PSP Ad-hoc Meldung Von: Stefan Heinrichshofen Mündliche Verhandlung zu verschiedenen Fragen der Organschaft Heute, am 02.12.2015, fanden vier mündliche Verhandlungen vor dem V. Senat des BFH statt. Sämtliche Verfahren betrafen Fragestellungen zur umsatzsteuerlichen Organschaft im Zusammenhang mit steuerbefreiten Tätigkeiten. Sämtliche Verfahren wurden aufgrund des Vorlagebeschlusses des XI. Senats in Sachen Larentia + Minerva und Marenave ausgesetzt und unmittelbar nach Ergehen der Entscheidung des EuGH wieder aufgenommen. In den vier Verfahren ging es im Wesentlichen um folgende Themenkomplexe: Ist eine Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft finanziell eingegliedert, wenn sich die Anteile an der Kapitalgesellschaft nicht im Besitz der Personengesellschaft befinden, sondern diese den Gesellschaftern der Personengesellschaft selbst zustehen? Diese Frage wurde vormals von der Finanzverwaltung bis zur Änderung des Umsatzsteueranwendungserlasses durch das BMFSchreiben vom 05.07.2011 bejaht. Anlass für die Änderung waren zwei Entscheidungen des BFH aus dem Jahre 2010. In dem zweiten Verfahren (V R 12/14), das sich bereits im zweiten Rechtszug befindet, ging es um eine ähnliche, nämlich folgende Fragestellung. Ist die notwendige finanzielle Eingliederung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft als Organträger gegeben, wenn die beide Gesellschaften beherrschenden natürlichen Personen tatsächlich in der Lage sind, ihren Willen in beiden Gesellschaften durchzusetzen? Welche Bedeutung kommt dabei einem Treuhandvertrag zu, der einer übergeordneten natürlichen Person die Stimmenmehrheit ermöglicht? In dem dritten Verfahren (V R 67/14) geht es um die Frage, ob eine juristische Person des öffentlichen Rechts, die nicht als Unternehmer beurteilt wird, Organträger sein kann. In dem letzten Verfahren (V R 25/13) geht es schließlich um die Frage, ob auch eine Personengesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG in das Unternehmen eines Organträgers eingegliedert sein kann. Dies wurde seitens der Vorinstanz (FG München) zumindest in den Fällen bejaht, in denen die Personengesellschaft kapitalistisch strukturiert ist. Den Verfahrensbeteiligten werden die Entscheidungen schriftlich zugestellt, sodass über den Ausgang an dieser Stelle nur spekuliert werden kann. In den ersten drei Verfahren sprechen gewisse Anzeichen dafür, dass die Kläger nicht obsiegen werden und der BFH an seiner bisherigen Rechtsprechung festhalten wird. In diesen Verfahren ging es in der Hauptsache um die Auslegung des Begriffs der Eingliederung und darum, ob künftig von dem strengen Ober- und Unterordnungsverhältnis abgewichen werden kann. Nachdem der EuGH im Ergebnis entschieden hat, dass das deutsche Umsatzsteuergesetz zwar im Widerspruch zu der Mehrwertsteuersystemrichtlinie stünde, der Steuerpflichtige aber aufgrund des bedingten Charakters der maßgeblichen Vorschrift (Art. 11 MwStSystRL) sich nicht auf den Anwendungsvorrang berufen könne, muss der BFH nun auch darüber entscheiden, ob die nationale Vorschrift des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG richtlinienkonform ausgelegt werden kann. Man darf gespannt sein, ob der BFH dabei genauso großzügig sein wird, wie bei einer richtlinienkonformen Auslegung zulasten des Steuerpflichtigen. Die Argumentation der Finanzbehörden in den beiden ersten Verfahren verdeutlicht leider auf eher unerfreuliche Weise, wie vorsichtig die Praxis mit dem Anwendungsbereich von vermeintlich begünstigenden BMF-Schreiben und Billigkeitsregelungen umgehen muss. Sehr spannend bleibt auch der Ausgang des vierten Verfahrens. Ob der BFH an der für den Praktiker eher überraschend positiven Entscheidung der Vorinstanz festhalten wird, dürfte innerhalb des Senats sicherlich lebhaft diskutiert werden. In sämtlichen Verfahren stellte der BFH sehr stark auf die Rechtssicherheit ab. Wenn man sich jedoch die Entwicklung der Rechtsprechung über die lange Zeit zu dieser Thematik ansieht, mag man diese Diskussion nicht immer verstehen. Auch der heutige Verhandlungstag hat verdeutlicht, dass eine echte Umsetzung der Rechtsprechung des EuGH nur durch den nationalen Gesetzgeber erfolgen kann. Insoweit bleibt zu hoffen, dass der diesbezüglich eingeleitete Weg einer Revision der Vorschrift nicht vom weiteren Ausgang der Entscheidungen abhängig gemacht wird.
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