Sozialistische HochschulZeitung

Vor tr ag und d is kuss ion
Sozialistische
HochschulZeitung
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# 9 3 . S o z i a l i s t i s c he G r u ppe ( SG ) . H o c h s c h u l g r u ppe E r l a n g e n / N ü r n b e r g
www . s o z i a l i s t i s c he g r u ppe . d e . s g @ s o z i a l i s t i s c he g r u ppe . d e
„Je suis Böhmermann“:
Kurze Chronologie eines Kampfes um
Deutschlands Meinungsfreiheit
Ein öffentlich-rechtlicher Satire-Fachmann trägt
voller Stolz – jedoch nicht ohne Hintersinn – ein
Schmähgedicht auf einen ausländischen Potentaten vor, den in Deutschland von links- bis rechtsaußen sowieso schon jeder für die absolute Fehlbesetzung hält. Die deutsche Öffentlichkeit hält
das mehrheitlich für total mutig. Sie verrät damit
nicht nur einiges über das Recht auf freie Meinungsäußerung und deren öden Gipfel namens
Satire, sondern ebenso über den Zu­­sammenhang
dieses jedem Menschen eingeborenen Rechtes
mit dem nationalistischen Dünkel gegenüber
fremden Mächten.
Prolog: Ein Stück türkischer Imperialismus –
als Hintergrundinformation
Erdoğan-kritische türkische Journalisten enthüllen im Jahr 2015 Waffenlieferungen der türkischen
Geheimdienste an den IS. Was sie damit veröffentlichen, sind Belege für die zwiespältige Art, in
der die Türkei in den syrischen Mehrfrontenkrieg
eingemischt ist: Das türkische Militär behält sich
bei seiner offiziell erklärten und auch tätigen Mitgliedschaft in der Anti-IS-Koalition ge­­nauso wie
alle anderen Alliierten vor, den zur „dringlichen
Angelegenheit der Weltgemeinschaft“ erhobenen
Kampf gegen die Islamisten mit den nationalen
Kalkülen ab­­zugleichen, die ihren Interessen und
Ansprüchen entspringen, und auch praktisch
entsprechend tätig zu werden. Der IS wird unterstützt, soweit das strategische Vorteile – vor allem
bei der Bekämpfung des kurdischen Separatismus
– verspricht. Das schließt für eine honorige Macht
wie die Türkei keineswegs aus, sich zugleich im
Rahmen der westlich angeführten IS-Koalition
militärisch mit dem IS da anzulegen, wo es ihr aus
welchen Gründen und Erwägungen heraus auch
immer opportun erscheint. Verlangt ist dabei
eine entsprechende Arbeitsteilung der dafür jeweils zuständigen Organe, über die die Türkei wie
jede ordentliche Macht schließlich zur Genüge
verfügt: Armee, militärische und zivile Geheimdienste, Diplomaten. Die geschäftsmäßig-arbeitsteilige Ab­­wicklung der notwendigen Maßnahmen
und ihre angemessene diplomatische Präsentation wird durch die Veröffentlichung in einer Weise
gestört, die der türkische Präsident für Landesverrat hält, weshalb sein staatsmännisches Gewissen
es ihm gebietet, auch gegen die Beschlusslage des
Verfassungsgerichtes die Verräter zu verfolgen,
sie einzuknasten und ihre Zeitung mundtot →
Öffentlicher Streit der Regierungsparteien über den Aufstieg der AfD:
Wie wir den Ausländerfeinden am besten
das Wasser abgraben
Für die aktuellen Erfolge von AfD und Pegida hat
der Wirtschaftsminister und SPD-Vorsitzende
Gabriel eine Erklärung. „In die Gesellschaft hat
sich ein Satz gefressen: ,Für die Flüchtlinge macht
ihr alles, für uns macht ihr nichts‘. Der Satz ist supergefährlich“ (FAZ, 6.3.16), weil die neuen Rechten den etablierten Parteien mit solchen Sätzen
Wähler bzw. Anhänger wegnehmen:
„Altersarmut, das ist, was deutsche Arbeitnehmer erwartet. Anstatt das Rentensystem zu überarbeiten, werden hunderte Milliarden für illegale Einwanderer, Asylbetrüger, Deserteure und Kriminelle
aus der ganzen Welt ausgegeben.“ (Lutz Bachmann
auf seiner Facebook-Seite, 12.4.)
Die Agitation besteht in dem ‚Anstatt‘. Der
Pegida-Führer zitiert einen sozialen Skandal, um
mit etwas weiterzumachen, was aus der Alters-
armut hiesiger Lohnabhängiger überhaupt nicht
folgt: Dass Deutschland Geld für die Integration
der Flüchtlinge ausgibt, hat mit dem trostlosen
Lebensabend seiner Rentner nicht das Geringste
zu tun – für rechte Patrioten aber alles. Die Verknüpfung nennt zwar keinen Grund, legt aber
einen nahe: Das wertvolle Kollektiv deutscher
Bürger wird benachteiligt, dagegen der Ausländer
bevorzugt: AfD & Co nutzen den – In- und Ausländern verordneten – Lebenskampf in der kapitalistischen Konkurrenzgesellschaft als Sprungbrett
für die nationale Frage, als Erklärung, warum und
worin es ‚uns‘ so schlecht geht. Beschädigt und
beleidigt ist das patriotische Rechtsbewusstsein des
anständigen Bürgers, der sich, Armut hin oder
her, in seiner Heimat total fremd fühlt und von
‚seinen‘ Politikern
→ Fortsetzung letzte Seite
Fundamentalismus,
demokratisch:
Die Toleranz
Die schöne Tugend, auszuhalten und gelten
zu lassen, was man nicht leiden kann, ist ein
Grundwert der Demokratie. Warum man sich
diesen Widerspruch antun soll, das begründet
einem keiner – höchstens tautologisch in der
Form, dass andernfalls Intoleranz und Streit
herrschen würden. Der Wert soll sich wohl von
selbst verstehen.
Dabei ist er im Zeichen des Vormarschs
rechter Parteien in Europa gar nicht mehr
unumstritten: Während seine Anhänger das
Aushalten und Gewähren-Lassen für die Voraussetzung von gesellschaftlicher Harmonie
und freier Selbstbestimmung halten, sehen
die rechten Kritiker in der allgemeinen Toleranz
das Ende aller Werte und verbindlichen Sitten,
die ein Volk ausmachen und zusammenhalten.
Recht haben beide nicht.
Die Gründe dafür – neben noch anderen
schlechten Nachrichten von diesem edlen
Wert – bietet der Vortrag mit Redakteuren der
Zeitschrift GegenStandpunkt:
Donnerstag, 16. Juni 2016, 19:15 Uhr,
Villa Leon, Philipp-Koerber-Weg 1, Nbg.
Mitschnitte unserer Veranstaltungen
www.argudiss.de
video.sozialistischegruppe.de
D i s k u s s i o n s ve r a n s ta lt u n g E N
Argumente gegen
den Kapitalismus:
Lohnarbeit
Die Wirtschaftswissenschaft rechnet vor:
„Sogar Lohnabhängige profitieren von der
Produktivkraftsteigerung ihrer Arbeit!“
– Das ist geständig.
Ausführliche Ankündigung: siehe letzte Seite!
Nürnberg: Dienstag, 21. Juni, 19:30 Uhr,
Nachbarschaftshaus Gostenhof, Adam-Klein-Str. 6
Erlangen: Montag, 27. Juni, 19:15 Uhr,
Sprecherrat (1. OG), Turnstr. 7
Terminankündigungen und SHZ per Email
Newsletter der Sozialistischen Gruppe (SG)
abonnieren unter [email protected]!
→ „Je suis Böhmermann“ zu machen. Im
Unterschied zu den Waffenlieferungen hält er
damit nicht hinter dem Berg, weil er öffentlich
ein Exempel dahingehend statuieren will, welche
Nestbeschmutzer sich die stolze türkische Nation
weder leisten kann noch will.
Das Drama: Die entlarvende Inszenierung
eines demokratischen Höchstwerts
1. Akt: Prozess gegen Journalisten –
ein Fall für deutsche Oberaufsicht
Die deutsche Politik zeigt sich betroffen, in aller
diplomatischen Form und sehr öffentlich – durch
die Tatsache eines Prozesses gegen Journalisten.
Was die veröffentlicht haben, ist dezidiert nicht
Thema. Zur türkischen Einmischung ins syrische
Gemetzel, zur eigenen Einmischung ins laufende
Kriegsgeschehen und in die Politik des NATOPartners, zu Übereinstimmung und Konflikt der
beiderseitigen imperialistischen Interessen – kein
Wort. Dafür klare Missbilligung eines Gerichtsprozesses durch den Auftritt des diplomatischen
Vertreters Berlins als kritischer Prozessbeobachter. Der Mann repräsentiert den Vorwurf an die
türkische Regierung, sie missachte das hohe Gut
der Meinungs-, speziell der Pressefreiheit. Man
sorgt sich, öffentlich und nachdrücklich, nicht
um die Politik der Türkei, nicht um die Kritik
an ihr, sondern um die Freiheit, die die Regierung in Ankara nach deutscher demokratischer
Auffassung ihren Kritikern verwehrt. So betätigt
sich die Macht aus Berlin – das ist nicht bloß der
türkischen Seite sofort klar und Gegenstand ihres
Gegenprotests, das ist der ganze politische Inhalt
des deutschen Auftritts – als zuständiger Aufpasser, als Instanz der Überwachung innertürkischer
Herrschaftsverhältnisse. Sie erteilt den Türken
v i e r t el j a h r e s Z e i t s c h r i f t
Von der „Europäisierung der Flüchtlingspolitik“
zur „Zusammenarbeit mit der Türkei“ und zurück
Der humanistische deutsche Imperialismus
kommt voran
„Industrie 4.0“
Ein großer Fortschritt in der „Vernetzung“ und in
der Konkurrenz um die Frage, wem er gehört
„Noch ist Polen“ schon wieder „nicht verloren“
Leserbriefe: Zum „Stichwort: Gerechtigkeit“,
zum „Aussteigen im Kapitalismus“ und zu
„Sozialstaat, Freiheit, Zwang in der Politik“
... uvm.
und dem Rest der Welt, dem eigenen Publikum
vor allem, den klaren Bescheid, erstens dass sie die
Politik Erdoğans ganz prinzipiell für aufsichtsbedürftig, für einen Kontrollfall hält, und zweitens
dass sie sich selber für die fraglos befugte Kon­
trollinstanz hält. Das musste aus Berliner Sicht offenbar mal wieder klargestellt werden. Das ist die
politische Sache – und kommt in der Verarbeitung
zum deutschen Freiheitsdrama schon gleich gar
nicht mehr vor.
2. Akt: Ein öffentlicher Gegen-Schauprozess
Deutschlands vierte Gewalt klärt auf. Erstens
darüber, dass die türkische Regierung sich mit
ihrem Vorgehen gegen Kritiker – egal, was die
auszusetzen haben und warum der amtierende
Obertürke dagegen vorgeht – am Höchstwert der
Meinungsfreiheit vergeht. Eine Klarstellung, zweitens, in dem Sinn, dass die türkische Politik im
Wesentlichen auch unter diesem Gesichtspunkt
und nach diesem Kriterium beurteilt gehört: Man
weiß über sie, was man wissen muss, wenn man
weiß, wie sie mit Journalisten umgeht. Womit sich
drittens der glasklare Schluss aufdrängt: Wenn
das Vorgehen der Regierung gegen ihre Kritiker
weder im Inhalt der Kritik noch in der kritisierten Politik seinen Grund hat, dann kann es seinen
Grund nur in der Person haben, die so vorgeht.
Der Mann an der Staatsspitze kann Kritik nicht
vertragen: Das sagt alles über den Staat, seine
Spitze und den, der sie innehat. Was uns das sagt,
wird mit den Techniken des Personenkults plus
negativen Vorzeichen ausgemalt. Fazit auf alle
Fälle: So einer wie Erdoğan verdient die Macht
nicht, die er hat; der hat sie nämlich bloß, um sich
an ihr zu halten. Aus „Machtbesessenheit“.
Diese profunde demokratische Kritik bietet in
ihrer Freiheit von jedem politischen Inhalt einen
denkbar schönen gemeinsamen Nenner für alle,
die was auch immer an der Türkei, ihrer Politik,
ihren Machern oder überhaupt an „den Türken“
auszusetzen haben. Im verletzten Höchstwert der
Meinungsfreiheit und dem schlechten Charakter
des Präsidenten finden Islamkritiker und Xenophobiker aller Couleurs ihr moralisches Alibi;
Kritiker der Merkelschen Flüchtlingspolitik haben einen sittlich hochwertigen Titel in der Hand;
ganz gute Deutsche nehmen die Gelegenheit
wahr, ihrer Regierung wegen Nachgiebigkeit in
einer Frage der demokratischen Ehre und der nationalen Souveränität ins Ge­­wissen zu reden; oppositionelle Kurden sind froh, dass sie zwar nicht
mit dem Inhalt, aber mit der Tatsache ihrer Proteste einmal kurzfristig Aufmerksamkeit finden,
und treffen sich mindestens ideell mit „besorgten
Bürgern“, die im Fall der drohenden Visa-Freiheit
für türkische Bürger den massenhaften Zustrom
unerwünschter kurdischer Flüchtlinge befürchten.
3. Akt: Der deutsche Humor schlägt zu
GegenStandpunkt 2-16
ISSN 0941-5831
140 Seiten
€ 15.–
Als Ebook oder im Buchhandel erhältlich:
Erlangen: Ex Libris, Bismarckstr. 9
Fürth: Edelmann, Fürther Freiheit 2A
Nürnberg: Bahnhofsbuchhandel / Rüssel,
Löwenberger Str. 10 / Jakob, Hefnerspl. 8 /
Frenkel, Fürther Str. 9
www.gegenstandpunkt.com
Wo die nationale Öffentlichkeit sich dermaßen
einig ist in ihrer Abneigung ge­­gen einen missliebigen auswärtigen Machthaber – noch dazu einen, der sich seinerseits gerne groß in Szene setzt
und auch damit seine Kollegen mit der imperialistischen Aufsichtsbefugnis und erst recht deren
missgünstige Öffentlichkeit ärgert –, da sehen
Kleinkünstler der Abteilung Satire sich gefordert.
Moralisierende Kritik in beschwingter Form ist ihr
Job. Also traut sich NDRextra3 ein Spottlied, dem
die wissenschaftliche Literaturkritik der FAZ ein
distanziertes Lob erteilt:
„Anstrengend an Satire ist ja, dass man das Normale, das Ärgerliche oder gar das Traurige so lange
überspitzen muss, bis es witzig wird. Manchmal ge-
nügt Übertreibung, aber im Fall von Recep Tayyip
Erdoğan weiß man gar nicht, wohin man das noch
treiben soll: Der türkische Staatspräsident hat sich
nun mal wirklich einen Palast ohne Baugenehmigung ins Naturschutzgebiet gebaut. Da helfen nur
noch Reime, denn Reime helfen immer. ‚Er lebt
auf großem Fuß, der Boss vom Bosporus‘, dichtete
die Satiresendung ‚Extra3‘ am 17. März auf das
Lied ‚Irgendwie, irgendwo, irgendwann‘ von Nena.
Auch Erdoğans Abschaffung der Pressefreiheit wird
kritisch thematisiert. ‚Ein Journalist, der was verfasst, das Erdoğan nicht passt, ist morgen schon im
Knast‘, heißt es. Das Lied benannte die Redaktion
in ‚Erdowie, Erdowo, Erdoğan‘ um – der türkische
Staatspräsident wird ohnehin korrekt ‚Erdowahn‘
ausgesprochen, da hatten die Satiriker also nicht
viel Arbeit.“ (FAZ 29.03.2016)
Nicht gerade eine Spitzenleistung, die Ausnutzung einer speziellen Phonem-Graphem-Beziehung im Türkischen. Aber die Gleichungen, die
da „kritisch thematisiert“ werden, die gefallen den
Öko-Freaks und Meinungshelden aus Frankfurt:
Palast im Naturschutzgebiet = Größenwahn, Pressemaulkorb = Verfolgungswahn. Was braucht es
mehr „im Fall von Recep Tayyip Erdoğan“?
Aber das Schönste kommt erst noch.
4. Akt: Der Türke versteht keinen Spaß –
da versteht der Spaßmacher auch keinen
mehr
Erdoğan sieht mit seiner persönlichen auch die
Ehre aller Türken und ihrer großartigen Nation
angegriffen; so etwas soll vorkommen bei höchsten Inhabern staatlicher Macht, die ja schließlich
nirgendwo – auch in den besten Demokratien
nicht – dafür ins Amt kommen, um sich permanent als Person von diesem Amt zu unterscheiden,
das sie mit ihrer Person ausfüllen. Erdoğan zitiert
den deutschen Botschafter zu sich und äußert sein
Missfallen. Und als hätten alle Öffentlichkeitsarbeiter deutscher Zunge nur auf so etwas gewartet,
flammt überall Empörung auf. Stellvertretend für
alle wieder die FAZ:
„Dass Erdoğan im eigenen Land die Presse unterdrückt, ist bekannt. Dass er es auch im Ausland
versucht, unterstreicht die größenwahnsinnige Dimension seines Machtstrebens.“
Über den Stand der Pressefreiheit in der Türkei weiß der weltkundige Journalist Bescheid und
macht sich nichts vor. Aber wenn der oberste
Türke – übrigens durchaus gemäß diplomatischer
Etikette – Protest gegen seine öffentlich-rechtliche Verunglimpfung einlegt, dann kommen zwei
Todsünden zusammen: zum Angriff aufs freie
Scherzen der Übergriff auf fremdes Territorium,
so als müsste deutsche Macht einem beleidigten
Präsidenten aus Ankara zu Diensten sein!
Beide Sünden werden ausgekostet. Erstens
wähnt der freie Geist der deutschen Öffentlichkeit sich selbst betroffen, in seinem obersten Daseinszweck an­­gegriffen wie die kriminalisierten
Kollegen in der Türkei. Da lebt ganz hoch die
internationale Solidarität der Märtyrer der Freiheit – wobei nicht bloß die politische Sache unter
den Tisch fällt, um die es den türkischen Regierungskritikern geht, sondern auch der Umstand,
dass es denen eben wegen des Inhalts ihrer Kritik ganz anders ans Leder geht als den deutschen
Zeitgeistarbeitern mit ihrem tapferen Einsatz für
ihr Freiheitsrecht, zum Feindbild vom bösen Präsidenten eine kleine Beleidigung hinzuzudichten. Man imaginiert sich als Opfer – und ist sich
dabei zweitens der eigenen Sicherheit vor türkischen Übergriffen derartig sicher, dass man nur
den Kopf schütteln kann über die Vorstellung, die
man in die Protestnote der türkischen Regierung
hineinliest: ein Präsident aus Ankara hätte auch
nur das Geringste über die Grenzen der Meinungsfreiheit in Deutschland zu sagen – welch
ein Größenwahn!
Sicher, zwischen Märtyrer-Pose und dem Bewusstsein, im eigenen Land in Sicherheit zu sein,
besteht schon ein kleiner Widerspruch. Aber beides zusammengenommen gibt doch Aufschluss
über das Wesen demokratischer Meinungsfrei-
gründlich ins Licht zu rücken. Nämlich so:
Im Fernsehen bettet Böhmermann ein aus dem
Internet geklaubtes Schmähgedicht über Erdoğan
in Vor- und Zwischenreden ein, in denen er erläutert, dass diese gereimten Auslassungen unter
das deutsche Strafrecht fallen – „Ich tue jetzt etwas, was auch in Deutschland sicher verboten ist“.
Deutschland ist begeistert: über die öffentlichen
Anpissereien Richtung Erdoğan sowieso. Dane-
B u c he m pfehl u n g
GegenStandpunkt Verlag, 100 Seiten, 10,– €
ISBN 978-3-929211-17-7
Als Ebook oder im Buchhandel erhältlich:
Erlangen: Ex Libris, Bismarckstr. 9
Fürth: Edelmann, Fürther Freiheit 2A
Nürnberg: Bahnhofsbuchhandel / Rüssel,
Löwenberger Str. 10 / Jakob, Hefnerspl. 8 /
Frenkel, Fürther Str. 9
heit. Deren höchster Wert liegt sowieso nicht in
dem politischen Anliegen, das nicht schon im
Stadium seiner Äußerung unterdrückt werden
möchte. Er liegt aber auch nur einerseits in einer
Generallizenz, die alles erlaubt, weil – und soweit
– es auf den geäußerten Inhalt sowieso gar nicht
ankommt. Das Allerwertvollste an diesem Wert
ist, dass er bei uns gilt, dass es unser Wert ist; eine
Lizenz, in deren Gewährung sich der deutsche
Staat in seiner Machtvollkommenheit von niemandem ’reinreden lässt. Und vom Regenten aller
Türken schon gleich nicht.
Und beides findet Deutschlands geistige Elite
einfach gut.
5. Akt: Böhmermann inszeniert sich als ultimative Nagelprobe
Einer davon, öffentlich-rechtlicher Satiriker
von Beruf, findet die Dialektik von angedrohter
Ermordung der Pressefreiheit und Sicherheit im
Schoß deutscher Freiheitsgarantie für Spaßvögel
ganz besonders gut. So gut, dass er einen Konflikt
inszeniert, der die Identität von Meinungsfreiheit
und Macht des Vaterlands ganz methodisch auf
die Probe stellt, um sie als allerhöchsten Höchstwert der Nation – und ganz nebenbei sich selbst
als deren opferbereiten Helden – mal so richtig
Die vorliegende Schrift
•• erklärt, warum man so viel für seine Gesundheit tun muss, nämlich wodurch sie dauernd
gefährdet und geschädigt wird.
•• bestimmt den Fehler, den sich die medizinische Wissenschaft in der theoretischen
Behandlung der gar nicht unbekannten gesellschaftlichen Krankheitsursachen leistet; sie
benennt die affirmative Stellung zum System
der Konkurrenz, die diesem Fehler zugrunde
liegt, und zeigt die Konsequenz, mit der dieser
Fehler in eine moralische Begutachtung der
populärsten Krankheiten und ihrer Ursachen
einmündet. Sie befasst sich außerdem speziell
mit der Logik der wissenschaftlichen Pathologie des Seelenlebens sowie mit dem paradoxen Erklärungsmuster der Alternativ- oder
„Komplementärmedizin“.
•• befasst sich mit der medizinischen Praxis und
dem vertrackten Verhältnis zwischen privatem Bedürfnis nach medizinischer Hilfe und
allgemeinem Interesse an funktionstüchtigen
Bürgern, also mit dem herrschenden Zweck,
dem das von Staats wegen institutionalisierte
Gesundheitswesen dient.
•• würdigt das Geschäft mit der Gesundheit
und das ebenso absurde wie erfolgreiche
Bemühen des modernen Gemeinwesens, die
Gesundheitsversorgung eines ganzen Volkes
als Geschäftsfeld zu organisieren, dessen
Finanzierung die Versorgten überfordert, also
Nachhilfe durch staatliche Gewalt benötigt.
www.gegenstandpunkt.com
ben aber – je nachdem, wie weit der feuilletonistische Geschmack reicht – auch oder vor allem über
die in der gesamten Spaßnummer unendlich ausgewalzte Koketterie mit einer bewussten „Grenzübertretung“. „Was darf Satire?“ ist die Frage, von
der alle so tun, als ob sie damit aufgeworfen sei,
obwohl sie – wie jeder mitdenkt – damit doch beantwortet ist: Das – den momentanen Hauptfeind
der Meinungsfreiheit anpöbeln – muss Satire ja
wohl auf jeden Fall dürfen! Müsste jedenfalls, gemessen an allem, was uns hier heilig ist.
Der eigentliche Kitzel ergibt sich daraus, dass
absehbarerweise Präsident Erdoğan – gerade in
der gegenwärtigen angespannten Situation zwischen Deutschland und der Türkei – auch diesen
Schmäh nicht reaktionslos an sich abtropfen lassen wird. Tatsächlich reagiert der türkische Präsident, wie zu erwarten war; und weil es noch einen
einschlägigen Paragraphen über die Beleidigung
ausländischer Würdenträger im deutschen Strafgesetzbuch gibt, nutzt er den dafür, der Regierung Merkel eine diplomatische Stellungnahme
abzuringen. Dass sein kabarettistischer Unfug,
über den das Feuilleton – wg. „Metaebene“, „uneigentlicher Rede“ und so Zeug – sich nicht mehr
einkriegt, auf diese Weise, also ganz ohne eigenes
Zutun, zum Politikum wird, nutzt Böhmermann
für ein paar endgültige Klarstellungen über das
hohe Gut der Meinungsfreiheit und dessen deutsche Trutzburg:
In der Sicherheit, dass ihm der türkische
Machthaber – in deutlichem Unterschied zu den
Türken, die sich in der Türkei mit dessen Politik
angelegt haben – nicht an die Wäsche kann, beschimpft er Erdoğan, ausdrücklich ohne irgendeine Kritik an ihm damit verbinden zu wollen. Er
insistiert a) auf der Freiheit zu jeder Respektlosigkeit auch und gerade gegenüber demjenigen, der
wegen seines machtvollen Amtes auf dem gebührenden Respekt vor sich als Amtsperson besteht;
b) darauf, dass das in seinem Vaterland unbedingt
und bedingungslos erlaubt sein muss, auch und
gerade dann, wenn das Recht auf Frechheit mit
so schönen Rechtsgütern wie „persönliche Ehre“
kollidiert. Böhmermann provoziert einen extra
substanzlosen Konflikt ums Spotten-Dürfen, um
damit einen umso grundsätzlicheren Vertrauensbeweis, Deutschlands Freiheitskultur betreffend,
in Szene zu setzen, den er zu allem Überfluss dem
zuständigen Vertreter der deutschen Staatsgewalt
in einem auf Veröffentlichung berechneten Brief
auch noch ausdrücklich erklärt:
„Ich möchte gerne in einem Land leben, in dem
das Erkunden der Grenze der Satire erlaubt, gewünscht und Gegenstand einer zivilgesellschaftlichen Debatte sein kann.“ (Der „Spiegel“ zitiert aus
einem Schreiben des Satirikers an Kanzleramtsminister Peter Altmaier)
Sonst nichts? Dann hat der Mann es ja gut
getroffen. Mit einem Staat, der solche albernen
Erkundungsgänge gerne „erlaubt“. Mit einem
Fernsehsender, der sich einen Borderliner der
Albernheit zu Unterhaltungszwecken „wünscht“.
Und mit einer Zivilgesellschaft, die darüber, was
sie alles darf, nicht bloß begeistert „Debatten“
führt, sondern einen Methodiker des demokratischen Hofnarrentums tagelang als Häuptling
einer freiheitlichen Rettungsbewegung feiert.
Dumm nur: Bei so viel Willkommenskultur für
den Satiriker droht das andere Gütesiegel auf der
Strecke zu bleiben: die Gefahr, der der Held der
freien Frechheit sich freiwillig ausgesetzt haben
will. Das Prickelnde an der Aufführung. Das Ultimative an der allzu leicht gewonnenen Schlacht
an der Satire-Grenze. Da muss noch nachgelegt
werden.
Und da trifft es sich gut, dass die Kanzlerin
dem Antrag auf Eröffnung eines Verfahrens nach
§ 103 sowieso stattgibt, um die Affäre auf die
lange Bank der unabhängigen Justiz zu schieben.
Denn wenn man nur lange genug hinguckt, sieht
man in Böhmermann oder jedenfalls der in sich
ein Opfer und in der Kanzlerin eine Schande für
Deutschland, weil sie ihn „einem nervenkranken Despoten zum Tee serviert“. In bescheidener
Selbsteinschätzung als Kunstschaffender, der bloß
einmal etwas ausprobieren wollte, erklärt er die
Verteidigung seiner Scherze gegen den angepinkelten türkischen Machthaber zur obersten Amtspflicht einer Kanzlerin, die mit der ansehnlichen
türkischen Macht gerade ganz andere An­­sprüche
auszufechten hat. Diese Amtspflicht hat Merkel in
der Causa Böhmermann verletzt, die Debattenkultur der Zivilgesellschaft verraten, Deutschland
an den Türken verkauft...
Epilog: Wie’s wahrscheinlich doch nicht
gemeint ist
So wird am Ende doch noch eine Satire daraus:
Höchstwerte der Demokratie, von einem Kleinkünstler selbstironisch ad absurdum geführt. Und
alle „Je suis Böhmermann“s sind darauf ’reingefallen! Oder?
●
D i s k u s s i o n s ve r a n s ta lt u n g E N
Argumente gegen den Kapitalismus: Lohnarbeit
Regelmäßig wird der Zeitungsleser mit einer Entdeckung der VWL bekannt gemacht: Auch Lohnabhängige profitieren von der Produktivkraftsteigerung ihrer Arbeit, da ein „Warenkorb, der 1950 noch dem
Gegenwert einer vollen Stunde Arbeit entsprach, heute bereits nach elf Minuten verdient“ ist. Ihr Fazit:
moderne Arbeitnehmer könnten mit der Marktwirtschaft „zufrieden sein“.
Dafür müssen sie allerdings über gewisse Absurditäten einer solchen Auskunft hinwegsehen: Erstens ist es schon ein schlechter Scherz, eine Wirtschaftsweise dafür zu loben, dass tatsächlich auch
die tätigen Arbeiter etwas davon haben – offenbar wird für ihren Nutzen nicht gearbeitet! Zweitens ist es
geständig, dass es wissenschaftliche Expertise braucht, die das herausfindet und verkündet – offenbar
scheinen die Lohnabhängigen in ihrem Alltag nicht viel davon zu merken.
Betrachtet man die Rechnungen näher und geht den darin aufgegriffenen Zusammenhängen theoretisch auf den Grund, stellt sich heraus, dass überhaupt nicht wachsende Teilhabe der lohnarbeitenden
Massen am produzierten Reichtum vorliegt, sondern ihr zunehmender Ausschluss davon. Das wird zu
zeigen sein.
Nürnberg:
Dienstag, 21. Juni, 19:30 Uhr,
Nachbarschaftshaus Gostenhof, Adam-Klein-Str. 6
Erlangen:
Montag, 27. Juni, 19:15 Uhr,
Sprecherrat (1. OG), Turnstr. 7
→ Wie wir den Ausländer-
feinden am besten das
Wasser abgraben
abwendet, weil sie Ausländern alles in den Hals
stopfen anstatt ihr eigenes Volk vor dieser Landplage zu schützen.
Wider alle Logik, aber ideologisch schlagend,
präsentiert die AfD den Universalgrund für alle
Unzufriedenheiten und findet damit ein größeres
Publikum. Die Antwort der regierenden Demokraten ist bemerkenswert. In einer öffentlichen
‚Strategiedebatte‘ legen sie konkurrierende Konzepte dar, wie die abspenstige Herde in das Lager
des amtierenden Patriotismus zurückzuholen ist:
Wie klaut man den Rechten ihre sozialen und/
oder ihre nationalen Parolen?
Die rechten Parolen besetzen!
SPD-Chef Gabriel würdigt die Unzufriedenheit
als durchaus berechtigt:
„Viele haben den Eindruck, dass die Politik sich
nicht um die Sorgen der Menschen kümmert. Wenn
Leute, v.a. in Ostdeutschland, zwar fleißig arbeiten,
aber trotzdem keinen anständigen Lohn und später
nur Mini-Renten bekommen, dann wächst die Enttäuschung... Schon heute gibt es viele Menschen, die
40 Jahre gearbeitet haben und trotzdem nur eine
Rente bekommen, die unter der Sozialhilfe liegt.
Der Eindruck, wir würden unsere eigenen Bürger
vergessen, darf sich nicht festsetzen.“ (Bild, 3.3.)
Mit der Fremdenfeindschaft der AfD legt er
sich gar nicht unmittelbar an. Sein Kunstgriff besteht im Zwischenglied ‚Enttäuschung‘: Ja, Leute
haben (nicht wegen, sondern) ‚trotz‘ 40 Jahren
Arbeit am Standort D womöglich zu wenig zum
Leben, das liegt aber nur daran, dass der Staat sich
zu wenig um seine Menschen gekümmert hat. Gabriel lässt offen, ob er meint, die Politik habe zu
wenig für ihre Armen getan oder nichts gegen diesen Eindruck getan. So oder so: Die verständnisvolle Adoption der ‚Wutbürger‘ interpretiert deren
Unzufriedenheit ganz im Sinne einer berechtigten
Erwartungshaltung an die zuständige Politik – zuständig nicht als die Instanz, die soziale Nöte erzeugt, sondern als Adresse ihrer Lösung. Zurecht
haben fleißige Deutsche den Eindruck politischer
Pflichtvergessenheit: Den Schuh zieht Gabriel sich
an, um klarzustellen, in wessen Hän­­de die Sache
gehört. Das Vertrauensverhältnis zwischen Oben
und Unten muss von oben repariert werden. Per
Verweis auf seine ‚Regierungskompetenz‘ erteilt
er sich den Auftrag, die Hoheit über das Thema
wie über das falsche Bewusstsein darüber zurückzuerobern. Zu diesem Zweck preist er neue – und
längst beschlossene – Sozialausgaben für unsere
Familien, Mieter und Senioren als Klebstoff für
das verlorene Wir-Gefühl, also Bindemittel zwischen Staat und Volk, an:
„Gabriel hatte im ZDF ein ‚neues Solidarprojekt‘
mit Kita-Plätzen für alle, mehr Geld für den sozialen Wohnungsbau und einer Aufstockung kleiner
Renten sowie eine Abkehr vom Sparkurs gefordert.
Er wolle verhindern, dass sich die einheimische Be­­
völkerung angesichts der Milliardenausgaben für
Flüchtlinge benachteiligt fühlt... Die Menschen
müssten merken, ‚dass ihre Bedürfnisse nicht weiter
unter die Räder geraten‘.“ (DPA, 28.2.)
Und Niedersachsens Ministerpräsident
Weil (SPD) will den Rechten auch die ‚Law-andOrder‘-Parolen nicht überlassen.
„Die Bürger erwarten einen starken Staat, der
nicht nur innere Sicherheit gewährleistet, sondern
vor allem auch gesellschaftliche und soziale Sicherheit. Deshalb bietet die Situation für die SPD auch
eine Chance: Zusammenhalt in der Gesellschaft
war immer unsere Stärke... Wir sind die Partei des
sozialen Zusammenhalts.“ (FAZ, 19.3.)
Er dreht der AfD das Wort vom starken Staat
als innerstem Bedürfnis der Bürger im Mund
herum und entdeckt im Fremdenhass den Ruf
nach der SPD. Er buchstabiert Stärke nicht nur als
Härte gegen und Sicherheit vor muslimischen Sittenstrolchen oder Terroristen, sondern vor allem
auch als Betreuung der Armen. Förderung der nationalen Identität und Einbindung der lohnabhängigen Schichten in die Volksgemeinschaft durch
bessere Sozialleistungen? Schwer zu sagen, ob die
SPD-Idee verlogen berechnend oder die Wahrheit
über den Sozialstaat ist. Wahrscheinlich beides.
Sich des Volkes Zustimmung erkaufen –
oder besser einfach die Migration stoppen!
Beim Koalitionspartner holt sich Gabriel mit seiner Forderung eine Abfuhr. Kanzlerin Merkel bei
Anne Will:
„Die schwarz-rote Koalition hat vieles für Kinder, Eltern, Rentner und Kranke getan... So zu tun,
als bräuchten wir eine riesenzusätzliche Anstrengung, sehe ich nicht.“ (27.2.)
Keine Konzession an die Enttäuschung! D.h., es
gibt kein Recht auf Enttäuschung! Das Selbstlob
ist Argument genug: Die Regierung hat gehandelt,
damit ist das Maß des Machbaren definiert und
das Wünschbare restlos erfüllt. Und wenn das
Volk trotzdem rummosert, hat der Vizekanzler
diese Unzufriedenheit nicht noch zu bestätigen.
Deswegen ergeht an Gabriel die Aufforderung,
dem Volk Mütterrente und Mindestlohn als Erfolge vorzubuchstabieren statt „sich klein zu machen“
und Zusatzleistungen zu versprechen.
Zweitens belehrt Merkel ihren Vizekanzler
dahingehend, dass völlig danebenliegt, wer bei
Sozialpolitik immer nur an einen Ausgleich für
unerfüllte An­­sprüche von Bedürftigen oder an
Konsum denkt. Wenn die Regierung z.B. Elek­
troautos der Industrie sponsert, dann ist das – bei
Licht besehen – eine eindeutig soziale Errungenschaft.
„Auch das sind soziale Projekte, wenn Sie so
wollen, damit Arbeitsplätze erhalten bleiben. Es
geht nicht nur um Konsum, es geht auch um die
Innovationsfähigkeit Deutschlands.“ (Zeit, 26.2.)
Hilft der Staat seinen Unternehmen, hilft er
auch deren werktätigen Anhängseln! Wirtschaftsförderung ist Sozialpolitik, Ende der Durchsage.
Finanzminister Schäuble steht Merkel gegen
den Wirtschaftsminister bei:
„Wenn wir Flüchtlingen – Menschen, die in bitterer Not sind – nur noch helfen dürfen, wenn wir
anderen, die nicht in so bitterer Not sind, das gleiche geben oder mehr, dann ist das erbarmungswürdig.“ (Bild, 27.2.)
Schäuble weist entschieden zurück, dass sich
der Vizekanzler dazu hergibt, die Gestaltung der
Flüchtlingspolitik sowie deren Prioritätensetzung
in aller Öffentlichkeit zu problematisieren. Er
besteht darauf, wenn der Staat irgend­jemandem
hilft, richtet er sich nicht nach einem angemeldeten Bedürfnis von unten. Der Hilfebedarf folgt
aus den Bedürfnissen und Berechnungen der
Helfenden, also Herrschenden, und die dürfen
sich beim Zuteilen von Staatsmitteln nicht von
Volkes Stimme bzw. Stimmungen verführen lassen. Deutschland lässt sich seine Ausländerpolitik weder vom Humanismus noch vom Fremdenhass des Fußvolks diktieren. Wenn sich Gabriel in
so einer Frage ‚Populisten‘ anbiedert, ist das aus
Sicht des Finanzministers für ein Regierungsmitglied erbarmungswürdig, denn es kommt einer
Demontage der Souveränität der Politik gleich.
Demokratische Zustimmung zur Macht erkauft
man nicht, man verdient sie sich durch souveräne
Führung.
Der bayrische Ministerpräsident und CSUChef Seehofer kontert die Rechten und die SPD
auf einen Schlag aus. Den ersten gibt er recht, den
zweiten nicht:
„Was ist das für eine Schnapsidee ... monierte
Seehofer. Es sei sinnvoller, das Geld in den Kassen
zu lassen und die Zuwanderung zu begrenzen. Eine
solche Begrenzung sei alternativlos.“ (Focus Online, 27.2.)
Statt enttäuschte Bürger mit Zuwendungen zu
bestechen, einfach die Migration stoppen! Dann
gibt es mangels Fremden auch weniger Fremdenhass und das Geld fürs Soziale haben wir uns
gespart: So preiswert betreuen richtige starke
Männer ihre patriotischen Idioten. Dazu gibt und
braucht es keine Alternative für Deutschland. ●
Sozialistische Gruppe (SG) Hochschulgruppe Erlangen/Nürnberg — c/o Studierendenvertretung Turnstr. 7, Erlangen. [email protected] — EiS; ViSdP: W. Schweikert c/o Turnstr. 7, Erlangen