mit UK-Bedarf.
Katja Lauther berichtet uns über
den Einsatz von Beschilderung und
Kommunikationstafeln in Flüchtlingsheimen. Der Themenbereich
der Mehrsprachigkeit wird abgerundet durch einen Beitrag von Sabine
Louise, die als Mutter eines unterstützt kommunizierenden Sohnes
berichtet, der bilingual aufwächst.
Die vorliegende Ausgabe enthält
außerdem einen Beitrag von Claudio Castaneda und Monika Waigand, die das Thema Modelling in
der Unterstützten Kommunikation
in den Fokus rücken.
Im Praxisteil stellen uns Pia Bongard u. a. das P.U.M.U.K.L. - Projekt vor.
Des Weiteren wird auf eine Handreichung und Videos zum Thema
Augensteuerung hingewiesen
(Claudia Nuß) und eine Rezension
des neuen Buches von Susanne
Wachsmuth (Bärbel Weid-Goldschmidt) und ein Leserbrief zur
Rezension der letzten Ausgabe
über das Buch „Zielgruppen“ von
Bärbel Weid-Goldschmidt (Sonja
Fucks) präsentiert.
Wie immer sind die Inhalte der
Ausgabe bunt gemischt – genau
wie die Meinungen und Kontroversen zum Thema „Mehrsprachigkeit“, bei denen Menschen
mit UK-Bedarf noch viel zu selten
beachtet wurden.
Mehrsprachigkeit und Migration
sind keine Einzelphänomene –
es gibt genügend Beispiele von
gelungener Integration von Menschen, deren Muttersprache nicht
deutsch ist. Ein Blick in die deutsche Fußballnationalmannschaft
spiegelt die Vielfalt der deutschen
Gesellschaft wider. Und wer hätte
nicht gerne einen Welt- und (fast!)
Europameister als Nachbarn – egal,
wie dessen Nachname lautet!
Für die Redaktion
Igor Krstoski
und Karolin Schäfer
3