Als PDF öffnen - Konrad-Adenauer

LÄNDERBERICHT
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.
AUSLANDSBÜRO TÜRKEI
DR. COLIN DÜRKOP
03. Mai
12.
27.
Februar
20162014
www.kas.de
Nach dem Besuch der Bundeskanzlerin in
Istanbul: Es bleiben viele Fragen offen
www.kas.de/tuerkei
AUSGABE 2
April 2007
Die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei sind auch
nach dem fünften Besuch der Bundeskanzlerin in ebenso vielen
Monaten in der Türkei nicht einfacher geworden. In Punkto
Flüchtlingsabkommen sind sich beide Seiten nicht viel näher gekommen. Aber in einem Punkt gibt es wenigstens Einigkeit, dass
man im Gespräch bleiben sollte - nach dem Rückzug von Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu und dem Fehlen von EU-Minister Volkan Bozkır im neuen Kabinett allerdings mit zwei völlig neuen
Verhandlungspartnern auf türkischer Seite. Bis zum Stichtag Ende
Juni bleibt noch Zeit, um ein Scheitern des Flüchtlingsabkommens
zu umgehen.
Bundeskanzlerin Merkel traf am Rande des
teren Entwicklungen noch sehr genau beo-
humanitären Weltgipfels der Vereinten Nati-
bachtet werden und weiterhin müsse mitei-
onen (UN) in Istanbul auch Staatspräsident
nander gesprochen werden.
Recep Tayyip Erdoğan. Bei dem von einigen
Medien auch als Mini-Gipfel bezeichneten
Aber auch aus türkischer Perspektive sind
Gespräch ging es vor allem auch um den
Fragen offen geblieben und die türkischen
Stand und die Perspektiven des Flüchtlings-
Medien berichten ausgiebig darüber. Insbe-
abkommens. Man habe sich darauf geeinigt,
sondere bleibt die Reform der Antiterrorge-
dass bis zum 30. Juni bezüglich der Visali-
setze kontroverser Knackpunkt:
beralisierung weitere Schritte unternommen
werden und dass die Empfindsamkeiten der
„In einer Situation, in der die Türkei von
Türkei bei der Bekämpfung des Terrorismus
allen
für eine detaillierte Bewertung durch die
Organisationen
EU-Institutionen berücksichtigt werden soll-
ausgesetzt ist, verlangt die EU im Zusam-
ten. Für die Rücknahme von Flüchtlingen
menhang der Visakriterien die Veränderung
fordert Präsident Erdoğan nach wie vor die
des Terrorbekämpfungsgesetztes“ erklärte
Seiten
Angriffen
von
und
Unterstützern
Ihren
Terror-
zeitnahe Einführung der Visafreiheit für tür-
Erdoğan nach dem Treffen. Sollten die dies-
kische Bürger bei EU-Reisen. Doch zu den
bezüglichen Verhandlungen kein Ergebnis
seit 2013 vereinbarten 72 Kriterien gehört
erzielen, dann „solle uns niemand böse sein,
als Voraussetzung hierfür auch die Ände-
aber dann wird es kein Rückübernahmeab-
rung des türkischen Antiterrorgesetzes, die
kommen geben". Erdoğan habe unterstri-
Erdogan aber strikt ablehnt.
chen, dass er dies Kanzlerin Merkel gesagt
habe und hinzugefügt, dass man der Türkei
Die Kanzlerin habe ihre Haltung zur Ände-
nicht immer neue Bedingungen stellen kön-
rung
ne.
der
türkischen
Anti-Terror-Gesetze
nochmals bekräftigt. Wenn keine entsprechenden Änderungen erfolgten, seien nicht
Laut diversen Medienberichten sind seit Juli
alle Bedingungen für die Visafreiheit erfüllt
letzten Jahres 483 türkische Sicherheits-
und die bis bisher Juni geplante Einführung
kräfte und Polizisten bei Anschlägen der
sehe sie daher eher skeptisch. Es seien Fra-
PKK ums Leben gekommen und 2.859 ver-
gen offen geblieben, daher müssten die wei-
letzt
worden.
Fast
jeden
Tag
sterben
2
Konrad-Adenauer-Stiftung e.
e. V.
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Konrad-Adenauer-Stiftung
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ZUSAMMENARBEIT
Menschen der Zivilbevölkerung. Das Land
Daher kämen die Bedenken der Kanzlerin zu
wird zum einen von der PKK und zum ande-
einem falschen Zeitpunkt.
A U SMai
G A B2016
E 2 | APRIL 2007
27.
ren von der IS regelmäßig bombardiert. Gerade vor diesem Hintergrund stößt die von
Laut Medienberichten habe der Staatspräsi-
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der EU geforderte eingeschränkte Definition
dent bekräftigt, er bevorzuge den Aufbau
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des Terrorbegriffs im Gesetz nicht auf Ver-
einer "neuen Türkei" zusammen mit der EU.
ständnis.
Er warte jetzt auf eine Zusage zur Visaliberalisierung. Seine Regierung werde weiter
Der neue Ministerpräsident Binali Yıldırım
mit der EU verhandeln. "Wenn es ein Er-
bezeichnete
AKP-
gebnis gibt, sei es umso besser. Wenn es
Sonderparteitag den Kampf gegen den Ter-
schon
vor
dem
kein Ergebnis gibt, dann tut es uns leid", so
ror (insbesondere gegen die PKK, IS, PYD
Erdogan. Gelinge es nicht, die Beziehungen
und die Gülen Bewegung) als eine Top-
auf diese Weise zu verbessern, werde die
Priorität.
Türkei "ihren eigenen Weg" gehen.
Der neue Europaminister Ömer Çelik warf
Die Bundeskanzlerin aber widersprach dem
der EU vor, sie lege bei der Bekämpfung des
Anschein eines drohenden Scheiterns des
Terrorismus "doppelte Standards" an. Erdo-
EU-Türkei-Flüchtling Abkommens. "Ich habe
gan hat vor kurzem in einem Interview be-
den Eindruck, dass dieses Abkommen in
tont, dass der EU-Deal keine Relevanz habe,
beiderseitigem Interesse ist", sagte sie.
wenn angefangen wird, ihm zu erklären, wie
Dass es noch Probleme mit der Umsetzung
er den Terror in seinem Land bekämpfen
des Abkommens gebe, sei normal.
solle. Noch deutlichere Worte fand der Präsidentenberater Yiğit Bulut: mit der Forde-
Der Ball befindet nach Auffassung der je-
rung
Anti-
weils anderen Seite offensichtlich im gegen-
Terrorgesetze folge die EU den Wünschen
überliegenden Feld. Der Gesprächsbedarf ist
der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei
also unverändert hoch, ab jetzt aber mit
PKK. "Die EU unterstütze ganz eindeutig
veränderten politischen Gesprächspartnern
diese Terrororganisation."
und Unterhändlern auf türkischer Seite.
nach
einer
Änderung
der
Einen Dissens zwischen Merkel und Erdoğan
gab es nach den Worten der Kanzlerin auch
in der Frage der innenpolitischen Entwicklung der Türkei. Die Aufhebung der Immunität vieler Abgeordneter im türkischen Parlament erfülle sie mit großer Besorgnis - so
die Kanzlerin - die sich in Istanbul auch mit
Vertretern
der
Zivilgesellschaft
getroffen
hatte. Dies habe sie gegenüber Erdogan
auch deutlich gemacht. Auch hier "bleiben
Fragen in dieser Richtung offen, wir werden
die weitere Entwicklung sehr genau beobachten müssen."
Diesbezüglich titelt die Zeitung Karar "Das
Timing war verkehrt, Frau Kanzlerin" als
Schlagzeile. Die Kanzlerin habe unterstrichen, dass die Türkei ein starkes Parlament
benötige. Und das just in einem Moment, in
dem über das Modell eines parteizugehörigen
Staatspräsidenten
diskutiert
werde.