Bayerische Staatskanzlei

Bayerische Staatskanzlei
Rede des Bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer, MdL,
anlässlich der 947. Sitzung des Bundesrats - Erbschaftsteuerreform
am 08. Juli 2016
Manuskriptfassung: Es gilt das gesprochene Wort.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und
Herren!
Das Geheimnis des deutschen Erfolgsmodells liegt in einem unschätzbaren
Wettbewerbsvorteil, um den uns die ganze Welt beneidet. Die deutsche
Volkswirtschaft verfügt über eine einmalige Wirtschaftsstruktur, ein starkes
Rückgrat, aus dem Ausbildung, Beschäftigung, Produktivität und Wohlstand
erwachsen.
Unser Mittelstand und unsere Familienunternehmen stehen für solides
Wirtschaften, für Nachhaltigkeit und Glaubwürdigkeit. Und sie leben den
Grundsatz: Eigentum verpflichtet, die Arbeit ist die Quelle des Wohlstands.
Da findet man noch gelebte unternehmerische Verantwortung, für die
Heimat, für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, über Generationen hinweg.
Da wird in den Betrieben zusammengehalten, auch wenn die Lage einmal
schlechter ist.
Worüber wir heute entscheiden, das betrifft die deutsche Wirtschaft in
ihrem Werteverständnis, in ihrer ganzen Breite, in ihrer Substanz. Daher
sehen wir die Verantwortung der Politik, bei der Reform der Erbschaftsteuer
sowohl die Arbeitsplätze als auch unsere familiengeprägten
Unternehmensstrukturen zu erhalten!
Nach längerer Verhandlung hat der Bundestag ein ausgewogenes
Gesamtpaket zur Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer
beschlossen. Es schützt den Bestand von mittelständischen Unternehmen
und garantiert den Erhalt der Arbeitsplätze in Deutschland. Diese Einigung
erfüllt die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember
2014. Damit steht die vorgelegte Reform für Nachhaltigkeit,
Zukunftsfähigkeit und ein langfristiges Wirtschaften in unseren Betrieben.
Unsere mittelständischen Unternehmen vertrauen darauf, dass die
Einigung, die nach langem Ringen gefunden wurde, nun endgültig in Kraft
tritt. Sie brauchen jetzt Rechtssicherheit, sie brauchen Gewissheit, welche
konkrete Steuerbelastung auf ihre Unternehmensnachfolger zukommt. Die
Höhe der Erbschaftsteuer ist ein entscheidendes Kriterium bei
bevorstehenden Investitionsentscheidungen. Diese dürfen nicht behindert
werden. Das ist auch im Interesse der Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer in diesem Land!
Um es ganz klar zu sagen: Bei der Erbschaftsteuerreform geht es mir in
erster Linie um die Sicherung der Arbeitsplätze. Nur wer seinen Betrieb
über eine längere Zeit fortführt und so Arbeitsplätze dauerhaft erhält,
verdient eine Verschonung. Es wäre widersinnig, wenn dieses Privileg
entwertet würde, wie es manche anstreben. Hier geht es um Arbeitsplätze
und Lebensperspektiven in Deutschland!
Politik muss langfristiges Denken in den Betrieben unterstützen. Wer das
kurzfristige Quartalsdenken, das Diktat der Börsen ablehnt, der darf dem
Generationenwechsel in den Unternehmen keine Hürden in den Weg
legen. Wir wollen unseren mittelständischen Familienunternehmen die
erforderlichen steuerlichen Rahmenbedingungen geben – gerade
angesichts des immer schärferen internationalen Wettbewerbs.
Wir wollen den Betriebsnachfolgern vermitteln: Verantwortung lohnt sich!
Leistung lohnt sich! Mut zum Unternehmertum dient dem Allgemeinwohl, ist
gesellschaftlich gewollt! Verantwortung, Familie, Eigentum – auf diesen
Säulen ruht das deutsche Erfolgsmodell. Es kann nicht sein, dass wir auf
der einen Seite über Gründerförderung diskutieren und auf der anderen
Seite dann Betriebsübernahmen über die Erbschaftsteuer erschweren. Das
wäre absurd!
Wer jetzt meint, Nachverhandlungen für eine Erhöhung des
Steueraufkommens nutzen zu können, dem sage ich: Bayern wird sich
jeder Steuererhöhung widersetzen. Wir wollen keine höheren
Substanzsteuern. Jeder Finanzminister weiß: Standorttreue
Familienunternehmen sind Garanten stabiler Einnahmen. Aber dazu
müssen Sie die Unternehmer in Ruhe arbeiten, disponieren und investieren
lassen!
Wir haben für kleine Betriebe viel erreicht: Wer nur fünf Arbeitnehmer
beschäftigt, wird vom Lohnsummennachweis befreit. Und ich nenne
darüber hinaus die Verschonungsregeln für Familienunternehmen, die
Arbeitsplätze weiterführen. Ich nenne die neue Investitionsklausel: Damit
können Investitionsvorhaben des Erblassers von den Erben durchgeführt
werden, ohne dass hierfür vorgesehene Liquidität wegbesteuert wird.
Liquidität und Eigenkapital sind enorm wichtige Risikopuffer in Zeiten
wirtschaftlicher Turbulenzen! Die globale Finanzkrise hat uns gezeigt,
welche ökonomischen und gesellschaftlichen Risiken in dünnen
Eigenkapitaldecken lauern.
Mein Credo lautet: Unsere kleinen und mittleren Familienbetriebe, unsere
Mittelständler sind Garanten für gute Arbeitsplätze, beste Ausbildung,
ökonomische Stabilität und soziale Sicherheit. Diesen Stabilitätsanker
möchten wir nicht in den Händen von Heuschrecken oder im Ausland
wissen. Das ist eine standortpolitische und steuerpolitische Gretchenfrage:
Wie hältst du es mit Eigentum und Mittelstand?
Das vorliegende Gesetz legt beim erbrechtlichen Betriebsübergang die
Basis für den Erhalt dieses Beschäftigungs- und Wachstumsmotors. Alle
Länder sind jetzt aufgefordert, dem zuzustimmen.
Im Übrigen zeigt der ewige Streit über dieses Thema: Die Erbschaftsteuer
muss regionalisiert werden. Das Aufkommen steht alleine den Ländern zu.
Warum sollen die Länder nicht alleine über die Erbschaftsteuer bestimmen
können? Das wäre ein Signal für die deutschen Familienunternehmen und
für den deutschen Föderalismus. Die Erbschaftsteuer bleibt auf unserer
politischen Agenda.
Meine Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir alle hier wissen: Hinter vielen steuerlichen Einzelfragen verbirgt sich
eine gesellschaftliche Grundsatzdebatte. Der Unternehmer ist für uns nicht
Feindbild, sondern Vorbild. Auch das verstehen wir unter Sozialer
Marktwirtschaft.
Geben wir gemeinsam ein Signal an die Unternehmerinnen und
Unternehmer in Deutschland: Investitionen im Inland lohnen sich und sind
erwünscht. Die Schaffung und der Erhalt von Arbeitsplätzen in Deutschland
lohnen sich und sind erwünscht. Das ist auch ein Signal an die junge
Generation: Existenzgründung lohnt sich und ist erwünscht! Geben wir der
Wirtschaft und den jungen Menschen dieses Signal unseres Vertrauens!
Wir haben jetzt die Gelegenheit, die vom Bundesverfassungsgericht
aufgegebene Neuregelung verfassungsfest und zugleich im Sinne unserer
bewährten Unternehmensstruktur auszugestalten. Nutzen wir sie!
Herzlichen Dank.