SWR2 Wissen September 2016

SWR2 Wissen – Programmübersicht
Montag bis Sonntag 8.30 bis 9.00 Uhr im Radio
September 2016
Donnerstag, 1. September
Das ist ja ekelhaft!
Hintergründe eines starken Gefühls
Von Inge Breuer
Angebrütete Eier, Insektenteller, Hühnerfüße – was bei uns als ungenießbar gilt, ist in manchen
Ländern Asiens eine Delikatesse. Umgekehrt teilen die Asiaten in den wenigsten Fällen die deutsche
Vorliebe für stinkenden oder schimmeligen Käse. Ekel gehört zu den stärksten Gefühlen des
Menschen. Im limbischen System verwurzelt, ist er mit kaum kontrollierbaren körperlichen Reaktionen
wie Übelkeit oder Brechreiz verbunden. Zwar ist er kulturell geformt und kann sich wandeln:
Tintenfisch oder Sushi waren bis vor einigen Jahrzehnten in Europa verpönt. Doch Biologen gehen
davon aus, dass die Fähigkeit, Ekel zu empfinden, angeboren ist. Sie dient dazu, Ungenießbares von
Genießbarem zu unterscheiden und Menschen vor Krankheiten zu schützen.
Freitag, 2. September
Advaita – Eine indische Philosophie in Deutschland
Von Rolf Cantzen
Das Ziel von “Advaita” ist innerer Friede, Gelassenheit, Ruhe, die beglückende aber unaussprechliche
Erfahrung absoluter Einheit. Das Ich verhindert dieses Glück. Das Ich konstruiert die Welt, es
reflektiert, zergliedert und macht so das Sein zu einem Gegenüber. Es schafft “Dualität” und damit
Leiden. Diese Gedanken verband der indische Philosoph Shankara – er lebte um 800 unserer
Zeitrechnung – zu einer Philosophie und spirituellen Praxis des Advaita, der Nicht-Dualität oder
Überwindung der Dualität. Im 20. Jahrhundert griffen indische Lehrer auf diese Philosophie zurück
und zogen damit auch europäische Sinnsucher an. Heute bieten Advaita-Lehrer im Westen ihre
eigenen Varianten der Advaita-Lehre an und helfen zahlenden Menschen auf ihrem spirituellem Weg,
ihr Ich loszuwerden, um sich für jene begrifflich nicht fassbare Einheitserfahrungen öffnen zu können.
Samstag, 3. September
Leben nach Plan – Optimierter Anfang, kontrolliertes Ende
Aus der 12-teiligen Reihe: “Die Grenzen des Erlaubten” (6)
Von Eva Schindele
Anfang und Ende des Lebens sind existenzielle Übergänge, bei denen immer häufiger die Medizin
Regie führt. Die meisten Menschen begrüßen das und hoffen dadurch, das eigene Leben besser
kontrollieren zu können. Aber der naturwissenschaftliche Blick prägt die Wahrnehmung von Zeugung,
Schwangerschaft und Geburt: Mit der Herstellung von Embryonen im Labor stellt sich die Frage:
Wann beginnt das Leben? Die vorgeburtliche Diagnostik sucht gezielt nach Normabweichungen beim
Ungeborenen; gleichzeitig werden immer kleinere Frühgeborene gerettet und Schädigungen dabei
billigend in Kauf genommen. Auch der Tod wird zum Projekt von Planung und Kontrolle. Dabei haben
Ärzte und Ärztinnen bis heute Probleme, am Lebensende ihre Rolle zwischen Aktionismus,
Schmerzlinderung und Sterbehilfe zu finden. (Produktion 2015)
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Sonntag, 4. September
Aula: Der zündende Funke im Kopf
Geheimnis Kreativität
Von Rainer Holm-Hadulla
Wir wissen zwar viel über die Produkte von Genies, seien es nun Gemälde, Sonaten, Romane oder
Plastiken. Aber wir wissen immer noch wenig darüber, wie Kreativität entsteht und genau funktioniert,
wie die psychologischen, die genetischen und neurowissenschaftlichen Grundlagen aussehen, warum
der eine äußerst kreativ, der andere aber immer nur mittelmäßig ist. Professor Rainer Holm-Hadulla,
Kreativitätsforscher und Professor für Psychotherapeutische Medizin an der Universität Heidelberg,
zeigt und analysiert die vielen Gesichter der Kreativität. (Produktion 2015)
Montag, 5. September
Hilfsorganisationen am Tropf der Konzerne?
Von Thomas Kruchem
Internationale Nichtregierungsorganisationen der Entwicklungshilfe, wie Oxfam oder Save the
Children, lassen sich zunehmend von multinationalen Konzernen finanzieren – auch von umstrittenen
Unternehmen der Nahrungsmittel-, Pharma- und Finanzindustrie. Ähnlich sieht es bei UNOrganisationen wie dem Welternährungsprogramm, der WHO oder UNICEF aus. Dabei mutieren die
Hilfsorganisationen selbst zu Großunternehmen – mit Milliardenumsatz, strenger Hierarchie und
Spitzengehältern für die Chefs. Können sie so noch glaubwürdige “Wachhunde” der Zivilgesellschaft
sein? Wie wirken sich die Finanz-Deals auf ihre Arbeit in armen Ländern aus, wie auf die Fähigkeit
der UN, globale Gesundheits-, Ernährungs- und Entwicklungspolitik zu gestalten?
Dienstag, 6. September
Der Klimawandel verändert den Städtebau
Von Gábor Paál
2014 war das bisher wärmste Jahr in Deutschland seit Beginn der Messungen. Der Klimawandel
beschäftigt auch die Stadtplaner: Schattige Plätze und Frischluftschneisen werden immer wichtiger –
zumal in einer alternden Gesellschaft die Zahl der hitzeempfindlichen Menschen steigt. Manchmal gibt
es Zielkonflikte: Bäume spenden Schatten – doch sind sie zu niedrig, behindern sie den
Luftaustausch. Gewerbegebiete sind gut für die lokale Wirtschaft – sorgen aber für viel heiße Luft in
benachbarten Wohngebieten. Auch die Architektur reagiert: Glaspaläste sind passé, die
Fensterflächen werden wieder kleiner. Zu schaffen machen den Planern auch die immer häufigeren
Starkregen-Ereignisse: Wie lassen sich die Wassermassen im Zaum halten? (Produktion 2015)
Mittwoch, 7. September
Multiple Sklerose
Wenn das Immunsystem die Nerven angreift
Von Ulrike Till
Multiple Sklerose ist bei jungen Erwachsenen eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen –
allein in Deutschland sind rund 200.000 Menschen betroffen, prominentes Beispiel ist die rheinlandpfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Das Immunsystem der Patienten greift Nervenfasern in
Gehirn und Rückenmark an, was zu Lähmungen, Taubheitsgefühl und häufig auch Sehstörungen
führt. Mit neuen Wirkstoffen lässt sich die Krankheit immer besser behandeln, deren Nebenwirkungen
allerdings oft erheblich sind. Dennoch fordern immer mehr Experten eine aggressive Therapie schon
in der Frühphase.
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Donnerstag, 8. September
Die Welt des Zolls
Von Artenschutz bis Zigarettenschmuggel
Von Joachim Meißner
”Haben Sie etwas zu verzollen?” Die Zeiten, in denen der Zoll sich auf diesen Satz reduzieren ließ,
sind längst vorbei. Zwar kontrollieren die Beamten nach wie vor, welche Waren über die deutschen
Grenzen ein- oder ausgeführt werden. Aber wer weiß schon, dass der Zoll auch Schwarzarbeit
bekämpft, Waffenhändler, Drogenschmuggler und Produktpiraten verfolgt? Dass er gefährliches
Kinderspielzeug kontrolliert, verseuchte Lebensmittel abfängt und die Kfz-Steuer verwaltet?
Inzwischen ist der Zoll eine Allzweckwaffe des Bundes – und eine unverzichtbare Einnahmequelle:
Jahr für Jahr spült seine Arbeit mehr als 100 Milliarden Euro in die deutschen Kassen. Zölle werden
bereits seit der Antike kassiert, an Stadttoren, Brücken oder Grenzen. Und der Kampf gegen listige
Schmuggler zieht seine Spur durch die Geschichte des Zolls – bis heute.
Freitag, 9. September
Der erste Atheist der Neuzeit: Matthias Knutzen
Von Rolf Cantzen
Im Jahre 1674 entdeckte der Hofprediger der Stadt Jena ein von Hand geschriebenes Flugblatt in
seiner Kutsche, das ihn zutiefst empörte. Darin behauptete jemand, es gebe keinen Gott, die
Unsterblichkeit der Seele sei ein Hirngespinst, die Bibel ein widersprüchliches Machwerk, und er
verachte die Kirche und ihre Autoritäten. Gleichzeitig erhielt der Redakteur einer Zeitschrift die
Warnung, 700 Bürger und Studenten Jenas würden dieser atheistischen Lehre anhängen und hätten
sich verschworen. Die Obrigkeit reagierte prompt mit einer Richtigstellung. Und sie publizierte die
insgesamt drei Flugschriften, die gefunden worden waren – ausdrücklich zur Abschreckung. Verfasst
hatte sie der 1646 in Nordfriesland geborene evangelische Theologe Matthias Knutzen – der erste
namhaft bekannte Atheist der Neuzeit.
Samstag, 10. September
Gehirnmanipulation – Der perfektionierte Geist
Aus der 12-teiligen Reihe: “Die Grenzen des Erlaubten” (7)
Von Martin Hubert
Darf man die Gehirne von Pädophilen und Verbrechern manipulieren, um sie auf die richtige Bahn zu
bringen? Die Hirnforschung boomt und lockt mit großen Versprechungen. Mithilfe chemischer
Substanzen will man das Gehirn regelrecht aufpäppeln. Der Mensch könne dann besser denken,
leistungsfähiger und sogar moralischer sein. Tief ins Gehirn eingebaute Stimulatoren sollen nicht nur
Parkinsonkranken helfen, sondern auch Zwangserkrankten, Depressiven oder Schizophrenen.
Handelt es sich hier nur um eine Therapie? Oder um einen Eingriff in die Persönlichkeit eines
Menschen? (Produktion 2015)
Sonntag, 11. September
Aula: Philosophen am Bett
Der etwas andere Krankenhausseelsorger
Von Wilhelm Schmid
Wer schwer krank ist, befindet sich zumeist in einer existenziellen Grenzsituation: Er wird konfrontiert
mit Fragen nach dem Sinn des Lebens, nach Sterben und Tod. Bei der Lösung dieser Fragen können
oftmals Philosophen eine große Hilfe sein, weil sie überraschende und lebenspraktische Antworten
haben. Wilhelm Schmid, Philosoph und Buchautor, war lange Zeit in einem Krankenhaus als
philosophischer Seelsorger unterwegs und schildert seine Erfahrungen.
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Montag, 12. September
Wenn Sparsamkeit zu Mehrverbrauch führt
Der Rebound-Effekt
Von Dirk Asendorpf
Moderne Flachbildschirme verbrauchen weit weniger Energie als gleich große Röhrenbildschirme.
Doch wo es früher nur einen Fernseher im Haushalt gab, stehen heute vier und mehr Displays in den
Zimmern; zusammen verbrauchen sie nicht weniger, sondern mehr Strom. Das gleiche passiert im
Verkehr: Moderne Autos verbrauchen weniger Sprit, insgesamt nimmt der Autoverkehr aber stark zu –
und verbraucht immer mehr Benzin und Diesel. Wissenschaftler sprechen von einem Rebound-Effekt.
Er ist eine der größten Gefahren für die Energiewende – und spielt auch in anderen gesellschaftlichen
Entwicklungen eine wichtige Rolle. Seine ökonomischen und psychologischen Ursachen werden
schon seit 150 Jahren erforscht, trotzdem sind noch viele Fragen offen. Die wichtigste: Wie lassen
sich Rebound-Effekte künftig vermeiden?
Dienstag, 13. September
Nach der Ernte verfault
Warum Lebensmittel in armen Staaten vergammeln
Von Thomas Kruchem
Vom Getreide, Obst und Gemüse, das in armen Ländern produziert wird, kommen bis zu 60 Prozent
nicht bei den Verbrauchern an. Meist ist das die Folge fehlerhafter Lagerung und Verarbeitung – und
mangelnder Transportmöglichkeiten. Aus denselben Gründen bleibt vielen armen Menschen oft nichts
übrig, als verdorbene und mit gefährlichen Pilzgiften belastete Lebensmittel zu essen. Bauern,
Regierungen und Entwicklungshilfe-Organisationen vernachlässigen dieses Thema bis heute. Doch in
Kenia z. B. werden intelligente Lösungen gesucht, diese dramatischen “Nach-Ernte-Verluste” zu
reduzieren – ein Fortschritt, der für die Ernährung der rasch wachsenden Weltbevölkerung
lebenswichtig ist.
Mittwoch, 14. September
Schwarze Löcher und das Erzittern der Raumzeit
Was Gravitationswellen über den Kosmos verraten
Von Dirk Lorenzen
Im Februar verkündeten US-Physiker den ersten direkten Nachweis von Gravitationswellen, deren
Existenz 100 Jahre zuvor Albert Einstein mit seiner Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagt
hatte: Werden große kompakte Massen stark beschleunigt, lassen sie den Raum minimal erzittern.
Jetzt endlich sind die Forscher in der Lage, mit hochkomplizierten Messanlagen die
Gravitationswellen zu erfassen. Für die sensationelle Entdeckung könnten die Physiker am 4. Oktober
einen Nobelpreis erhalten. Inzwischen sind sogar weitere Nachweise gelungen und im September
beginnen die Routinebeobachtungen. Die “Gravitationswellen-Astronomie” verspricht ungeahnte
Einblicke in die Welt der Schwarzen Löcher, die mit “normalen” Teleskopen niemals zu erhalten sind.
Schon ist eine Weltraummission in Planung, um das faszinierende Zittern noch genauer zu
beobachten.
Donnerstag, 15. September
Die Biene in der Kultur
Honiggold und spitzer Stachel
Von Brigitte Kohn
In den Mythen vieler Völker helfen Bienen mit, die Welt zu erschaffen. Seit alters her liefern sie dem
Menschen Honig, Wachs und wirksame Heilmittel. Bienen stehen für Tugenden wie Fleiß, Ordnung
und Gemeinschaftssinn. Der Dichter und Zeichner Wilhelm Busch wäre am liebsten Imker in Brasilien
geworden, und die amerikanische Schriftstellerin Sylvia Plath schöpfte noch kurz vor ihrem
Selbstmord Trost aus der Imkerei, die sie mit Passion betrieb. Kaum ein Tier hat die menschliche
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Kultur und die menschliche Fantasie ähnlich intensiv beflügelt wie die heute durch Umweltzerstörung
bedrohte Biene. In vielen großen Werken der Kunst und Weltliteratur ist ihr Summen deutlich zu
vernehmen. Und man spürt auch ihren Stachel und ihr bedrohliches Schwärmen, das böse Dämonen
wachrufen kann.
Freitag, 16. September
Panzer – Kolosse des Schreckens
Von Michael Reitz
Kaum ein Waffensystem hat in der Militärgeschichte eine derartige Revolution ausgelöst wie die
Panzer. Im Ersten Weltkrieg wurden sie zum ersten Mal von der britischen Armee eingesetzt, im
Herbst 1916. Diese ersten “Tanks” waren plumpe Kolosse. Doch sie wurden bald zu Waffensystemen
von verheerender Schlagkraft entwickelt, die zum Rückgrat strategischer Planungen wurden. Ihre
Beweglichkeit und Feuerkraft machte sie zu ebenso erfolgreichen wie zerstörerischen Werkzeugen
der Kriegsführung. Besonders deutlich wurde dies bei der sogenannten Blitzkriegsstrategie der
Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg. Heute sind Panzer Hochleistungsmaschinen, vollgestopft mit
Elektronik, und wesentlich schneller als ihre Vorgänger vor hundert Jahren.
Samstag, 17. September
Umweltethik – Warum wir die Natur schützen wollen
Aus der 12-teiligen Reihe: “Die Grenzen des Erlaubten” (8)
Von Dirk Asendorpf
Wildnis war in der Menschheitsgeschichte über lange Zeit vor allem bedrohlich. Dort musste mit
gefährlichen Tieren, giftigen Pflanzen und plötzlichen Unwettern gerechnet werden. Die positive Sicht
auf ungezähmte Natur und der Wunsch nach ihrem Schutz sind recht neu und eng mit der
Verstädterung verbunden.
Heute ist die Wildnis weitgehend verschwunden, und Umweltschutz ist weltweit zur Modeforderung
geworden. Doch umstritten ist, ob die Natur vor den Menschen oder für die Menschen geschützt
werden soll. Ist ihre Bewahrung ein Wert an sich oder sollen Tiere, Pflanzen, Mikroben, Landschaften,
Meere und Atmosphäre erhalten bleiben, um als sogenannte Ökosystemdienstleistung nachhaltig,
also möglichst effizient von uns genutzt zu werden? Dürfen wir die Umwelt dafür mit moderner
Technik umfassend nach unseren Vorstellungen gestalten? Schon kursiert der Begriff vom
Anthropozän für die heutige Epoche der Erdgeschichte. Und wie passt eigentlich unser persönliches
Verhalten zu unserer Naturliebe? (Produktion 2015)
Sonntag, 18. September
Aula: Mehr Resonanz
Auswege aus der Beschleunigungsgesellschaft
Von Hartmut Rosa
Wenn Beschleunigung das Problem der Gesellschaft ist, dann ist die Lösung die Resonanz. Sie
befreit aus falschen, weil oberflächlichen Welt- und Selbstzusammenhängen, sie konterkariert unsere
permanenten Zerstreuungsmodi durch eine neue Aufmerksamkeit und kontemplative Sinnhaftigkeit.
Die Resonanz ist der Ausweg aus der Steigerungslogik der Moderne, die sich das Immer-Mehr,
Immer-Schneller und Immer-Besser auf die Fahnen geschrieben hat. Professor Hartmut Rosa,
Soziologe an der Universität Jena, zeigt, wie Resonanz wirkt und wie sie strukturiert ist.
Montag, 19. September
Abgeklemmt: Kein Geld für Strom
Von Richard Fuchs
Kein Geld für die Stromrechnung. Zu wenig Bares, um die Wohnung zu heizen. Diese Sätze klingen
nicht nach Europa. Dabei gibt es solche Energiearmut von Menschen auch in Deutschland – oft nur
eine Tür von der eigenen Wohnung entfernt. Und die Zahl derer, die nicht genug Energie zum Leben
haben, steigt – in Ballungsräumen wie dem Ruhrgebiet, aber auch in vermeintlich reichen Regionen
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wie dem Südwesten. 2014 wurde in über 350.000 Haushalten in Deutschland der Strom abgestellt.
Sieben Millionen Haushalten wurde eine solche Stromsperre angedroht. Viele machen vor allem die
Ökostromförderung für die rasant gestiegenen Strompreise verantwortlich. Treibt die Energiewende
also immer mehr Menschen in die (Energie)Armut?
Dienstag, 20. September
Apfelkrieg in Südtirol
Wie gelingt nachhaltiger Obstanbau?
Von Helmut Frei
Mals liegt in Südtirol, dem größten geschlossenen Apfelanbaugebiet Europas. Die Gemeinde hat
mehrheitlich beschlossen, dass die Landwirtschaft künftig auf Pestizide verzichten muss. Das Verbot
richtet sich vor allem gegen Apfelplantagen, in denen intensiv gespritzt wird. Die Spritzerei vergifte
Wasser und Böden, sagen Bio-Bauern. Ihre Kollegen, die auf Pestizide nicht verzichten wollen, laufen
Sturm gegen das Verbot. Aber es geht um viel mehr als um eine “pestizidfreie Zone”. Seit Jahren
wandert der intensive Obstanbau aus den fruchtbaren Tallagen die Berge empor und verwandelt
artenreiche Wiesen in Plantagen mit Monokultur. Eine Entwicklung, die ganz ähnlich im
„Apfelparadies“ am Bodensee zu beobachten ist. Kann Mals zum Modell für andere ObstbauRegionen werden?
Mittwoch, 21. September
Was hilft bei Alzheimer?
Streit um die Therapie
Von Margrit Braszus
”Alzheimer im Frühstadium ist heilbar”, behauptet der Freiburger Molekularbiologe Michael Nehls.
Durch eine natürliche Lebensweise mit viel Bewegung, gesunder Ernährung, ausreichend Schlaf und
sozialen Kontakten regenerierten Gehirnzellen, der geistige Verfall der Patienten würde gestoppt.
Faktoren wie Übergewicht, Diabetes, Bewegungsarmut und Rauchen würden Alzheimer hingegen
begünstigen. Die meisten anderen Experten setzen hingegen ausschließlich auf pharmazeutische
Präparate, um den zerstörerischen Prozess im Gehirn zu stoppen – obwohl auch sie zunehmend den
Lebensstil der Patienten in den Blick nehmen. Nun geht es darum, die Krankheit in einem möglichst
frühen Stadium zu erkennen und die richtige Therapie zu finden.
Donnerstag, 22. September
Willenskraft
Wie erlernt man Selbstkontrolle?
Von Martin Hubert
Ab heute keine Süßigkeiten mehr! Ich will Karriere machen! Beim nächsten Turnier gewinne ich den
Pokal! Für solche und andere Vorhaben braucht man einen starken Willen, der einen auch mal die
Zähne zusammenbeißen lässt. Kein Wunder also, dass es jede Menge Kurse und Ratgeber gibt, mit
deren Hilfe wir unsere Selbstkontrolle stärken sollen. Wissenschaftler allerdings tun sich schwer
damit, die Willensstärke fassbar zu machen. Eine Zeit lang galt sie als Ressource, die sich umso
schneller verbraucht, je häufiger sie abgerufen wird. Heute jedoch verstehen Forscher Willensstärke
eher als kompliziertes Gebilde aus unterschiedlichen Eigenschaften. Das macht es zwar nicht leichter,
sie zu trainieren, aber es offenbaren sich auch Chancen: denn jeder Mensch scheint seine ganz
individuelle Willensstärke zu besitzen.
Freitag, 23. September
Gustav Landauer: Skepsis, Mystik und Anarchie
Von Rolf Cantzen
Gustav Landauer (1870 – 1919) ist, wie er selbst schrieb, “etwas unüblich” und passt “in kein
Schubfach”: Als Anarchist verwarf er Gewalt und Terror und bekämpfte den Kriegswahn und
Militarismus, den Staat und den Parlamentarismus. Als Individualist plädierte er für eine
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herrschaftsfreie Gesellschaft, in der sich die Einzelnen zu Gemeinschaften zusammenschließen,
gemeinsam arbeiten und die erwirtschafteten Produkte tauschen. Skeptisch blieb er gegenüber den
Ansprüchen von Theoretikern, endgültig die Welt erklären zu wollen; er wandte sich einer “gottlosen”
Mystik zu, in der “das Selbstgefühl und die Liebe zusammenschmilzt zur großen Welterkenntnis ...”
Die Anarchie, wie sie Landauer versteht, ist “Ordnung und Freiheit, ohne Gewalt” in einer
naturangepassten Gesellschaft. (Produktion 2015)
Samstag, 24. September
Gewinne und Gewissen – Wie moralisch kann Wirtschaft sein?
Aus der 12-teiligen Reihe: “Die Grenzen des Erlaubten” (9)
Von Wolfgang Streitbörger
”Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral”, heißt es bei Bertolt Brecht in der
Dreigroschenoper. Hört Moral wirklich auf, wo das Geld beginnt? Zum Wesen der Marktwirtschaft
gehört die Ungleichheit: Wer die stärkere Position hat, darf sie nutzen – oder eben: ausnutzen.
Welche moralische Verpflichtung haben Unternehmen, die Umwelt zu schonen, Arbeitsplätze zu
erhalten und auskömmliche Löhne zu zahlen? Welche moralische Verantwortung haben dabei auch
die Verbraucher? Warum unterstützen sie durch ihre Kaufentscheidungen unfaire
Arbeitsbedingungen, ökologischen Raubbau oder Firmen, die sich mit Steuertricks ihrer
Verantwortung entziehen? Wie lassen sich in einer globalisierten Wirtschaft moralische Standards
gegenüber Unternehmen durchsetzen? Erste Antworten gibt eine neue, psychologisch fundierte
Ethiklehre in den Wirtschaftswissenschaften. (Produktion 2015)
Sonntag, 25. September
Aula: Abgehoben und unsozial
Wie tickt die deutsche Elite?
Von Michael Hartmann
Die Kern-Elite in Deutschland umfasst rund 1000 Personen. Das sind diejenigen, die gesellschaftliche
Entwicklungen über ihr Amt oder ihr Eigentum maßgeblich beeinflussen können: Minister,
Staatssekretäre, Richter am Bundesverfassungsgericht, Spitzenmanager, Großunternehmer,
Herausgeber und Chefredakteure von Zeitungen und Zeitschriften oder Wissenschaftler an der Spitze
der großen Wissenschaftsorganisationen. Und alle diese Personengruppen haben ihre eigenen
Codes, Rituale und Karrierewege, mit denen sie den Nachwuchs rekrutieren. Der Eliteforscher Prof.
Michael Hartmann zeigt, wie diese Eliten funktionieren.
Montag, 26. September
Die hässliche Seite der Energiewende
Von Dirk Asendorpf
Kohlekraftwerke sind Dreckschleudern, Atomkraftwerke gefährlich; in den nächsten Jahrzehnten
sollen sie komplett durch erneuerbare Stromerzeugung ersetzt werden. Doch auch die Technik der
Energiewende hat unschöne Folgen und Nebenwirkungen. Wird irgendwo in Deutschland ein
Windpark, eine Hochspannungsleitung oder ein Speicherkraftwerk geplant, regt sich meist
Widerstand. Dabei geht es häufig um Details, immer öfter wird aber auch die Notwendigkeit der
Neubauten insgesamt infrage gestellt – insbesondere in Bayern. Welche Großtechnik braucht die
Energiewende – und wie viel davon könnte durch eine intelligentere dezentrale Struktur unserer
Energieversorgung ersetzt werden?
Dienstag, 27. September
Ein Staat buhlt um Konzerne – Polens Sonderwirtschaftszonen
Von Katharina Zabrzynski und Maike Brzoska
(Produktion: BR 2016)
Wer durch Polen reist, stößt früher oder später auf Sonderwirtschaftszonen: Riesige Hallen auf grüner
Wiese, in denen Konzerne wie BASF, Henkel oder Toyota produzieren. Sie genießen dort großzügige
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Steuererleichterungen und firmenfreundliche Infrastruktur. Polen will so Investoren ins Land holen –
und konkurriert dabei mit anderen Ländern Mittel- und Osteuropas, wie Tschechien oder Ungarn. Die
Konkurrenten überbieten sich deshalb mit Zugeständnissen an Firmen. Gleichzeitig verschlechtern
sich die Arbeitsbedingungen, vor allem für untere Lohngruppen. Heute ist ein Drittel der polnischen
Arbeitnehmer nur kurzzeitig beschäftigt, in der jüngeren Generation sind es sogar zwei Drittel. Polen
sprechen bei dieser Art der Beschäftigung von “Müllverträgen”.
Mittwoch, 28. September
Jeder Schritt macht fit
Die therapeutische Wirkung des Wanderns
Von Peggy Fuhrmann
Kürzere Wanderungen mit aktiven Fitness-Übungen kombinieren: “Gesundheitswandern” heißt dieser
neue Trend zur Prävention, aber auch Therapie bestimmter Krankheiten. Wer unter Rheuma oder
Arthrose leidet, kann schon mit zwei Trainingseinheiten pro Woche deutliche Effekte erzielen: man
nimmt ab, verbessert seine Kondition und reduziert Gelenkschmerzen. Bei Blutdruckpatienten sinkt
der Blutdruck. Ähnlich wirkt zügiges Spazierengehen von einer halben bis ganzen Stunde mindestens
dreimal pro Woche. Das belegen mehrere aktuelle Studien. Weil vor allem ältere Menschen bei
längerem Laufen Schmerzen entwickeln, gilt es das “richtige” Gehen wieder zu lernen. Schonung ist
oft der falsche Weg.
Donnerstag, 29. September
Kaffee – Vom “Türkentrunk” zum Trendgetränk
Von Dimitrios Kisoudis
Kaffee wird auch “schwarzes Gold” genannt, denn die getrockneten Samen der Kaffeepflanze sind ein
bedeutender Faktor im Welthandel. Entdeckt wurde der Kaffee in Äthiopien. Im Jemen wurde er
erstmals kultiviert, angeblich von Derwischen des Sufi-Ordens, die sich mit seinem Koffein in
spirituelle Stimmung tranken. Im Abendland wurde das Getränk lange misstrauisch als “Türkentrunk”
beäugt; man vermutete, dass es die Nerven schwäche und krank mache. Die ambivalente Einstellung
hat sich bis heute erhalten. Erhöht Kaffee den Blutdruck, macht er sogar süchtig? Oder beugt er
Krebs und Alzheimer vor? Längst ist das “schwarze Gold” ein Schmiermittel der arbeitsteiligen
Gesellschaft, und die heutige Kaffeehauskultur reicht vom klassischen Wiener Café bis zur LatteMacchiato-Lounge mit freiem WLAN. Kalt gebrüht oder in Flaschen abgefüllt, liegt Kaffee seit
neuestem wieder im Trend. Was ist das Geheimnis seines Erfolgs?
Freitag, 30. September
Der Philosoph Karl Popper und die “offene Gesellschaft”
Von Matthias Kußmann
Poppers Hauptwerk “Die offene Gesellschaft und ihre Feinde” erschien vor 70 Jahren, ist jetzt aber
wieder hochaktuell. Wer über den Terror des sogenannten “Islamischen Staats” nachdenkt oder über
die Frage, ob wir vor Flüchtlingen Grenzen schließen, ist bei Popper richtig. Er unterscheidet “offene”,
demokratische Gesellschaften von “geschlossenen”, totalitären, die sich nach außen abriegeln,
archaischen Stämmen gleich, wie heute der “IS” und auf andere Weise Nordkorea. Die “offene”
Gesellschaft verändert sich ständig, ist nie “fertig”, es gibt keine verbindliche Wahrheit. Sie lässt neue
Gedanken, Lebensentwürfe zu, braucht sie sogar, um sich weiter zu entwickeln, doch sie kritisiert sie
auch. Es ist ein ständiger Kampf um eine nie sichere Freiheit.
SWR2 Wissen – September 2016
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SWR2 IMPULS: „1000 ANTWORTEN“
Warum sind Pilze keine Pflanzen? Wie entstand der Kuss? Warum haben wir zwei Nasenlöcher?
Riechen Männer anders als Frauen? Wie misst ein Flugzeug die Windgeschwindigkeit? Warum
bekommt man im Gesicht keine Gänsehaut?
Jeden Mittwoch gibt es in SWR2 Impuls Antworten auf die Wissens-Fragen der SWR2 Hörer.
SWR2 IMPULS bietet damit eine einzigartige Gelegenheit, allgemeine und spezielle Fragen zu einem
Sachthema an einen renommierten Experten weiterzugeben. Stellen Sie Ihre Fragen im Internet unter
www.swr.de/blog/1000Antworten und twitter.com/1000Antworten
SWR2 IMPULS (Montag bis Freitag 16.05 bis 17.00 Uhr) auf SWR2 und um 21.03 Uhr auch bei
SWRinfo.
SWRinfo
SWRinfo sendet täglich ab 6 Uhr im Viertelstundenrhythmus Nachrichten, die durch
Wettervorhersagen und Verkehrshinweise ergänzt werden. Zusätzlich bietet SWRinfo
Hintergrundinformation zu aktuellen Themen, u. a. aus Politik, Wirtschaft, Gesundheit, Wissenschaft,
Technik, Umwelt und Sport. Dabei steht der regionale Bezug zum Südwesten im Vordergrund.
Abends um 20 Uhr sendet SWRinfo die ARD Tagesschau, danach runden ausführliche
Hintergrundsendungen, teilweise aus anderen SWR-Hörfunkprogrammen, das Programm ab.
WISSEN können Sie am Samstag und Sonntag jeweils um 9.30 Uhr sowie am Samstag um 21.30 Uhr
und am Sonntag um 14.30 Uhr auch auf www.SWRinfo.de hören.
CAMPUS – NEUES AUS FORSCHUNG UND WISSENSCHAFTSPOLITIK
Samstags, 10.05 – 10.30 Uhr SWR2
Wer den nächsten Nobelpreis bekommt, wissen wir natürlich auch nicht. Aber die Wahrscheinlichkeit
ist groß, dass in CAMPUS über diese Arbeit längst berichtet wurde. Jeden Samstag gibt es hier
Neues aus Medizin, Naturwissenschaft und Technik, sowie aus den Geistes- und
Sozialwissenschaften. Damit nicht genug. In CAMPUS erfährt man auch, unter welchen Bedingungen
geforscht wird und wie es um den wissenschaftlichen Nachwuchs steht. Hochschul- und
Forschungspolitik haben hier ihren festen Platz. CAMPUS – ein Magazin mit Kurzberichten,
Interviews, Glossen und Kommentaren richtet sich an alle, für die »Wissensgesellschaft« nicht nur ein
Schlagwort ist. CAMPUS können Sie am Sonntag um 14.05 Uhr auch auf www.SWRinfo.de hören.
SWR2 WISSEN – SERVICE
SWR2 WISSEN Podcast – Webradio
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SWR2 Wissen – September 2016
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