Vorschau - TAZ Bewegung

Ein Kämpfer gegen das Vergessen
Ellie Wiesel, Holocaust-Überlebender und Friedensnobelpreistäger, ist tot ▶ Seite 5
AUSGABE BERLIN | NR. 11060 | 27. WOCHE | 38. JAHRGANG
MONTAG, 4. JULI 2016 | WWW.TAZ.DE
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GERxit abgewendet!
H EUTE I N DER TAZ
EM Seit zehn Jahren zieht das deutsche Team
bei jedem großen Turnier mindestens ins
Halbfinale ein. Wie schaffen die das nur?
▶ EM taz SEITE 17
AUS­Z EICH­N UNG Sha-
ron Dodua Otoo er­hält
den 40. In­ge­borg-Bach­
mann-Preis ▶ SEITE 17
AN­S CHLAG Lalon San­
der über is­la­mis­ti­sche
Ter­ro­ris­ten in Ban­gla­
desch ▶ SEITE 4
ABSCHIEBUNG CDU-
Innensenator Frank
Henkel versucht sich zu
profilieren. Dabei reißt
er sogar Familien auseinander ▶ SEITE 21
Fotos: ORF, ap (oben)
YASAK
Merhaba,
sayın yetkililer!
Neue Runde in der „Böhmermann-Affäre“: Zwar hat das
Hamburger Landgericht dem
TV-Satiriker bereits untersagt,
große Teile seines Gedichts
„Schmähkritik“ über den türkischen Präsidenten öffentlich zu wiederholen – aber
Recep Tayyip Erdogan will Jan
Böhmermanns Verse ganz
verbieten. Nun ist aber jedes
Satire-Verbot in Deutschland
aus historischen Gründen …
schwierig. Gut unterrichtete
Kreise gehen davon aus, dass
nun nach und nach immer weitere Teile von „Schmähkritik“
verboten werden, bis nur noch
ein kleiner Rest übrig bleibt:
Sch…!
Berlin, Straße des 17. Juni, am Samstagabend: Das 1:0 gegen Italien sorgt für Spitzenstimmung auf der Fanmeile Foto: Björn Kietzmann
Briten wollen Europäer bleiben Kritik an Vattenfall
BREXIT
Inzwischen rund vier Millionen Unterschriften für neues Referendum
LONDON dpa | Zehntausende Bri-
ten sind am Samstag in London
für den Verbleib ihres Landes in
der EU auf die Straße gegangen.
Bei ihrem Protestmarsch trugen
sie Europaflaggen mit sich, riefen „Ich liebe die EU“ und verlangten, der Brexit solle ungeachtet der Mehrheit beim Referendum abgewendet werden.
Viele Teilnehmer meinen, die
Mehrheit am 23. Juni sei nicht
zuletzt durch Falschinformationen und unehrliche Versprechen des Austritts-Lagers zustande gekommen. Sie fordern,
das Parlament solle das Votum
des Referendums aufheben oder
die Regierung keinen Antrag auf
Austritt stellen.
Inzwischen haben rund vier
Millionen Bürger Großbritanniens eine Onlinepetition für
ein zweites Referendum unterschrieben. Allerdings hat das zuständige Komitee im Unterhaus
Zweifel geäußert, ob alle Unterschriften gültig seien.
▶ Schwerpunkt SEITE 2, 3
▶ Meinung + Diskussion SEITE 10
BRAUNKOHLE
Greenpeace gegen Tschechien-Deal
HAMBURG/BERLIN epd | Die Um-
weltschutzorganisation Green­
peace hat den geplanten Verkauf der ostdeutschen Braunkohlesparte des staatlichen
schwedischen Energiekonzerns
Vattenfall an einen tschechischen Investor kritisiert. „Vattenfalls schmutziges Braunkohlegeschäft feige weiterzurei-
chen igno­riert wissenschaftliche
Erkenntnisse“, erklärte Greenpeace am Sonnabend in Hamburg. Wenn die auf der Weltklimakonferenz von Paris vereinbarten Ziele erreicht werden
sollten, müsse ein Großteil der
Kohle im Boden bleiben.
▶ Wirtschaft + Umwelt SEITE 7
▶ Meinung + Diskussion SEITE 10
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KOMMENTAR VON RALF SOTSCHECK ÜBER DIE ANTI-BREXIT-DEMONSTRATIONEN
M
Demokratie ist mehr als Facebook-Likes
ehr als 40.000 Menschen haben am Samstag in London gegen das Ergebnis des Brexit-Referendums demonstriert. Mehr als 4 Millionen Menschen unterzeichneten eine
Onlinepetition, mit der sie die Wiederholung der Volksabstimmung fordern. Es
sind vor allem junge Leute, die den Alten
vorwerfen, dass sie ihnen mit ihrem Votum für den Austritt aus der EU die Zukunft verdorben haben.
Sie hätten sich vor dem Volksentscheid an die Geschichte des gläubigen
Christen erinnern sollen, der Abend für
Abend betet, Gott möge ihm einen Lottogewinn bescheren. Irgendwann wird es
Gott zu bunt, und er antwortet: „Gib mir
eine Chance. Kauf einen Lottoschein.“
Auf das Brexit-Referendum übertragen,
heißt das, die jungen Leute hätten das ihnen unangenehme Ergebnis verhindern
können, wenn sie sich die Mühe gemacht
hätten, ihre Stimme abzugeben.
73 Prozent der 18- bis 24-Jährigen haben für den Verbleib in der EU gestimmt.
Laut einer Untersuchung der London
School of Economics hat fast die Hälfte
dieser Altersgruppe bei der Verkündung
des Ergebnisses geweint. Das sind beeindruckende Zahlen. Aber nur 36 Prozent
dieser Altersgruppe haben überhaupt gewählt – im Gegensatz zu 83 Prozent der
über 65-Jährigen. War es Faulheit? Immerhin gab es 41.000 Wahllokale, mehr
als in den USA. Und wem es trotzdem zu
umständlich war, hätte an der Briefwahl
teilnehmen können.
Warum haben sie es nicht getan? Befragungen deuten darauf hin, dass viele
junge Leute das Wahlverfahren für anachronistisch halten. Mit einem Stift ein
Kreuz auf einem Blatt Papier machen?
Und manche wussten offenbar gar nicht,
dass es überhaupt noch eine Briefpost
Bei einer Wiederholung
würde die EU noch mehr an
Glaubwürdigkeit verlieren
gibt. Vielleicht hätte man das Referendum über Facebook aufziehen sollen.
Dann hätte die EU genügend „Likes“ für
den britischen Verbleib bekommen.
Natürlich kann man das Volk erneut
an die Wahlurne bitten. In Irland haben die Politiker es ja bei zwei Referenden über EU-Verträge auch getan, weil
ihnen das Nein nicht gepasst hatte. Mit
einer Wiederholung der Brexit-Abstimmung würde die EU allerdings den letzten Rest demokratischer Glaubwürdigkeit verlieren. Die britische Anti-BrexitBewegung muss mit dem Ergebnis leben
und das Beste daraus machen. Es wäre ein
Anfang, sich dem rapide ausbreitenden
Rassismus entgegenzustellen.