SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Aula Paläontologie Der Studienkompass (10/11) Von Friedemann Schrenk Sendung: Sonntag, 26. Juni 2016, 8.30 Uhr Redaktion: Ralf Caspary Produktion: SWR 2016 Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Service: SWR2 Aula können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/aula.xml Die Manuskripte von SWR2 Aula gibt es auch als E-Books für mobile Endgeräte im sogenannten EPUB-Format. Sie benötigen ein geeignetes Endgerät und eine entsprechende "App" oder Software zum Lesen der Dokumente. Für das iPhone oder das iPad gibt es z.B. die kostenlose App "iBooks", für die Android-Plattform den in der Basisversion kostenlosen Moon-Reader. Für Webbrowser wie z.B. 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Wir wollen bei der Beantwortung dieser Frage helfen. Elf AULA-Autorinnen und -Autoren geben jeweils Auskunft über ihr Fach, zeigen, was man mitbringen muss, um es zu studieren, was man mit dem Bachelor oder Master anfangen kann, wie das Studium genau aufgebaut ist. Es geht um Grundlagenfächer, um Chemie, Medienwissenschaft, Mathematik, Germanistik oder um Philosophie. Alle Vorträge sind auch online erhältlich. Infos dazu finden Sie der Internetseite www.swr2.de/studienkompass. Heute geht es um die Paläontologie und Paläoanthropologie. Ich begrüße Professor Friedemann Schrenk vom Senckenberg Forschungsinstitut Frankfurt am Mainz zum Gespräch. INTERVIEW: Frage: Herr Schrenk, gibt es in Ihrer Kindheit ein Evidenz-Erlebnis, bei dem Sie gedacht haben, ich muss unbedingt das studieren, was Sie studiert haben? Schrenk: Ich bin auf der Schwäbischen Alb aufgewachsen und habe schon in frühester Kindheit Fossilien gesammelt, damit habe ich dann die ganze Familie zu Weihnachten und zu Ostern beglückt. Die liegen heute noch bei meiner Mutter um das Haus herum. Mich hat das fasziniert, weil man etwas sieht, was noch nie vorher ein Mensch gesehen hat. Aber erst sehr viel später habe ich gedacht, das ist genau das, was mich interessiert. Frage: Waren Sie auch an Dinosauriern interessiert? Schrenk: Enthusiastisch war ich nicht, weil ich nie Dino-Knochen gefunden habe. Ich war nur überrascht, dass es ständig neue Entdeckungen gibt. Man muss ins Gelände gehen, muss Gelände-Arbeit machen, und ich war immer gerne in der Natur draußen. Überwiegend arbeite ich heute in Afrika. Das ist etwas, was an dem Beruf besonders viel Spaß macht. Frage: Wie oft graben Sie? 2 Schrenk: Wir sind manchmal wochenlang in Afrika, etwa vier bis sechs Wochen dauert eine Kampagne. Wir graben aber nicht nur die ganze Zeit, sondern dazu gehört erstmal Oberflächenbegehung. Wir müssen sowohl die Stellen finden, wo diese Fossilien zu finden sind, als auch unsere Funde interpretieren. Das sind zwei völlig verschiedene Zugänge, und das ist das Besondere an diesem Job, dass man sowohl Geologie, also Gesteinskunde, lernen muss und andererseits Anatomie, um die verschiedenen Fossilien einordnen zu können. Frage: Wie stellt man fest, wo Funde zu erwarten sind? Schrenk: Man kann Fossilien nur in Schichten finden, die das richtige Alter haben für die gesuchten Fossilien. Wir suchen z. B. Reste des Urmenschen. Da brauchen wir nicht in Gebiete zu gehen, die älter als 5 Millionen Jahre sind. Außerdem braucht man Sedimente, also Ablagerungsgesteine. Das heißt, wenn ich Fossilien suche, brauche ich nicht in vulkanische Gebiete zu gehen oder ins Grundgebirge, sondern ich muss Sediment-Gesteine haben, also eine ganz bestimmte Gesteinsart, weil nur dort Fossilien gefunden werden können. Das heißt, ich muss wissen, wie diese Gebiete geologisch beschaffen sind und wie alt sie sind. Möglich ist auch, dass es Verwitterungsstellen gibt, z. B. Flüsse, die durchwittern. All das sehe ich auf Satellitenfotos. Heute machen wir das meistens mit "googleearth", das funktioniert wunderbar. Frage: Ich kann mir vorstellen, dass diese Arbeit sehr viel Geduld benötigt. Es könnte doch sein, dass Sie zehn Tage graben und am Ende nichts finden. Schrenk: Graben tun wir nur sehr selten, und wenn, dann keine großen Löcher. Was wir machen, ist Oberflächenbegehung, um zu schauen, wo Funde an der Oberfläche liegen. Die Zahl der Funde schwankt, meistens ist es einer pro Quadratkilometer. Das könnte ein halber Zahn oder ein Viertel Finger sein. Dafür muss man natürlich schon mal ein paar Tage jeden Quadratzentimeter absuchen. Wir hatten auch schon Zeiten, wo wir zwei Wochen lang jeden Quadratzentimeter abgesucht haben und nichts gefunden haben. Da muss man halt Freude daran haben, durch die Landschaft zu streifen. Mir macht es Spaß, dort im Gelände zu sein, unabhängig davon, ob ich etwas finde oder nicht. Meistens ist es schön warm und es sind nette Leute dabei. Und man braucht gesunden Menschenverstand und vor allem soziale Kompetenz. Denn wir leben dort in Camps. Wenn ich Leute für eine Grabungsreise suche, dann brauche ich keine, die nobelpreisträchtige Forschung betreiben, sondern ich brauche Menschen mit gesundem Menschenverstand, die ein Auto reparieren können oder einen Reifen wechseln usw. und die auch mit anderen zusammen sechs Wochen lang in einem Camp leben können. Kochen können muss man nicht, wir leisten uns meistens ein oder zwei Köche. Aber es schadet nicht, wenn jemand praktisch veranlagt ist. 3 Frage: Ihr Fach ist die Paläontologie. Ontologie bedeutet das Seiende, das Lebende und Paläo heißt "rückwärtsgewandt". Schrenk: Genau, in der Paläontologie geht es um ehemalige Lebewesen. Das können Tiere und Pflanzen sein – oder auch Menschen. Dann nennt man das Paläanthropologie. Das ist mein Spezialgebiet. Es geht also um Lebewesen, von denen es nur noch Fragmente gibt. Bei Wirbeltieren sind das meistens Knochen und Zähne, die härtesten Bestandteile des Körpers. Nun hängt an diesen Fossilien kein Zettel, auf dem steht "hier habe ich gelebt" oder so. Das zu klären, ist Teil unserer Aufgabe. Dabei gehen wir durchaus kriminalistisch vor. Das müssen wir auch, denn wir haben nur ganz kleine Spuren, aus denen wir rekonstruieren wollen, wie, in welcher Umgebung die Lebewesen gelebt haben. Ein Lebewesen an sich hat ja eine biologische Konstruktion. Um die zu verstehen, braucht man anatomische Kenntnisse. Allerdings lebt dieses Lebewesen auch in einer bestimmten Umwelt. Das sind die ökologischen Beziehungen. Drittens entwickeln sich Lebewesen im Laufe von vielen Millionen Jahren, das nennt man Evolution. Da gibt es also auch Entwicklung drin, die man nachvollziehen kann. Frage: In der Aula-Reihe "Studienkompass" geht es immer auch darum, wie relevant ein Studienfach für die Gesellschaft ist. Bei Ihrem Fach ist das, wie ich finde, klar: Wir wollen wissen, wo wir herkommen. Schrenk: Das stimmt. Es hat aber noch eine weitere sehr wichtige Bedeutung. Wir haben heute eine sehr große Biodiversität, eine Artenvielfalt, die wir, genauso wie unsere Umwelt, dabei sind, innerhalb kürzester Zeit zu zerstören. Nun gab es immer schon Klimaveränderungen und natürlich ausgelöste Katastrophen. Die können wir rückwärts studieren und daraus lernen, was mit uns und unserer heutigen Umwelt einmal passieren wird. Dabei hilft uns ein Blick auf Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Organismen und Lebewesen. Wie wurden die z. B. durch Klimaveränderungen beeinflusst. So kann uns ein Verständnis für unsere Geschichte helfen zu verstehen, wie es mit uns weitergehen wird. Frage: Angenommen, ich habe gerade mein Abitur abgeschlossen und interessiere mich für ein Studium bei Ihnen. Brauche ich dazu möglichst gute Noten, einen Numerus Clausus? Schrenk: Ein gutes Abitur kann ja nicht schaden, aber ich hatte zum Beispiel keine besonders guten Noten. Wahrscheinlich wird man als Student am ehesten in der Geologie und Paläontologie landen. Diese beiden Fächer sind in Deutschland meistens kombiniert, weil die Paläontologie in Deutschland auch im Zusammenhang mit der Entwicklung der Geologie entstanden ist. Die Paläontologie als eigenständige Wissenschaft ist letztendlich auf der Schwäbischen Alb entstanden, wenn man so will, denn da hat Friedrich August Quenstedt schon vor Hunderten von Jahren festgestellt, dass die Ammoniten, die dort gefunden werden, sich im Lauf der Zeit verändern. Diese 4 Information wurde benutzt, um Schichten relativ zu datieren. Deswegen ist die Paläontologie eine Wissenschaft, die in der Geologie hilft. Deswegen sind diese Fächer in Deutschland meistens kombiniert. Das muss aber nicht sein. Fossilien kann man als Steine betrachten oder als ehemalige Lebewesen. Der eine Ansatz entstammt der Geologie, der andere der Biologie. Ich selbst bin am Fachbereich Biowissenschaften in Frankfurt und vertrete dort die Paläobiologie, d. h. es geht mehr um ehemalige Lebewesen als um die Versteinerung. In Frankfurt ist die Paläontologie integriert in die Geowissenschaften, an einigen Universitäten gibt es sie auch als eigenständiges Fach, z. B. in Tübingen und Bonn. Aber man kann Paläontologie nicht studieren ohne entscheidende Fächer drum herum. Außer den Grundwissenschaften Mathematik, Physik, Chemie, Zoologie und Botanik sind das Geologie, es kann die Mineralogie sein, also Fächer, die letztendlich die Gesteine beschreiben und definieren. Auf der anderen Seite sind es biologische Fächer, z. B. Anatomie oder Invertebraten-Zoologie (Wirbellose). Da gibt es eine Vielfalt von Möglichkeiten, aber es ist immer der Spannungsbogen zwischen der unbelebten Natur und der belebten Natur. Und das wird in der Paläontologie zusammengeführt. Frage: Gibt es eigentlich eine Art Test, ob jemand für Ihr Fach geeignet ist? Schrenk: Nein, im Bachelor noch nicht. Erst wenn es um den Master in Biowissenschaften geht, treffen wir eine Auswahl. Frage: Welche Talente sollte man mitbringen, abgesehen von Neugierde? Schrenk: Ich glaube, das Wichtigste ist Spaß an Gelände-Arbeit. Dieses Fach kann man zwar auch betreiben, indem man nur Sammlungen in Museen studiert, aber dadurch kommen ja keine neuen Funde zustande. Um neue Erkenntnisse zu gewinnen, müssen erst mal Funde gemacht werden. Dazu gehören Planung, Zufall und Glück. Vor allem bedeutet das heute aber auch, dass man in der Lage ist, mit vielen Kollegen weltweit zu kooperieren. Wir leben ja nicht mehr im Kolonialismus, wo man einfach irgendwohin reist, dort einfach Fossilien aus dem Boden reißt und die nach Deutschland schifft. Das war früher einmal so. Inzwischen sind das alles Kooperationsprojekte. D. h. eine ganz wesentliche Eigenschaft, um auf diesem Gebiet zu arbeiten, ist auch, kommunizieren zu können, Kooperationen aufzubauen, vor allem auch langfristig aufzubauen. Nur dann kann man erfolgreich sein. Alle unsere Projekte sind langfristige Projekte und beruhen auf Kooperation. Wir beziehen die Kollegen z. B. aus afrikanischen Ländern in unsere Arbeit ein und bieten auch Fortbildungen an. Capacity Building nennen wir das. Unsere Projekte sind immer auf Gegenseitigkeit ausgerichtet. Außerdem muss man natürlich auch die Fähigkeit haben, Gelder zu finden und zu beantragen. Das gehört zu jeder Forschung. Die Arbeit umfasst also die Planung von solchen Projekten, ihre Durchführung und später auch das "Verkaufen" in Publikationen. Das ist das, was wir tagtäglich machen. 5 Eine solide Grundbildung in Biologie und Naturwissenschaften ist bestimmt kein Fehler. Aber ich glaube, noch wichtiger ist es, Projekte durchzuführen, um dann auch das, was man lernt, anzuwenden. Theoretisches Wissen ist natürlich sehr wichtig, aber noch viel wichtiger ist die praktische Umsetzung. Frage: Warum kommt dieses Fach in der Schule eigentlich fast gar nicht vor? Schrenk: Als einziges Bundesland gab es in Baden-Württemberg das Fach Geologie, das ist inzwischen abgeschafft bzw. in andere Fächer, vermutlich Geografie, integriert. Es gibt Ansätze, paläobiologische Themen im Unterricht zu behandeln. Aber wie groß die Vielfalt der Paläontologie ist, sie reicht ja von Mikroorganismen bis zum Menschen, merkt man erst im Laufe eines Studiums. Frage: Gibt es die klassische Aufteilung in Bachelor und Master und eventuell Promotion? Schrenk: Der Bachelor ist ja meistens eine Art Grundstudium, in dem keine besondere Spezialisierung stattfindet. Allerding kann die Bachelor-Arbeit in eine bestimmte Richtung ausgerichtet sein. Unser Fach ist im Wesentlichen ein wissenschaftliches Fach, und für eine langfristige Beschäftigung ist die Promotion ein Muss. Man fängt also mit einem Bachelor an, macht dann einen Master und geht dann in die Promotion, die Voraussetzung ist, um überhaupt Gelder für die wissenschaftliche Arbeit beantragen zu können. Es kommt ein bisschen darauf an, wie lang die Doktorarbeit dauert. Meistens ist ja Gelände-Arbeit damit verbunden, man muss also durchaus für ein paar Monate ins Gelände gehen. Aber wir machen keine Doktorarbeiten, die länger als zwei oder drei Jahre dauern, weil wir es für wichtig halten, möglichst früh selbständig wissenschaftlich arbeiten zu können. Ohne die Promotion geht das nicht. Frage: Was ist nach der Promotion? Schrenk: Meistens schließt sich der Promotion ein sogenanntes Post-Doc an, wissenschaftliche Projekte, die am besten nicht da stattfinden, wo man studiert hat. Man arbeitet für zwei, drei Jahre an befreundeten Instituten weltweit. Um wirklich als Professor tätig zu sein, ist in Deutschland meist noch die Habilitation gefordert. Das bedeutet eine weitere Forschungsarbeit. In anderen Ländern, zunehmend auch in Deutschland, ist es aber vor allem wichtig, wieviel man in Fachzeitschriften publiziert. Es gibt sehr hochrangige Fachzeitschriften, wo es gar nicht so einfach ist, seine Arbeit dort unterzubringen. Es geht also um Publikationsleistung, denn man kann ja lange vor sich hin forschen, wenn man nichts davon aufschreibt, hat keiner etwas davon. Eine andere, sehr interessante berufliche Möglichkeit ist die Arbeit in Museen. Als Kurator einer Sammlung kümmere ich mich um die Stücke, ihre korrekte Beschriftung usw. Aber das eigentliche Ziel ist, dass ich einen Forschungsschwerpunkt aufbaue, 6 der diese Sammlung mit einbezieht. Die eigene Sammlung wird nie ausreichen, man wird immer Sammlungen aus der ganzen Welt brauchen, und das bedeutet, man arbeitet nicht so sehr an einer Spezialsammlung, sondern an einem bestimmten Thema. Man hat eine Fragestellung, z. B. "wann sind die Menschen entstanden, wo haben sie gelebt, wie sind sie aus Afrika heraus expandiert, welche ökologischen Umstände herrschten?" oder "wie haben sich Riffe in der Erdgeschichte gebildet?" Es gibt verschiedene Riffbildner. Das ist ein Thema in der Paläontologie, das können Riffe sein aus Korallen, aber auch Schwämme und Muscheln haben schon Riffe gebildet. Es geht also um Fragen, wie früher einmal eine Landschaft oder ein Meer, also Lebensräume, ausgesehen haben. Und in Museen kann man das natürlich auch vermitteln. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt: die Vermittlung von Wissen an die Öffentlichkeit. Als Kurator entwickelt man die Inhalte einer Ausstellung. Gerade in der Paläontologie gibt es auch ein paar Spezialgebiete in der Industrie. Die Mikro-Paläontologie, die Wissenschaft von Mikroorganismen, spielt z. B. in der Öl-Industrie eine Rolle. Das sind Spezialisten, die ganz genau wissen, welche Mikroorganismen in welcher Zeit auftreten und was das bedeutet hinsichtlich des Ölvorkommens. Gesteinsuntersuchungen sind wichtig, um zu entscheiden, ob weiter gebohrt werden soll oder nicht. Mikro-Paläontologen treffen diese Entscheidung. Dieser Job ist auch sehr gut bezahlt. An Klimarekonstruktionen, die durchgeführt werden aufgrund von Fossilien oder erdgeschichtlichen Zusammenhängen, sind immer Paläontologen beteiligt, und zwar deswegen, weil man dazu wissen muss, welche Vegetation es wann und wo gegeben hat. Das kann man aus fossilen Pollen oder Blättern schließen, und die wiederum lassen auf eine bestimmte Temperatur schließen. Oder man schaut die Zusammensetzung zwischen bestimmten fossilen Tiergruppen an. Wenn man sieben verschiedene Krokodilarten findet, dann weiß man, das war ein tropisches Klima. Gerade für die Klimarekonstruktion ist die Paläontologie unerlässlich. Ein weiterer Zusammenhang ist Konstruktion von Lebewesen und Funktion, z. B. von Zähnen. Das berührt Fragen wie: Was haben Tiere gegessen, welche Nahrung stand zur Verfügung? Oder wie hat sich die Nahrung des Menschen im Laufe der letzten 10.000 Jahre bis heute verändert? Wir können gut ablesen, dass es nicht nur mehr Karies gibt, sondern auch Zahnfehlstellungen. Wir kooperieren auch mit Zahnärzten. Frage: Können Sie im Rückblick sagen, was Ihr schönster Fund gewesen ist? Schrenk: Als Kind habe ich mal einen Fels gesehen und intuitiv gewusst, dass da ein Ammonit drin ist. Natürlich habe ich Hilfe gebraucht, um den Fels aufzuschlagen. Aber tatsächlich – da war der Ammonit drin. Den habe ich bis heute. Das war mein schönster Fund. Mein erfolgreichster war der Unterkiefer eines Urmenschen, 2,5 Millionen Jahre alt aus Südostafrika, eines der ältesten, bis heute jemals gefundenen Reste von Urmenschen. Dieser Fund war deswegen so wichtig, weil wir schon zehn Jahre lang in diesem Gebiet, einem Korridor zwischen dem südlichen und östlichen Afrika, gearbeitet hatten, wo bis dahin keinerlei Urmenschen-Funde waren, wo aber klar war, die müssen irgendwo sein. Nach neun Jahren Arbeit haben einige Kollegen gemeint, das sei kein Menschen-Korridor, sondern ein Elefanten-, Giraffen-, Antilopen-Korridor und was wir nicht alles gefunden haben. Deswegen war es gut, 7 dass wir ein Jahr später diesen menschlichen Fund hatten. Er hat uns gezeigt, dass wir auf dem richtigen Weg waren. Frage: Eine schöne Geschichte. Ich bedanke mich für das Gespräch. Schrenk: Gern geschehen. ***** Friedemann Schrenk ist Professor für Paläobiologie der Wirbeltiere der Goethe Universität Frankfurt/M. und Sektionsleiter Paläoanthropologie am Forschungsinstitut Senckenberg, Frankfurt/M. Seine Forschungsschwerpunkte sind u. a.: Paläontologie und Paläoanthropologie Südsudans (in Kooperation mit University of Juba, Hessisches Landesmuseum Darmstadt), Human Palaeobiomics (in Kooperation mit New York University), The Role of Culture in the Early Expansions of Humans: Labor- und Geländearbeiten, in Kooperation mit Universität Tübingen (Langzeitprojekt. Bücher (Auswahl): – Der Neandertaler. Beck'sche Reihe. 2016. – Die Frühzeit des Menschen: Der Weg zum Homo sapiens. Beck'sche Reihe. 2016. – Homo – Expanding Worlds: Originale Urmenschen-Funde aus fünf Weltregionen. (zus. mit O. Sandrock, S. Kaiser, R. Schmitz, R. Ziegler, D. Lordkipanidze) TheissVerlag. 2015. 8
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