MINERALWASSER Die Deutschen entdecken Produkte aus ihrer Region Beilage KUNDENSERVICE 0 8 0 0 / 9 3 5 8 5 3 7 MITTWOCH, 1. JUNI 2016 ** D 2,50 E URO B Nr. 126 D GETTY IMAGES/MT ie sogenannten Spitzen von CDU und CSU haben sich zu einem Krisentreffen an einem geheimen Ort irgendwo in Berlin versammelt. Der Ort ist so geheim, dass Horst Seehofer der Kanzlerin nicht verraten wollte, wo man sich trifft. Das hätte die Gespräche sehr viel einfacher gemacht. Leider hat es Angela Merkel dann doch herausgefunden. Jetzt will Seehofer ausloten, wann Merkel endlich einsieht, dass er immer recht gehabt hat. Das soll sie ihm schriftlich geben. Im Gegenzug wird er sie im Voraus über alle weiteren Provokationen unterrichten, mit denen er die Medien auf sich aufmerksam machen und die Wähler vom rechten Rand zurück in die Union holen will. Schon am Wochenende wird Seehofer erklären, dass Mario Götze ein guter Teilzeitfußballer ist, aber trotzdem niemand neben ihm wohnen möchte. Eine Woche später wird Seehofer verlangen, das Parteiprogramm zu ändern. Da soll unbedingt drinstehen, dass der Protestantismus nicht zu Deutschland gehört. Als Ultima Ratio würde Seehofer auch auf Protestanten schießen lassen, wenn sie versuchen, illegal über die Grenze zu kommen. EUROPA DROHT DER BREXIT Rund 100 Milliarden Pfund, umgerechnet mehr als 130 Milliarden Euro, stehen für Großbritannien am 23. Juni auf dem Spiel. Um diese Summe könnte die Wirtschaftsleistung des Landes bis 2020 sinken, wenn sich die Briten für den Austritt aus der EU entscheiden. Das ergab kürzlich eine Analyse der Wirtschaftsprüfer von PwC. Fast eine Million Arbeitsplätze sind demnach in Gefahr. Ausgerechnet London, das europäische Herz der Finanzwelt, wäre nach einem Brexit plötzlich abgeschnitten vom freien Fluss des Kapitals. Aber der Schock wird nicht auf die Insel begrenzt bleiben. In den übrigen Ländern Europas droht den Banken ein Verlust, ebenfalls von mehr als 100 Milliarden Euro. Und es könnte noch schlimmer kommen. Dann nämlich, wenn der Brexit zum Vorbild wird. Jahrzehntelang wuchs Europa zusammen – jetzt könnte es wieder auseinanderdriften. Was, wenn andere Staaten es den Briten gleichtun? Zum ersten Mal, seit vor mehr als 60 Jahren die Montanunion entstand, droht ein großer Rückschritt in der Integration. Die jüngsten Umfragen sehen Befürworter und Gegner eines Brexit gleichauf. Triumphieren am 23. Juni die Skeptiker wie der britische Ukip-Chef Nigel Farage – die ökonomischen Folgen wären katastrophal. Der JUNI, der die Welt verändern kann Ein Monat, fünf Entscheidungen. Das Ölkartell tagt, die Notenbanken beraten, Europas Bürger stimmen ab. Es werden die wichtigsten 30 Tage des Jahres Von Stefan Beutelsbacher, Nando Sommerfeldt und Holger Zschäpitz GETTY IMAGES/JN Zippert zappt SPANIENS LINKSPOPULISTEN VOR DEM SIEG In Spanien wählen die Bürger am 26. Juni ihre neue Regierung. Die aktuellen Umfragen sehen ein Patt zwischen Linken und Konservativen. Die Volkspartei (PP) von Ministerpräsident Rajoy führt derzeit mit einem Anteil von knapp 30 Prozent. Damit wäre ihm der Sieg bis vor wenigen Wochen noch sicher gewesen – aber jetzt hat die linkspopulistische Podemos-Partei unter Führung von Pablo Iglesias ein Wahlbündnis mit der grün-kommunistischen Vereinigten Linken geschlossen. Diesem Lager trauen viele zu, die Konservativen abzufangen. Ökonomen fürchten einen Siegeszug der Populisten. Angesichts der ohnehin schwierigen wirtschaftlichen Situation halten sie ein Bündnis der zwei Volksparteien für sinnvoller. Ein Linksruck wie in Griechenland durch Syriza würde die viertgrößte Volkswirtschaft des Kontinents auf ihrem Erholungskurs zurückwerfen. Und das wäre fatal. Die Arbeitslosigkeit ist mit 20,1 Prozent so hoch wie fast nirgendwo in der EU. Zudem wird das Land in diesem Jahr deutlich an der Maastrichter Defizitgrenze von drei Prozent scheitern. Die künftige Regierung muss 20 bis 25 Milliarden Euro sparen – sonst könnte dem Kontinent ein Desaster wie im Fall Griechenlands drohen, nur viel schlimmer. THEMEN REUTERS/CHARLES PLATIAU Seite 18 POLITIK Wie wirkt sich der neue Gotthardtunnel auf die Anrainer aus? Seite 8 ÖLPREIS KÖNNTE EXPLODIEREN Vieles bleibt geheim, wenn sich die Männer in den Konferenzräumen in der Wiener Helferstorferstraße treffen. Die Öffentlichkeit hat zu den Opec-Sitzungen keinen Zutritt. Die Ergebnisse wird sie aber zu spüren bekommen. Am 2. Juni könnte die Organisation Erdöl exportierender Länder, jenes Kartell, das nichts weniger anstrebt als die Macht über den wichtigsten Rohstoff des Planeten, entgegen den Erwartungen einen wegweisenden Beschluss fassen: nämlich die Förderquoten einzufrieren. Der Ölpreis würde in die Höhe schießen. Seit Januar sind die Notierungen stetig gestiegen, von unter 30 auf fast 50 Dollar. Begrenzen die Ölstaaten tatsächlich die Förderung, könnten die Preise auf 70 Dollar springen, sagen Analysten. Für Staaten, die vom Verkauf des Rohstoffs leben, eine gute Nachricht – für Verbraucher nicht. Tanken und Heizen dürften teurer werden. Im April hatten die Opec-Länder und Russland schon einmal über einen Deal verhandelt. Erfolglos, weil sich Saudi-Arabien querstellte. Riads Kronprinz Mohammed Bin Salman hat kein Interesse daran, dem Erzrivalen Iran Marktanteile abzugeben. In Wien wird der neue saudische Ölminister Khalid al-Falih sein Debüt geben, die Opec könnte mit einem neuen Generalsekretär neue Stärke symbolisieren. Alles scheint möglich. WIRTSCHAFT So viel Sklaverei steckt in unseren T-Shirts und Smartphones Seite 10 FEUILLETON Sampling-Klage: Kraftwerk verliert Seite 21 PANORAMA Seit 22 Jahren in Haft – ohne Urteil Die Agenda der Europäischen Zentralbank (EZB) klingt nach Routine. Doch die Sitzung am 2. Juni könnte an den Finanzmärkten Turbulenzen auslösen. Erstmals seit Langem dürfte EZBChefökonom Peter Praet die Inflationsvorhersagen deutlich anheben. Das könnten die Märkte als Signal für eine Abkehr vom ultralockeren Kurs werten – und sich abrupt neu positionieren. Einen Crash am Anleihemarkt halten viele Experten für möglich. Gut zwei Wochen nach der EZB-Sitzung entscheidet der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts darüber, ob die historischen Worte von EZB-Präsident Mario Draghi, alles zu tun, um den Euro zu retten, die im sogenannten OMT-Programm mündeten, mit deutschem Recht vereinbar sind. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat das Programm für rechtmäßig erklärt, doch Karlsruhe hat Zweifel angemeldet. Sollten die obersten deutschen Richter dabei bleiben, würden sie sich nicht nur gegen den EuGH stellen. Möglicherweise könnten sie der Bundesbank explizit verbieten, beim OMT-Programm mitzumachen. Die Bundesbank ist größter Anteilseigner der EZB. Ohne den größten Finanzier aber ist selbst die beste Versicherung nicht mehr viel wert. Ein solches Urteil könnte die Fliehkräfte in der Euro-Zone erhöhen und Europa in die Krise stürzen. AFP/GETTY IMAGES/ED/MS Die Tragik des Marco Reus GETTY IMAGES/CS FURCHT VOR BÖRSENCRASH SPORT ENDE DES BILLIGEN GELDES An der Weltleitbörse in New York haben sie seit zwei Wochen kein anderes Thema mehr. Seit Janet Yellen eine Zinserhöhung für den Sommer angedeutet hat, rätseln die Händler, ob die Chefin der US-Notenbank sie bereits auf der Sitzung am 15. Juni wahr macht. Sollte das passieren, bekäme die gesamte Weltwirtschaft die Folgen zu spüren. Denn Yellens Federal Reserve ist so etwas wie die Zentralbank des Planeten. Keine andere Notenbank ist so mächtig. Viele Staaten und Firmen außerhalb der USA haben sich in Dollar verschuldet und hoffen darauf, dass das Geld so billig bleibt. Vor allem die Schwellenländer hängen von Yellen ab. Jede Veränderung in Washington könnte daher eine Krise in anderen Teilen der Welt auslösen, womöglich sogar ein globales Beben. Nachdem die Fed im vergangenen Dezember die Zinsen zum ersten Mal seit zehn Jahren angehoben hatte, waren in den darauffolgenden Wochen die Börsen zweistellig eingebrochen. Die Händler taxieren die Wahrscheinlichkeit für eine Zinsanhebung im Juni auf 34 Prozent. Die Mehrheit der Börsianer kann sich allerdings noch nicht so recht vorstellen, dass die Fed es noch vor der Brexit-Entscheidung riskieren will, zusätzliche Unruhe auszulösen. Seite 23 DAX Im Minus Seite 15 Dax Schluss Euro EZB-Kurs Punkte US-$ 10.262,74 1,1154 –0,68% ↘ +0,13% ↗ Dow Jones 17.40 Uhr 17.806,06 Punkte –0,38% ↘ ANZEIGE Überschallstürme und Methanregen Das Wetter der Planeten Heute um 20.05 Uhr Wir twittern Diskutieren live aus dem Sie mit uns Newsroom: auf Facebook: twitter.com/welt facebook.com/welt „Die Welt“ digital Lesen Sie „Die Welt“ digital auf allen Kanälen – mit der „Welt“-App auf dem Smartphone oder Tablet. Attraktive Angebote finden Sie auf welt.de/digital oder auch mit den neuesten Tablets auf welt.de/bundle I n einer programmatischen Erklärung zur Zukunft der Europäischen Union hat die Bundeskanzlerin vor Kurzem gesagt, „mit 80 Millionen Einwohnern“ komme man „nicht besonders weit in dieser Welt“. Wenn sich diese 80 Millionen aber mit den anderen Europäern „auf eine gemeinsame Position einigen“ würden, dann wäre das „immerhin doch eine schlagkräftige Truppe“, die sich „in einer globalen Welt“ behaupten könne. Würden sich die Schweizer die Worte Merkels zu Herzen nehmen, dann müssten sie verzweifeln oder sich am besten gleich vom höchsten Punkt des Gotthardmassivs in die Tiefe stürzen. Denn mit nur acht Millionen Einwohnern machen die Eidgenossen gerade mal ein Promille der Weltbevölkerung aus. Dagegen sind die Deutschen mit immerhin 80 Millionen fast schon eine Großmacht. Al- KOMMENTAR Die Schweiz zeigt, wie’s geht HENRYK M. BRODER lerdings, was den Deutschen Angst macht, nämlich sich in einer globalen Welt behaupten zu müssen, das ist für die Schweizer ein nie versiegender Quell der Inspiration. Klasse kommt vor Masse, Leistung vor Freizeit, so wurde in 200 Jahren aus einem der ärmsten Länder Europas eines der reichsten Länder der Welt. Wenn man wissen will, was die große Bundesrepublik von der kleinen Confoederatio Helvetica unterscheidet, muss man sich nur vergegenwärtigen, dass die Planungen für den Gotthardtunnel und für den neuen Berliner Flughafen etwa zur gleichen Zeit begannen. Der 57 Kilometer lange Tunnel wird heute offiziell eröffnet, die Inbetriebnahme des von Anfang an zu klein konzipierten Hauptstadt-Airports steht in den Sternen. Die Schweizer durften 1992 in einer Volksab- stimmung über das Projekt entscheiden, 64 Prozent stimmten mit Ja. In Deutschland käme niemand auf die Idee, dem Volk eine solche Entscheidung zuzumuten. Es darf nur für die Kosten aller Extra-GAUs aufkommen. Die Schweizer sind Anarchisten mit einem stark ausgeprägten Sinn für Ordnung – eine einmalige Mischung, der sie sowohl ihre Freiheit wie ihre politische Stabilität verdanken. Die Präzision, mit der sie ihren öffentlichen Personennahverkehr organisieren, steht für das gesamte System. Alle Macht geht vom Volke aus. Die Basis bilden 2324 Gemeinden in 26 weitgehend autonomen Kantonen, die über mehr Rechte und Zuständigkeiten verfügen als die deutschen Bundesländer. Darüber wölbt sich ein ausgesprochen schlanker Staat, den viele Schweizer al- DIE WELT, Axel-Springer-Straße 65, 10888 Berlin, Redaktion: Brieffach 2410 Täglich weltweit in über 130 Ländern verbreitet. Pflichtblatt an allen deutschen Wertpapierbörsen. Telefon: 030 / 2 59 10 Fax 030 / 259 17 16 06 E-Mail: [email protected] Anzeigen: 030 / 58 58 90 Fax 030 / 58 58 91 E-Mail [email protected] Kundenservice: DIE WELT, Brieffach 2440, 10867 Berlin Telefon: 0800 / 9 35 85 37 Fax: 0800 / 9 35 87 37 E-Mail [email protected] A 3,20 & / B 3,20 & / CH 5,00 CHF / CZ 95 CZK / CY 3,40 & / DK 25 DKR / E 3,20 & / I.C. 3,20 & / F 3,20 & / GB 3,00 GBP / GR 3,40 & / I 3,20 & / IRL 3,20 & / L 3,20 & / MLT 3,20 & / NL 3,20 & / P 3,20 & (Cont.) / PL 15 PLN / SK 3,20 € + © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung DW-2016-06-01-zgb-ekz- ed6c03ec1b2330fc90fbb92a4808fbd5 lerdings bereits für aufgebläht halten. Die Regierung in Bern, der Bundesrat, besteht aus sieben Ressortchefs, die von der Bundesversammlung, dem Parlament, gewählt werden. Es gibt keinen Ministerpräsidenten und keinen Staatspräsidenten, dafür ein Rotationssystem, in dem ein „Primus inter Pares“ ein Jahr lang die Regierungssitzungen führt, Staatsgäste empfängt und das Land im Ausland repräsentiert. Alles, was darüber hinausgehen würde, wäre Verschwendung. Die Schweiz ist das Musterdorf Europas, ein Beweis, dass es auf Größe allein nicht ankommt. Die nächste Volksabstimmung findet am 5. Juni statt. Es geht um die Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens. Und egal, wie der Entscheid ausgehen wird, es wird ein Beweis für den gesunden Menschenverstand der Schweizer sein. ISSN 0173-8437 126-22 ZKZ 7109
© Copyright 2024 ExpyDoc