SWR2 Wissen – Programmübersicht Montag bis Sonntag 8.30 bis 9.00 Uhr im Radio August 2016 Montag, 1. August Rhythmus Eiche Wurzel und Spross wachsen im Wechsel Von Konrad Lindner Die Eiche ist von der Krone bis zur Wurzel auf Rhythmus eingestellt. Der Baum in den heimischen Mischwäldern, in dem nach altem Volksglauben die Götter wohnen, wächst nicht ständig und überall, sondern im Takt. Erst streckt sich die Wurzel, dann reckt sich der Spross und dann wächst wieder die Wurzel. Die Rhythmizität der Eiche wurde durch ein französisches Forscherpaar entdeckt: durch die Ökologen Sylvie Herrmann und François Buscot. Beide Forscher haben im Jahr 2010 begonnen, ihr im Labor entwickeltes Modell der Stieleiche im Freiland zu testen. In einem Langzeitprotokoll wird dokumentiert, wie Klimaschwankungen und Raupenfraß, aber auch Pilze und Mikroorganismen im Boden das rhythmische Wachstum der Eiche beeinflussen. (Produktion 2014) Dienstag, 2. August Breslau – ein literarischer Stadtspaziergang Von Nadine Wojcik Für kaum eine Stadt trifft der Titel “Europäische Kulturhauptstadt” so sehr zu wie für das einstige Breslau und das heutige Wroclaw. Die Stadt erlebte vor 70 Jahren einen kompletten Austausch der Bevölkerung. Die neuen polnischen Bewohner suchten und fanden eine ganz eigene Identität in dieser Stadt. Heute vermischen sich hier gekonnt deutsche und polnische Kultur – was sich besonders deutlich in der Literatur widerspiegelt. Bereits im 17. Jahrhundert galt Breslau mit der “Schlesischen Dichterschule” als Hauptstadt der deutschen Literatur. 1830 wurde hier Hoffmann von Fallersleben zum Professor für Literatur berufen, Gerhart Hauptmann – Literaturnobelpreisträger und Ehrenbürger der Stadt – verbrachte in Breslau seine Jugend. Seit dem Zweiten Weltkrieg sind es vor allem polnische Autoren, die sich mit der Stadt und ihrer Geschichte befassen – mit der Zerstörung im Krieg und der Identitätssuche der Nachkriegsgeneration im heutigen Polen. (Produktion 2012) Mittwoch, 3. August Angst vor Gluten, Laktose & Co. Die Geschäftemacherei mit Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten Von Ernst-Ludwig von Aster und Anja Schrum Ausschläge, Konzentrationsstörungen, trockene Haut – all das kann auf eine Nahrungsmittelunverträglichkeit hindeuten. So warnt eine Diagnostik-Firma und wirbt für ihren SchnellTest. Ein anderes Unternehmen preist die Pille vor dem Essen. Der Histamin-Hemmer soll unbeschwerten Genuss garantieren. Die Verunsicherung am Esstisch wächst. Immer mehr besorgte Verbraucher verlangen Produkte ohne Gluten, Laktose oder Fructose. Sie lassen sich aufwändig untersuchen und probieren verschiedene “Therapien” aus. Doch nur verhältnismäßig wenige haben tatsächlich Grund dazu, kritisieren Ärzte und Verbraucherschützer. (Produktion 2015) SWR2 Wissen – August 2016 2 Donnerstag, 4. August Lyrik sprechen Moden und Stile der Rezitation Von Dagmar Lorenz Jeder Dichter überlegt sich genau, wie er seine Lyrik vor Publikum spricht; welcher Duktus, welches Tempo ihm angemessen scheint. Doch zugleich unterliegt die Rezitation von Gedichten Traditionen und Moden. Als der Lyriker Paul Celan 1952 bei einem Treffen der “Gruppe 47” eigene Gedichte vortrug, stieß er auf Unverständnis und Ablehnung. Kritiker empfanden seine Sprechweise als zu pathetisch, ja sie schien ihnen mit dem Ruch der nationalsozialistischen Demagogie behaftet zu sein. Ein groteskes Missverständnis, das auch einiges über Traditionsauffassungen und die Bewertung von Rezitationsstilen offenbart. Welchen Moden und politisch-kulturellen Zuschreibungen unterliegt das Sprechen von Lyrik seit 1945? Und welchen Einfluss haben moderne Medien und Musik auf die Präsentation von Gedichten – in Zeiten von Rap und SlamPoetry? (Produktion 2014) Freitag, 5. August Chico Buarque – Brasiliens musikalischer Superstar Von Karl-Ludolf Hübener Mit romantischen Balladen und politischen Songs wurde der brasilianische Künstler Chico Buarque international berühmt. 1966 landete der Samba- und Bossa- Nova-Musiker den Welthit “A Banda”, eine subtile Kritik an der damals herrschenden Militärdiktatur. Wenige Jahre später komponierte der Liedermacher mit “Dir zum Trotz” die Hymne des Widerstands gegen die Diktatur. Der heute 72jährige Chico Buarque ist ein vielseitiger Weltstar: Musiker, Sprachkünstler, Dramatiker und Schriftsteller. Sein aktuelles Buch “Mein deutscher Bruder” wird von der internationalen Kritik gefeiert; der Roman “Vergossene Milch” (2009), in dem ein 100-jähriger Aristokrat die Geschichte Brasiliens erzählt, ist preisgekrönt. Brasilien sei ein Land der Gewalt, vor allem gegen die Nachfahren der Sklaven, kritisiert der unabhängige Linke Chico Buarque. Sein Werk ist eine Absage an das Klischee von Samba, Karneval und tropischer Lebensfreude, das vor allem mit der Olympiastadt Rio verknüpft wird. Samstag, 6. August Wertewandel – Warum gestern böse war, was heute gut ist Aus der 12-teiligen Reihe: “Die Grenzen des Erlaubten” (2) Von Gábor Paál Vor 200 Jahren war Sklaverei noch eine Selbstverständlichkeit. Frauendiskriminierung, Prügelstrafe und Rassismus waren vor 50 Jahren noch salonfähig. Damals hat das Bürgertum stattdessen “Wilde Ehen”, Homosexualität und Scheidungen verteufelt. Wie ändern sich moralische Normen? Wann werden sie liberaler, wann strenger? Sind die moralischen Normen heute besser als früher – oder einfach nur anders? (Produktion 2015) Sonntag, 7. August Aula: Kluge Raben Neue Erkenntnisse über die Intelligenz der Vögel Von Onur Güntürkün Vögel besitzen bestimmte anspruchsvolle kognitive Fähigkeiten, das zeigen viele Studien der vergangenen Jahre. Das mentale Geschick von Rabenvögeln und Papageien ist sogar soweit ausgeprägt und vielfältig wie das der Menschenaffen. Sie können Werkzeuge gebrauchen, ansatzweise logisch denken, sich selbst im Spiegel erkennen und sich in andere hineinversetzen. Professor Onur Güntürkün, Leiter der Abteilung Biopsychologie an der Universität Bochum, schildert, wie weit diese Fähigkeiten gehen. SWR2 Wissen – August 2016 3 Montag, 8. August Ein Blick in die Unendlichkeit Von Uwe Springfeld Der Unendlichkeit kann man sich nicht annähern. Wie sollte man auch? Von was sollte es unendlich viel geben? Unendlich viele Meter? Unendlich viele Lichtjahre oder astronomische Einheiten? Oder unendlich viele Fische im Meer, Regentropfen im Wolkenbruch, Staubkörner in der Wüste? Selbst wenn man jedes einzelne Atom im Universum zählen würde, bekäme man nur eine sehr, sehr große Zahl heraus. Diese nahezu unendlich große Zahl wäre mit Sicherheit immer noch unendlich viel kleiner als die Unendlichkeit selbst. Trotzdem kann man sie nutzen. Wissenschaftlich. Mathematisch. Die Unendlichkeit der Zahlen. Zum Beispiel für Verschlüsselungstechniken und in Fragen zum Urknall lässt sich mit Unendlichkeiten rechnen, mit dem Grenzenlosen kalkulieren und so die Ewigkeit abmessen. (Produktion 2009) Dienstag, 9. August Der Maler Hieronymus Bosch – Meister der Fantasiewelten Von Martina Conrad Vor 500 Jahren starb der niederländische Maler Hieronymus Bosch, am 9. August 1516 wurde er in „sHertogenbosch begraben. Nur dieses eine gesicherte Datum zu seinem Leben ist bis heute bekannt. Seine Bilder dagegen wurden vielfach kopiert, imitiert und vor allem von den Surrealisten geschätzt. Allerdings sind die kleinteiligen, detailreichen Gemälde bis heute weitgehend Bilderrätsel geblieben. Da verschlingen Fische Menschen, dort werden Verdammte aufgespießt und selbst im Paradies tummeln sich groteske Höllenwesen. Zwar sind die Hauptthemen von Hieronymus Bosch christlich, wie “die sieben Todsünden” oder “die Versuchung des heiligen Antonius”, aber die dargestellten Dämonen und Fabelwesen sind Ausgeburten einer überbordenden Fantasie. Oder existieren vielleicht doch reale Bezüge? Mittwoch, 10. August Politik und Emotionen Die Bedeutung von Gefühlen in der Demokratie Von Ingeborg Breuer Politiker sollen rational und vernünftig handeln. Das erwarten die meisten Menschen in Demokratien. Doch oft werden diejenigen gewählt, die es am besten verstehen, die Gefühle der Menschen anzusprechen. Und die Entrüstung der “Wut-Bürger” wird als demokratische Tugend betrachtet. Diese “Widersprüche” beschäftigen auch Politik- und Geschichtswissenschaftler. Denn wo Politik von Emotionen dominiert wird, sind Krisen meist nicht weit. (Produktion 2015) Donnerstag, 11. August Alexandre Yersin, Entdecker des Pesterregers Von Peter Jaeggi ”Das ist doch kein Leben, wenn man nichts unternimmt”, sagte Alexandre Yersin als junger Forscher. Während Jahrzehnten forschte der gebürtige Schweizer Mediziner, der einst zum innersten Kreis von Louis Pasteur gehörte, in Indochina. Yersin war Entdecker, Meteorologe, Pionier der Veterinärmedizin und wurde mit Kautschukplantagen steinreich. Weltruhm erlangte Yersin, als er im Juni 1894, also vor 120 Jahren, den Pesterreger entdeckte – ein medizinhistorischer Krimi. Hauptdarsteller: Yersin, seine Widersacher, eine ärmliche Bambushütte und gestohlene Leichen. Alexandre Yersin blieb trotz Reichtum äußerst bescheiden und teilte sein Leben mit den Fischern im vietnamesischen Nha Trang, wo er jahrzehntelang wirkte und wo er begraben liegt. Für die Vietnamesen ist er ein Heiliger, dem sie sogar einen Tempel gewidmet haben. Eine Spurensuche in Vietnam von Peter Jaeggi. (Produktion 2014) SWR2 Wissen – August 2016 4 Freitag, 12. August Wildwest im Amazonasgebiet: Altamira Von Gudrun Fischer Altamira, eine Stadt im Südosten des Amazonasgebiets, platzt aus allen Nähten. Denn hier entsteht ein riesiger Staudamm – “Belo Monte” – und viele Menschen zog es in die Gegend. Die Transamazônica ist die einzige Straße, die nach Altamira führt. Doch in der Regenzeit reiht sich dort ein Schlammloch an das andere. Altamira liegt am Rio Xingu, der zu den Klarwasserflüssen gehört. Noch ist er einer der intaktesten Flüsse des Amazonasgebiets. Doch bald, fürchten die Menschen in Altamira, ist es mit der Schönheit ihrer Stadt vorbei. Schon jetzt versinkt sie im Chaos, alles ist teuer, die Straßen sind von Autos und Motorrädern verstopft. Und nun sucht auch noch eine kanadische Firma in der Nähe nach Gold. Besonders betroffen: das indigene Volk der Juruna. Bischof Erwin Kräutler hat für sein Engagement für die indigenen Völker am Amazonas den Alternativen Nobelpreis bekommen; er ist ein vehementer Gegner des Staudammprojekts. (Produktion 2015) Samstag, 13. August Politische Korrektheit – Was darf man sagen? Aus der 12-teiligen Reihe: “Die Grenzen des Erlaubten” (3) Von Uwe Springfeld ”Krüppel” sagt man schon lange nicht mehr. “Behindert” kommt in dieser Form nur noch als Schimpfwort in der Jugendsprache vor. Politische Korrektheit sorgt auch für Unsicherheit: In der Umgangssprache haben sich Regeln herausgebildet, welche Wörter diskriminierend sind und welche nicht. Aber ganz klar sind sie nicht: Wann ist ein Kompliment charmant, wann ist es sexistisch? Dürfen nur Türken Türken-Witze machen? Ist eine Zeitung rassistisch wenn sie sagt, dass ein Einbrecher “aus Südosteuropa” stammt? Erweist sie sich umgekehrt als “Lügenpresse”, wenn sie diesen Umstand verschweigt? Politische Korrektheit schärft die Sensibilität und das Bewusstsein, sagen die Befürworter. Kritiker sehen in ihr ein Instrument, um unangenehme Wahrheiten unter den Teppich zu kehren. Zumindest sorgt sie für Unsicherheit: Schränkt die ständige Rücksichtnahme auf Befindlichkeiten nicht die Meinungsfreiheit ein? Brauchen wir mehr oder weniger MohammedKarikaturen? (Produktion 2015) Sonntag, 14. August Aula: Digitale Risiken Zerstreuen wir uns zu Tode? Von Catarina Katzer Das moderne Subjekt soll kreativ sein, es soll sich permanent selbst steigern, effizienter werden, dank neuer digitaler Medien. Eine SMS empfangen, gleichzeitig bei WhatsApp vorbeischauen, ein “Like” auf der Facebookseite loswerden, dann rüber zur Wikipedia-Recherche und schließlich schnell zum Einkaufen in den realen Supermarkt – die Applewatch zählt brav unsere Laufschritte, während wir auf die EinkaufsApp starren. Sind wir auf dem Weg in eine zerstreute Gesellschaft, in der uns digitale Apparate fest in der Hand haben? Catarina Katzer vom Institut für Cyberpsychologie und Medienethik macht auf Risiken aufmerksam. Montag, 15. August Trucker Tracy Geschlechtsangleichung in Thailand Von Katrin Albinus Nirgendwo werden so viele geschlechtsangleichende Operationen vorgenommen wie in Thailand: Erfahrene Ärzte, verlässliche Ergebnisse – und das alles zu einem Bruchteil des Preises, der etwa in den USA gefordert wird. In Deutschland werden die Operationskosten zwar meist von den Kassen übernommen, doch nicht jeder möchte das Prozedere auf sich nehmen, das damit verbunden ist. Da ist es einfacher, nach Thailand zu reisen und selbst zu zahlen. Dieser Markt hat aber auch seine Schattenseiten: Nicht jeder Mediziner ist wirklich qualifiziert, allzu billige Angebote bergen hohe medizinische Risiken und verleiten Menschen zu einem Schritt, der kein Zurück erlaubt. Die Autorin begleitet die Amerikanerin Tracy Hart, die sich in Bangkok operieren lässt. SWR2 Wissen – August 2016 5 Dienstag, 16. August Ein ökologischer Prophet Der Schriftsteller Andrej Platonow Von Michael Leetz Wie kein anderer Schriftsteller thematisierte Andrej Platonow (1899 – 1951) in seinem Werk die Widersprüche des sowjetischen Staates. Die Kritik war so grundsätzlich, dass die meisten seiner Bücher erst während der Perestroika und nach dem Ende der Sowjetunion erschienen. Bisher nahezu unbekannt ist, dass sein Gesamtwerk zugleich ein überzeugtes ökologisches Denken durchzieht. Anfang der 1920er-Jahre beteiligte sich Platonow als Bewässerungsingenieur am Aufbau des Landes und propagierte schon damals die Nutzung der Sonnenenergie. Eine ökologische Katastrophe lasse sich nur verhindern, so Platonow, indem man die fossilen Brennstoffe durch erneuerbare Energien ersetze und der Mensch ein neues Bewusstsein erlange. Der Schriftsteller hatte die gewaltigen ökologischen Probleme, vor denen wir im 21. Jahrhundert stehen, vorausgesehen – und erstaunlich aktuelle Ansätze zu ihrer Überwindung aufgezeigt. (Produktion 2015) Mittwoch, 17. August Die psychische Seite von Krebs Professionelle Hilfen für Patienten und Angehörige Von Silvia Plahl Die Diagnose “Krebs” ist für die meisten Menschen ein Schock. Sie weckt existenzielle Ängste und kann anhaltende Depressionen auslösen, sowohl bei den Patienten als auch bei den Angehörigen. Und diese psychischen Folgen können sich wiederum negativ auf den Verlauf der Krebserkrankung auswirken. Eine psychoonkologische Betreuung sollte deshalb fester Bestandteil jeder Krebsbehandlung sein. Dabei lernen die Patienten und ihre Familien, über die Krankheit zu sprechen und die Diagnose Krebs gemeinsam zu bewältigen. Zumindest an den großen Tumorzentren in Deutschland gibt es solche Angebote bereits, in der Fläche aber fehlen sie oft noch. (Produktion 2014) Donnerstag, 18. August Das Steinzeitmärchen “Rulaman” Ein Jugendbuch zwischen Poesie und Wissenschaft Von Pia Fruth Im Jahr 1878 erscheint in Deutschland das Jugendbuch “Rulaman”, das im Dunstkreis der Lehren von Charles Darwin praktisch über Nacht zum Bestseller wird. Der Roman, der das Leben eines Neandertalerjungen und seiner Sippe beschreibt, wird in neun Sprachen übersetzt und begeistert in kürzester Zeit Leser in ganz Europa. Sein Verfasser, der schwäbische Pfarrerssohn David Friedrich Weinland, ist selbst studierter Theologe, vor allem aber Naturforscher und Zoologe. Er bereist exotische Länder und leitet den Frankfurter Zoo, bevor er wegen eines Lungenleidens nach Wittlingen bei Bad Urach zurückkehrt. Archäologische Funde in den nahe gelegenen Albhöhlen inspirieren Weinland zu seinem romantisch verklärten Steinzeitmärchen “Rulaman”. Trotz vieler wissenschaftlicher Ungenauigkeiten fasziniert dieses Buch bis heute – junge Leser ebenso wie Erwachsene. (Produktion 2014) Freitag, 19. August Als hessischer Landsknecht in Brasilien Das abenteuerliche Leben des Hans Staden Von Karl-Ludolf Hübener Hans Staden, ein hessischer Landsknecht in portugiesischen Diensten, wurde 1550 von TupinambáIndianern gefangen genommen – von “wilden, nacketen, grimmigen Menschfresser Leuthen”, wie er schrieb. Aus der Gefangenschaft befreit, schrieb er 1557 eine “Wahrhafftig Historia” über seine Abenteuer. Anschaulich und spannend schilderte er die Ernährung, die religiösen Vorstellungen und soziale Organisation der Tupinambá. Stadens Werk war das erste ausführliche Buch über Brasilien und im renaissancezeitlichen Deutschland eine Sensation. Der Bestseller, mit Holzschnitten bebildert, brachte es auf mehr als 80 Auflagen. Auch wenn am Kannibalismus der Indianer heute gezweifelt wird, bleibt Stadens “Historia” eine wichtige Quelle für Brasilien-Forscher. (Produktion 2015) SWR2 Wissen – August 2016 6 Samstag, 20. August Der Preis des Lebens – Was ist ein Mensch wert? Aus der 12-teiligen Reihe: “Die Grenzen des Erlaubten” (4) Von Sonja Striegl Ein Menschenleben ist unbezahlbar – heißt es oft. In Wahrheit wird es je nach Kontext unterschiedlich bewertet. Welcher Einsatz ist gerechtfertigt, um einen verunglückten Höhlenforscher in Sicherheit zu bringen? Auch im Gesundheitswesen ist eine Diskussion im Gange: Wie teuer dürfen medizinische Eingriffe sein im Verhältnis zu den gewonnenen Lebensjahren? Und es ist eine politische Frage: Die USA und Großbritannien zahlen aus Prinzip kein Lösegeld, wenn einer ihrer Staatsbürger in die Hände von Geiselnehmern fällt. Sie wollen nicht erpressbar sein, setzen stattdessen auf Militäraktionen. Die kosten viel Geld und sind nicht immer erfolgreich. Deutschland und Frankreich handhaben das anders. Hinter den Kulissen werden Verhandlungen geführt, oftmals gelingt es auf diese Weise, Geiseln freizukaufen – doch das Geld stärkt die erpresserischen Terrorgruppen. Wie viel ein einzelnes Menschenleben wert ist, beschäftigt auch Ethiker und Ökonomen. (Produktion 2015) Sonntag, 21. August Aula: Zwischen Gender-Pflicht und Denglisch-Verbot Sprache und Ideologie Von Thilo Baum Unsere Gesellschaft ist im Umbruch. Nicht nur die Landtagswahlen im März und die Bundespräsidentenwahl in Österreich haben gezeigt: Die alten Volksparteien sind nicht mehr unbedingt Volksparteien. Doch wir erleben nicht nur einen Rechtsruck, sondern auch die linke Seite im politischen Spektrum verstärkt sich – sie formiert sich gegen den zunehmend starken rechten Rand. Dabei scheint es, als bräche die gesellschaftliche Mitte weg. Unsere Gesellschaft scheint radikaler zu werden. Der Kommunikationswissenschaftler Thilo Baum meint: Diese Tendenz zeigt sich auch in der Sprache. Beide Extreme versuchen, die deutsche Sprache für sich zu vereinnahmen. Während die Linken durch politisch korrekte Sprachregelungen die Gleichheit aller Menschen in den Köpfen der Menschen zementieren wollen, setzt sich der rechte Rand für einen Nationalismus in der Sprache ohne Denglisch und für Quoten deutschsprachiger Musik im Radio ein. Montag, 22. August Leuchtmittel für die Zellforschung Von Anke Wilde Es war ein vergleichsweise kleines Protein, das 2008 im Fokus des Chemie-Nobelpreises stand: das grün fluoreszierende Protein, kurz GFP. Aus dem Forschungsalltag der Molekularbiologie ist es jedoch kaum mehr wegzudenken, denn GFP und seine mittlerweile in allen Regenbogenfarben leuchtenden Abwandlungen bringen Struktur und Licht in die mikroskopisch kleinen Prozesse des Lebens. Die Radiosendung wirft einen Blick in das Standardrezeptbuch der Molekularbiologen und begleitet zwei Doktoranden am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin beim Einfärben von Zellen. Beide promovieren über Mikrogliazellen, die vermutlich bei Hirntumoren eine entscheidende Rolle spielen. Im Vordergrund steht dabei das molekularbiologische Werkzeug, das Erkenntnisse über die kleinsten Strukturen von Organismen erst ermöglicht. (Produktion 2014) Dienstag, 23. August Kein Sand am Meer Warum vielen Stränden der Rohstoff ausgeht Von Dirk Asendorpf Sand ist – nach Wasser – der wichtigste Rohstoff der Menschheit. Und er wird, kaum zu glauben, knapp. Der jährliche Verbrauch liegt bei 15 Milliarden Tonnen – für Straßenbau und Betonherstellung, in der Glas- und Chemieindustrie, für Elektronikbauteile und Solarzellen, beim Fracking von Öl- und Gasquellen. Schwimmbagger saugen den Sand vom Meeresboden, Lasterflotten schaffen ihn aus Flussbetten heran und Hunderttausende Staudämme verhindern, dass Flüsse den Sandnachschub aus Erosion und Gesteinsverwitterung ins Meer spülen können. Dünen werden abgetragen oder bebaut und falsch geplante Küstenschutzmaßnahmen blockieren den natürlichen Sandkreislauf am Meer. Die Folge: Viele Strände schrumpfen. Doch Gegenmaßnahmen sind möglich: neue Staudammkonzepte, Rückbau an den Küsten, Sandaufschüttungen. Und Forscher testen, ob Beton auch aus Wüstensand hergestellt werden kann. (Produktion 2015) SWR2 Wissen – August 2016 7 Mittwoch, 24. August Krankheiten “zum aus der Haut fahren” Pusteln, Quaddeln und andere Qualen Von Margrit Braszus Rote Pusteln, juckende Ekzeme, brennende Quaddeln: Jeder fünfte Deutsche wird von Hautkrankheiten gequält. Häufig liegt das am Immunsystem, das überreagiert und entzündungsfördernde Stoffe freisetzt. Genetische Veranlagung, Umwelteinflüsse, Medikamente und ein falscher Umgang mit der Haut können ebenfalls eine Rolle spielen. Auch Stress kann buchstäblich unter die Haut gehen und Krankheitsschübe fördern. Mittlerweile sind viele dieser Prozesse im Detail bekannt und das ermöglicht oft sehr gezielte Behandlungen. (Produktion 2015) Donnerstag, 25. August TCM und ZEN im Westen Von Frank Schüre Seit Beginn des 20. Jahrhunderts zweifelt man in China massiv an der eigenen wissenschaftlichen und besonders der medizinischen Tradition. Traditionelle chinesische Medizin galt nicht mehr als Heilmittel bei Leiden und Krankheit, sondern als alter Zopf: Sie symbolisierte das kranke und leidende China, seine Schwäche gegenüber dem Westen. Auch in Japan öffnete sich das Schatzhaus traditioneller Weisheit für das Licht der Moderne erst mit einer Krise des Buddhismus. Als TCM und ZEN kamen die Heilkunde des Alten China und der japanische Buddhismus in den Westen. Zwei völlig unterschiedliche Kulturen inspirierten und verbanden sich in ihren tiefen Einsichten zum Leben. Heute tauchen Menschen aus dem Westen wie selbstverständlich ein in fernöstliche Spiritualität. Und auch Menschen im Osten entdecken wieder ihre einst erfolgreich exportierte Kulturtechnik als Re-Import aus dem Westen. (Produktion 2015) Freitag, 26. August Die Heimat der Fischstäbchen Dutch Harbor auf den Aleuten Von Ingrid Norbu Der beliebteste Fisch der Deutschen stammt aus der fernen Beringsee, die den Pazifik vom Nordpolarmeer trennt. Zu Tausenden wird der Alaska-Seelachs hier in riesige Blöcke gepresst und tiefgefroren, um später daraus genormte Fischstäbchen oder Schlemmerfilets herzustellen. In Alaska heißt der Seelachs “Pollock” und war früher nur Beifang. Er ist auch kein Lachs, sondern ein Verwandter des Kabeljaus. Fast alle Seelachs-Filets, die bei uns verkauft werden, wurden in Dutch Harbor verschifft. Die Stadt mit ihren 4000 ständigen Bewohnern vermittelt geradezu ein Ende-derWelt-Gefühl, doch dank des wachsenden Fischhungers ist die Siedlung heute der größte Fischereihafen der USA. Doch hat die Fischereiindustrie in ihrer jetzigen Form Zukunft? Die Trawler mit ihren Schleppnetzen haben die Bestände längst dezimiert. Umweltschützer fordern, die Gewässer um die Aleuten unter Schutz zu stellen. (Produktion 2015) Samstag, 27. August Menschenversuche – Wie viel Skrupel braucht die Forschung? Aus der 12-teiligen Reihe: “Die Grenzen des Erlaubten” (5) Von Charly Kowalczyk und Eva Schindele Darf man Ebola-Patienten mit ungetesteten Medikamenten behandeln? Darf man Gesunde mit nicht erprobten Wirkstoffen impfen? Die Weltgesundheitsorganisation hat diese Schritte im Kampf gegen die Epidemie empfohlen. Normalerweise werden Arzneimittel nur zugelassen, wenn sie auf Verträglichkeit und Nutzen geprüft worden sind. Pharmafirmen weichen für diese Arzneimittelprüfungen zunehmend nach Russland, in die Ukraine oder Indien aus. Das Risiko tragen dabei die Probanden, die oft nur mitmachen, weil sie sich sonst keine Gesundheitsversorgung leisten können. Seit jeher dienen Abhängige, Arme und Behinderte als menschliche Versuchskaninchen: Nazi-Ärzte nutzten KZ-Häftlinge für ihre grausamen Experimente. Amerikanische und russische Forscher testeten die Folgen von Radioaktivität an Unwissenden, und eine Schweizer Pharmafirma erprobte ihre Antidepressiva an Heimkindern. (Produktion 2015) SWR2 Wissen – August 2016 8 Sonntag, 28. August Aula: Varat-Fahren Rechtschreibung in der Grundschule Von Heike Schmoll Angeblich schreiben deutsche Grundschüler immer schlechter, was heißt, sie haben wenig Wissen über eine richtige Orthografie. Dies zeigen viele vergleichende Studien. Demnach erfüllt die Hälfte der Drittklässler nicht einmal die Mindeststandards, die die Kultusministerkonferenz für die Rechtschreibung formuliert hat: Sie können “lautgetreu” schreiben, bringen also nur zu Papier, was sie hören. Liegt das an der falschen Schreib-wie-du-sprichst-Methodik? Heike Schmoll, Redakteurin mit Schwerpunkt Bildung bei der FAZ, gibt Antworten. Montag, 29. August Mythos Milch Von Peter Jaeggi Milch – der Muntermacher der Nation, der Saft, der uns die Kraft der reinen Natur schenkt. Die Milchwerbung verkauft uns Kuhmilchprodukte fantasievoll mit Versprechen der gesündesten Art. Diese Sendung von Peter Jaeggi hinterfragt solche Bilder. Zu erfahren ist Erstaunliches. Etwa, dass ein zu hoher Milchproduktekonsum zu Immunschwächen oder zu Prostatakrebs führen könnte. In den letzten Jahrzehnten hat sich der Milchkonsum vervielfacht. Dies auch auf Kosten der Kühe. Sehr viele sind zu reinen Milchmaschinen, zu sogenannten Turbokühen degradiert worden. Das bedeutet ein kürzeres Leben, oft ein lebenslängliches Angebundensein im Stall und eine mindere Milchqualität. (Produktion 2014) Dienstag, 30. August Fischers Fritze fischt im Treibhaus Moderne Aquakultur schont Ressourcen Von Rainer B. Langen Immer mehr Menschen wollen Fisch essen. Doch die Meere sind überfischt. Aquakultur, die künstliche Aufzucht von Fischen, kann den Bedarf decken. Sie boomt seit Jahren. Aber sie schafft neue Probleme: Unter anderem werden Flüsse und Seen überdüngt, Medikamente gelangen ins Wasser, mancherorts werden für Zuchtteiche natürliche Lebensräume zerstört und – viele Fische brauchen als Futter Fischmehl, das aus der Hochseefischerei stammt. Aber es geht auch anders. In modernen Aquakulturen wird hochwertiger Fisch mit einem Minimum an Wasser und Umweltbelastung zusammen mit Gemüse produziert. Und Forscher erproben Alternativen für Fischmehl. (Produktion 2015) Mittwoch, 31. August Schlafstörungen Mit Pillen oder Psychologie gegen ein weitverbreitetes Übel? Von Jochen Paulus Viele Menschen nehmen sich zu wenig Zeit für die Nachtruhe. In nur 20 Jahren hat die mittlere Schlafdauer um eine Stunde abgenommen. Andere finden nicht genügend Schlaf. Ein Drittel der Deutschen leidet unter Ein- oder Durchschlafstörungen, bei sechs Prozent haben sie sich zu einer regelrechten Krankheit ausgewachsen. Meist suchen die Betroffenen ihr Heil bei Schlafmitteln, obwohl psychologische Techniken mittlerweile auch unter Medizinern als Therapie der ersten Wahl gelten. Oft bringen schon Selbsthilfeprogramme oder ein paar Therapiestunden nachhaltige Besserung. Und wer so nicht weiterkommt, kann beispielsweise das Schlafseminar am Pfalzklinikum in Klingenmünster besuchen. (Produktion 2014) SWR2 Wissen – August 2016 9 SWR2 IMPULS: „1000 ANTWORTEN“ Warum sind Pilze keine Pflanzen? Wie entstand der Kuss? Warum haben wir zwei Nasenlöcher? Riechen Männer anders als Frauen? Wie misst ein Flugzeug die Windgeschwindigkeit? Warum bekommt man im Gesicht keine Gänsehaut? Jeden Mittwoch gibt es in SWR2 Impuls Antworten auf die Wissens-Fragen der SWR2 Hörer. SWR2 IMPULS bietet damit eine einzigartige Gelegenheit, allgemeine und spezielle Fragen zu einem Sachthema an einen renommierten Experten weiterzugeben. Stellen Sie Ihre Fragen im Internet unter www.swr.de/blog/1000Antworten und twitter.com/1000Antworten SWR2 IMPULS (Montag bis Freitag 16.05 Uhr bis 17.00 Uhr) auf SWR2 und um 21.03 Uhr auch bei SWRinfo. SWRinfo SWRinfo sendet täglich ab 6 Uhr im Viertelstundenrhythmus Nachrichten, die durch Wettervorhersagen und Verkehrshinweise ergänzt werden. Zusätzlich bietet SWRinfo Hintergrundinformation zu aktuellen Themen, u. a. aus Politik, Wirtschaft, Gesundheit, Wissenschaft, Technik, Umwelt und Sport. Dabei steht der regionale Bezug zum Südwesten im Vordergrund. Abends um 20 Uhr sendet SWRinfo die ARD Tagesschau, danach runden ausführliche Hintergrundsendungen, teilweise aus anderen SWR-Hörfunkprogrammen, das Programm ab. WISSEN können Sie am Samstag und Sonntag jeweils um 9.30 Uhr sowie am Samstag um 21.30 Uhr und am Sonntag um 14.30 Uhr auch auf www.SWRinfo.de hören. CAMPUS – NEUES AUS FORSCHUNG UND WISSENSCHAFTSPOLITIK Samstags, 10.05 – 10.30 Uhr SWR2 Wer den nächsten Nobelpreis bekommt, wissen wir natürlich auch nicht. Aber die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass in CAMPUS über diese Arbeit längst berichtet wurde. Jeden Samstag gibt es hier Neues aus Medizin, Naturwissenschaft und Technik, sowie aus den Geistes- und Sozialwissenschaften. Damit nicht genug. In CAMPUS erfährt man auch, unter welchen Bedingungen geforscht wird und wie es um den wissenschaftlichen Nachwuchs steht. Hochschul- und Forschungspolitik haben hier ihren festen Platz. CAMPUS – ein Magazin mit Kurzberichten, Interviews, Glossen und Kommentaren richtet sich an alle, für die »Wissensgesellschaft« nicht nur ein Schlagwort ist. CAMPUS können Sie am Sonntag um 14.05 Uhr auch auf www.SWRinfo.de hören. SWR2 WISSEN – SERVICE SWR2 WISSEN Podcast – Webradio SWR2 WISSEN können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/wissen.xml Manuskriptdienst Manuskripte der Sendungen SWR2 Wissen und Aula finden Sie unter swr2.de/wissen. Auch als E-Book für mobile Endgeräte. Programm-Informationen per E-Mail Die Wochenübersichten des Programms von SWR2 WISSEN können Sie sich regelmäßig über den SWR2 Newsletter zuschicken lassen – einfach E-Mail-Adresse eintragen bzw. austragen unter www.swr2.de/wissen (Service). SWR2 Wissen – August 2016 10 SWR2 Programmfragen Bei SWR2 Programmfragen erhalten Sie allgemeine Informationen zum Programm SWR2 und auch Manuskripte. SWR2 Programmfragen, 76522 Baden-Baden, Telefon 07221 300222 (Mo-Fr, 10-12 Uhr). Kennen Sie schon das neue Serviceangebot des Kulturradios SWR2? 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