Manuskript

SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE
SWR2 Musikstunde
Das Große Tor von Kiew - Musik und
Sport (4)
die sportliche Modulation: von A nach B
in C Sekunden
Von Jörg Lengersdorf
Sendung:
Redaktion:
Donnerstag, 07. Juli 2016
(Wiederholung von 2012)
9.05 – 10.00 Uhr
Ulla Zierau
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
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„Musikstunde“ mit Jörg Lengersdorf
Das Große Tor von Kiew - Musik und Sport (4)
die sportliche Modulation: von A nach B in C Sekunden
Von Jörg Lengersdorf
SWR 2, 04. Juli – 08. Juli 2016, 9h05 – 10h00
Signet: SWR2 Musikstunde
Mit sportlichem Gruß einmal mehr in dieser Woche.
Eins ist doch klar: kein verantwortungsbewusster Künstler spielt Chopins
Minutenwalzer mit der Stoppuhr, kein sensibler Cellist würde das Finale aus
Haydns Cellokonzert auf Zeit herunterdreschen, oder?
Aber mal Hand aufs Herz: gleichen Musikwettbewerbe nicht häufig
Sportveranstaltungen? Und hat man dann nicht doch manchmal das Gefühl, so
mancher Pianist würde die Oktavpassage aus dem Tschaikowski Konzert gegen
die Uhr statt mit Phrasierung ins Klavier hämmern?
Tatsächlich: wenn man nachfragt, weiß jeder Cellist, wer den momentanen
Rekord im Haydn Spiel hält, und natürlich munkelt man auf den Fluren der
Musikhochschulen der Welt hinter vorgehaltener Hand von neuen Bestzeiten im
Doppeloktavenrennen.
Und kein Stück hat wohl so viele Rekordversuche hinter sich, wie das nächste...
Musik 1, 1.18 min
Nikolai Rimsky Korsakov
Hummelflug, „Flight of the Bublebee“, arr. Heifetz
Michael Rabin
Hollywood Bowl Orchestra, Felix Slatkin
CD Icon Michael Rabin vol. 6
LC 06646 EMI 6 79071 2
Schnell war das, aber nicht schnell genug. Michael Rabin im Hummelflug, eine
Minute und 18 Sekunden. Weit entfernt von Bestzeiten. Jascha Heifetz landete in
seiner schnellsten Aufnahme bei 1.12, Yehudi Menuhin bei 1.07, Liv Migdal spielt
in einem Internetvideo 1.06 und Weltrekordhalter David Garret mit 1.05 wurde vor
kurzem geschlagen von einem Geiger namens Oliver Lewis mit nur 63 Sekunden.
So, basta, Bestzeit.
Natürlich muss man jetzt einwenden, dass Weltrekordjagd nichts, überhaupt gar
nichts mit Musik oder gar Kunst zu tun hat, klar.
Aber so ganz geglaubt wurde diese idealistische Ausschlussklausel wohl nie.
Die Rekordjagd beim Hummelflug wurde schon vor vielen Jahrzehnten ironisch
aufs Korn genommen. Der französische Chefsatiriker Jean Francaix schrieb Mitte
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des letzten Jahrhunderts ein Stück über Radrennfahrer, Sechstagerenner, les Six
jours Cyclistes. Und ich behaupte mal: es ist todsicher kein Zufall, dass dieses
Rennstück klingt wie ein invertierter Hummelflug, sozusagen die Hummel im
Kopfstand – respektive Flug...
Musik 2, 1.20 min
Jean Francaix
Les six jours Cyclistes, aus „Au Musee Grevin“
Orchestre symphonique Versailles, Jean Francaix
Antiquarisch, analoge Aufnahme auf Vinyl von 1956, vergriffen
Label Versailles Artistique
Referenz : Microsillon Versailles ART 6002
Das Orchestre Symphonique Versailles unter Leitung des Komponisten in „les six
jours Cyclistes“, von Jean Francaix, eigentlich einer Musik zum Kurzfilm „Musee
Grevin“ über ein Pariser Wachsfigurenkabinett, in welchem die Wachsfiguren
einem Besucher, der von Michel Serrault gespielt wird, plötzlich lebendig
vorkommen. Quicklebendig im Sinne des Wortes werden ganz offenbar diese
Radrennfahrer, die wie gerade gehört haben.
Nun gehört Radfahren ja aus naheliegenden Gründen nicht zu den
traditionsreichsten Sportarten, erst in den 1860er Jahren gab es die ersten
Patente auf pedalgetriebene Zweiräder, natürlich von Franzosen, aber schon
kurz darauf wurde die ganze Grande Nation radsportverrückt. Um 1891 fuhr man
bei Fernfahrten wie Paris-Brest-Paris Distanzen von 1200 Kilometern. Aber erst 1903
fand dann erstmals statt, was heute als das härteste Sportereignis der Welt gilt.
Es gibt viele schöne Sportarten, aber ein richtiger Kerl kennt nur ein Ziel...
Musik 3, 2.45
Les Soeurs Etienne
Faire le Tour de France
CD Les Sœurs Etienne, leurs 44 Plus Beaux Succes
Label MarianneMelodie 4300127
1924 schon gab es einen ersten Zeitungsartikel über Doping bei der Tour, die
Fahrer hatten Kokain und Chloroform in den Satteltaschen, trotzdem klingt dieses
Lied wohltuend danach, als ob es eine Zeit gegeben hätte, in der man bei der
Tour allenfalls ein bisschen leichten Rotwein im Sattel trank.
Küsschen links, Küsschen rechts von zwei Frauen, so geht es noch heute bei der
Etappenehrung dem Träger des gelben Trikots, und das war die musikalische
Umsetzung dieser Praxis, die Soeurs Etienne mit „Faire le Tour de France“, einem
Sportschlager von 1950.
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Das Radsport gefährlich ist, leuchtet ein, auch wenn man nicht Pharmazie
studiert hat. Der klassische Komponist Ernest Chausson zum Beispiel starb 1899,
nachdem er bei einer Abfahrt die Kontrolle über sein Fahrrad verlor und in eine
Mauer raste und so entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass die erfolgreichste
Rad Abfahrtsspezialistin aller Zeiten den Nachnamen Chausson trägt, Anne
Carolin Chausson ist eine Mountainbike Downhill Legende,
Aber das nur als musikhistorisches Nebenbei. Mag uns das nächste Stück einfach
daran erinnern, dass man auch dem Radsport ohne übertriebenen Ehrgeiz und in
moderatem Tempo frönen kann:
Bike Ride, Fahrradausflug, von Christos Tsitsaris...
Musik 4, 1.11
The Bike Ride
Christos Tsitsaros,
CD TSITSAROS, C.: Autumn Sketches
Centaur CRC2382
Der zypriotische Komponist und Pianist Christos Tsitsaros mit The Bike Ride,
Fahrradausflug, aus seinem Klavieralbum Autumn Sketches, Herbstskizzen.
Heutzutage begegnet man ja selbst Freizeitradfahrern, die mit
satellitengestützten Navigationsgeräten den Weg ihrer Ausflugsrouten
nachfahren. Das nächste Stück erinnert nun aber an jene sporthistorischen
Zeiten, als es noch keine elektronischen Orientierungshilfen gab. Genau
genommen gab es nicht einmal Fahrräder um jene Zeit, als das Steeplechase
erfunden wurde, die Kirchturmjagd. Der edle und kostspielige Vorläufer des
profanen Drahtesels war ja von jeher das Pferd, das Jagdpferd.
Und um 1750 wurde in Irland erstmals ein sportlich organisiertes Steeplechase
dokumentiert, ein Querfeldeinritt durch die Provinz Cork, bei dem Kirchtürme,
Steeples, den Reitern als Orientierungshilfen dienten.
Kirchturmjagd wurde das Rennen vom Volksmund getauft. Und Steeplechase
schrieb Musikgeschichte. Im Mai 1917 setzte sich der schwarze US Komponist
James Price Johnson in den New Yorker Universal Studios an ein Walzenklavier,
welches seine Anschläge auf einer gestanzten Rolle aufzeichnete. Inspiriert war
Jimmy Johnson offenbar von der Kirchturmjagd, denn einer seiner größten
Erfolge wurde der Steeplechase Rag.
Musik 5, 2.23 min
Steeplechase Rag
James P. Johnson
CD James P Johnson Fascination
Future Noise Music Ltd./Acrobat Music
Vertrieb über Amazon.de ASIN: B004RCMFBO
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Jimmy Johnson mit seinem Steeplechase Rag, auf eine mechanische
Klavierwalze gestanzt im Jahr 1917 in den Universal Studios. Dieser Rag wurde mit
der Zeit zum Jazzstandard. Dizzy Gillespie, Charlie Parker, Miles Davis... es gibt
unzählige Varianten des Steeplechase in der Jazzgeschichte.
Das Steeplechase Hindernisrennen hat zwar eine lange Tradition, wird unter
Pferdefreunden aber ausgesprochen kritisch gesehen wegen der vielen
spektakulären Pferdestürze und Verletzungen.
Die heute gebräuchliche Bezeichnung der Kirchturmjagd verweist ohnehin auf
den archaischen Ursprung dieses Rennens.
National Hunt Race ist das offizielle Etikett des Steeplechase: Jagdrennen.
Nun ist auch die Jagd heutzutage aus naheliegenden Gründen als Sport in Verruf
geraten, Tiere zu hetzen oder gar zu töten sollte zeitgemässerweise nicht sportlich
legitimiert werden. Dennoch pflegte man in großen Teilen Europas beim Begriff
Sport bis weit ins 19. Jhd hinein eine sehr enge Auslegung. Mochten schon die
spleenigen Briten oder die vergnügungssüchtigen Franzosen mit Füßen oder
Schlägern einem Ball nachjagen. Länderübergreifend galten bis ca. 1850 nur drei
Disziplinen als echter Sport: Rudern, Reiten und eben die Jagd. La chasse, the
Hunt, la Caccia... Unzählige Musikstücke tragen diese Titel.
Im Russland des 19. Jhds setzte zum Beispiel Komponist Peter Tschaikowski der
Jagd als Adelsvergnügen ein Denkmal. In Tschaikowskis Jahreszeiten heißt ein
Satz nach der Sportsaison: September, Die Jagd...
Musik 6, 3.01 min
Pjotr Tchaikovsky
Die Jahreszeiten op. 37B
IX. September – Die Jagd
USSR State Academic Orchestra, Yevgeni Svetlanov
CD Svetlanov – Music of Tchaikovsky
Evgeny Svetlanov Edition
Label Boheme Svetlanov
Vertrieb International über cduniverse.com 7344606
Das staatliche Akademieorchester der ehemaligen UdSSR unter Yevgeni
Svetlanov mit Tschaikowskis Septemberjagd aus den Jahreszeiten op. 37B.
Als Jagdsport bezeichnet man heutzutage sportliche Aktivitäten, die Jagdbezug
aufweisen. So fallen auch das Jagdreiten oder die Fuchsjagd darunter, selbst
wenn ein Reiter mit Fuchsschwanzschmuck die Rolle des Fuchses übernimmt und
kein Tier gejagt oder getötet wird, was im 21. Jhd deutlich sportlicher erscheint.
Von Querfeldeinjagd und Pferden erzählt auch die nächste Musik.
Als At Tschabysch bezeichnet man die Pferderennen in Kirgistan.
Noch heute ist Turnierreiten im Pferdeverrückten Kirgistan Nationalsport, entweder
in der Variante des Pferderingens Oodarysch, bei dem zwei Reiter versuchen,
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sich gegenseitig mitsamt Pferd niederzuringen, oder in der für Mitteleuropäer
nachvollziehbareren Variante des Distanzrennens über 4 bis zu 50 Kilometer. Und
auch zum kirgisischen Pferdesport gibt es den musikalischen Kommentar:
Pferderennen, aus Kirgistan...
Musik 7, 1.28
Atay Ogonbaev
Mash Botoy, Horse Race
Kambarkan Folk Ensemble
CD The Music of Kyrgysistan
ARC EUCD1689
Internet Ressource Classics Online.com
Kambarkan Folk Ensemble mit “Mash Botoy”, Pferderennen, aus Kirgistan.
Weit ist diese Musik scheinbar entfernt von Europa, aber ganz sicher geht es
überall auf der Welt beim Pferderennen um dieselben Dinge.
Um welche? Daran erinnert jetzt noch einmal der Komponist Erik Satie in einer
seiner Miniaturen, von denen wir diese Woche schon einige hatten...
Musik 8, 0.25 min
Constanze Brüning, Rezitation, Johannes Cernota, Klavier
Erik Satie, Die Rennen, aus „Sport et Divertissements“
CD „Sport und Vergnügen – das Hör und Bilderbuch“
LC 08648 Jaro 4239-2
Constanze Brüning und Johannes Cernota einmal mehr in dieser Woche mit einer
Miniatur von Erik Satie namens „Die Rennen“, dem Versuch, eine kleine
Zeichnung aus einem Bilderalbum namens „Sports et Divertissements“ zu
illustrieren. Auf der Skizze zum gerade gehörten Stückchen „Die Rennen“ sah man
übrigens einerseits natürlich im Hintergrund die Jockeys auf den Pferden, Sieger
und Verlierer. Im Vordergrund aber sah man die Herrschaften, die sich bei jedem
Rennen als Gewinner fühlen dürften: die Damen mit Schirm und
Champagnergläschen, die Herren mit Startlisten und elegantestem Ausgehoutfit
aus feinstem Tuch – die oberen Zehntausend.
Jene Gestalten der High Society, die man so oder so ähnlich auch beim vielleicht
elegantesten Pferderennen der Welt treffen dürfte: dem seit 1711 stattfindenden
Royal Ascot in der britischen Grafschaft Berkshire.
Jeder Renntag wird vom Einzug der britischen Königsfamilie eröffnet, die im
offenen Landauer vom nahegelegen Windsor Castle einfährt.
So viel Glamour darf man sich also beim nächsten Stück vorstellen:
Die Rennanlage von Ascot, The Ascot Enclosure...hier ist man unter sich...
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Musik 9, 2.58 min
Peter York
The Ascot Enclosure
Queens Hall Light Orchestra, Charles Williams
CD “Good Sport” Music for the Armchair Athlete
Label The Gift of Music
CCL CDG1261
Das Queens Hall Light Orchestra mit Peter Yorks „Ascot Enclosure“.
Beim Royal Ascot Pferderennen, gibt es übrigens einen Dresscode für beide
Geschlechter, der um 1800 von einem Freund des Königshauses entworfen
wurde: Hüte sind für Damen obligatorisch, dazu möglichst züchtig elegante
Kleidung, den Herren wird der Morning Dress empfohlen: bestehend aus Zylinder,
Weste, Halstuch und Gehrock in Ascot Grau.
150.000 Flaschen Champagner, 100.000 Flaschen Wein, 6,7 Tonnen Lachs, und 5
Tonnen Erdbeeren kalkulieren die Veranstalter für fünf Royal Ascot Tage.
Bei soviel Pracht ist es kein Wunder, dass sich eines der bekanntesten Gemälde
der englischen Kunstgeschichte mit Pferdesport befasst:
Derby Day (sprich Darby Day), des viktorianischen Genremalers William Powell
Frith: Es zeigt ein Panorama des Epsom Derby, eines Pferderennes, das der 12th
Earl of Derby im Jahr 1779 gründete. Nun zeigt dieses Gemälde aber
erstaunlicherweise kaum Pferde oder Rennszenen, sondern vor allem das
Kirmesartige Treiben vor den Toren der Veranstaltung, Gaukler und Gentlemen,
groß und klein, arm und reich.
Das Derby Day Panorama war Mitte des 19 Jhds ein wahrer Publikumsmagnet,
wann immer es ausgestellt wurde. Der britische Komponist William Alwyn liess sich
Mitte des 20. Jhds in der Tate Gallery von diesem Bild inspirieren und schrieb für
die BBC eine 7 minütige Ouvertüre: Derby Day
Musik 10, 6.22 min
William Alwyn
Derby Day
London Symphony Orchestra, Richard Hickox
CD Alwyn, Symphony No. 2 etc
LC 7038 Chandos CHAN 9093
Das London Symphony Orchestra unter Richard Hickox mit William Alwyns
Vertonung des Gemäldes “Derby Day” von William Powell Frith.
Die Musikgeschichte ist recht überfüllt mit wilden Ritten, Galopps, Trabs, Derbys,
oder gar Jockey Polkas. Der kostspielige Reitsport scheint auch für freischaffende
Musiker ein monetär lohnendes Feld gewesen zu sein, man kann zum Thema gar
nicht alles aufzählen.
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Die Überleitung zur nächsten, vielleicht noch etwas kostspieligeren Sportart
überlasse ich jetzt aber wieder Erik Satie...
Musik 11, 1.14 min
Constanze Brüning, Rezitation, Johannes Cernota, Klavier
Erik Satie, Der Yachtsport, aus „Sport et Divertissements“
CD „Sport und Vergnügen – das Hör und Bilderbuch“
LC 08648 Jaro 4239-2
Constanze Brüning und Johannes Cernota mit Erik Saties Kommentar zum
Yachtsport, keineswegs idyllisch.
Der 1900 geborene Brite Jack Beaver hatte zum selben Thema eine sehr viel
weniger kritische Sichtweise.
Kein Wunder: Jack Beaver konnte sich Distanz zum Thema nicht leisten. Er
gehörte zu jenen Komponisten, die ihren Lebensunterhalt damit verdienten,
Fernsehspots und heute eher vergessene Filme mit Musik zu unterlegen.
Oft wurde Beavers Name nicht einmal genannt, weil er für sogenannte Librarys
oder Musikbörsen komponierte, die Musikstücke an TV Serien oder Werbefilme
verkauften. Noch heute hört man in alten Zeichentrickserien häufig
ausgezeichnete Musik von Jack Beaver, ohne seinen Namen je zu registrieren.
Aber zum Thema Yachtsport im Breitbildformat hat er dann doch ein Musikstück
in bester britischer Leinwandtradition geschrieben, dass die Erwähnung seines
Namens nur fair erscheinen lässt: Stellen sie sich vor: Kinobilder von winkenden
Pärchen am Quai und flatternden weißen Segeln in der Seeluft: Yachtrennen,
Jack Beaver...
Musik 11, 2.58 min
Jack Beaver
Yacht Race
Queens Hall Light Orchestra, Charles Williams
CD “Good Sport” Music for the Armchair Athlete
Label The Gift of Music
CCL CDG1261
Queens Hall Light Orchestra unter Charles Williams mit Jack Beavers Yacht Race.
Regatta ist heute der Oberbegriff für Sport Rennfahrten zu Wasser mit Kanu,
Ruderboot, Segelyacht oder anderem Gefährt. Die erste Regatta fand übrigens
auf eher mit verträumter Gemütlichkeit assoziierten Kähnen statt: venezianischen
Gondeln. Historisch gesehen sollen Wettfahrten der Gondolieri in Venedig bis ins
13. Jhd zurückreichen: die Ruderer hatten damals Langeweile, während sie in
ihren Gondeln auf die Herrschaften warteten.
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Inzwischen ist die Regata storica stolz auf ihre Stellung als Mutter aller
Wasserwettfahrten.
Im 19. Jhd verfasste Belcantospezialist Gioacchino Rossini drei Lieder zum Thema
unter dem Titel Regata Veneziana.
Im ersten Lied steht die schöne Anzoleta auf dem Balkon, fiebert dem Start
entgegen und setzt nebenbei ihren Geliebten Momolo im Teilnehmerfeld unter
sanften Leistungsdruck: Komm ja nicht ohne Titel nach Haus, singt sie ihm zu...
Musik 12, 3.35 min
Gioacchino Rossini
La Regata Veneziana
Anzoleta avanti la regata
Cecilia Bartoli, Charles Spencer
CD Rossini Recital
EAN: 0028943051828
Decca/Universal
Rossini Spezialistin Cecilia Bartoli begleitet von Charles Spencer mit “Anzoleta vor
dem Rennen” aus der venezianischen Regatta.
Am Ende der insgesamt drei Lieder gewinnt übrigens Anzoletas Geliebter die
Regatta, Anzoleta führt das selbstverständlich auf ihre hübsche Präsenz am
Streckenrand zurück. Es bleibt ja ohnehin die Frage: wurden manche Sportarten
vielleicht nur erfunden, damit Männer sich vor schönen Damen aufplustern
können?
Als Paradebeispiel schamloser Potenzprotzerei gilt bis heute das Wagenrennen.
Der Sage nach war ein Wagenrennen Anlass für die ersten olympischen Spiele,
und da es auch in der Antike genauso oft um Macht wie um Sport ging,
sponserten tatsächlich auch Tyrannen und Despoten eigene Gespanne und
Wagen.
Nun gibt es zu authentisch antiken Wagenrennen heute keine authentisch antike
Musik. Daher bedienen wir uns der Motive, die jeder Kinofreund mit
Wagenrennen verbindet: Ben Hur. Ein gleich mehrfach verfilmter
Historienschinken mit zweifelhaftem Authentizitäts Anspruch, dafür aber mit den
besten Sportszenen der Filmgeschichte: Dem Wagenrennen.
Wer jemals die 1959er Verfilmung mit Charlton Heston gesehen hat, denkt jetzt an
Muskelmännern in Streitwagen.
Parade der Wagenlenker, aus Ben Hur von 1959...
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Musik 13, 3.49 min
Miklosz Rozsa
Parade of the Charioteers, aus Ben Hur (1959)
Boston Pops Orchestra, John Williams
CD The Sound of Glory/Olympia 1996
LC 6868 Sony Classical/Olympic Games Collection SK 62620
Das Boston Pops Orchestra unter John Williams mit Miklosz Rozsas
Wagenlenkerparade aus dem Film Ben Hur von 1959. Wer den Film gesehen hat,
weiß, der Sportbegriff muss sehr weit ausgelegt werden, damit dieses spezielle
Wagenrennen noch darunter subsumiert werden kann.
Hier geht es um den häufig direkt proportionalen Zusammenhang zwischen
Männerstolz und PS Leistung, der sich heutzutage ja im Motorsport manifestiert.
Den lärmenden Motorsport darf man nun als Musikfreund nicht gering schätzen:
immerhin waren ja Künstler wie Giacomo Puccini, Herbert von Karajan oder
Arturo Benedetti Michelangeli begeisterte Motorsportfreunde, auch wenn ihre
Musik häufig besser klang als ihre Autos.
Das Rennen um die Bestzeit ist ein ewiges Thema der Kulturgeschichte.
Wir hörten heute von Fahrrädern, Pferden, Yachten, Streitwagen, gar
Sportautos... Aber das wichtigste wurde vergessen, bis jetzt.
Natürlich gibt es auch Musik zur simpelsten Form der Fortbewegung von A nach B
in C Sekunden... zu Fuß. Stichwort Wandern ist des Müllers Lust.
Wir gehen die letzte Fußstrecke für heute aber nicht im Wandertempo an
sondern im Sprint: Wettlauf, ein Orchesterstück von Franz Berwald.
Musik 14, einblenden 2.20 vor Schluss
„Wettlauf“ (Foot Race)
Gävle Symphony Orchestra, Petri Sakari
CD “Berwald, Tone Poems