brexit - GEG German Estate Group

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FRANKFURT
Frankfurter Rundschau
Dienstag, 28. Juni 2016
72. Jahrgang
Nr. 148
Brexit und Frankfurt Politiker hoffen auf Tausende Arbeitsplätze, Investoren erwarten noch höhere Mieten.
B R E X I T „Bodenpreise und Kosten steigen“
www.fr-online.de/brexit
Firmen
drängen
an den Main
OB Feldmann berichtet
von Anfragen aus London
O
berbürgermeister Peter Feldmann (SPD) sieht den angekündigten Ausstieg von Großbritannien aus der Europäischen
Union, den Brexit, als „angenehme Herausforderung“ für Frankfurt. Die Stadt werde bei den Arbeitsplätzen und bei der Ansiedlung von Unternehmen profitieren, sagte der Oberbürgermeister
bei der Bilanzpressekonferenz
der Stadtwerke-Holding am
Montag.
Feldmann wollte sich nicht
festlegen, ob 10 000 oder gar
20 000 neue Arbeitsplätze in
Frankfurt in den nächsten Jahren
entstehen könnten. „Da bin ich
vorsichtig.“
Allein am Sonntag aber sei er
mit „drei sehr spannenden Anfragen“ größerer Unternehmen beschäftigt gewesen, die ihren Sitz
von London nach Frankfurt verlegen wollten. Es gebe Anfragen
aus London und aus dem gesamten Großbritannien. „Es wird
künftig sehr schwer, in Frankfurt
arbeitslos zu werden“, urteilte
der Sozialdemokrat.
Die Stadt habe sich seit Februar gemeinsam mit der Region auf
einen Brexit vorbereitet. Sie investiere jetzt einen hohen sechsstelligen Betrag in eine entsprechende Werbekampagne. Diese
werde bis 2017 reichen. Die städtische Tourismus- und Kongress
GmbH trete dabei werbend in
Großbritannien auf.
Frankfurt biete mit einem
Leerstand von 1,3 Millionen
Quadratmetern Büroraum auch
genügend Flächen für ansiedlungswillige Unternehmen, sagte der Oberbürgermeister. In
Deutschland gebe es viele Städte, die gerne mit Frankfurt tauschen würden.
Als Sozialdemokrat fordere
er, dass die Arbeitsplätze, die infolge des Brexit jetzt in Frankfurt entstünden, in jedem Fall
„mit auskömmlichen Löhnen
ausgestattet“ sein müssten. Damit Frankfurt für die Auswirkungen des Brexit gerüstet sei,
brauche es aber auch stärkere finanzielle Unterstützung durch
das Land Hessen, forderte der
OB.
Constantin Alsheimer, der
Vorstandsvorsitzende der Stadtwerke Holding, forderte größere
Stromnetzkapazitäten angesichts
des Wachstums der Stadt. „Wir
brauchen bei der Bundesnetzagentur ein Bewusstsein für die
wachsende Infrastruktur.“ jg
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Immobilieninvestor Ulrich Höller zu den Folgen des Brexit für die Mainmetropole
ZUR PERSON
Herr Höller, haben Sie mit der
Austrittsentscheidung Großbritanniens gerechnet?
Ich hatte sie zumindest auf der
Agenda. Ich habe bei meinen diversen internationalen Geschäftspartnern in den letzten Wochen
vor Ort in London große Nervosität gespürt. Viele Unternehmen
haben sich auf den Brexit vorbereitet. Mir war dadurch klar, dass
es superknapp wird.
Ulrich Höller, 50 Jahre, ist Vorstandsvorsitzender der German Estate Group
(GEG) in Frankfurt und einer der
bekanntesten deutschen Projektentwickler.
Sein größtes Bauvorhaben in Frankfurt ist derzeit das Maintor-Quartier,
das frühere Degussa-Gelände, auf dem
Büros und Wohnungen entstehen. jg
Was hat den Ausschlag gegeben?
Viele Briten sind verärgert über
die Dominanz der Deutschen in
der EU. Viele EU-Befürworter haben außerdem nicht abgestimmt,
weil sie nicht mit einer negativen
Entscheidung gerechnet haben.
Und die negativen Konsequenzen
eines EU-Austritts sind zu wenig
kommuniziert worden.
beitsplätze vorhanden. Der Leerstand liegt derzeit bei deutlich
über einer Million Quadratmetern, das entspricht immer noch
über zehn Prozent des Marktangebots.
Wenn tatsächlich so viele neue
Arbeitsplätze in Frankfurt entstehen, dann bedeutet das doch,
dass es auf dem Wohnungsmarkt noch enger werden wird.
Das ist so. Die Stadt muss ihre
Anstrengungen beim Wohnungsbau noch verstärken. Sie muss
Wohnhochhäusern offener gegenüberstehen als bisher. Es
braucht Wohnraum für alle gesellschaftlichen Schichten, für
Gutverdienende und vor allem
bezahlbaren Wohnraum für Bürger mit geringerem Einkommen.
Hat die EU Fehler gemacht?
Viele Wirtschaftszweige, auch die
Immobilienwirtschaft, müssten
ihre Entscheidungen viel stärker
an Brüssel ausrichten als an Berlin. Die Europäische Union wird
aber von den Unternehmen noch
immer als ein fremdes „animal“
gesehen. Viele Unternehmen kritisieren, dass sie durch die EU-Finanzpolitik für die Probleme
Griechenlands mit in Haft genommen werden. Dann hat die
Flüchtlingspolitik die Unzufriedenheit mit der EU noch potenziert.
Wie bewerten Sie die Austrittsentscheidung?
Es ist ein Votum wider die Vernunft. Viele Briten sind darüber
selbst erschrocken. Es ist allerdings unfassbar, dass viele die
Entscheidung jetzt rückgängig
machen wollen.
Wie werden die Konsequenzen
für London und Frankfurt aussehen?
Für den weltweit bedeutenden Finanzplatz London wird es jetzt einen negativen Schlag geben. Viele große Investorengruppen hatten ihre Entscheidungen in
Ulrich Höller im Maintor-Quartier.
Europa, und natürlich auch in
London, bis zur Volksabstimmung
zurückgestellt. Diese Entscheidungen werden jetzt gegen London fallen. Frankfurt wird von
der Schwächung Londons profitieren. Ich halte einen Zuwachs
von bis zu 20 000 Arbeitsplätzen
in der Stadt mittelfristig für belastbar. Manche gehen sogar von
30 000 Arbeitsplätzen aus. Dabei
spielt eine ganz entscheidende
Rolle, dass Frankfurt der Sitz der
ANDREAS ARNOLD
Europäischen Zentralbank ist.
Das ist das entscheidende Plus für
Frankfurt im Konkurrenzkampf
zum Beispiel mit Paris. Das Kapital sucht sich immer schnell seinen Weg. Die Banken ziehen dabei andere Dienstleister nach
sich, das ist eine Welle.
Für Frankfurt stellt das also eine wirtschaftliche Chance dar.
Gewiss. In Frankfurt ist auch der
nötige Büroraum für diese Ar-
Aber es fehlt bezahlbarer Wohnraum.
Natürlich
fehlt
bezahlbarer
Wohnraum. Aber auch gehobene
Wohnungen sind nötig. Die manchen dann andere, preiswertere
frei. Das ist der Sickereffekt …
… der von Fachleuten bestritten
wird.
Wir wissen aus Erfahrung, dass er
existiert. Aber klar ist, dass durch
den Zuzug von so vielen Menschen die Bodenpreise und die
Baukosten in Frankfurt weiter
steigen werden. Grundsätzlich
gerät die Stadt jetzt noch mehr
ins internationale Schaufenster,
und das ist gut so.
Interview: Claus-Jürgen Göpfert
Gut vorbereitet
Regionales Standortmarketing und Wirtschaftsförderung schlagen die Werbetrommel
Von Friederike Tinnappel
D
as regionale Standortmarketing ist gut aufgestellt, um
für den Standort Frankfurt und
die Region zu werben. Geschäftsführer Eric Menges wird schon
am morgigen Mittwoch wieder
nach London reisen. Dabei geht
es nicht nur darum, englischen
Unternehmen
den
Standort
Frankfurt schmackhaft zu machen, sondern auch indische
oder chinesische Konzerne anzuwerben, die ihre europäische
Zentrale bislang in London hatten.
Als Konkurrenten in diesem
Geschäft nennt Menges Dublin,
Paris und Amsterdam. Dass sich
Frankfurt als Finanzplatz und
durch die Nähe zum Flughafen
empfehle, sei bekannt. Umso
mehr müsse auf die anderen
Qualitäten des Standorts Frankfurt und der Region hingewiesen
werden: „Dass wir alle so gut
Englisch reden“ zum Beispiel.
Oder dass es eine Reihe „toller
Universitäten“ von Darmstadt bis
Gießen gebe und nicht zuletzt
die „vorzügliche IT-Kompetenz“.
Die Website welcometofrm.
com, die seit Freitag im Internet
aufgerufen werden kann, habe
ein „kleines Feuerwerk“ ausgelöst und sei auf Twitter „ordentlich durch die Gegend geschickt“
worden. Außerdem können Informationen über die Hotline
0044/2038 072 072 erfragt werden. Auch mit Delegationen, denen Entscheider aus der Bankenund Immobilienbranche angehö-
ren, möchte Menges Frankfurt
bekannter machen. Etwa ab
März habe man in Abstimmung
mit Vertretern unter anderem aus
dem hessischen Wirtschaftsministerium und der städtischen
Wirtschaftsförderung mit den
Vorbereitungen einer Werbekampagne begonnen.
Der Chef der Frankfurter Wirtschaftsförderung, Oliver Schwebel, geht davon aus, dass für
Neuansiedlungen genügend Büroraum vorhanden sei beziehungsweise geschaffen werden
könne. Im Mertonviertel, Niederrad und Gateway Gardens seien
noch Flächen für Neubauten vorhanden. Der Wohnungsmarkt sei
allerdings jetzt schon „sehr angespannt“. Auch in der Region müsse Wohnraum geschaffen wer-
den. Es würden Menschen mit einem „gehobenen Einkommensniveau“ erwartet, für die vor allem
das „hochpreisige Segment“ interessant sein werde.
Wie sich der Ausstieg aus der
EU auf Frankfurts Partnerstadt
Birmingham auswirken wird, ist
ungewiss. Nach Angaben des Geschäftsführers der Tourismus
und Congress GmbH, Thomas Feda, haben sich die Menschen in
Birmingham ebenfalls für einen
Austritt entschieden und zwar
„ganz knapp“ mit 50,5 Prozent.
Das könnte auch dem Frankfurter Weihnachtsmarkt schaden,
der jährlich in Birmingham und
Leeds von deutschen Gewerbetreibenden nach dem gleichen
Muster wie in Frankfurt abgehalten wird.