Ein Schlag Sie stiegen aus. Sie sah ihn an und fragte sich, warum er das nur immer machte. Betrank er sich aus Kummer? Wenn ja, warum? Und über welchen Kummer überhaupt? Sie war doch immer so gut zu ihm. Als sie noch nachdachte, stürzte er, aber sie konnte ihn halten. Sie leitete ihn zu einem Platz, wo er sich hinsetzte. Den Koffer stellte sie neben ihn und setzte sich auch. Sie sah ihn an und fragte ihn, ob alles o.k. sei. Er bejahte und fragte sie unfreundlich, warum sie das wissen wolle. Er sähe etwas blass aus, sagte sie und dachte, dass sie auf keinen Fall sagen dürfe, dass er nach Alkohol roch. Sie fragte ihn, ob er etwas getrunken habe. Ungestüm antwortete er, dass er auf gar keinen Fall etwas getrunken habe. Aber sie wusste es. Sie hatte ihn gesehen als sie von der Toilette zurückkam. Mit der Flasche in seiner Hand hatte sie ihn gesehen. Sie blickte auf das Plakat, das an der Wand hing. Es war Werbung. Für Sekt. Auf dem Plakat stand: „Der Große Augenblick.“ Als sie das sah, nahm sie all ihren Mut zusammen und fragte ihren Freund, warum er ihr nicht die Wahrheit sagte. Sie wüsste, dass er trinken würde. Als er das hörte, verlor er die Beherrschung und sagte zu ihr, dass sie doch keine Ahnung hätte und wie sie nur solche Behauptungen aufstellen könne. Sie wurde wütend und rief, dass sie schon lange wüsste, dass er alkoholabhängig sei und dass sie ihn im Abteil gesehen hätte, als er den Schnaps trank. Er schaute sie einen Moment an und schlug sie. Im selben Augenblick wirkte er verdutzt und stammelte, er hätte das nicht gewollt und es täte ihm leid. Aber sie hörte es nicht mehr. Sie hörte gar nichts mehr. Sie wollte nur noch weg. Deshalb sprang sie auf, rannte, rannte und rannte. Er stand auf, blickte ihr nach und wollte etwas sagen, aber die Worte blieben ihm im Hals stecken. Sie spürte, wie ihre Augen feucht wurden und sah verschwommen das Werbeplakat. Für den Sekt. Sie erkannte gerade noch, dass man eine lachende Frau sah. Dann dachte sie nur noch an den Schriftzug. Ein „Großer Augenblick“ … Matthias Lederbogen © Goetheschule Essen 2006 – Deutsch: Kurzgeschichten (1) – Schuljahr 2005/2006 – S. 1 –
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