Helaba Volkswirtschaft/Research IMMOBILIENREPORT 19. September 2016 Deutscher Wohnungsmarkt im Fokus AUTOR Dr. Stefan Mitropoulos Telefon: 0 69/91 32-46 19 [email protected] REDAKTION Dr. Gertrud R. Traud HERAUSGEBER Dr. Gertrud R. Traud Chefvolkswirt/Leitung Research Landesbank Hessen-Thüringen MAIN TOWER Neue Mainzer Str. 52-58 60311 Frankfurt am Main Telefon: 0 69/91 32-20 24 Telefax: 0 69/91 32-22 44 Die Preise für deutsche Wohnimmobilien steigen seit etwa sieben Jahren. Ein Ende des Aufwärtstrends ist derzeit nicht absehbar. Fundamentale Faktoren, aber auch Niedrigzins und Anlagenotstand treiben die Preise (S. 2). Die Nachfrage nach Wohnimmobilien bleibt hoch. Dazu tragen die ausgeprägte Binnenwanderung in die Wachstumszentren, aber auch eine weiterhin hohe Zuwanderung von außen bei (S. 3). Die Bautätigkeit reagiert auf die Knappheit an Wohnraum, aber viel zu langsam. Wesentliche Hemmnisse gehen vom staatlichen Handeln aus (S. 4). 1 Auf einen Blick ........................................................................................................................... 1 2 Ausgewählte Immobilienanalysen ............................................................................................ 2 2.1 Aufschwung, Überhitzung oder Blase? .................................................................................. 2 2.2 Nachfragedruck am Wohnungsmarkt bleibt hoch ................................................................... 3 2.3 Wohnungsbauaktivität weiter unzureichend ........................................................................... 4 1 Auf einen Blick Sie steigen und steigen und steigen… Preisindex für deutsche Wohnimmobilien, umbasiert 2000 = 100 135 135 Neubau 130 125 130 gesamt 120 120 115 Die Publikation ist mit größter Sorgfalt bearbeitet worden. Sie enthält jedoch lediglich unverbindliche Analysen und Prognosen zu den gegenwärtigen und zukünftigen Marktverhältnissen. Die Angaben beruhen auf Quellen, die wir für zuverlässig halten, für deren Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität wir aber keine Gewähr übernehmen können. Sämtliche in dieser Publikation getroffenen Angaben dienen der Information. Sie dürfen nicht als Angebot oder Empfehlung für Anlageentscheidungen verstanden werden. 125 Bestand 115 110 110 105 105 100 100 95 95 90 90 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 Quellen: Statistisches Bundesamt, Helaba Volkswirtschaft/Research Nach jahrelanger Flaute sind die deutschen Hauspreise etwa um das Jahr 2010 zum Leben erwacht. Dies bestätigen die offiziellen Daten der amtlichen Statistik, aber auch eine Reihe anderer Indikatoren. Der Anstieg von im Bundesdurchschnitt bis zu 5 % pro Jahr setzt sich bis zuletzt fort, wobei die Dynamik – wenig überraschend – bei Neubauten kräftiger ausfällt als im Bestand. Im internationalen Vergleich ist Deutschland damit keineswegs Spitzenreiter. Beispielsweise in Schweden ist die Hauspreisinflation viel höher. Die nationalen Durchschnittswerte sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Preisanstieg in den großen Ballungsräumen Deutschlands teilweise doppelt so hoch ausfällt. H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 1 9 . S E P T E M B E R 2 0 1 6 · © H E L A B A 1 IMMOBILIENREPORT 2 Ausgewählte Immobilienanalysen 2.1 Aufschwung, Überhitzung oder Blase? Die Preise für deutsche Wohnimmobilien steigen seit Jahren und ein Ende des Aufwärtstrends ist nicht absehbar. Handelt es sich dabei noch um einen „normalen“ Aufschwung oder baut sich hier die nächste Blase auf? Kaum waren die Preise für deutsche Wohnimmobilien 2010 endlich in Schwung gekommen, kam bald schon die Frage nach dem Entstehen einer Immobilienblase auf. Offensichtlich haben sich die folgenschweren Geschehnisse an vielen ausländischen Wohnungsmärkten vor und während der jüngsten Finanzkrise tief in das Bewusstsein der Marktteilnehmer eingegraben. Während allerdings die Hauspreise in den USA, in Großbritannien, Spanien und Irland im Vorfeld der Finanzkrise explodiert waren, tat sich hierzulande wenig. Allzu gerne wird daher darauf hingewiesen, dass sich ein hoher Nachholbedarf bei den deutschen Hauspreisen aufgestaut hätte. Dieses Argument verkennt, dass es sich in den genannten Auslandsmärkten um einen primär kreditgetriebenen Exzess und nicht um eine fundamental gerechtfertigte Entwicklung gehandelt hat. Ebenfalls ins Reich der Mythen gehört die These, der deutsche Markt sei von seiner Natur her wenig(er) zyklisch. Grundsätzlich macht die im internationalen Vergleich recht konservative Finanzierungspraxis diesen Markt zwar weniger anfällig für eine Blasenbildung. Blickt man allerdings weiter in die Vergangenheit zurück, sieht der deutsche Wohnungsmarkt keineswegs langweilig aus: Denn von Ende der 80er bis Mitte der 90er Jahre wurden immerhin durchschnittliche Preissteigerungen von fast 50 % verzeichnet. Auch der deutsche Wohnungsmarkt ist zyklisch! Immobilienblase: Ein viel diskutiertes Thema Hausfinanzierung: Kein kritisches Niveau „Immobilienblase Deutschland“, Suchinteresse in Google Trends* Kredite für Wohnungsbau in Deutschland*, % gg. Vj. 100 100 18 18 90 90 16 16 80 80 14 14 70 70 12 12 60 60 10 10 50 50 8 8 40 40 6 6 30 30 4 4 20 20 2 2 10 10 0 0 0 -2 0 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 *relativ zum höchsten Werte = 100 Quellen: Google Trends, Helaba Volkswirtschaft/Research Überhitzung in Teilmärkten, aber noch keine Immobilienblase -2 70 72 74 76 78 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 00 02 04 06 08 10 12 14 16 *Kredite an inländische Unternehmen und Privatpersonen Quellen: Deutsche Bundesbank, Helaba Volkswirtschaft/Research Im Gegensatz zum Wiedervereinigungsboom und zur Entwicklung vieler ausländischer Wohnungsmärkte sind aber die derzeit steigenden Preise in Deutschland zu einem großen Teil durch die Entwicklung von Angebot und Nachfrage zu erklären (vgl. S. 3-4). Daran dürfte sich mit Blick aufs kommende Jahr ebenso wenig ändern wie am extremen Niedrigzinsumfeld als weiterem Treiber für steigende Hauspreise. Der deutsche Wohnungsmarkt bleibt damit in einem Boom. Während aus nationaler Sicht wegen des Auseinanderdriftens von Angebot und Nachfrage derzeit noch nicht von einer generellen Überhitzung gesprochen werden sollte, dürfte dies in begehrten Teillagen der großen Ballungszentren längst der Fall sein – worauf die Deutsche Bundesbank schon seit längerem hinweist. Als konstituierendes Element einer Immobilienblase in Deutschland fehlt jedoch eine stark expansive Kreditvergabe. So liegt der Bestand an Wohnungsbaukrediten nur 4 % über seinem Vorjahresniveau – ein in der langjährigen Betrachtung und im internationalen Vergleich eher unauffälliger Befund. Durch den (vielleicht noch einige Jahre) anhaltenden Preisanstieg wird der Wohnungsmarkt aber grundsätzlich korrekturanfälliger. Früher oder später mag es dann zwar nicht zum Platzen einer Blase mit einem Preiseinbruch kommen. Wahrscheinlicher ist eine „gewöhnliche“ Korrektur, vielleicht wieder mit jahrelang leicht fallenden oder stagnierenden Preisen wie nach dem Wiedervereinigungsboom. H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 1 9 . S E P T E M B E R 2 0 1 6 · © H E L A B A 2 IMMOBILIENREPORT 2.2 Nachfragedruck am Wohnungsmarkt bleibt hoch Die Nachfrage nach Wohnimmobilien nimmt weiter zu. Die starke Binnenwanderung in die Wachstumszentren und eine weiterhin hohe Zuwanderung von außen tragen hierzu bei. Ob angesichts der inzwischen hohen Immobilienpreise der Trend in die Großstadt anhält, ist fraglich. Die Bevölkerungsentwicklung sorgt immer wieder für Überraschungen. Hatten wir uns nicht gerade daran gewöhnt, dass die Zahl der Einwohner in Deutschland wegen des hohen Geburtendefizits langfristig sinkt? Die Trendwende kam, als die Zuwanderung infolge der Finanzkrise plötzlich nach oben schnellte – auf zwei Jahre mit negativem „Außensaldo“ folgte schon 2010 ein Nettozuzug von fast 130.000 Menschen. Zu der höheren Zuwanderung von Arbeitskräften vor allem aus den Problemländern der europäischen Peripherie und aus Osteuropa kam dann im vergangenen Jahr noch der Flüchtlingsstrom, so dass die Nettozuwanderung mit mehr als 1,1 Mio. Menschen sogar höher ausfiel als Anfang der 90er Jahre. Zwar dürfte die Zahl der Asylsuchenden 2016 weit unter dem Spitzenwert des Vorjahres zurückbleiben. Da die Probleme in den wichtigsten Herkunftsländern in keiner Weise gelöst sind, bleibt der Migrationsdruck nach Europa jedoch hoch – meist mit Ziel Deutschland. Die Nettozuwanderung wird daher auf hohem Niveau bleiben und damit für zusätzliche Wohnungsnachfrage sorgen. Auch kommen viele Asylanten erst nach ihrer Anerkennung auf den „normalen“ Wohnungsmarkt und fragen dann dort ohnehin knappe preisgünstige Wohnungen nach. Hohe Zuwanderung verstärkt Druck auf dem Wohnungsmarkt Kräftige Zuwanderung befeuert Wohnungsnachfrage Kräftiger Bevölkerungsanstieg in den größten Städten Veränderung gegenüber Vorjahr in 1.000 Bevölkerungszuwachs 2013-2015, in 1.000 1200 1200 Berlin 144,8 München 900 900 62,1 Hamburg 53,1 Frankfurt 600 600 44,9 Leipzig 39,6 Köln 300 Nettozuwanderung 300 36,2 25,8 Stuttgart Düsseldorf insgesamt 0 0 18,5 Hannover 18,0 15,8 Essen Geburtendefizit -300 -300 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 Quellen: Statistisches Bundesamt, Helaba Volkswirtschaft/Research 14,1 Dortmund 0 20 40 60 80 100 120 140 160 Quellen: Statistische Landesämter, Helaba Volkswirtschaft/Research Die Mehrzahl der Zuwanderer strebt in die dynamischen Wachstumszentren Deutschlands. Darüber hinaus besteht seit Jahren eine ausgeprägte Binnenwanderung in diese Ballungszentren mit ihren überdurchschnittlichen Beschäftigungschancen. So ist allein im vergangenen Jahr die Zahl der Einwohner in Berlin um rund 50.000, in Hamburg um fast 25.000 und in Frankfurt um 15.000 gestiegen. Die ausgeweitete Wohnungsbauaktivität kann gegen diesen Zustrom – schon wegen der begrenzten Verfügbarkeit von Bauland – nicht ankommen. Die Folge sind zunehmende Engpässe auf dem städtischen Wohnungsmarkt sowie kräftig anziehende Kaufpreise und Mieten. Diese Entwicklung wird sich aber vermutlich nicht dauerhaft fortsetzen. Rein in die Großstadt – wie lange noch? So ist anzunehmen, dass die hohen Preise für immer mehr Wohnungssuchende nicht mehr tragbar sind oder nicht mehr akzeptiert werden. Viele Zuzugswillige werden zwangsläufig ins kostengünstigere weitere Umland der Zentren ausweichen bzw. kleinere Städte den Metropolen vorziehen. Alternativ können sie die hohen Lebenshaltungskosten in den Zentren akzeptieren und sich z.B. mit kleineren Wohnflächen abfinden. Schon jetzt haben auch kleinere Städte an Attraktivität gewonnen, z.B. Universitätsstädte. Dies setzt ein adäquates Angebot an erschwinglichen Wohnimmobilien voraus wie auch eine funktionsfähige Verkehrsinfrastruktur, um etwaige Pendlerzeiten zu begrenzen. Ohnehin relativieren sich Transportkosten und -zeiten für diejenigen, die heute oder künftig zumindest tageweise Teleworking nutzen. Für die Wohnungs- und Regionalpolitik wäre es in vielen Fällen sinnvoller, die Aktivitäten stärker an den Stadt-Umland-Beziehungen auszurichten anstatt die Probleme nur in den Zentren lösen zu wollen. H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 1 9 . S E P T E M B E R 2 0 1 6 · © H E L A B A 3 IMMOBILIENREPORT 2.3 Wohnungsbauaktivität weiter unzureichend Seit Jahren nimmt die Wohnungsbauaktivität in Deutschland zu. Doch immer noch kommen viel zu wenig neue Wohnungen auf den Markt, um die wachsende Nachfrage zu befriedigen. Die Politik diskutiert das Problem zwar, findet aber nicht (immer) die richtigen Lösungsansätze. Die Bauaktivität in Deutschland hat seit dem Tiefststand in den Jahren 2009 und 2010 mit nur knapp 160.000 Wohnungsfertigstellungen deutlich zugelegt. Gegenüber den 247.700 Einheiten im vergangenen Jahr ist dies ein spürbarer Anstieg. Dennoch enttäuschte das Ergebnis 2015, kam es doch trotz der angespannten Lage in immer mehr regionalen Wohnungsmärkten nur zu einem Anstieg der Fertigstellungen von 1 % gegenüber dem Vorjahr. Dem Plus bei den Wohnungsbauinvestitionen von 1,4 % stand im Nicht-Wohnungsbau ein Rückgang in gleicher Größenordnung gegenüber. Die zuletzt sehr positive Entwicklung der Baugenehmigungen lässt aber für 2016 mehr Dynamik erwarten. So wurden im ersten Halbjahr etwa 30 % mehr Wohnungen genehmigt als im Vorjahreszeitraum. Obwohl nicht jede Genehmigung zwangsläufig zur Bautätigkeit führt, ist vor dem Hintergrund des inzwischen beträchtlichen Bauüberhangs mit einem deutlichen Anstieg auch der Fertigstellungen zu rechnen. Vermutlich dürfte aber erst im kommenden Jahr – erstmals seit 2001 – die Marke von 300.000 überschritten werden. Bei einem geschätzten Bedarf von jährlich 350.000 bis 400.000 Wohneinheiten wird die angespannte Situation am deutschen Wohnungsmarkt noch einige Zeit andauern. Dabei bestehen regional erhebliche Unterschiede. Unsere Untersuchungen bestätigen, dass die Bautätigkeit auf regionaler Ebene stark mit der Bevölkerungsent1 wicklung korreliert ist. Genehmigungen sprechen für höhere Bautätigkeit Nur der Wohnungsbau brummt Fertigstellungen in Richtung 300.000 Reale Bauinvestitionen, Q1 2010 = 100 Zahl der Wohnungsfertigstellungen Deutschland*, in 1.000 Einheiten 130 700 700 125 600 600 120 120 500 500 115 115 400 400 110 300 300 105 105 200 200 100 100 100 100 130 Wohnungsbau 125 110 Nicht-Wohnungsbau 95 95 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research Staatliches Eingreifen oft kontraproduktiv 0 0 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 00 02 04 06 08 10 12 14 16 *bis 1992 Westdeutschland Quellen: Statistisches Bundesamt, Helaba Volkswirtschaft/Research Eigentlich sind die Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau derzeit günstig, dank guter Einkommens- und Beschäftigungslage sowie sehr niedriger Hypothekenzinsen, die trotz höherer Hauspreise für viele Interessenten die Erschwinglichkeit von Wohneigentum gewährleisten. Warum aber wird dennoch zu wenig gebaut? Sicher wäre es stark vereinfacht, einer verfehlten Wohnungspolitik alleine die Schuld an der zu geringen Wohnungsbauaktivität zuzuweisen. Insgesamt gehen wir jedoch davon aus, dass das staatliche Eingreifen in den letzten Jahren den Wohnungsbau gebremst hat. Maßnahmen wie die höhere Förderung des sozialen Wohnungsbaus sind wegen des überschaubaren Volumens kaum geeignet, eine größere Wirkung zu erzielen. Die geplante Sonderabschreibung für den Neubau von Mietwohnungen ist zumindest vorläufig gescheitert. Kontraproduktiv wirken die Verteuerung des Bauens durch immer höhere Umweltstandards sowie der kontinuierliche Anstieg von Grund- und Grunderwerbsteuer. Die Mietpreisbremse ist bestenfalls unwirksam und dürfte sich spätestens nach der derzeit diskutierten Verschärfung als Investitionsbremse erweisen. Auch die besonders restriktive Umsetzung der EU-WohnimmobilienkreditRichtlinie in deutsches Recht droht zum Bumerang zu werden, wenn sie nicht nachgebessert wird. Viel zu wenig Raum in der Diskussion nehmen dagegen Vorschläge zur Ausweisung von zusätzlichem Bauland oder zur Schaffung von kostengünstigem Wohnraum ein. 1 Vgl. Regionalfokus zum Wohnungsbau in Hessen und in Thüringen, beide vom 31. August 2016 H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 1 9 . S E P T E M B E R 2 0 1 6 · © H E L A B A 4
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