Nationalrat, XXV. GP 16. März 2016 117. Sitzung / 1 11.19 Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Klubobmann Strache, das Zeichnen apokalyptischer Bilder ist zu wenig. (Abg. Kickl: „Eine Frechheit für den Werner!“) Ich habe während Ihrer Rede zufällig auf mein Handy geschaut. Ich habe fünf SMS bekommen, wo gestanden ist: Wo sind die Vorschläge zur Lösung der Probleme vom Klubobmann der FPÖ? (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strache: Da haben Sie wieder nicht aufgepasst!) Sie haben keine Vorschläge gehabt, das ist das Problem! (Abg. Strache: Keine 16 Milliarden für die Türkei, sondern sie für die Grenzsicherung einsetzen!) Wissen Sie, Sie könnten viel Zeit sparen, ... (Zwischenruf des Abg. Kickl.) Herr Generalsekretär Kickl, ich weiß, Sie sind unausgelastet, ich habe das an Ihren Übungen schon gemerkt. Herr Klubobmann, seien Sie vorsichtig: Ein unausgelasteter Generalsekretär kann sehr gefährlich sein, wenn Sie einmal eine Schwächephase haben. Seien Sie vorsichtig! (Abg. Strache hält eine Tafel in die Höhe, auf der auf einer Seite in roten Buchstaben „WENDE“ und auf der anderen in schwarzen Buchstaben „HALS“ steht.) Sie bringen aber keine Vorschläge! Und es ist einfacher und Sie können Zeit sparen, wenn Sie herauskommen und zur Regierung sagen: Ich mag Sie einfach nicht!, oder: Ich mag euch nicht!, je nachdem, wie viele davon Sie nicht mögen! – Und dann können Sie inhaltlich Vorschläge machen und reden. Aber das hilft nicht, ein Problem zu lösen. (Abg. Kickl: Aber bis jetzt haben Sie auch noch nichts gelöst!) Die Bevölkerung will in Wahrheit, dass die Schutzfunktion der Politik erfüllt wird, die Bevölkerung will Lösungskompetenz und vor allem, was ganz besonders wichtig ist, dass man auch kommuniziert – und das ist das, was wir vorhaben. (Abg. Kickl: Wir wissen, dass es Ihnen schwerfällt, Faymann zu verteidigen!) Wir erfüllen die Menschenrechte, wir erfüllen die Genfer Konvention. Wir – Deutschland, Österreich, Schweden – haben das vorbildlich erfüllt – die anderen 25 Länder nicht. Wir wollen aber, dass das natürlich nicht zulasten der österreichischen Bevölkerung geht (Abg. Kickl: Ich kann mich erinnern, wie Sie in Lampedusa Flüchtlinge abgeholt haben!), wir wollen, dass es deswegen keinen Sozialabbau gibt, wir wollen, dass es keine Verengung am Wohnungsmarkt gibt. (Zwischenruf der Abg. Schimanek.) Daher gibt es in diesem Bereich Aktivitäten von uns, damit man gemeinsam mit der Bevölkerung Menschlichkeit und Ordnung verbinden kann. Das ist unser Ziel und an dem werden wir festhalten. Das macht jetzt die Bundesregierung. (Beifall bei der SPÖ.) Version vom 14. Juni 2016, 17:01 nach § 52(2) GOG autorisiert Nationalrat, XXV. GP 16. März 2016 117. Sitzung / 2 Ich meine: Seien Sie mir nicht bös! Sie geben ja mit diesem einen komischen Plakat, das Ihnen dauernd fast aus der Hand fällt, weil hinten und vorne etwas draufsteht, zu ... (Abg. Strache: Schauen Sie: Wende – Hals! Unglaubwürdig!) – Ja, aber damit geben Sie ja etwas Inhaltliches zu, nämlich dass richtig ist, was die Bundesregierung jetzt gerade macht. Es ist richtig! (Abg. Strache: ... das ist ein Unsinn! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Man muss schauen, dass, wenn es da Bewegungen gibt, diese geordnet sind (Abg. Kickl: Aber man kann doch nicht Menschen ohne ihren Willen in einen Zug setzen! Das hat der Kanzler von sich gegeben!), dass es eine Schengen-Grenze gibt, dass es Hotspots gibt, dass es eine Verteilung in Europa gibt, dass es Druck auf die anderen europäischen Länder gibt, um diese Verteilung auch zu akzeptieren. Sie haben keine Alternative dazu gesagt. Wie wollen Sie die anderen 25 EU-Länder überzeugen? – Auch das haben Sie hier nicht gesagt. Der Zuseher jetzt vor dem Fernsehapparat wird von Ihrer Rede ziemlich enttäuscht gewesen sein. Sie haben ihm auch die Angst nicht genommen, sofern eine vorhanden war. Das, worum es diesbezüglich geht, ist letztendlich, dass es dort, wo dann die Härte des Gesetzes gefragt ist, auch null Toleranz gegenüber Kriminalität gibt – egal, von wem. (Rufe bei der FPÖ: Wo? – Abg. Strache: Messerstecher und Gewalttäter werden nicht abgeschoben! Sagen Sie doch nicht die Unwahrheit! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ob das jemand ist, der schon länger hier lebt, oder ob das jemand ist, der gerade nach Österreich gekommen ist: null Toleranz! Das ist hier eindeutig gekommen. Es gibt auch null Toleranz für illegale Wanderung. Null Toleranz! Dafür wird auch das Management eingerichtet und es werden auch Maßnahmen gesetzt. Das ist die Basis, mit der man dann diese Frage angehen kann. (Zwischenruf des Abg. Riemer.) Jetzt komme ich zu diesem Türkei-Deal, den Sie angesprochen haben: Ich bin kein Freund eines EU-Beitritts der Türkei, das habe ich in dem Rahmen schon einige Male gesagt. Es gibt viele in Europa, die meinen, da gibt es die privilegierte Partnerschaft, das muss wohl reichen. Ich bin dafür, dass man mit der Türkei dieses Übereinkommen trifft, sofern das auch möglich ist, aber man soll, während man mit der Türkei spricht, ruhig auch auf bestimmte Dinge hinweisen – und das geschieht auch –: ob das der Umgang mit der Justiz ist, ob das der Umgang mit der Demokratie, mit den Journalisten ist, der Umgang mit den Kurden. Das soll man dort auch ansprechen. Etwas hat mich heute gestört: Ich habe mir in der „Presse“ das Interview mit dem türkischen Botschafter bei der EU durchgelesen, und der sagt am Schluss des Interviews betreffend die Entscheidung, die Österreich getroffen hat, nämlich dass wir Version vom 14. Juni 2016, 17:01 nach § 52(2) GOG autorisiert Nationalrat, XXV. GP 16. März 2016 117. Sitzung / 3 hier ein wirksames Grenzmanagement haben, damit es keine illegalen Übertritte gibt, Folgendes: „Für mich ist diese Entscheidung auch nicht nachvollziehbar, weil sie gegen die Werte spricht, für die die EU steht.“ Der soll uns über Werte nicht belehren! (Beifall bei der SPÖ.) Da ist jetzt umfassende Selbstkritik angebracht! (Abg. Strache: Aber das ist doch Ihr Freund, mit dem Sie ...!) Das ist kein Freund von uns (Abg. Strache: Dem überweisen Sie Milliarden an Steuergeld!), sondern das ist einer, mit dem man jetzt – so wie mit anderen auch – Gespräche führen muss und vielleicht auch zu einem Übereinkommen kommt, damit dort Ordnung herrscht. Das ist ganz entscheidend. Seit wann sind Sie eigentlich gegen Ordnung? Ich verstehe das ja überhaupt nicht. Sie sind für Ordnungslosigkeit? (Abg. Strache: Sie überweisen Milliarden, wo Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind! Da ist nichts mit „Ordnung“!) Sie wollen nicht, dass es diese Regelungen gibt? Das Problem ist, bei Ihnen bricht ein Bild zusammen, das Sie permanent konstruieren, und plötzlich stimmt dieses Bild, das Sie konstruieren, mit der Wirklichkeit nicht mehr überein, weil unsere Regierung – und unter anderem andere Regierungen auch – diese Schritte setzen. Und jetzt müssen Sie sich die Mühe machen und neue Bilder suchen. Um Gottes willen, das werden Sie ja zusammenbringen! Herbert Kickl sitzt doch eh neben Ihnen, der wird schon wieder irgendein Bild entwickeln können! (Abg. Strache: Da muss sogar der Cap selber lachen! – Zwischenruf der Abg. Schimanek.) Aber das ist jedenfalls, wie ich glaube, einer der Punkte. Was Sie heute gleichfalls nicht gesagt haben – und das ist, wie ich meine, auch ein Punkt, der wichtig ist –, das ist, dass wir auch an die Wurzeln gehen müssen: noch einmal – man kann das nicht oft genug erwähnen –, ob das jetzt die Friedenspolitik ist, der Friede in Syrien ist, ob das die Lösung im Irak ist, der Kampf gegen den „Islamischen Staat“ (Abg. Strache: Wird nicht durch Verteilung gelöst!), ob das die Verbesserung der wirtschaftlichen Bedingungen und der klimatischen Bedingungen ist, damit die Menschen darin einen Sinn sehen, dort auch weiter zu leben, weil sie eine wirtschaftliche Perspektive haben. Das gehört genauso dazu! Wenn man das seriös behandeln will, gehört das auch dazu. Ich finde, das geschieht auch. Die Initiative gibt es: Beispielsweise ist die Klimakonferenz in Paris so etwas, und auf weltwirtschaftlicher Ebene muss man sich damit auch auseinandersetzen. Version vom 14. Juni 2016, 17:01 nach § 52(2) GOG autorisiert Nationalrat, XXV. GP 16. März 2016 117. Sitzung / 4 Als grundsätzliche Herangehensweise bin ich auch dafür, dass eine Vielfalt in einer Gesellschaft – eine religiöse, eine ethnische Vielfalt – durchaus wünschenswert ist, aber diese muss auf der Basis der Aufklärung, auf Basis jener Werte, die wir in Europa erkämpft haben, der Verfassungen, der Rechte, der Gesetze gelebt werden. Und ich verstehe nicht, warum sich 183 Abgeordneten diesbezüglich nicht auf diesen Grundkonsens einigen können, auch was die grundsätzliche Lösung des Problems ist, weswegen es hier überhaupt die Bewegung gibt. Folgendes möchte ich noch ins Gedächtnis rufen, weil schon wieder die Tendenz besteht, Flüchtlinge oder Schutzsuchende immer als statistische Größen zu behandeln (Ruf bei der FPÖ: ... Schutzsuchende?!): Es gibt immerhin 300 000 Tote in Syrien und Millionen Flüchtlinge, davon im Libanon und Jordanien die, die es sich gar nicht leisten können, dass sie sich Schlepper engagieren. 2 Millionen gibt es in der Türkei. Das muss man anerkennen! Es ist eine Leistung seitens der Türkei, dass sie das tut, aber es sind Millionen, die unverschuldet und teilweise auch durch Intervention von außen in diesen Ländern zu Flüchtlingen wurden. Das sollte man dabei bitte auch berücksichtigen, denn das, finde ich, ist auch ein wesentlicher Punkt. Letzter Punkt – weil Sie immer für Ordnung sind –: Die Schlepper verdienen gerade Milliarden – Milliarden! Die Hersteller von Schwimmwesten verdienen sich dumm und dämlich, die Hersteller von Schlauchbooten verdienen sich dumm und dämlich, genauso wie diejenigen, die die Menschen hinüberführen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das ist jedenfalls wirklich auch ein Skandal, und ich finde, das gehört gleichfalls bekämpft. Das muss man in dem Zusammenhang auch erwähnen, und das gehört zu diesen vielen Punkten ... (Neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich weiß schon, das passt nicht in Ihr Bild, denn Ihre Schuldstrategie orientiert sich ausschließlich an den Kolleginnen und Kollegen, die auf der Regierungsbank sitzen. Die haben aber weder den Krieg begonnen noch produzieren sie Schwimmwesten noch produzieren sie Schlauchboote noch machen sie sonst irgendetwas. Sie versuchen, das Problem für Österreich, im Interesse der österreichischen Bevölkerung zu lösen, mitzulösen, dabei mitzuhelfen. Das ist schwer genug bei 25 anderen Ländern in der EU, die gar nicht bereit sind, da so mitzumachen, wo man durchaus auch Kritik anbringen kann. Ich habe mich heute bemüht, denn wir haben auch immer eine Gesprächsbasis. Wir wollen ja auch fair und seriös diskutieren, daran bin ich auch weiterhin interessiert, denn man sieht bei diesen Dingen Folgendes: Dort, wo es um menschliche Schicksale geht, wo es um Leben und Tod geht, wo es aber auch um den Zusammenhalt in einer Version vom 14. Juni 2016, 17:01 nach § 52(2) GOG autorisiert Nationalrat, XXV. GP 16. März 2016 117. Sitzung / 5 Gesellschaft wie Österreich geht, wo man nicht Feindbilder produzieren soll, wo wir das Gemeinsame suchen sollten, wo wir gemeinsam nach Lösungen suchen sollten, wo wir einen nationalen Schulterschluss machen müssen (Abg. Kickl: Nationaler Schulterschluss?!), wo wir versuchen müssen, in der Europäischen Union Unterstützung zu organisieren, müssen doch 183 Abgeordnete in diesem Haus in dieser Frage an einem Strang ziehen können. Das muss doch möglich sein! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kickl: Das war jetzt das Ende der Parteitagsrede!) 11.28 Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangt das Mitglied des Europäischen Parlaments, Frau Abgeordnete Mag. Lunacek, zu Wort. – Bitte. Version vom 14. Juni 2016, 17:01 nach § 52(2) GOG autorisiert
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