Generationennachfolge – BFH-Rechtsprechung eröffnet neue Gestaltungsmöglichkeiten [02.09.2016] Von: Benjamin Rapp Bei Übertragungen von betrieblichem Vermögen im Rahmen der Generationennachfolge besteht regelmäßig der Wunsch, bestimmtes Vermögen zur eigenen Absicherung des Übertragenden zurückzubehalten bzw. auszugliedern, die unternehmerische Verantwortung und damit das Betriebsvermögen jedoch bereits auf die neue Generation übergehen zu lassen. Der ertragsteuerneutralen Übertragung des Betriebsvermögens bei gleichzeitigem Zurückbehalten oder gleichzeitiger Ausgliederung einzelner Wirtschaftsgüter steht die Finanzverwaltung seit jeher jedoch skeptisch gegenüber. Eine Reihe von Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) könnten hier jedoch neue Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen. Ertragsteuerneutrale Generationennachfolge am Beispiel der GmbH & Co. KG § 6 Abs. 3 EStG ermöglicht u. a. die ertragsteuerneutrale Übertragung eines Betriebes oder eines Anteils an einer Personengesellschaft. So kann z. B. die Beteiligung an einem Familienunternehmen in der Rechtsform der besonders im deutschen Mittelstand beliebten GmbH & Co. KG vom Vater auf die Nachkommen übertragen werden, ohne eine Besteuerung auszulösen. Voraussetzung hierfür ist nach § 6 Abs. 3 EStG insbesondere, dass alle wesentlichen Betriebsgrundlagen übertragen werden. Hat der Vater z. B. das Betriebsgrundstück der GmbH & Co. KG bisher mietweise überlassen, so wäre dieses als sogenanntes wesentliches Betriebsvermögen zusammen mit dem Anteil an der GmbH & Co. KG auf die Nachkommen zu übertragen, um eine ertragsteuerfreie Generationennachfolge zu ermöglichen. Häufig besteht jedoch der Wunsch, das Grundstück gerade nicht zu übertragen, sondern den Senior mithilfe der Grundstückserträge (zusätzlich) finanziell abzusichern. Hierfür müsste das Grundstück entweder zurückbehalten oder vor der Übertragung der Gesellschaftsanteile – ebenfalls nach Möglichkeit steuerneutral – in ein anderes Betriebsvermögen übertragen werden. Bisherige Auffassung der Finanzverwaltung In Fällen der unentgeltlichen Übertragung von Betriebsvermögen sieht die Finanzverwaltung eine vorgelagerte (steuerneutrale) Übertragung von einzelnen Wirtschaftsgütern seit 1/3 jeher kritisch (Stichwort „Gesamtplan“). So vertritt sie im Bereich des für die Generationennachfolge aus ertragsteuerlicher Sicht besonders relevanten § 6 Abs. 3 EStG den Standpunkt, dass eine in zeitlichem Zusammenhang mit der (Teil-)Betriebsübertragung stehende Ausgliederung von wesentlichen Wirtschaftsgütern des Betriebes schädlich für die Buchwertfortführung sei.1 Im obigen Beispiel wäre daher z. B. eine Überführung des Betriebsgrundstückes in ein anderes Betriebsvermögen vor Übertragung der Gesellschaftsanteile auf die Nachkommen nach Auffassung der Finanzverwaltung für die Ertragsteuerneutralität der Nachfolge wohl schädlich. Aber auch für Umstrukturierungen ergibt sich hieraus ein nicht unerhebliches steuerliches Risiko. Bisherige BFH-Rechtsprechung Der BFH hat die obig skizzierte Finanzverwaltungsauffassung in mehreren Entscheidungen für den Bereich des § 6 Abs. 3 EStG abgelehnt. So entschied er beispielsweise mit Urteil vom 02.08.2012 (BFH – IV R 41/11), dass die Buchwertfortführung bei Übertragung eines Anteils an einer Personengesellschaft selbst dann gewährleistet sei, wenn vor bzw. zeitgleich zur Übertragung ein funktional wesentliches Betriebsgrundstück gemäß § 6 Abs. 5 EStG zum Buchwert in ein anderes (Sonder-)Betriebsvermögen überführt wird. Eine Ablehnung der sogenannten Gesamtplanrechtsprechung im Rahmen des § 6 Abs. 3 EStG findet sich im Urteil vom 09.12.2014 (BFH – IV R 29/14). In diesem Fall wurde Sonderbetriebsvermögen im Vorfeld einer Übertragung von Personengesellschaftsanteilen veräußert. Der BFH sah hier keinen Grund, die ertragsteuerneutrale Übertragung der Gesellschaftsanteile nach § 6 Abs. 3 EStG zu versagen, da im Zeitpunkt der Übertragung der Personengesellschaftsanteile das betreffende Wirtschaftsgut nicht mehr Teil des zu übertragenden steuerlichen Betriebsvermögens der Gesellschaft gewesen war (Zeitpunktbetrachtung). Die vorherigen Transaktionen sollten danach für den ertragsteuerneutralen Übergang der Personengesellschaftsanteile außer Acht bleiben. Schließlich zeigt auch das Urteil vom 12.05.2016 (BFH – IV R 12/15), dass die Tendenz des BFH, die Weitergabe von Betrieben oder Gesellschaftsanteilen an einer Personengesellschaft an die neue Generation unabhängig von vorherigen bzw. zeitgleichen Übertragungen von einzelnen Wirtschaftsgütern zu beurteilen, sich verfestigt hat. So sollte im zitierten Fall die nachträgliche Überführung eines zurückbehaltenen Wirtschaftsgutes in ein anderes Betriebsvermögen ebenfalls unschädlich für die Anwendung der Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 EStG sein. 1 Vgl. BMF-Schreiben vom 11.11.2011, Rz. 20.07; BMF-Schreiben vom 03.03.2005, Rz. 7. 2/3 Beschluss vom 30.06.2016 (BFH – IV B 2/16) Im Beschluss vom 30.06.2016, dem ein Urteil des FG Düsseldorf vom 10.12.2015 (8 K 633/13F) vorausging, ging es ebenfalls um die Frage, ob die Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 EStG möglich ist, wenn im Zuge der Übertragung von Betriebsvermögen bestimmte Wirtschaftsgüter nicht mit übergehen. Gegenstand des Verfahrens war ein Fall der sogenannten Betriebsaufspaltung, bei der die Anteile an der Betriebs-GmbH steuerliches Betriebsvermögen der Besitzpersonengesellschaft waren. Im Rahmen der Nachfolgeplanung wurden die den Eltern gehörenden Anteile an der Personengesellschaft auf die Kinder übertragen. Allerdings überführten die Eltern auch einen kleinen Teil der GmbHAnteile in ein anderes Betriebsvermögen. Das Finanzamt war hier der Auffassung, dass wegen der Überführung eines Teils der GmbH-Anteile in ein anderes Betriebsvermögen bei der Übertragung auf die Kinder nicht alle wesentlichen Betriebsgrundlagen auf diese übergegangen seien und daher stille Reserven aufzudecken seien. Der BFH entschied, die Nichtzulassungsbeschwerde des Finanzamtes als jedenfalls unbegründet zurückzuweisen und somit im Entscheidungsfall die Buchwertfortführung für das auf die Kinder übertragene Betriebsvermögen zuzulassen. Zur Begründung führte er insbesondere die oben genannten Urteile aus den Jahren 2016 und 2014 an. Fazit Das Damoklesschwert des sogenannten „Gesamtplans“ schwebte bisher über vielen Überlegungen zur Generationennachfolge wie auch über Umstrukturierungen. Die aktuelle Rechtsprechung des BFH zugrunde gelegt, kann für ausgewählte Fälle bei entsprechend umsichtiger Gestaltung diesbezüglich wohl Entwarnung gegeben werden. Dabei könnte dies durchaus neue – für den Steuerpflichtigen vorteilhafte – Möglichkeiten, insbesondere auch im Bereich der Generationennachfolge, eröffnen. Allerdings bleibt abzuwarten, wie die Finanzverwaltung auf die Rechtsprechung reagiert. Unter Umständen könnte sich auch der Gesetzgeber gezwungen sehen, neue Maßnahmen (z. B. Anpassungen bei § 42 AO) zu ergreifen. Auch in diesem Bereich bleibt es also spannend. 3/3
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