Was folgt auf den schwarzen Brexit- Freitag?

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162nd Year – No. 2358984 • Sunday June 26 – Saturday, July 2, 2016
Bloß kein Sport:
Virusbedingter
Herzmuskelentzündung
vorbeugen
Seite 11
NACHRICHTEN - Kompakt
«Adieu, Schimmi!»
- Trauer um Götz George
Seite 3
Fußball EM
Deutschland Slowakei
3:0
Seite 7
EU Referendums Reaktionen
Snowden scheitert mit Klage
in Norwegen
Oslo (dpa). Edward Snowden ist mit seinem Versuch
gescheitert, sich per Gerichtsbeschluss zusichern zu
lassen, dass er bei einer Reise nach Norwegen nicht an
die USA ausgeliefert wird. Ein Gericht in Oslo wies die
Klage des Informanten hinter den NSA-Enthüllungen
ab. Es sieht sich nicht zuständig, darüber zu entscheiden, wie aus der Entscheidung hervorging. Snowden
wurde vom norwegischen PEN-Autorenverband mit
dem Ossietzky-Preis 2016 ausgezeichnet. Die Preisverleihung ist am 18. November in Oslo.
Abgeordneter Beck in Istanbul abgeführt
- Deutsche festgenommen
Istanbul (dpa) - Bei einer verbotenen Abschlusskundgebung zur «Pride Week» in Istanbul ist der GrünenBundestagsabgeordnete Volker Beck von der türkischen
Polizei vorübergehend festgenommen worden. Beck
versuchte am Sonntag, die Festnahme eines Aktivisten
der Homosexuellenbewegung zu verhindern, der im
Stadtzentrum eine Erklärung abgeben wollte. Daraufhin
führte die Polizei Beck und andere Aktivisten gewaltsam
ab, wie ein dpa-Reporter berichtete. Die Polizei ließ den
deutschen Abgeordneten nach kurzer Zeit frei.
Türkei bestätigt Einigung auf
Versöhnungsabkommen mit Israel
Istanbul (dpa). Regierungskreise in der Türkei haben
eine Einigung mit Israel auf eine Normalisierung der
Beziehungen nach jahrelangem Streit bestätigt. Die
Vereinbarung stelle einen diplomatischen Sieg der
Türkei dar, sagte ein Regierungsvertreter. In Rom hatten sich gestern Delegationen beider Seiten getroffen,
um letzte Details auszuarbeiten. Der türkische Premier
Binali Yildirim will heute in Ankara vor die Presse treten.
Medienberichten zufolge will sich zeitgleich auch Israels
Regierungschef Benjamin Netanjahu äußern.
Datenschützer kritisiert Pläne für neue
Sicherheitsbehörde
Berlin (dpa). Der frühere Datenschutz-Beauftragte Peter
Schaar kritisiert Pläne für eine neue Sicherheitsbehörde,
die Programme zur Überwachung von Kommunikation
im Internet entwickeln soll. «Bei den Sicherheitsbehörden
wird überall aufgerüstet», sagte Schaar der «Berliner Zeitung». «Ich würde mich freuen, wenn mit dem gleichen
Eifer die Datenschutzbehörden gestärkt würden. Doch
davon kann leider keine Rede sein.» Überdies enthalte die
Strafprozessordnung keinerlei Erlaubnis zum Einsatz von
Staatstrojanern zur Online-Durchsuchung. Damit fehlten
auch die gesetzliche Legitimation.
Spaniens Konservative durch Wahl
gestärkt - Regierungsbildung offen
Madrid (dpa). Ministerpräsident Mariano Rajoy ist gestärkt
aus der Neuwahl in Spanien hervorgegangen. Seine
konservative Volkspartei behauptete sich nicht nur als
stärkste Kraft, sondern gewann entgegen den Prognosen
noch Sitze hinzu. Die Rajoy-Partei blieb aber von einer
absoluten Mehrheit weit entfernt. Insgesamt erbrachte die
Neuwahl in den Kräfteverhältnissen wenig Änderungen
im Vergleich zur Parlamentswahl im Dezember. Damit
zeichnet sich erneut eine schwierige Regierungsbildung
ab. Der EU droht nach der Brexit-Entscheidung der Briten
zusätzliche Instabilität in einem großen Mitgliedstaat.
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Demonstranten versammeln sich außerhalb Nr. 10 Downing Street am Tag als der britische Premierminister David
Cameron seinen Rücktritt verkündet. Etwa 52 Prozent haben für den sogenannten Brexit zugestimmt. Foto: dpa
Was folgt auf den schwarzen BrexitFreitag? - Fragen über Fragen
Europa versucht
nach dem Liebesentzug der Briten
seine Schockstarre
zu überwinden.
Mit einem Treffen in Berlin beginnt die EU die
Brexit-Scherben
zusammenzukehren, viele werden
folgen.
Von Werner Herpell
Berlin (dpa) - Der Kurssturz
des Pfunds gibt eine erste
Ahnung davon, was der EUAustritt Großbritanniens für
die Wirtschaft bedeutet. Die
politischen Brexit-Folgen
sind ebenso wenig abzusehen. Was wird aus dem Generationenprojekt, das erst
2012 mit einem Friedensnobelpreis ausgezeichnet
wurde? Sieben Fragen, die
an diesem Wochenende und
in den Tagen danach in den
Fokus rücken dürften.
IMPULS AUS DEN
GRÜNDERSTAATEN? Nach den entsetzten, mahnenden, auch beruhigenden
Äußerungen am schwarzen
Brexit-Freitag blicken die
sechs «Gründerstaaten»
der Europäischen Union
von 1957 nach vorn. Außenminister Frank-Walter
Steinmeier hat seine Kollegen aus Frankreich, Italien
und den Benelux-Ländern
nach Berlin eingeladen.
Im Gästehaus des Auswärtigen Amts wollen die
EU-Zugpferde Deutschland
und Frankreich am Samstag
gemeinsame Vorschläge zur
Weiterentwicklung einer
Gemeinschaft von künftig
27 Staaten vorlegen. Im
Entwurf für eine gemeinsame Erklärung ist von
einer «flexiblen Union» die
Rede, die den Partnerländer
mehr Raum für Integrationsschritte geben soll.
NEUANFANG KONTRA NIEDERGANG? - Nach
dem ersten Schock dürften
in den nächsten Tagen auch
radikale Lösungen auf den
Tisch kommen. Einen Vorgeschmack lieferte Frankreichs
konservativer Parteichef und
Ex-Präsident Nicolas Sarkozy, der nur wenige Stunden
nach dem Brexit-Votum eine
weitreichende EU-Neugründung verlangte. Diese Frage
sei dringlich, denn die Briten
stünden mit ihrer Ablehnung
eines kriselnden Europas
wohl kaum alleine da. «Was
das britische Volk gesagt hat,
hätten auch andere Völker
sagen können.» Sarkozy
werden Ambitionen auf eine
neue Präsidentschaftskandidatur 2017 nachgesagt.
EU-VERTRÄGE UNTER DRUCK? - Überzeugte
Europäer wie der deutsche
EU-Kommissar Günther
Oettinger lehnen rasche
Änderungen strikt ab. «In
den nächsten vier Jahren
sehe ich keine Chance, das
Primärrecht zu ändern»,
sagte er der Deutschen
Presse-Agentur mit Blick
auf die britische Ausstiegsphase. Denn damit könnten
alle Dämme brechen: «Das
wäre für Rechtspopulisten
eine Steilvorlage, um das
Projekt Europa zu demontieren.» Eine Vertiefung der EU
könne jetzt in der Außen- und
Sicherheitspolitik sowie der
Entwicklungspolitik angestrebt werden.
WIE WEITER MIT DEN
WIRTSCHAFTSBEZIEHUNGEN? - Hier sind
schnell ganz praktische, die
Unternehmen und den Bürger interessierende Dinge
zu klären. «Investoren sind
an einem Binnenmarkt
mit klaren Regeln interessiert», sagte Oettinger. «Was
passiert, wenn ein Auto
von Großbritannien nach
Deutschland transportiert
wird?» Solange die Briten
noch in der EU sind, ändert
sich an den Handelsbeziehungen erstmal nichts. Für
die Zeit danach sind aber
Verhandlungen nötig, die
jetzt nicht auf die lange Bank
geschoben werden können.
Z E I T S P I E L
DER BRITEN? - Es gibt
Befürchtungen, die Briten
könnten nach dem Votum
versuchen, die EU auszutricksen. Der Präsident des
Europaparlaments, Martin
Schulz (SPD), warnt vor
einer «Hängepartie über
Jahre». Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok
sagte dem «Westfalenblatt»:
«Ich halte es für Trickserei,
dass Premierminister David
Cameron bis Oktober im Amt
bleiben will. Dann kommt
der neue Regierungschef und
sagt vielleicht, dass er den
ganzen Brexit-Vorgang erst
einmal prüfen müsse - und
schon ist ein Jahr vorbei.»
Wenn schon Austritt, dann
schnell - und die EU dürfe
sich dabei nicht erpressen
lassen. Auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude
Juncker droht: «Der Deserteur wird nicht mit offenen
Armen empfangen.»
B R E X I T - K A TER AUF DER INSEL? Viele Briten jubeln: Jetzt
kriegen wir unser Land
zurück. Aber es gibt auch
viel Trauer, gerade bei jungen Leuten, die sich um ihre
Zukunft in einem offenen
Europa betrogen fühlen. Sie
haben zu 70 Prozent für den
EU-Verbleib votiert, hebt
der deutsche Außenminister
Steinmeier hervor. Und es
formiert sich Wut - so wird
der Brexit-Motor Boris Johnson nun in seiner Stadt, der
pro-europäischen Finanzmetropole London, attackiert.
Im Gegensatz zu Johnson ist
Cameron ein Mann von gestern: Er will nur noch einige
Wochen für Stabilität sorgen.
Die Nachfolger laufen sich
schon warm.
RECHTSAUSSEN
IM VORMARSCH? - Das
bleibt abzuwarten - obwohl
rechtsextreme, fremdenfeindliche Politiker wie Marine Le Pen in Frankreich
oder Geert Wilders in den
Niederländen die Abschottungstendenzen aus dem
Brexit-Votum sogleich für
sich nutzen wollen. Auch in
der rechtspopulistischen AfD
wird versucht, auf den Zug
der britischen EU-Gegner
aufzuspringen. Deren Thüringer Fraktionschef Björn
Höcke spricht von einem
«Freudentag für Europa».