Übersicht zu § 246 BauGB - Juristisches Repetitorium Hemmer

Öffentliches Recht – Baurecht – Übersicht zu § 246 BauGB Seite 1 von 4 Änderungen des § 246 BauGB zur erleichterten
Unterbringung von Flüchtlingen
Der Gesetzgeber hat in § 246 Abs. 8-17 BauGB Sonderregeln zur Unterbringung von Flüchtlingen
erlassen. Die Neuregelungen sollen die Genehmigungsfähigkeit von Flüchtlingsunterkünften erleichtern
und sind bis zum 31.12.2019 befristet. Dabei ist zwischen Flüchtlingsunterkünften im unbeplanten
Innenbereich (siehe dazu unter I.), im Außenbereich (II.) und einem speziellen Befreiungstatbestand für
Gewebegebiete zu differenzieren (III.). Ferner gibt es Sonderregelungen für mobile Unterkünfte und
Nutzungsänderungen (V.).
I. Flüchtlingsunterkünfte im unbeplanten Innenbereich (§ 34 Abs. 3a i.V. mit § 246 Abs. 8 BauGB)
1. Bislang waren Flüchtlingsunterkünfte insbesondere zulässig, wenn sie sich gemäß § 34 I BauGB in
die Eigenart der näheren Umgebung einfügen. Nach § 34 III a 1 BauGB kann unter den dort genannten
Voraussetzungen vom Erfordernis des Einfügens abgewichen werden, sofern es sich um eine
Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage handelt.
Nach der Neuregelung des § 246 VIII BauGB gilt im unbeplanten Innenbereich bis zum 31.12.2019
der Privilegierungstatbestand des § 34 Absatz 3a S. 1 BauGB entsprechend für die Nutzungsänderung
zulässigerweise errichteter Geschäfts-, Büro- oder Verwaltungsgebäude in „bauliche Anlagen, die der
Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylsuchenden dienen und für deren Erweiterung, Änderung oder
Erneuerung“. Demnach kann ein Vorhaben zur Unterbringung von Flüchtlingen auch dann realisiert
werden, sofern sich das Vorhaben nicht in die nähere Umgebung einfügt.
2. Prüfungsschema § 246 Abs. 8 BauGB:
Möglichkeit der Abweichung von dem Erfordernis des Einfügens nach § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB
a) wenn das Vorhaben städtebaulich vertretbar ist
b) und wenn das Vorhaben auch unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen
Belangen vereinbar ist
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1. Im Außenbereich konnten Flüchtlingsunterkünfte bislang nur als sonstige Vorhaben nach § 35 II
BauGB zugelassen werden. Für den Außenbereich hat der Gesetzgeber § 246 BauGB um Abs. 9 ergänzt,
wonach § 35 Abs. 4 S. 1 ebenfalls bis zum 31.12.2019 entsprechend für Vorhaben
gilt, „die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, wenn das Vorhaben im
unmittelbaren räumlichen mit nach § 30 Abs. 1 oder § 34 zu beurteilenden bebauten Flächen innerhalb
des Siedlungsbereichs erfolgen soll.“ So können der Planung von Flüchtlingsunterbringungen bestimmte
öffentliche Belange wie etwa Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans, die
natürliche Eigenart der Landschaft oder die
Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung nicht mehr entgegengehalten werden.
Durch das Erfordernis der Nähe zu einer vorhandenen Siedlungsstruktur wird sichergestellt, dass für die
in den Unterkünften lebenden Menschen eine Anbindung an Versorgungseinrichtungen sowie an die
kommunale Infrastruktur besteht.
2. Prüfungsschema § 246 Abs. 9 BauGB:
Möglichkeit der Zulassung im Außenbereich gem. § 35 Abs. 4 S. 1 BauGB
→ wenn das Vorhaben im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit bebauten Flächen innerhalb
des Siedlungsbereiches erfolgen soll.
III. Unterbringung in Gewerbegebieten durch Befreiungsmöglichkeit (§ 8 BauNVO i.V. mit
§ 246 Abs. 10 BauGB)
1. § 246 Abs. 10 BauGB normiert schließlich einen - neben § 31 Abs. 2 BauGB - speziellen
Befreiungstatbestand für Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte
für Flüchtlinge oder Asylbegehrende in Gewerbegebieten. Dafür müssen allerdings an dem Standort
„Anlagen für soziale Zwecke" allgemein zulässig sein oder zumindest als Ausnahme zugelassen werden
können. Die Abweichung muss zudem auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit öffentlichen
Belangen vereinbar sein, d.h. es muss - genau wie bei § 31 II BauGB - eine umfassende
Interessenabwägung auf Tatbestandsseite erfolgen. Anders als im Falle einer Befreiung nach § 31 II
BauGB ist nach der Neuregelung eine Befreiung auch dann möglich, wenn die Grundzüge der Planung
durch das Vorhaben berührt werden. Hintergrund dieser Regelung: In Gewerbegebieten kommt die
Unterbringung von Flüchtlingen bislang nur ausnahmsweise dann in Betracht, sofern eine entsprechende
Unterkunft als „Anlage für soziale Zwecke“ i.S. des § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO qualifiziert werden
könnte.
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nicht unerhebliche Dauer ihren Lebensmittelpunkt darstellen und ihnen damit ein wohnähnlicher
Charakter zukommt.
Eine wohnähnliche Nutzung ist in Gewerbegebieten aber grundsätzlich unzulässig (u.a. VG Köln,
Beschl. v. 10.11.2014 – 2 L 2039/14).
Auch nach der Neuregelung des § 246 Abs. 10 BauGB darf eine Zulassung von Flüchtlingsunterkünften
nur dann erfolgen, sofern Konflikte insbes. mit Lärm- und Geruchsimmissionen nicht zu erwarten sind.
Auch diese Regelung ist bis zum 31.12.2019 befristet.
2. Prüfungsschema § 246 Abs. 10 BauGB:
Möglichkeit der Zulassung in Gewerbegebieten nach § 8 BauNVO auch i.V. mit § 34 Abs. 2 BauGB
a) wenn an dem Standort Anlagen für soziale Zwecke allgemein oder ausnahmsweise zulässig sind
b) und wenn das Vorhaben auch unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen
Belangen vereinbar ist
3. In § 31 II Nr. 1 BauGB hat der Gesetzgeber – ohne zeitliche Begrenzung - klargestellt, dass der
„Bedarf zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden“ zu den Gründen des
Allgemeinwohls gehört.
IV. Erteilung von Ausnahmen, § 246 Abs. 11 i.V. mit § 31 I BauGB
Allgemeine Zulässigkeit in allen Baugebieten nach §§ 2-7 BauNVO auch i.V.m. § 34 Abs. 2 BauGB
nach § 31 Abs. 1 BauGB
→ wenn an dem Standort Anlagen für soziale Zwecke ausnahmsweise zulässig sind.
V. Sonderregeln für mobile Unterkünfte (Zelte, Wohncontainer) und Nutzungsänderungen
1. Erteilung von Befreiungen, § 246 Abs. 12 BauGB
Möglichkeit der Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes längstens auf 3 Jahre befristet
a) für die Errichtung mobiler Unterkünfte (Nr. 1) oder für Nutzungsänderungen zulässigerweise
errichteter baulicher Anlagen in Gewebe-, Industrie- oder Sondergebieten nach §§ 8 bis 11 BauNVO
(Nr. 2),
b) wenn das Vorhaben auch unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen
Belangen vereinbar ist – vgl. hierzu auch OVG Hamburg Beschl. v. 14.04.2016 – 2 Bs 29/16.
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Möglichkeit der Zulassung im Außenbereich gem. § 35 Abs. 4 S. 1 BauGB
a) für die Errichtung mobiler Unterkünfte mit einer Befristung von längstens 3 Jahren,
b) für die Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen, auch wenn deren Nutzung
bisher aufgegeben wurde.
VII. § 246 Abs. 14 BauGB
„Soweit auch bei Anwendung der Absätze 8 bis 13 dringend benötigte Unterkunftsmöglichkeiten im
Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden
können, kann bei Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften oder sonstigen Unterkünften für
Flüchtlinge oder Asylbegehrende bis zum 31. Dezember 2019 von den Vorschriften dieses Gesetzbuchs
oder den aufgrund dieses Gesetzbuchs erlassenen Vorschriften in erforderlichem Umfang abgewichen
werden. Zuständig ist die höhere Verwaltungsbehörde. Die Gemeinde ist anzuhören.“
VIII. Reichweite der Befristung, § 246 Abs. 17 BauGB
„Die Befristung bis zum 31. Dezember 2019 in den Absätzen 8 bis 16 bezieht sich nicht auf die
Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen
Zulassungsverfahren von den Vorschriften Gebrauch gemacht werden kann.“
Bitte sämtliche zitierten Neuregelungen gründlich durchlesen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang
auch die Ergänzung der abwägungserheblichen Belange um die Belange von Flüchtlingen oder
Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung in § 1 VI Nr. 13 BauGB.
Zur Vertiefung: NVwZ 2015, 1633 ff.
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